Chiemseebahn

Strecken und Fahrzeuge des Regionalverkehrs (ohne S-Bahn!)
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Wetterfrosch
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Beitrag von Wetterfrosch »

Gestern war es mal wieder so weit: Bei strahlendem Sonnenschein und traumhaften Bergblick der Chiemgauer-Alpen fand gestern wieder einmal der klingende Chiemsee statt.

Und natürlich wird auch hier, wie jedes Jahr, die Chiemseebahn vom Bahnhof Prien nach Prien-Stock Seehafen, miteingebunden.
Musikalisch ging es dann in ca. 10 Minuten von Bahnhof zu Bahnhof auf Schmalspur unter Dampf.
Die 7 kleinen, grünen Waggons samt 1. Klasse (übrigens Aufpreis auf 1.Klasse hier nur 1 Euro :-) ) waren gut gefüllt und darunter auch die Blaskapellen, die an diesem Tag beteiligt waren: z.B. Blaskapelle Prien, Wildenwart, Bernau, Blaskapelle Bruckmühl (meinereiner mitbeteiligt)
Das macht schon Spaß, so langsam dahinzuzockeln und kräftig dazu musizieren. Da schaut dann mal eine Tuba beim Fenster raus oder der Trompeter steht außerhalb bei den Kupplungen der Waggons. 35 Mann passen gut in einen Waggon (also wir Musiker halt), es war gemütlich, lustig aber auch laut *ggg*
Wenn dazu dann bei der Einfahrt noch die Dampfpfeife ertönt und alle Menschen winken und lächeln, kann man sich richtig freuen.
Weiter ging es dann mit den Schiffen der Chiemseeschifffahrt (zahlreiche Touristen aus dem Ausland v.a. Italiener, die ja jetzt ihre Rundtour samt Oktoberfest machen) zu den Inseln, natürlich auch hier weiter musikalisch.
Ein gelungener Tag am Chiemsee.
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Wildwechsel
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Beitrag von Wildwechsel »

Für diejenigen, die die Chiemseebahn nicht kennen (schwere Bildungslücke !) hier ein paar Hintergrundinfos. Der folgende Artikel ist heuer in der (Jugend-) Vereinszeitschrift des in Prien am Chiemsee ansässigen Segelclub Harras Chiemsee e. V. erschienen.
Die Chiemseebahn

Seit dem 9. Juli 1887 ist sie in Betrieb - die Chiemseebahn, die den Bahnhof in Prien mit dem Hafen im Ortsteil Stock verbindet, auf einer rund 1,7 km langen Strecke mit einer Spurweite vom 1 000 mm und einem kaum merklichen, aber doch vorhandenen Gefälle von 1%. Den Bauauftrag hierfür hat Ludwig Feßler im Jahre 1886 erteilt, und zwar vor folgendem Hintergrund:
Das Schloss Herrenchiemsee war im Jahre 1886, als König Ludwig II verstarb, weitgehend fertiggestellt. Nach seinem Tod wurde es vom Prinzregenten Luitpold zur allgemeinen Besichtigung freigegeben. Daraufhin brach ein Ansturm auf die Chiemseeschifffahrt los, der einer Völkerwanderung glich. Die meisten Ausflügler kamen mit der Staatsbahn am Bahnhof an und mussten dann entweder einen halbstündigen Fußmarsch zum Hafen zurücklegen, oder sie fuhren mit einer Art Pferdeomnibus, den Ludwig Feßler kurzfristig organisiert hatte. Ein lukratives Geschäft witternd, versuchte sich letztlich jeder Priener Bürger, der über einen halbwegs fahrbaren Untersatz verfügte, als Kutscher. Dies endete nach kürzester Zeit in einem unglaublichen Chaos, begleitet von schweren Unfällen. Dies wollte Ludwig Feßler nicht länger dulden und beauftragte deshalb den Bau der Dampftrambahn, die nach einer reinen Bauzeit von nur 70 Tagen eröffnet werden konnte. Ein paar Grundenteignungen, die gerichtsmassig wurden, stritt man noch bis zu zehn Jahre nach der Eröffnung vor Gericht aus.
Anfangs gab es auf der Strecke noch einen zusätzlichen Haltepunkt in Höhe des heutigen Minigolfplatzes in Stock, den das Rosenheimer Bezirksamt angeordnet hatte. Dieser Nonsens wurde aber schon nach kurzer Zeit aufgegeben.
Im Jahr 1895 gab es tatsächlich ernsthafte Überlegungen, die Strecke nach dem Vorbild anderer Trambahnen zu elektrifizieren. Die Pläne wurden jedoch schnell wieder verworfen.
Im Winter 1908/1909 fand ein wesentlicher Umbau der Strecke statt. Bis dahin kreuzte die Chiemseebahn nämlich auf Höhe der heutigen Straßenunterführung am Bahnhof die Gleise der Staatsbahn höhengleich, der Bahnhof der Chiemseebahn lag im Bereich des heutigen Bahnhofsvorplatzes. Erst mit der dringend gewordenen Beseitigung des Gefahrenpunktes, den die Kreuzung darstellte, verlegte man den Bahnhof der Chiemseebahn an seine heutige Stelle östlich der Bahngleise.
Der Betrieb auf der Chiemseebahn wird durchgeführt mit einer Dampflok, einer Diesellok, einem Salonwagen 1. Klasse, einem Wagen 1./2. Klasse mit Gepäckabteil und einer ganzen Reihe Waggons 2. Klasse, wovon die meisten halboffen, das heisst ohne verglaste Fenster sind.
Die Dampflok wurde im Jahr 1887 von der Firma Krauss gebaut. Sie hat eine Leistung von 44 kW und schafft eine Höchstgeschwindigkeit von 15 km/h. Im Winter 1957/58 erhielt sie einen neuen Kessel.
Die Diesellok wurde im Winter 1982/83 gebraucht erworben und so umgebaut, dass sie optisch zum historischen Fahrzeugpark der Chiemseebahn passt (Kastenform). Sie ist als Reservelok vorgesehen, falls die Dampflok ausfällt. Der frühere Einsatzort der 1962 von der Firma Deutz gebauten, 18 km/h schnellen Lok war die Stadt Bebra. Der 92 kW starke Motor wurde im Winter 1990/91 durch einen neuen, 151 kW starken MAN-Motor ersetzt. Die Überführungsfahrt im Dezember 1982 gestaltete sich etwas schwierig. Am Bahnhof Prien wurde die Lok mit einem Autokran von einem Eisenbahnwaggon abgeladen und auf die Schmalspurgleise der Chiemseebahn gestellt, auf denen sie aus eigener Kraft nach Stock fahren sollte. Nach wenigen Metern schon wurde die Fahrt jedoch von einem Stapel Dachplatten unterbrochen, der dort von einem Anlieger auf der üblicherweise im Winter nicht in Betrieb befindlichen Strecke abgelagert war. Also wurde der Autokran, der schon auf der Rückfahrt war, schnell noch mal herbeibeordert, um die Diesellok über das Hindernis zu hieven.
Nicht unerwähnt bleiben sollte, dass auf der Strecke der Chiemseebahn bis 1966 auch ein regelmäßiger Güterverkehr stattgefunden hat. Und zwar wurde die Kohle, die für die Dampfschiffe benötigt wurde, auf diese Art und Weise vom Bahnhof zum Hafen transportiert. Aus diesem Grund gab es am Bahnhof in Prien auch ein Ladegleis, das 1970 abgebaut wurde. Auch die Anlieferung neuer Schiffe erfolgte teilweise - entsprechend zerlegt - mit der Chiemseebahn.
Zur Zukunft der Chiemseebahn lässt sich sagen, dass sie inzwischen vom Freistaat Bayern unter Denkmalschutz gestellt wurde. Die Betriebskonzession wurde bis zum 5. Juni 2036 verlängert. Problematisch ist der Kessel der Dampflok, der eigentlich dringend erneuerungsbedürftig wäre, weshalb zu hoffen bleibt, dass sich die Firma Ludwig Feßler nicht aus wirtschaftlichen Überlegungen von der Dampflok trennt.
Beste Grüße usw....
Christian


Die drei Grundsätze der öffentlichen Verwaltung in Bayern:
1. Des hamma no nia so gmacht
2. Wo kamat ma denn da hi
3. Da kannt ja a jeda kemma
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Wetterfrosch
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Beitrag von Wetterfrosch »

Ja und ich hab auch noch einen Link für alle Technik-Freaks:
Hier die technischen Daten der Bahn:
http://www.chiemsee-schifffahrt.de/main/ch...ahn_technik.htm


und bei Mercurio gibts noch ein paar Fotos:

http://mercurio.iet.unipi.it/pix/de/privat...eebahn/pix.html
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Wildwechsel
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Beitrag von Wildwechsel »

Wildwechsel @ 29 Sep 2003, 21:06 hat geschrieben: Der folgende Artikel ist heuer in der (Jugend-) Vereinszeitschrift des in Prien am Chiemsee ansässigen Segelclub Harras Chiemsee e. V. erschienen.
Aus gegebenem Anlass weise ich darauf hin, dass für die Wiedergabe dieses Artikels die Zustimmung des Urhebers vorliegt.
Beste Grüße usw....
Christian


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