So, sorry erstmal für die Verzögerung, hatte zwischendurch keine Zeit fürs Forum.
Autobahn @ 9 Mar 2010, 21:05 hat geschrieben:Natürlich "merke" ich bei dem Wort HVZ etwas. Und zwar sehr viel. In dieser Zeit sind nicht nur die Straßen voll, sondern auch der ÖPNV. In manche Züge oder Tambahnen und Busse passt eigentlich keine Maus mehr rein. Nach dem derzeitigen Ausbaustand ist es gar nicht möglich, die von Dir gewünschten 50% der MIV-Pendler zusätzlich aufzunehmen.
Zunächst am Rande bemerkt: Die 50% waren jetzt einfach mal so ne als Diskussionbeispiel verwendete Zahl.
Und da sind wir beim Ausgangspunkt der Diskussion: Investitionen (oder nach Ansicht einiger zu geringe Investitionen) in den Schienenverkehr (bzw. allgemein den ÖPNV).
Autobahn @ 9 Mar 2010, 21:05 hat geschrieben:Nun stellt sich die Frage, wie man das Angebot verbessern kann. Die vorhandene Infrastruktur gibt kaum ein mehr an Verkehr her. Der Platz reicht auch meist nicht, diese zu vergrößern. Als einzige Lösung blieben längere Züge, wozu aber die Bahnsteiglängen nicht immer ausreichen. Oder Dostos, wo der Fahrgastwechsel zu lange dauert.
Nun, wie gesagt, dann muss man Investieren. Das ist doch das wovon wir reden?
Klar, in Ballungsräumen ist Platz immer eine Sache. Wobei zusätzliche Gleise nicht immer unmöglich sind.
Aber auch wo dies nicht möglich ist, kann man häufig was machen. Bahnsteige kann man verlängern, wenn die Züge länger werden müssen
(seltene Ausnahmen, wie z.B. Überlingen am Bodensee, dessen Innenstadt-Haltepunkt beidseitig von einem Tunnel eingeschlossen ist und das der Grund ist, wieso die mehr als gut gefüllten IRE Sprinter Ulm-Basel nicht mit mehr als zwei 611ern gefahren werden können). Die Zugfolge kann man im Ballungsraum erhöhen - siehe die signaltechnisch hochgezüchtete Münchner S-Bahn-Stammstrecke, wo in der HVZ problemlos 30 Züge pro Stunde und Richtung fahren. Bei Mischverkehr geht sicher nicht ganz so viel, aber es ist gegenüber "Standardstrecken" technisch viel machbar. Je nach Situation können DoStos auch eine Lösung sein.
Auf Straßenseite gibt es diese Möglichkeit nicht. Da heißt die "Lösung" wenn der Platz zu eng wird halt Stau.
Allerdings möchte ich anmerken - sicher sind die meisten Verkehrsprobleme in den Ballungsräumen, und sicher ist hier auch am effektivsten ÖPNV zu betreiben. Ich möchte das aber keinesfalls darauf verkommen lassen. Auch "ländliche" Bahnen kann man mit Investitionen zu mehr Attraktivität verhelfen. Und wenn in einem Ort in Schienennähe der Schwerverkehr zu ein- zwei Betrieben ein Problem ist, sollte man bei einem Schrei nach Umgehungsstraßen auch mal nachdenken, ob der Schwerverkehr nicht auf einen Gleisanschluß zu bringen ist.
Autobahn @ 9 Mar 2010, 21:05 hat geschrieben:Hinzu kommt, dass jegliche Investition nur für drei bis vier Stunden am Tag erforderlich ist.
Ein Pendler mit 30 Minuten einfachem Weg benötigt sein Auto nur eine Stunde pro Tag. Die volle Leistung meines Heizkessels brauche ich nur ein paar wenige Tage im Jahr, die übrige Zeit reicht die Hälfte. Meine Dusche brauch ich nur 10 Minuten am Tag. Mein Haustürschloß sogar wohl nichtmal eine Stunde im Jahr, weil die übrige Zeit niemand unberechtigtes versucht, bei mir reinzukommen. Soll man deswegen darauf verzichten?
Nein im Ernst. Das kann hier nicht der Maßstab sein.
Weder aus ökologischen und energiepolitischen Gründen - ÖPNV benötigt nunmal i.d.R. weniger Energie als MIV, vor allem wenn der MIV sinnlos Sprit im Stau verheizt. Die Energieresourcen und das Klima interessiert es später nicht ob man den Bahnsteig 1 oder 20 Stunden am Tag "gebraucht" hat.
Und auch aus volkswirtschaftlichen und gesellschaftlichen Gründen nicht. Gerade seitens ADAC und Co wird - um die Forderung nach neuen Straßen zu unterstreichen - immer wieder vorgerechnet, wie teuer doch die im Stau verlorene Zeit ist. Und was nebenbei durch den Stau an zusätzlichem Sprit (wegen stehen mit laufendem Motor) verblasen wird. Und im übrigen ist soweit ich weiß genau DAS der Punkt der den volkswirtschaftlichen Kosten-Nutzen-Faktor bei der Förderung von ÖPNV-Projekten bestimmt.
Hier in Ulm werden derzeit Tunnels der durch die Stadt verlaufenden, Autobahnähnlich ausgebauten B10 saniert. Der zu sanierende Abschnitt ist voll gesperrt, der Verkehr läuft einspurig durch den Tunnel der Gegenfahrbahn.
Was haben hier die Wirtschaftsvertreter gemotzt, dass die Stadt doch gefälligst für mehr Geld das eine andere Firma im 3-Schicht-Betrieb machen lassen soll um die Bauzeit zu kürzen, weil die im Stau verlorene Zeit doch so teuer ist. Hat die Stadt nicht gemacht, weil das Risiko nicht von der Hand zu weisen war, dass es hinterher nicht kürzer geht als mit der erfahrenen Firma im Zweischichtbetrieb und trotzdem teurer.
Und was haben die Händler im Herbst gemotzt, dass man die Bauarbeiten über den Advent aussetzen soll, weil sie Angst hatten, Einbußen im Weihnachtsgeschäft zu machen, wenn die Leute den Stau meiden.
Autobahn @ 9 Mar 2010, 21:05 hat geschrieben:Wir wollen ja auch einen Taktfahrplan, also eine feste Uhrzeit, die man sich leicht merken kann und schon gar nicht wollen wir große Taktlücken.
Was aber nicht ausschließt, dass man bei einem vernünftigen Grundtakt den Takt in der HVZ verdichtet (idealerweise verdoppelt bei gleich merkbaren Uhrzeiten).
Autobahn @ 9 Mar 2010, 21:05 hat geschrieben:Es ist nun einmal so, dass die Städte um die Eisenbahn herum gewachsen sind. Genau so ungern, wie man die Leute aus ihren Häusern vertreibt, um eine Straße zu bauen, wird man es tun, um eine neue Eisenbahntrasse durch die Stadt zu schlagen.
Klar. Verlangt auch niemand.
Nur ist das bei den Straßen genauso. Mit dem schon erwähnten wesentlichen Unterschied, dass ein Mehrverkehr auf Schienen oft ohne zusätzliche Gleise auf der ganzen Fläche möglich ist, durch längere Züge, signaltechnische Hochrüstung und ggf. zusätzliche Bahnsteige (die oft durchaus möglich sind, z.B. durch umnutzung Bahneigener Fläche). Und ein Ausbau in diesem Bereich hilft dann auch den Stau auf der Straße zu lindern.
Oder - im Stadtbahnbereich - dann eben durch Umnutzung von MIV-Fläche zu ÖPNV-Fläche.
Im übrigen finde ich es aus diesem Grund auch immer sehr bedenklich, wenn vorhandene Bahnflächen aus städtebaulichen Gründen entwidmet werden.
Oder wenn Bahnhöfe minimalisiert tiefergelegt werden, wo beim alten Bahnhof ein Mehrverkehr problemlos zu machen gewesen wäre bzw. von alten Gütergleisen etc. auch Platz für ggf. künftigen Infrasturkturausbau, hingegen beim neuen Tunnelbahnhof die Infrastruktur auf den heutigen Verkehrsbedarf zementiert wird, ohne viel Spielraum für Mehrverkehr, wie in Stuttgart. In Neu-Ulm schon geschehen, wobei hier im Vergleich zu Stuttgart noch deutlich mehr Luft nach Oben sein dürfte.
Autobahn @ 9 Mar 2010, 21:05 hat geschrieben:Straßen verbinden die Wohnungen der Menschen untereinander. Man kann sie mannigfaltig nutzen. Eisenbahnen verbinden Orte. Man kann sie nur einseitig nutzen.
Klar sind Straßen im Grundsatz unerlässlich.
Es geht jedoch um den Ausbau von Schiene vs. Straße. Und Ausbau von Straße heißt nicht, einem Wohnquartier überhaupt mal eine Straße zu geben (was selbstverständlich ist), sondern verbreiterung von Straßen, zusätzliche (Umgehungs-)Straßen, Ortsumfahrungen etc. Über diese hier reden wir. Und diese generieren einerseits i.d.R. auch Mehrverkehr, und wären andererseits nicht immer so nötig, wenn man den Verkehr auf die Schiene lenken würde.
Autobahn @ 9 Mar 2010, 21:05 hat geschrieben:Gleichwohl, der Bau von Stadtbahnen mit eigenem Gleiskörper, in einigen rheinischen Städten fälschlich als U-Bahn bezeichnet, ist trotz der Skandale durch Pfusch am Bau der richtige Weg.
Da sind wir uns einig. (Auch wenn Stuttgart keine rheinische Stadt ist B) )