Alkohol: Sucht, Gefahren, Alkohol am Steuer

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TramPolin
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Beitrag von TramPolin »

Autobahn @ 3 May 2010, 20:58 hat geschrieben:@ TramPolin

Von einer Rechtfertigung für ungerechtfertigte Gewalt seitens der Polizei habe ich nichts geschrieben, allenfalls habe ich Verständnis für das Verhalten einzelner Polizisten geäußert, die sich in einer Stresssituation falsch verhalten.
Das hört sich nun anders an. :) "Verständnis" und "Rechtfertigung" liegen aber so weit auseinander nicht. Auch dem "Verständnis" würde ich nicht unbedingt zustimmen. Man kann die Mechanismen "verstehen", die sich bei angestautem Frust in einer Gewalthandlung ausdrücken, aber muss dennoch kein "Verständnis" für den Betreffenden haben. Verständnis geht schon mal in die Richtung, dass man das Verhalten tolerieren würde. (Wobei "Verständnis" ein Wort mit sehr vielen Feinbedeutungen ist, vielleicht liegt da die Konfusion.)
Autobahn @ 3 May 2010, 20:58 hat geschrieben:Ich glaube kaum, dass sich die Chaoten einem öffentlichen Druck ausgesetzt fühlen, allenfalls dem Fahndungsdruck der Sicherheitsbehörden. Und der geht ihnen am Dingsbums vorbei.
Damit scherst Du alle über einen Kamm. Wer sich gewalttätig auf einer Demonstration verhalten hat, kann das im Nachhinein durchaus bereuen.
Autobahn @ 3 May 2010, 20:58 hat geschrieben:Und nach der Polizei kommt das Gerichtsverfahren, und was passiert dann? In der Regel zu milde Urteile.
Ganz so einfach ist es nicht. Harte Strafen haben zwar was Gutes, sie schrecken ab, aber dass die Abschreckung nur bedingt proportional zur Strafhöhe wächst, sehen wir an Staaten mit harten Strafen bis hin zur Todesstrafe. Zu bedenken ist auch, dass es in nicht ganz so gravierenden Fällen besser ist, jemand mit Bewährung davonkommen zu lassen, anstatt ihn ins Gefängnis zu stecken, wo er unter Umständen zum dauerhaft Kriminellen "ausgebildet" wird. Ich sag es bewusst mal überspitzt, man wird mich sicher schon (nicht) falsch verstehen.
Autobahn @ 3 May 2010, 20:58 hat geschrieben:Sorry, aber Chaoten – egal ob politisch oder „sportlich“ motiviert, sollten eine spürbare Strafe erhalten, mit Steigerungen bei Lernunwilligkeit.
Das ist jetzt eine so allgemeine Aussage, die jeder Politiker sagen könnte, ohne anzuecken. Einer von den Grünen ebenso wie einer von der CSU.
DumbShitAward
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Beitrag von DumbShitAward »

Man darf das nicht so eindimensional sehen. Es gibt durchaus Leute (also ernstzunehmende), die der Meinung sind, dass das Verhalten von Polizei, vor allen Dingen aber auch von der Legislative einen nicht unerheblichen Teil zur Radikalisierung beigetragen hat. Die Ursachenforschung müsste da eigentlich in den frühen 60er Jahren begonnen werden, schon alleine aufgrund der zeitlichen Distanz ist das aber kaum möglich.

Es geht hier natürlich nicht ums kindliche "der hat aber angefangen", sondern um die relativ unbestrittene Tatsache, das Gewalt (in welcher Form auch immer) Gegengewalt erzeugt. Meistens sind es die Summe der Kleinigkeiten (Fußballfans werden Massenweise am Bahnsteig aufgehalten und eingekesselt, erst dann wirds überhaupt erst ungemütlich, mehrere Beamten haben keine Lust sich verbal mit einem an und für sich friedlichen, wenn auch sturen Demonstranten auseinanderzusetzen und nehmen ihn mit drei Mann unter Einsatz von Gewalt fest, etc.), die überhaupt eine feindliche Haltung der Polizei gegenüber schüren. Das ganze wird dann emotional hochgekocht, bis man vor sich selbst (bzw. vor den anderen) unprovozierte Gewalt gegen die Polizei gutheißen kann. Die Antwortet dann natürlich mit noch restriktiveren Maßnahmen, so schaukelt sich das hoch. Je nach Personengruppe entlädt sich diese Antipathie natürlich unterschiedlich. Der eine bekommt Angst und meidet jede Form der Staatsobrigkeit, ist Misstrauisch, usw., der nächste, so wie ich, leiert den juristischen Aparat an und schreckt auch vor einem langwierigen Zivilprozess nicht zurück, wieder andere werfen Steine (natürlich gibt es hier qualitative Unterschiede).

Ich kann es durchaus nachvollziehen (verstehen und/oder gar gutheißen in keinster Weise), dass einem Polizisten die Sicherung durchbrennt (das soll und darf nicht passieren, und wenn doch, dann muss die Person bestraft werden - genauso, wie jemand, der mit Steinen auf die Polizei wirft). Das aber mit der wohl stattgefundenen Provokation zu legitimieren ist aber fahrlässig und ganz und gar kein Rechtfertigungsgrund.
Der Staat (bzw. die Polizei) muss sich hier langsam ernsthafte Gedanken zum Thema Deeskalation machen, das passiert bei größeren Veranstaltungen so gut wie nie. Das linke Lager schreit zwar immer, die Polizei habe sie provoziert, was natürlich deutlich übertrieben ist, allerdings steckt mehr als nur ein Fünkchen Wahrheit in dieser Art der Selbstlegitimation.

Fälle wie der Prügelanfall auf der "Freiheit statt Angst" Demo, das dutzend Schüsse auf den Regensburger Studenten Eisenberg (incl. der dilettantischen Ermittlung und der wenig überzeugenden Staatsanwaltschaft) oder auch die mutmaßliche Hinrichtung Ohnesorgs (wenn auch schon über 40 Jahre her) als Paradebeispiel für eine blitzsaubere Vertuschungsaktion seitens der Westberliner Behörden machen die Situation wahrlich nicht besser.
Lektion 73 in unserer Serie "Rechtsstaat für Anfänger", heute: §81 StGB

Wer es unternimmt, mit Gewalt oder durch Drohung mit Gewalt den Bestand der Bundesrepublik Deutschland zu beeinträchtigen oder die auf dem Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland beruhende verfassungsmäßige Ordnung zu ändern, wird mit lebenslanger Freiheitsstrafe oder mit Freiheitsstrafe nicht unter zehn Jahren bestraft.
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Autobahn
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Beitrag von Autobahn »

@ TramPolin

Ich habe nach wie vor Verständnis für den Beamten und sogar Mitleid, denn ihm droht u.U. eine Haftstrafe von mehr als einem Jahr und eine Entlassung aus dem Polizeidienst. Die Ursache für sein Fehlverhalten, die von „Demonstranten“ ausgehende Gewalt, wird dabei völlig ausgeblendet.

Bei den Krawallen wurden 440 Polizisten verletzt, die Täter erfreuen sich bester Gesundheit, sind auf freiem Fuß und brauchen – da sie wahrscheinlich nicht identifiziert werden – auch keine Strafverfolgung zu befürchten.
Welt.de @ , hat geschrieben: Sollte sich der Verdacht gegen den Mann bestätigen und es zu einer Verurteilung mit einer Freiheitsstrafe von über einem Jahr kommen, wird er aus dem Polizeidienst entlassen.
( http://www.welt.de/die-welt/regionales/art...tellt-sich.html )
Welt.de @ , hat geschrieben: Laut Polizei-Bilanz wurden bei den Krawallen 440 Polizisten verletzt, erheblich mehr als in den vergangenen Jahren. Nach Einschätzung des Hamburger Polizeigewerkschafters Lender sind die Polizisten in Berlin „verheizt“ worden.
( http://www.welt.de/politik/article3678175/...n-verheizt.html )

@ DumbShitAward
Es geht hier natürlich nicht ums kindliche "der hat aber angefangen", sondern um die relativ unbestrittene Tatsache, das Gewalt (in welcher Form auch immer) Gegengewalt erzeugt.
Das ist auch zu eindimensional gedacht. Der Staat hat das alleinige Monopol, physische Gewalt auszuüben, um die Bürger vor Übergriffen zu schützen. Das vielfach geäußerte Argument besonders linker Gruppen, allein die Anwesenheit der Polizei würde zur Gewalt provozieren, ist schlicht falsch. Die so genannten „Autonomen“ würden dann erst recht die Rechte ihrer Mitbürger verletzen, besonders das ihnen verhasste Recht auf Eigentum oder das Demonstrationsrecht anderer Gruppen. Die Polizei ist da als Vertreter des verhassten Staates auch nur ein willkommenes Angriffziel.

Das Ziel dieser Gruppen ist, die verfassungsmäßige Grundordnung unseres Staates zu zerstören. Sie können sich also nicht auf Artikel 20, Abs. 4 des Grundgesetzes stützen, vielmehr wäre es Pflicht der sie möglicherweise ungewollt deckenden friedlichen Demonstranten sie an die Polizei auszuliefern.
Der Kapitalismus ist so alt wie die Menschheit, der Sozialismus ist nur Siebzig geworden. Er hatte keine Krise, er hatte kein Kapital.
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Beitrag von DumbShitAward »

Autobahn @ 4 May 2010, 07:50 hat geschrieben: Das ist auch zu eindimensional gedacht. Der Staat hat das alleinige Monopol, physische Gewalt auszuüben, um die Bürger vor Übergriffen zu schützen. Das vielfach geäußerte Argument besonders linker Gruppen, allein die Anwesenheit der Polizei würde zur Gewalt provozieren, ist schlicht falsch. Die so genannten „Autonomen“ würden dann erst recht die Rechte ihrer Mitbürger verletzen, besonders das ihnen verhasste Recht auf Eigentum oder das Demonstrationsrecht anderer Gruppen. Die Polizei ist da als Vertreter des verhassten Staates auch nur ein willkommenes Angriffziel.
Das habe ich ja auch nicht gesagt. Auseinandersetzungen zwischen solchen Leuten und der Polizei wird es immer geben und sich hier auf Widerstandsrecht zu berufen ist natürlich nicht korrekt.
Der Staat hat natürlich das Gewaltmonopol, von gewissen spezifischen Ausnahmen abgesehen, aber er geht damit nicht immer verantwortungsbewusst um. Natürlich lässt sich das Problem durch die Abwesenheit der Polizei erst recht nicht lösen, das habe ich ja auch nicht behauptet, aber das Problem lässt sich eindämmen, wenn die Polizei wirklich "Freund und Helfer" wäre und nicht eine Einrichtung, wo man zumindest genau hinschauen muss, ob da auch alles sauber läuft. Es geht hier ja nur sekundär um gewaltbereite Demonstranten, sondern allgemein. Wenn wir eine Polizei hätten, bei der zumindest nach bestem Willen generell versucht wird fair und objektiv zu arbeiten, Gewalt nur dann einzusetzen, wenn es ihr auch gestattet ist und die dann entsprechend verhältnismäßig zu gestalten sowie entsprechende Entgleisungen strikt zu ahnden, dann wird es auch weniger Leute geben, die gewalttätig gegen Polizisten vorgehen (und vor allen Dingen wenigere, die dann einfach wegschauen). Das ist natürlich ein graduierlicher Prozess und nicht von Heute auf Morgen lösbar, aber er ist dringend notwendig.

Ich habe jedenfalls kein Mitleid mit dem Beamten. Wir reden ja nicht von davon, dass er aus Wut/Frust jemanden geschubbst hat oder ähnlichem, nein wir reden von einem Tritt an den Kopf mit einem schweren Stiefel. In der jüngeren Vergangenheit wurden ähnliche Taten als versuchter Mord beziffert (das haben wir hier natürlich nicht - allerdings auch in den einschlägigen Fällen nicht unbedingt).
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Beitrag von andreas »

TramPolin @ 3 May 2010, 20:40 hat geschrieben: So wenig ich Gewalt gegen Sachen und Menschen begrüße, so wenig kann das als Rechtfertigung für Gewalt seitens der Polzei an Wehrlosen oder Friedlichen dienen.
hmm, wenn man jetzt böse wäre würde man sagen, der Polizist hat ja nur einen vermummten Chaoten ausgeschaltet, der ihnen sonst in den Rücken gefallen wäre....
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autolos
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Beitrag von autolos »

DumbShitAward @ 4 May 2010, 09:25 hat geschrieben: Das habe ich ja auch nicht gesagt.  Auseinandersetzungen zwischen solchen Leuten und der Polizei wird es immer geben und sich hier auf Widerstandsrecht zu berufen ist natürlich nicht korrekt.
Der Staat hat natürlich das Gewaltmonopol, von gewissen spezifischen Ausnahmen abgesehen, aber er geht damit nicht immer verantwortungsbewusst um.  Natürlich lässt sich das Problem durch die Abwesenheit der Polizei erst recht nicht lösen, das habe ich ja auch nicht behauptet, aber das Problem lässt sich eindämmen, wenn die Polizei wirklich "Freund und Helfer" wäre und nicht eine Einrichtung, wo man zumindest genau hinschauen muss, ob da auch alles sauber läuft.  Es geht hier ja nur sekundär um gewaltbereite Demonstranten, sondern allgemein.  Wenn wir eine Polizei hätten, bei der zumindest nach bestem Willen generell versucht wird fair und objektiv zu arbeiten, Gewalt nur dann einzusetzen, wenn es ihr auch gestattet ist und die dann entsprechend verhältnismäßig zu gestalten sowie entsprechende Entgleisungen strikt zu ahnden, dann wird es auch weniger Leute geben, die gewalttätig gegen Polizisten vorgehen (und vor allen Dingen wenigere, die dann einfach wegschauen).  Das ist natürlich ein graduierlicher Prozess und nicht von Heute auf Morgen lösbar, aber er ist dringend notwendig.

Ich habe jedenfalls kein Mitleid mit dem Beamten.  Wir reden ja nicht von davon, dass er aus Wut/Frust jemanden geschubbst hat oder ähnlichem, nein wir reden von einem Tritt an den Kopf mit einem schweren Stiefel.  In der jüngeren Vergangenheit wurden ähnliche Taten als versuchter Mord beziffert (das haben wir hier natürlich nicht - allerdings auch in den einschlägigen Fällen nicht unbedingt).
@ DumbShitAward und TramPolin

Es sind m.E. Äußerungen wie Eure, die kriminelle Gewalttäter entlasten und Druck von ihnen nehmen, weil mehr die Polizei kritisert wird als die Kriminellen. So entsteht der Eindruck, daß Ihr Verständnis für die Kriminellen habt, die bedauernswerte Opfer von prügelnden Polizisten sind. Wer zu Demos geht, bei denen es immer zu gewalttätigen Ausbrüchen kommte, wie halt am 1.Mai bedauerlicherweise üblich, weiß was er tut. Er deckt mit seiner Teilnahme den kriminellen Block und setzt sich der Gefahr aus, unter den kriminellen Taten des Schwarzen Blocks in Mitleidenschaft gezogen zu werden. Es sind diese Täter, die isoliert werden müssen. Bei diesen Demos gibt es kaum Unbeteiligte. Wer sich hinstellt und zuguckt ist aus meiner Sicht dann Mittäter, wenn er dadurch die Ergreifung der Gewalttäter erschwert. Als es in München passierte, daß ein Fahrgast einem anderen zur Hilfe kam, wurde betont, wie wichtig Zivilcourage ist. Wenn Kriminelle Brandsätze und Pflastersteine auf Polizisten werfen, wird selbst das Deckunggeben dieser Verbrecher noch als Schutzmaßnahme gegen Prügelpolizisten verkauft. Ich vermisse eine eindeutige Stellungnahme zugunsten derer, deren Aufgabe die Sicherung der Ordnung und der Schutz der Bevölkerung ist. Das evige Relativieren von Straftaten muß endlich beendet werden.
Für die, die sich anmaßen über den Wert und Unwert anderer zu urteilen: Die Würde des Menschen ist unantastbar!
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Beitrag von DumbShitAward »

Entschuldigung, ich sehe mich hier nicht wirklich als Mittäter, nur weil ich zu bedenken gebe, dass hierzulande eben der rechtliche Gleichheitsgrundsatz herrscht. Es gibt sicherlich Umstände, die gewisses Verhalten zumindest erklären, aber mit zweierlei Maß zu messen, nur weil eine Person einer gesellschaftlichen Randgruppe, die zumindest im Verruf steht exzessive Gewalttaten zu verüben und die andere eine Staasbedienstete ist. Das ist nicht nur unmoralisch sondern widerspricht dem Rechtsverständnis des Grundgesetzes.

Aber hier zu argumentiere, dass die Polizei einen Freifahrtsschein für alles, wonach ihr ist, bekommen soll, weil sie selbst angegriffen wird ist einfach nur lächerlich. Der Gesetzgeber hat der Polizei Möglichkeiten gegeben solche Situationen zu behandeln, das gesehene ist aber nicht damit eingeschlossen.

Des Weiteren kannst du nicht einfach non sequitur daraus schließen, dass hier Straftaten relativiert werden (wie oft soll ich eigentlich noch sagen, dass ich das, was an diesen Demos passiert nicht gut finde??!), das ist eher das, was du tust. Ich vetrete ausschließlich den Standpunkt, dass auch Polizisten für ihre Taten verantwortlich gemacht werden müssen - das hat nichts mit Solidarisierung mit den Extremisten zu tun und, dass im Allgemeinen (wohl auch aufgrund solcher Bagatellisierungen) nichts dagegen getan wird das eigentliche Problem zu lösen.

Es hat irgendwie etwas von George Bushs Logik "bist du nicht für uns, bist du gegen uns!"
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Beitrag von TramPolin »

@DumbShitAward: Danke für den Kommentar. Ich sehe es genauso, sodass ich mir eine ähnliche Ausführung ersparen.

Nur so viel: Polizisten haben sicher einen schweren Job bei miserabler Bezahlung. Ich habe meine Hochachtung vor allen, die einen solchen Job ausführen. Dennoch muss sich jeder, der ein Fehlverhalten begeht, mit internen Repressalien und auch mit strafrechtlichen Konsequenzen auseinandersetzen. Die Umstände können ein Fehlerhalten erklären und zu mildernden Umständen führen. Sollte aber ein Polizeibeamter aus Frust und nicht z.B. aus Notwehr oder zur Gefahrenabwehr Gewalt ausüben, muss er sich dafür verantworten. Alles andere wäre auch eines Rechtsstaates nicht würdig. Eines der Prinzipien ist auch, dass jemand, von dem momentan keine Gewalt ausgeht, keinen Fußtritt an den Kopf verdient hat. Ich sage das allgemein, die genauen Hintergründe im aktuellen Fall müssen noch untersucht werden.
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autolos
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Beitrag von autolos »

Wer arbeitet, mach Fehler. Die Unfehlbarkeit ist ein auf Einzelne beschränktes Dogma. Polizeiarbeit ist immer nur reaktiv. Wenn Gewalttäter den Einsatz und damit die Arbeit der Polizei erforderlich machen, werden auch seitens der Polizei fehler passieren. Diese Fehler sind zu ahnden. Es ist aber in Riesenlettern darauf hinzuweisen, daß kriminelle Gewalttäter ursächlich für den Polizeieinsatz waren und sogenannte Unbeteiligte den Gewaltexzessen der Kriminellen tatenlos zugesehen haben und somit zu deren Schutz mit beigetragen haben.

Übrigens, DumbShitAward, als Mittäter habe ich Teilnehmer von Demos bezeichnet, die Gewaltexzesse beobachten ohne einzuschreiten und durch Passivität den Tätern Schutz gewähren.
Für die, die sich anmaßen über den Wert und Unwert anderer zu urteilen: Die Würde des Menschen ist unantastbar!
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Beitrag von DumbShitAward »

Um das ganze mal an einem Beispiel im kleinen Maßstab zu verdeutlichen.

Wir haben an der Schule, an der ich unterrichte, einen Schüler von der allerfeinsten Sorte. Wenn man den in seiner Klasse hat, dann ist unterrichten oftmals ein echtes Kunststück. Es ist keiner dieser normalen Fälle, die einfach nur frech, aufsässig, störend oder phlegmatisch sind, das kennt man ja (und wusste das auch schon vorher), sondern dieser Schüler ist wirklich übel. Seine Akte ist knapp 15cm dick, neben den üblichen Bagatellen wie Rauchen auf dem Schulhof, unentschuldigtes Fernbleiben des Unterrichts (aka "Schwänzen"), unerlaubtes entfernen vom Schulgelände, usw. stapeln sich da psychologische Gutachten, Maßnahmen hinsichtlich schwerer Verstöße (Schlägereien, Sachbeschädigung, Bedrohung von Lehrkräften), Protokolle des Disziplinarausschusses, usw.

Kürzlich trat eine Gruppe Schüler an den Klassleiter heran und erzählte ihm, dass besagter Schüler mit beinahe schöner Regelmäßigkeit Mitschüler "abzieht", drangsaliert, auf dem Heimweg bedroht und generell mobbt (hier gehts nicht darum den vorlauten Fünftklässler mal 5 Minuten im Papiercontainer einzusperren). Entsprechende Maßnahmen wurden im Kollegium diskutiert, man beschloss erst einmal ihn zu Wort kommen zu lassen (hat er abgelehnt), dann wurde der Kontakt mit der Mutter gesucht (erfolglos, hier fällt der Apfel mal nicht weit vom Stamm), der Schulpsychologe gab den Fall, mit dem er sich schon länger beschäftigt hatte an den Amtspsychologen ab und dem Schüler wurde ultimativ die Möglichkeit gegeben, den angerichteten Schaden nach Möglichkeit zu beheben, mit der Aussicht auf Strafminderung. Passiert ist leider nichts.

Zwei Tage später hat er sich dann einen der Schüler, die ihn "verpetzt" haben, geschnappt und ihn mit einem Taschenmesser bedroht (eine Szene vor der so ziemlich jeder Lehrer richtig Angst hat). Glücklicherweise standen drei Kollegen nicht weit abseits und konnten ihn überwältigen. Einer hat ihm das Messer aus der Hand geschlagen, die anderen beiden haben ihn zu Boden gedrückt und dann "einkassiert". Verletzt wurde glücklicherweise niemand.

Soweit so schlecht, die Polizei, die natürlich gerufen werden musste, hat ihn auch mitgenommen, allerdings auch eine Anzeige gegen die Lehrer wegen Verdachts auf Misshandlung Schutzbefohlener gestellt (logisch, Schüler von Lehrer körperlich angegangen - Strafandrohung: astronomisch). Nach Anhörung der Zeugen (Schüler wie Lehrer) wurde das ganze natürlich eingestellt. Natürlich war das alles nur der Form halber, allerdings ist es wichtig, dass immer in beide Richtungen ermittelt wird und das passiert zu oft eben nicht, wenn einzelne Polizisten zumindest im Verdacht stehen, gegen das Gesetz verstoßen zu haben.

Edit: sorry, die Hälfte vergessen.

Man stelle sich einmal vor, was losgewesen wäre, wenn die Lehrer den am boden liegenden Schüler geschlagen oder getreten hätte. Die BLÖD-Zeitung hätte ein Freudenfeuer veranstaltet, das KM wäre an die Decke gegangen und wir hätten drei Lehrer weniger...
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Autobahn
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Beitrag von Autobahn »

Ich möchte nicht missverstanden werden, ein Fehlverhalten von Polizisten muss natürlich geahndet werden.

Auffällig ist jedoch, dass sich das „Opfer“ bisher nicht gemeldet hat. Er müsste ja aus der Presse davon erfahren haben, dass der Beamte sich gestellt hat und hätte nun die Möglichkeit, auch zivilrechtliche Ansprüche (Schmerzensgeld) geltend zu machen. Der Mann wird wohl seine Gründe haben, das nicht zu tun. Ich kenne sie aber nicht und ich werde auch keine Spekulationen anstellen.
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Beitrag von Bayernlover »

autolos @ 4 May 2010, 11:19 hat geschrieben: Wer arbeitet, mach Fehler. Die Unfehlbarkeit ist ein auf Einzelne beschränktes Dogma.
Solche Fehler dürfen aber nicht passieren.
Es ist aber in Riesenlettern darauf hinzuweisen, daß kriminelle Gewalttäter ursächlich für den Polizeieinsatz waren
Das hat auch niemand bestritten. Nur, mit den gleichen Mitteln zurückzuschlagen zeugt weder von großer Intelligenz noch gehört das zum Handeln der Exekutive in einem Rechtsstaat.
als Mittäter habe ich Teilnehmer von Demos bezeichnet, die Gewaltexzesse beobachten ohne einzuschreiten und durch Passivität den Tätern Schutz gewähren.
Wieso das? Seit wann sind friedliche Demonstranten dazu verpflichtet, beim Ausbrechen von Gewalt dieser die Vorherrschaft zu überlassen?
Es sind m.E. Äußerungen wie Eure, die kriminelle Gewalttäter entlasten und Druck von ihnen nehmen, weil mehr die Polizei kritisert wird als die Kriminellen.
Dieser Typ war aber nicht kriminell. Und selbst wenn - Treten ist kein Mittel der Polizei!
Er deckt mit seiner Teilnahme den kriminellen Block und setzt sich der Gefahr aus, unter den kriminellen Taten des Schwarzen Blocks in Mitleidenschaft gezogen zu werden.
Also verbieten wir den friedlichen Demonstranten, an Demos teilzunehmen?
Das evige Relativieren von Straftaten muß endlich beendet werden.
Genau das tust Du doch aber?
Autobahn @ 4 May 2010, 12:51 hat geschrieben:Auffällig ist jedoch, dass sich das „Opfer“ bisher nicht gemeldet hat. Er müsste ja aus der Presse davon erfahren haben, dass der Beamte sich gestellt hat und hätte nun die Möglichkeit, auch zivilrechtliche Ansprüche (Schmerzensgeld) geltend zu machen. Der Mann wird wohl seine Gründe haben, das nicht zu tun. Ich kenne sie aber nicht und ich werde auch keine Spekulationen anstellen.
Ich verstehe nicht, was daran auffällig sein soll. Mehr als das, was man auf dem Video sieht, kann er eh nicht beitragen. Und es soll auch Menschen geben, die von dem Medienrummel, der dabei droht, nicht gerade begeistert sind.
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Beitrag von DumbShitAward »

Bayernlover @ 4 May 2010, 15:29 hat geschrieben:Ich verstehe nicht, was daran auffällig sein soll. Mehr als das, was man auf dem Video sieht, kann er eh nicht beitragen. Und es soll auch Menschen geben, die von dem Medienrummel, der dabei droht, nicht gerade begeistert sind.
Autobahn hat da schon nicht ganz unrecht, wenn er das kritisch hinterfragt, es ist durchaus nicht das Verhalten, dass man in einer solchen Situation erwarten würde. Andererseits soll es schon Lottogewinner gegeben haben, die sich niemals gemeldet haben.

Andererseits: selbst wenn dieserjenige eine Straftat begangen haben sollte (wir wissen alle nicht ob und falls ja, was - von daher ist eine Unterstellung, er sei einer der Randalierer gewesen, so lange nicht angebracht, bis es entsprechende Hinweise darauf gibt), dann dürfte ihm auch so wohl keine Strafe drohen, da er offensichtlich nicht festgenommen wurde und man von daher davon ausgehen muss, dass über eine potentielle Straftat bei dieser Person nichts bekannt ist.
Möglich, auch wenn das rein spekulativ ist, ist auch die Annahme, dass er keinerlei Vertrauen in die hiesige Rechtsprechung hat - dererlei Gebaren sind in dem vermuteten Umfeld ja keineswegs unüblich.
Bayernlover @ 4 May 2010, 15:29 hat geschrieben:Wieso das? Seit wann sind friedliche Demonstranten dazu verpflichtet, beim Ausbrechen von Gewalt dieser die Vorherrschaft zu überlassen?
Unter gewissen Umständen sagt 323c StGB genau das aus. De facto ist die unterlassene Hilfeleistung hier aber kaum anwendbar ("Wer [...] nicht hilfe leistet, obwohl dies erforderlich und ihm den Umständen nach zuzumuten, insbesondere ohne erhebliche eigene Gefahr ..."
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Beitrag von Autobahn »

@ DumbShitAward

Natürlich habe ich auch gewisse Vermutungen, warum sich dieser Mann nicht bei der Polizei meldet, ich werde sie aber nicht öffentlich machen, da ich keine Beweise dafür habe.

Es ist aber nicht der § 323c StGB, der hier anzuwenden wäre, sondern der § 258 StGB
§ 258
Strafvereitelung

(1) Wer absichtlich oder wissentlich ganz oder zum Teil vereitelt, daß ein anderer dem Strafgesetz gemäß wegen einer rechtswidrigen Tat bestraft oder einer Maßnahme (§ 11 Abs. 1 Nr. 8) unterworfen wird, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
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Beitrag von Bayernlover »

Ich glaube manche wollen es nicht verstehen. Es geht hier nicht darum, was jemand vorher, nachher, hinterher oder im Alter von 10 Jahren getan hat! Es lag eine Person am Boden, und diese wurde von einem Polizisten getreten! Ende, aus!
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Beitrag von Autobahn »

Bayernlover @ 4 May 2010, 18:38 hat geschrieben:Ich glaube manche wollen es nicht verstehen. Es geht hier nicht darum, was jemand vorher, nachher, hinterher oder im Alter von 10 Jahren getan hat! Es lag eine Person am Boden, und diese wurde von einem Polizisten getreten! Ende, aus!
Doch, ich verstehe, was Du meinst.

Und ich habe das Verhalten des Beamten in keinster Weise gerechtfertig, doch versuche ich über mehrere Seiten hinweg die Ursache für das Fehlverhalten aufzuzeigen. Es geht im konkreten Fall darum, dass die Einsatzkräfte unter dem Schutz friedlicher Demonstranten von Randalierern angegriffen wurden oder von diesen Gewalt gegen Sachen ausging. Mit anderen Worten: Hätten die friedlichen Demonstranten darauf geachtet, dass sich keine Randalierer in der Masse verstecken, wäre es nicht zu dem Angriff auf die Polizei gekommen und diese hätten nicht versucht, Rechtsbrecher festzusetzen, was ihre orignäre Aufgabe als Ordnungshüter ist.

Auch ist es die originäre Aufgabe der Polizei, Demonstrationen vor den Angriffen anders Denkender zu schützen. Das es in diesem Fall Neonazis waren, die geschützt werden mussten, mag nicht gefallen. Es hat aber auch schon umgekehrte Fälle gegeben. Nur haben die Braunen es schneller begriffen und bedienen sich dieser Methoden nicht mehr.
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Autobahn @ 4 May 2010, 19:15 hat geschrieben: Auch ist es die originäre Aufgabe der Polizei, Demonstrationen vor den Angriffen anders Denkender zu schützen. Das es in diesem Fall Neonazis waren, die geschützt werden mussten, mag nicht gefallen. Es hat aber auch schon umgekehrte Fälle gegeben. Nur haben die Braunen es schneller begriffen und bedienen sich dieser Methoden nicht mehr.
Das stimmt. Allerdings haben die Linken mehr Rückendeckung im gemeinen Volk (bei solchen Demos) als die Rechten. Ich find beide Strömungen eher kontraproduktiv.
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Autobahn @ 4 May 2010, 18:36 hat geschrieben: @ DumbShitAward

Natürlich habe ich auch gewisse Vermutungen, warum sich dieser Mann nicht bei der Polizei meldet, ich werde sie aber nicht öffentlich machen, da ich keine Beweise dafür habe.

Es ist aber nicht der § 323c StGB, der hier anzuwenden wäre, sondern der § 258 StGB
§258 ist nicht auf hypothetische Strafvereitelung durch Unterlassen anwendbar, es sei denn der Täter hat eine Garantenstellung für die Strafverfolgung inne und das sind nach meinem Verständnis praktisch nur Mitglieder der entsprechenden Strafverfolgungsbehörden, aber nicht Zivilisten. Wenn, dann ist das also in der Praxis 258a (Strafvereitelung im Amt).

Grund dafür ist folgender: je nach Sachlage, ist es dem gemeinen Bürger nicht zuzumuten, dass er jede Situation ad hoc korrekt analysiert (z.B. Tatbestandsirrtum).

Edit:
258 ist definitiv nicht relevant hier. Es geht um darum, dass verhindert wird, dass die Person gefasst, befragt, verurteilt oder ins Gefängnis gesteckt wird (also um die Strafverfolgung), NICHT aber um die Ausführung einer Straftat. Der englische Begriff obstruction of justice ist das u.U. besser.
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Wer es unternimmt, mit Gewalt oder durch Drohung mit Gewalt den Bestand der Bundesrepublik Deutschland zu beeinträchtigen oder die auf dem Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland beruhende verfassungsmäßige Ordnung zu ändern, wird mit lebenslanger Freiheitsstrafe oder mit Freiheitsstrafe nicht unter zehn Jahren bestraft.
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Autobahn
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Beitrag von Autobahn »

@ DumbShitAward

Sicher ist es dem gemeinen Bürger nicht zuzumuten, in jeder Situation ad hoc korrekt zu analysieren, ob eine Straftat vorliegt. Aber jedes halbwegs gescheite Kind *) weiß, dass man nicht mit Steinen oder Feuerwerkskörpern auf andere Menschen werfen darf. Und das, obwohl es die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Straftat nicht kennt. Der Einwand des Tatbestandsirrtums liegt hier mit Sicherheit nicht vor.

Die hypothetische Strafvereitelung durch Unterlassen kann also durchaus gegeben sein, und ich behaupte dass dies (in Einzelfällen) sogar bewusst geschieht. Die große Masse friedlicher Demonstranten befindet sich praktisch in einer Art Geiselhaft der Randalierer, ohne dass dabei die typische Form der Geiselnahme vorliegt.
258 ist definitiv nicht relevant hier. Es geht um darum, dass verhindert wird, dass die Person gefasst, befragt, verurteilt oder ins Gefängnis gesteckt wird (also um die Strafverfolgung), NICHT aber um die Ausführung einer Straftat.
Das sehe ich anders. Bei einer „üblichen“ Straftat (Einbruch, Mord) hinterlassen die Täter Spuren, welche durch die Spurensicherung in den meisten Fällen zum Täter führen. Dies ist aber bei aus der Masse geworfenen Steinen, Feuerwerkskörpern oder gar Brandsätzen nicht möglich. Auch wenn die Polizei mit Videoaufzeichnungen solcher „Events“ versucht, den Tätern auf die Spur zu kommen, Vermummte lassen sich dadurch nicht identifizieren. Also bleibt nur die Möglichkeit der „Verfolgung auf frischer Tat“, also unmittelbar nach der Tat – also in der Sache um Strafverfolgung.

Dass gegen die Masse der Demonstranten nicht wegen eines Verstoßes gegen § 258 StGB ermittelt wird, dürfte daran liegen, dass der die Feststellung der Personalien und Beweisführung zu zeitaufwändig und die Arbeitsbelastung der Gerichte unangemessen hoch wäre.

*) O.T.: Einige griechische Lehrer ;) scheinen das aber doch nicht zu wissen, wie ich in den Nachrichten hörte. Die haben versucht, das Parlament in Athen zu stürmen und Polizisten mit Steinen beworfen.
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Beitrag von DumbShitAward »

@ Autobahn

Du hast natürlich recht mit der pragmatischen Ausführung, allerdings sagt Lackner/Kühl (Kommentare zum StGB) eben ganz klar, dass Privatpersonen durch Unterlassung sich nicht i.S. §258 StGB strafbar machen können. Alleine das Wissen über eine Straftat verpflichtet in Deutschland nicht zur Anzeige und ist von daher nicht strafbar (Ausnahmen sind in §138 StGB dargestellt), auch wenn das bisweilen grotesk klingt.

258 muss zwar anders als die meisten Straftaten nicht vorsätzlich geschehen, Fahrlässigkeit reicht aus, aber bei einer Demonstration in einem Pulk zu stehen, wenn die Polizei kommt ist eben nicht fahrlässig, sondern an sich normales Verhalten und das ist der Knackpunkt an der Geschichte. Stell dir folgendes Szenario vor: ein Polizist verfolgt zu Fuß eine flüchtige Person, beide rennen vor einem geparkten LKW auf die Fahrbahn, du fährst den Polizist an. Du wirst je nach Situation sicherlich das ein oder andere Problem bekommen, Strafvereitelung wäre aber keins davon. Ähnlich musst du das auch in unserem Fall sehen: selbst wenn jemand geflissentlich wegschaut und dann blöd im Weg steht, wenn die Polizei anrennt, dann ist es unmöglich jemandem da Absicht oder Fahrlässigkeit zu unterstellen (selbst wenns Vorsatz war, das ist ein nicht führbahrer Beweis).

Man kann auch nicht einfach eine Menschenmasse verhaften, das wäre Wilkür und die Beamten würden sich in dem Moment der Verfolgung Unschuldiger strafbar machen, wenn nur ein offensichtlich Unschuldiger dabei ist (z.B. ein Passant).
Tatbestandsirrtum war auch nur ein (zugegebenermaßen schlechtes) Beispiel, aber ein Gesetz muss eben auch verhältnismäßig sein. Natürlich wäre in manchen Augen ein solches Gesetz für diese Situation sinnvoll, es gibt aber massig Fälle, wo an Wilkür grenzen würde.

Dreh's wie du willst: du kriegst dieses Verhalten nie und nimmer mit §258 durch, das ist einfach der falsche Paragraph, so leid mir das tut ;)

Edit: Soso, jetz hackst auch noch auf meinem Berufstand rum. Ich hätte nichts dagegen, wenn gewisse Leute im Kultusministerium mal den Hintern versohlt bekommen würden, aber so eine Pauschalisierung *tztztz* :P
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Beitrag von Boris Merath »

Autobahn @ 4 May 2010, 19:15 hat geschrieben: Hätten die friedlichen Demonstranten darauf geachtet, dass sich keine Randalierer in der Masse verstecken, wäre es nicht zu dem Angriff auf die Polizei gekommen
Also entschuldige bitte, aber es ist nun wirklich nicht meine Pflicht als Demonstrant, andere Demonstranten zu beaufsichtigen und ggf. gegen diese einzuschreiten. Dazu bin ich als friedlicher Demonstrant schlicht weder ausgerüstet noch ausgebildet.
Bis zur vollzogenen Anbringung von ausreichenden Sandstreuapparaten an allen Maschinen haben die Bahnwärter bei aufwärtsgehenden Zügen auf stärkeren Steigungen die Schienen ausgiebig mit trockenem Sand zu bestreuen und für die Bereithaltung eines entsprechenden Vorrathes zu sorgen.

Fahrdienstvorschrift bayerische Staatsbahnen 1876
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Beitrag von Rohrbacher »

Autobahn @ 4 May 2010, 19:15 hat geschrieben:Hätten die friedlichen Demonstranten darauf geachtet, dass sich keine Randalierer in der Masse verstecken, wäre es nicht zu dem Angriff auf die Polizei gekommen
Hätten die braven Autofahrer darauf geachtet, dass sich keine Idioten in der Masse befinden, hätte es deutlich weniger Unfälle und Verkehrstote gegeben. Das selbe funktioniert auch mit U-Bahnfahrgästen und Schlägertypen... Wie erkennt man jetzt eigentlich friedliche Demonstranten und Randalierer? Und wo kann ich melden, wenn ich bei einer Demo neben mir irgendwelche verdächtigen Beobachtungen mache? Bin da nicht so geübt... :wacko:
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Beitrag von TramPolin »

Autobahn @ 4 May 2010, 19:15 hat geschrieben: Hätten die friedlichen Demonstranten darauf geachtet, dass sich keine Randalierer in der Masse verstecken, wäre es nicht zu dem Angriff auf die Polizei gekommen und diese hätten nicht versucht, Rechtsbrecher festzusetzen, was ihre orignäre Aufgabe als Ordnungshüter ist.
Hätten die korrekten Polizisten darauf geachtet, dass sich keine Frust-Prügler* in ihrer Hundertschaft befinden, wäre es nicht zu dem Angriff des Polizisten auf den wehrlosen Demonstranten gekommen und die Lobby der Demonstranten hätte nicht versucht, per Veröffentlichung des Videos auf einer Internetplattform und damit in den Medien den Polizeibeamten zu entlarven und die Wahrheit ans Licht zu bringen, was die originären Aufgabe der Medien ist.

(* Ich möchte die Aufklärung des Falles nicht vorwegnehmen, es kann ja alles auch etwas anders gewesen sein, sehen wir es mal als allgemeines Beispiel an.)
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Autobahn
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Beitrag von Autobahn »

@ DumbShitAward

Es ist Dir sicher bekannt, dass es unter Juristen auch unterschiedliche Auslegungen der Gesetze gibt. Drei Juristen, drei Urteile.

Es gibt aber einige andere Rechtsbestimmungen, welche die Veranstalter in die Pflicht nehmen.

Zusammengefasst sind sie in den Hinweisen für die Durchführung von Aufzügen und öffentlichen Versammlungen unter freiem Himmel.
http://www.berlin.de/imperia/md/content/po...and_04_2005.pdf

Dort heißt es unter Punkt 3:
Der in der Anmeldung genannte Leiter muss sich mit den Bestimmungen des Versammlungsgesetzes vertraut machen. Insbesondere hat er für den ordnungsgemäßen Ablauf der Veranstaltung zu sorgen (§ 8 VersG). Hierzu wird auch auf die Ziffer 6 hingewiesen. Vermag er sich bei den Aufzügen nicht durchzusetzen, so ist er verpflichtet, den Aufzug für beendet zu erklären (§ 19 VersG).
Weiter in Punkt 4:
Der Veranstalter oder Leiter soll mit dem örtlichen Einsatzleiter der Polizei vor und während der Veranstaltung Verbindung halten und im gegenseitigen Einvernehmen Kontaktpersonen benennen, die erforderlichenfalls verbindliche Absprachen zur Beseitigung von Zwischenfällen treffen können. Während der Veranstaltung hat der benannte Leiter ständig anwesend zu sein.
Punkt 5:
Ein Abweichen von den Angaben in der Anmeldung (z.B. Streckenführung) bzw. Nichtbeachtung der Auflagen berechtigen zur Auflösung (§ 15 VersG) und sind strafbar (§ 25 VersG) bzw. können als Ordnungswidrigkeit verfolgt werden (§ 29 Nr. 3 VersG)
Punkt 6:
Ordner und Teilnehmer dürfen keine Waffen oder sonstige Gegenstände mit sich führen, die ihrer Art nach zur Verletzung von Personen oder zur Beschädigung von Sachen geeignet oder bestimmt sind. Ebenso ist es verboten, Waffen oder die vorgenannten Gegenstände auf dem Wege zu öffentlichen Versammlungen und Aufzügen mit sich zu führen, zu derartigen Veranstaltungen hinzuschaffen oder sie zur Verwendung bei derartigen Veranstaltungen bereitzuhalten oder zu verteilen
Punkt 7:
Nach § 17a VerG ist es grundsätzlich verboten, sich passiv zu bewaffnen und zu maskieren bzw. zur Vermummung geeignete Gegenstände mitzuführen. Dies gilt sowohl für die Teilname an Versammlungen und Aufzügen als auch auf dem Weg dorthin. Personen, die diesen Verboten zuwiderhandeln, können durch die Polizei von der Versammlung oder dem Aufzug ausgeschlossen werden. Ferner können Verstöße gegen diese Verbotsnormen mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bzw. Geldbuße bis zu 500,00 Euro geahndet werden
Ungeachtet davon stehen noch die Strafvorschriften für einzelne Taten (Angriffe auf Sachen oder Personen) im Raum.

P.S.: Den kleinen Seitenhieb gegen Deine griechischen Kollegen konnte ich mir nicht verkneifen, weil er so gut zu meinem Satz passte.
@ Boris

Wer an einer Demonstration friedlich teilnehmen will, sollte sich den Veranstalter ganz genau anschauen und prüfen, ob er die o.g. Bestimmungen einhalten kann oder will. Sonst begibt es sich in die Gefahr, ungewollt mit Straftätern verwechselt zu werden. Sicher ist das schwierig, aber man kann da durchaus auf Erfahrungen zurückgreifen.

@ TramPolin

Das Auswahlverfahren bei der Polizei ist so aufgestellt, dass erkennbare Schläger nicht eingestellt werden. Der Frust kann sich aber erst später bilden, wenn man merkt, dass man von der Einsatzführung bzw. der Politik verheizt wird.
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Beitrag von DumbShitAward »

Ich verstehe schon was Autobahn hier meint, nämlich (ggf. bitte korrigieren), dass er der Meinung ist, dass die gewaltbereiten Extremisten mehr oder weniger durch die Masse geschützt werden, also deren Anonymität und auch praktisch, da man u.U. nicht erkennen kann wer genau jetzt einen Stein geworfen hat und wer nicht. Es stehen also, sagen wir einmal, 10 Leute in einem Pulk von 100, die Steine und Brandsätze werfen, die anderen tun das zwar nicht, allerdings tun sie auch nichts dagegen.
Moralisch ist das sicherlich fragwürdig, strafrechtlich allerdings so wie sich Autobahn das vorstellt eben nicht, um mehr gings nicht, also alle locker bleiben ;)
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Beitrag von Autobahn »

DumbShitAward @ 5 May 2010, 09:55 hat geschrieben:Ich verstehe schon was Autobahn hier meint, nämlich (ggf. bitte korrigieren), dass er der Meinung ist, dass die gewaltbereiten Extremisten mehr oder weniger durch die Masse geschützt werden, also deren Anonymität und auch praktisch, da man u.U. nicht erkennen kann wer genau jetzt einen Stein geworfen hat und wer nicht.  Es stehen also, sagen wir einmal, 10 Leute in einem Pulk von 100, die Steine und Brandsätze werfen, die anderen tun das zwar nicht, allerdings tun sie auch nichts dagegen.
Bis zu dem Punkt ist es nicht strafbar, allerdings ist der Veranstalter dann verpflichtet, Abhilfe zu schaffen oder die Versammlung aufzulösen. Tut er dies nicht von sich aus oder ist er dazu nicht in der Lage, wird die Versammlung von der Polizei aufgelöst (§ 15 III VerG). Dies kündigt sie in der Regel durch Lautsprecher an, etwa mit dem Wortlaut: "Die Versammlung ist aufgelöst, begeben sie sich auf den Heimweg!". Wer dieser Aufforderung nicht folgt, macht sich u.U. strafbar (§ 113 StGB).
DumbShitAward @ 5 May 2010, 09:55 hat geschrieben:Moralisch ist das sicherlich fragwürdig, strafrechtlich allerdings so wie sich Autobahn das vorstellt eben nicht, um mehr gings nicht, also alle locker bleiben ;)
Ich bleibe immer locker :P
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Beitrag von TramPolin »

Autobahn @ 5 May 2010, 09:54 hat geschrieben: Das Auswahlverfahren bei der Polizei ist so aufgestellt, dass erkennbare Schläger nicht eingestellt werden. Der Frust kann sich aber erst später bilden, wenn man merkt, dass man von der Einsatzführung bzw. der Politik verheizt wird.
Du hast offenbar die Ironie übersehen.

Ich habe nur ausdrücken wollen, dass man eine Gruppe nicht einfach in Kollektivschuld nehmen kann. Da Du es von den Demonstranten einforderst, habe ich den Spieß umgedreht und es gerechterweise auch für die Polizei eingefordert.

Die Tatsache, dass sich der Frust bei der Polizei später herausbildet, lasse ich nicht gelten, das kann für die Demonstranten genauso zutreffen. Wenn ein Demonstrant vielleicht schon mal schlechte Erfahrung mit der Polizei gemacht hat (oder meint, er wäre von ihr ungerecht behandelt worden, lassen wir mal offen, ob dies seine Sicht der Dinge ist oder ob es gerechtfertigt ist), dann kann einer der sonst friedlich mitmarschiert ist, auf einmal zur Gewalt neigen, niemand kann das ausschließen. Daher halte ich von der Kollektivschuldtheorie nichts.

Ich bin auf keiner Seite - oder anders ausgedrückt bin ich auf der Seite aller (Polizei und Demonstranten), die sich korrekt verhalten. Ablehnend stehe ich allen gegenüber, die eben kein korrektes Verhalten an den Tag legen. Ein prügelnder Demonstrant geht gar nicht, ebenso wenig ein Polizist, der unter Missachtung der Vorschriften, ggf. nur aus Frust, prügelt.

Deine Ausführungen lassen immer wieder erkennen, dass Deine Sympathie mehr bei der Polizei liegt. Ich finde das ziemlich einseitig.
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Beitrag von DumbShitAward »

Eine relativ einfach Möglichkeit die Situation zumindest für friedliche (wenn auch unbequeme) Demonstranten zumindest ein wenig zu entschärfen, wäre eine Kennzeichnung der Einsatztruppen, so wie es schon lange gefordert wird.

In jedem normalen Fall ist ein Polizist, der irgendetwas von mir will, spätestens auf Verlangen dazu verpflichtet sich auszuweisen. So besteht zumindest theoretisch die Möglichkeit einer Dienstaufsichtsbeschwerde oder ggf. einer Anzeige. Wie man das im Endeffekt macht ist natürlich eine andere Frage, es muss natürlich auch irgendwo an die Beamten gedacht werden, die sonst u.U. Gefahr laufen, Ziel von Vergeltungsaktionen (gar im zivilen Leben) zu werden, andererseits ist es für mich absolut unverständlich, weshalb gerade die Einheiten, bei denen ein Rechtsbruch alleine aus der Situation wahrscheinlicher ist, beinahe komplette Anonymität genießen.

Oftmals wird das krude Argument angeführt, die Demonstranten seien auch nicht gekennzeichnet. Dem sei zu entgegnen, dass die Polizei zumindest das Recht hat, die Identität dieser Personen festzustellen, wohingegen es Landespolizeigesetze (Bayern als unrühmliches Beispiel) gibt, bei denen SEK Truppen auch auf Nachfrage sich nicht ausweisen müssen, da dies nur vom Einsatzleiter getan werden darf (jetzt stelle man sich mal vor, man geht zu einem USK Beamten, der gerade einen Verdächtigen übel zusammengeschlagen hat, packt den am Schlawittchen und sagt: "so mein Lieber, jetz gehen wir mal zum Chef und verknacken dich". Dafür wird man selbst zusammengeschlagen oder landet vor Gericht - oder beides).

Ich denke, dass viele Leute ein gravierend anderes Bild von der Polizei hätten (meine Wenigkeit eingeschlossen), wenn gezeigt werden würde, dass auch gegen Polizisten, die gegen geltendes Recht verstoßen, strafrechtlich vorgegangen wird und man etwaige Vorfälle auch selbst zur Anzeige bringen kann, ohne auf den guten Willen der Vorgesetzten (oder in diesem Fall des Beschuldigten selbst) vertrauen zu müssen.

Vor einigen Jahren gab es bei einem Zweitligaspiel des 1. FC Nürnbergs ein absolutes Kuriosum. Ein Beamter des USK fühlte sich, nach seiner Aussage, durch ein 12 Jähriges Kind bedroht und nahm das Kind gewaltsam Fest. Einige umstehende Personen, incl. Vater des Kindes, versuchten verbal zu intervenieren. Als das nicht zum gewünschten Erfolg führte, ergriffen einige Personen Eigeninitiative, überwältigten den einzelnen Polizeibeamten (er war wohl irgendwie von seiner Einheit getrennt worden), demaskierten und photographierten, nahmen ihn fest und übergaben ihn der Verkehrspolizei. Es bedurfte zweier Revisionsverhandlung bis das Landgericht feststellte, dass es sich hierbei um eine legitime Jedermann-Festnahme handelte. Das anfolgende Strafverfahren gegen den Beamten wurde perverserweise von der Staatsanwaltschaft eingestellt (man lasse sich das auf der Zunge zergehen: das Landgericht sagt, die Festnahme sei rechtens gewesen, da die Zivilisten den Beamten in flagranti bei einer Straftat erwischt hätten und nur so dessen Identität festgestellt werden konnte und die Staatsanwaltschaft stellt das Verfahren anschließend ein...)
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Beitrag von autolos »

Mein Eindruck bleibt, daß es einfacher ist, als krimineller Demonstrant ungeschoren davonzukommen, weil sich "Unschuldige" finden, die ihm Unterschlupf gewähren, als als Polizist, der aus einer Situation heraus handgreiflich wird, weil auch in Foren das Polizistenbashing beliebter ist, als das Herausstreichen der grundlegenden Problematik bestimmter Formen von "Demonstrationen".
Für die, die sich anmaßen über den Wert und Unwert anderer zu urteilen: Die Würde des Menschen ist unantastbar!
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Beitrag von DumbShitAward »

Das ist aber ein grundlegendes Problem, wenn du so willst, in unserem Staat. Millionen von Autofahrer kommen jeden Tag mit Geschwindigkeitsübertretungen davon (manche vernachlässigbar, andere nicht) und wenn die Polizei bzw. die Ordnungsämter einen Fehler beim Aufstellen des Blitzers macht, dann ist u.U. die komplette Messung im Eimer.

Die Problematik bei manchen "Demonstranten" setze ich als gegeben voraus (was ja nicht heißt, dass ich das gut finde, das Gegenteil ist der Fall), aber rein moralisch (und auch rechtlich) macht sich der prügelnde Polizist eben einer schlimmeren Straftat schuldig, als ein steinewerfender Demonstrant. Immerhin hat jeder Polizist einen Eid auf die Verfassung abgelegt (und manche pikanterweise auch noch auf Gott, was aber irrelevant ist, da dieser leider keine ladungsfähige Anschrift besitzt). Anders dargestellt: es gibt sicherlich einige Demonstranten, die ihren gewalttätigen Mitmenschen einen "Unterschlupf" gewähren, allerdings ist das von offensichtlichen Fälle abgesehen erstens nicht zu beweisen und zweitens wäre eine Änderung der Rechtslage (was glücklicherweise gar nicht möglich ist) mit weitreichenden Konsequenzen verbunden, weil man so die Unschuldsvermutung aufheben müsste und die Beweislast umkehrt (d.h. wer zur falschen Zeit am falschen Ort war muss beweisen, dass er nicht versucht hat diese Leute zu decken - und so ein Beweis ist aus logischen Gründen gar nicht führbar). Allerdings hätte das auch zur Folge, dass man das auch bei jedem anderen potentiellen Vergehen anwenden müsste und dann wirds richtig richtig übel.

Und was das "Bashing" angeht: ich halte das durchaus für legitim, dass es auch eine Diskussion über Straftaten seitens der Polizei geben muss - schau dir mal die Hetzkampagne der Bild zum Besuch des Schahs von Persien 1968 an, das ist ein Paradebeispiel für irreführende einseitige Berichterstattung (mit den uns allen bekannten Folgen - manche gehen sogar so weit, dass durch diese Kampagne die 1. Generation der RAF überhaupt erst zu dem wurde, was sie war).

Ein Staat, der es verteufelt bzw. gar verbietet (hier zwar nicht der Fall) kritisch gegenüber möglichen Straftaten seinerseits zu diskutieren oder zu berichten ist wohl kaum im Sinne irgendeinem der Anwesenden.
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