Ausschreibung Elektrisches Netz Würzburg

Strecken und Fahrzeuge des Regionalverkehrs (ohne S-Bahn!)
mic
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Beitrag von mic »

Also doch. Zugelassen. :blink:

Bin auf die erste Fahrt gespannt.
Daniel-Würzburg
Haudegen
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Beitrag von Daniel-Würzburg »

Seit einigen Wochen werden die neuen ET 440 sukzessive in die Umläufe des RE Würzburg--Nürnberg eingeschert. Nach eigener Beobachtung werden mittlerweile nahezu alle Leistungen von den neuen Triebwagen bedient. Gestern hatte ich zum ersten Mal das Vergnügen, die sogenannte "Mainfrankenbahn" aus Fahrgastsicht zu erleben, was ich zum Anlass nehmen will, einen kurzen Erfahrungsbericht zu schreiben.

9:40 Uhr ab Würzburg. Der vierteilige Triebwagen verlässt pünktlich den Hauptbahnhof zur Fahrt ins etwa 100 Kilometer entfernte Nürnberg. Fast alle Sitzplätze sind belegt, und das nicht nur weil eine Kindergartengruppe aus Karlstadt einen Großteil des hinteren Segments in Beschlag genommen hat. Doch die gute Klimatisierung entschädigt für vieles, da die Hitze im Würzburger Talkessel schon am Morgen erdrückend war. Schon nach den ersten Metern bemerkt man die außerordentlich gute Beschleunigung, mit der wir durch das Gleisvorfeld rauschen. Die verspätungsanfällige Achse zwischen Würzburg und Nürnberg scheint für einen so spurtfreudigen Zug genau das richtige Einsatzfeld zu sein.
Der Zugbegleiter begrüßt uns im Namen von Regio Bayern in der Regionalbahn (?) nach Nürnberg und wünscht eine angenehme Fahrt. Möglicherweise ein Freud'scher Versprecher, denn da der der Zug nur an einer Handvoll kleiner Haltepunkte im Nürnberger Umland vorbeifährt und sonst überall hält, ist er nicht gerade Express-würdig. Sehr sympathisch allerdings, dass nur die Stationsankündigungen vom Band laufen bzw. automatisiert sind, die Begrüßung und Verabschiedung dagegen weiterhin "menschlich" bleibt.
Schon beim ersten Halt in Rottendorf werden die Probleme deutlich. Neben der schon im Zug befindlichen Kindergartengruppe drängt nun auch noch eine Schulklasse in den ohnhin schon gut gefüllten Triebwagen, keine 10 Minuten später in Kitzingen eine ähnliche Prozedur. Logisch, Nürnberg ist als einzige Metropole in der fränkischen Provinz gerade gegen Ende des Schuljahres ein beliebtes Ausflugsziel. Also zusammenrücken und auch schonmal ein paar Gangplätze belegen, es ist alles im Bereich des Erträglichen; der Klimaanlage sei Dank.
Nun bleibt aber endlich mal Zeit, das Fahrzeug mal etwas genauer unter die Lupe zu nehmen. Was dem geschulten Auge sofort auffällt, die Würzburger 440er haben anders als ihre Augsburger Brüder Kopfpolster aus Kunstleder erhalten, die etwas hübscher aussehen und nebenbei auch pflegeleichter und hygienischer sind. Danke dafür. Der Sitzabstand ist im Bereich des Erträglichen, zwar habe ich mit meinen 1,85 Metern manchmal Mühe, meine Beine zu verstauen, aber wir reisen schließlich in einem Produkt des Nahverkehrs. Abgesehen davon hatte ich mit Schlimmerem gerechnet. Für den ermüdeten Fahrgast ist jedoch der Schnitt der Sitze etwas ungnstig. Da sich die Rückenlehne nach oben hin verjüngt, kann man nicht mehr - den Kopf an Seitenwand und Kopfstütze gelehnt - vor sich hin dösen.
Gewisse Probleme bereiteten größere Gepäckstücke im Hochflurbereich, da hier gänzlich auf den Einbau von Ablagen verzichtet wurde. Platz wäre zwar dagewesen, aber mei... Gleiches Spiel im Niederflurebereich an der Stelle, wo der zweite Einstieg nachrüstbar ist. Klarer Konstruktionsfehler, denn gerade der Bereich des zweiten Einstiegs sieht in der Innenverkleidung nicht besonders schön aus. Einen Pluspunkt gibt es allerdings für die großen und von überall gut lesbaren Stationsanzeigen im Innenraum. Auch ganz nett anzusehen ist die indirekte Beleuchtung, die durch zusätzliche Leuchtstoffröhren im Bedarfsfall verstärkt wird. Die gute Beschleunigung wurde schon genannt und erzeugt zusammen mit dem äußerst niedrigen Fahrgeräusch ein angenehmes Reisegefühl.
Doch genug Lobhudelei, zurück in den harten Bahnalltag. Je näher wir Nürnberg kamen, desto größer und präsenter wurden die Probleme. Die zusätzlichen Fahrgäste in Neustadt (Aisch) waren für unseren Vierteiler fast zu viel ("Bitte aus den Einstiegsbereichen zurücktreten!") und zu allem Überfluss zerstörte eine Baustelle im Bereich Emskirchen unsere bis dahin recht gute Zeitbilanz. Die Verspätung, die wir uns dort eingehandelt haben, konnten selbst die 2.880 kW des ET 440 auf den verbleibenden 20 Kilometern nicht mehr herausholen. So wurden wir am Ende mit 12 Minuten Verspätung aus dem immer noch angenehm klimatisierten Triebwagen in die kaum erträglich Großstadthitze Nürnbergs entlassen.

Ist die Mainfrankenbahn also der "große Wurf", den BEG und DB Regio angekündigt haben oder doch eher der "Schlag ins Wasser", vor dem Nürnberger Nachrichten, Pro Bahn und andere gewarnt haben?
Im Grunde genommen positiv ist trotz aller Kritik der ET 440 zu bewerten. Der Sitzkomfort ist absolut in Ordnung, die Klimaanlage hat mich vollauf überzeugt (hoffentlich ist sie auch dauerhaft belastbar), und einen solchen Fahrkomfort habe ich in Bezug auf Geräuschpegel und Laufruhe bei noch keinem elektrischen Triebwagen erlebt. Wenn man kleinere Mängel wie fehlende Gepäckablagen o.ä. noch beseitigen könnte, wäre der ET 440 ein vollkommen legitimer Nachfolger der n- und Modus-Wagen auf der Strecke Würzburg--Nürnberg.
Die größten Probleme bereitet die Fahrzeugdisposition, was sich auch in Zukunft eher verstärken denn mildern wird. Ein Vierteiler ist für die Fahrt um 9:40 Uhr ab Würzburg defintiv zu knapp, spätestens ab Neustadt (Aisch) müsste hier verstärkt werden. Am Sinnvollsten wäre natürlich, durchgehend in der Komposition Vierteiler + Dreiteiler zu fahren und bei Bedarf um einen weiteren Dreiteiler zu verstärken, doch das ist bei der vorhandenen Anzahl beim besten Willen nicht machbar. Wenn ab Dezember der komplette Würzburger Stern auf den ET 440 umgestellt wird, kommen darüber hinaus weitere HVZ-Regionalbahnen hinzu, für die nochmals Triebwagen bereitgestellt werden müssen. Wenn sich BEG und DB Regio nicht auf eine Nachbestellung einigen können, müssen wir wohl oder übel in den nächsten zehn Jahren manchmal etwas zusammenrücken. Aber immerhin gut klimatisiert...
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Oliver-BergamLaim
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Beitrag von Oliver-BergamLaim »

Vielen Dank Daniel für den informativen Bericht, ich hab mich schon oft gefragt wie der Status der 440er in Mainfranken denn nun sein mag. Tolle Infos aus erster Hand! :)
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423176
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Beitrag von 423176 »

Das ist mal nen Bericht, der ehrlich ist. Danke dafür!
luc
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Beitrag von luc »

Danke für den Bericht. Ich hab mir immer gedacht: Außer bei der Kapazität kann man beim 440 gegenüber den Modus-Wagen nichts falsch machen.
146225
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Beitrag von 146225 »

luc @ 4 Jul 2010, 11:37 hat geschrieben: Danke für den Bericht. Ich hab mir immer gedacht: Außer bei der Kapazität kann man beim 440 gegenüber den Modus-Wagen nichts falsch machen.
Wenn man diese gründlich falsch macht, bringt aber auch der schönste Mops nix... und die erste Klasse war im Modus auch besser.
München kann jeder. Duisburg muss man wollen!
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