Hi, bin neu hier und trage aus persönlichem Anlass mal zur Diskussion bei...
(Stellt euch vor es sei ein Leserbrief in der Bild oder eine Beschwerde im offiziellen Forum der Bahn)
Erstmal stand in der FAZ etwas, das besonders an "Taschenschieber" gerichtet ist:
"Ein Sprecher erklärte frech und uninformiert, es seien ja nur drei von vierzehnhundert Fernzügen betroffen gewesen. Man stelle sich vor, die Lufthansa würde so reden"
Man muss nicht gleich an 3 Abstürze täglich denken, aber drei Notlandungen von Lufthansa-Maschinen mit defekten Klimaanlagen und ohnmächtigen Passagieren in großer Zahl hätten Ermittlungen des LBA, Startverbot für alle Lufthansa-Maschinen bis zur Klärung der Ursache/Beseitigung des Problems und Startverbot für alle betroffenen Flugzeugtypen weltweit bis zur Klärung der Ursache/Beseitigung des Problems zur Folge. Da wären wir dann in Bereichen zwischen ca. 50 (A380) und 2.000 (B737) Flugzeugen die weltweit zur Wartung, oder bei größeren Problemen Tage oder Wochen am Boden bleiben müssten.
Jetzt kann jemand sagen die Klimaanlage ist beim Zug nicht so sicherheitsrelevant wie beim Flugzeug. Dem möchte ich nur entgegnen, dass der Zugführer beim Komplettausfall der Klimaanlage am meisten schwitzt, weil seine Scheiben nicht senkrecht stehen und er am meisten davon hat, also auch am meisten Sonneneinwirkung.
Im Straßenverkehr steigt bei Kopftemperaturen über 30° das Unfallrisiko um 20%, wie das im Zug aussieht weiß ich nicht. Immerhin hat das Cockpit Fenster (vielleicht sogar eine eigene Lüftung?), da fällt mir spontan wieder die Berichte über Zugführer ein, die bei voller Fahrt den Kopf in den kühlen Fahrtwind strecken (damals um das Einschlafen zu verhindern).
Beim Thema Straßenverkehr möchte ich nochmal auf Toyota und die Geschichte mit dem Gaspedal eingehen: 3,8 Millionen Autos in den USA werden umgerüstet, 1,8 Millionen in Europa. In den USA gab es zahlreiche Unfälle mit mehreren Toten, fast alle durch Bedienfehler, in Europa gab es keinen einzigen bekannten Unfall. Inklusive Verkaufseinbußen sind das Verluste von mindestens einer Milliarde Euro, die Werbekampagnen zur Imagerettung noch nicht eingerechnet. Man hat aber keine Wahl, weil ein einziger Toter durch Konstruktionsfehler, auch wenn sie nicht nachgewiesen werden können, zu noch größeren Verlusten führen würde.
Von Mercedes gab es 2004 einen Rückruf von 40.000 Wagen der S-Klasse wegen Ausfällen der Klimaanlage. Nicht etwa eine kleine Änderung bei einem regulären Wartungstermin, von dem der Kunde nichts mitbekommt, Nein, ein sofortiger, echter Rückruf in Zusammenarbeit mit dem KBA. Nicht unbedingt sicherheitsrelevant, aber Service und Komfort gehen beim Mercedes-Flaggschiff eben vor. Kosten? Ein paar Millionen Euro und als Folge kein Imageverlust, eher ein Imagegewinn.
Zurück zum Zug: Diese Vergleiche mit den Konkurrenten Auto und Flugzeug muss man sich gefallen lassen. Ich verstehe nicht, warum man nicht die 60 (oder wieviele?) ICE 2 stilllegt, bis das Problem gelöst ist. Oder öfter wartet. Oder für betroffene Züge Ersatz hat. Oder die betroffenen Züge mit Defekt einfach aus dem Fahrplan nimmt. Oder, als billigste Lösung, einen Notfallplan hat, der über Gutscheine hinausgeht. Die Bahn hat 2009 zwei Milliarden Euro Gewinn gemacht, sie könnte sämtliche Züge, einschließlich der Güterzüge, einen ganzen Monat nicht fahren lassen, und wäre am Jahresende immer noch im Plus.
Es wären 44 Menschen "beinahe gestorben", man hört von weiteren Ausfällen von Klimaanlagen, ist es von der Bahn zuviel verlangt bei solchen Problemen 6, 60 oder 600 Millionen Euro zur Lösung zu investieren? Oder das sowieso geplante ReDesign vorzuziehen oder zu modifizieren? Liegt ein echter Defekt vor kann man den Hersteller der Züge verklagen. Wenn man die Wartung der Züge ebenfalls dem Hersteller übergibt, gibt es damit keine Probleme mehr, bzw. man könnte Verluste ebenfalls einklagen. Schließlich könnte man versuchen eine Versicherung abzuschließen, die Zugausfälle wegen unvorhergesehener, technischer Probleme ersetzt.
Bei der momentanen Häufung von Defekten könnte das allerdings schwierig werden.
Meiner Meinung nach liegt das Verhalten der Bahn daran, dass 95% der Bahnkunden prinzipiell mit dem Zug fahren, komme was wolle. Auch wenn es auf dem Dach eines Viehwaggons wäre. Ob wegen der Kosten, der Zeit, der Umwelt oder tatsächlich dem Service und Komfort im ICE und IC, ich weiß es nicht. Aber ich bin mir sicher, auch wenn dieses Jahr zwei ICE entgleisen, 30 Kinder ohne Fahrkarte aus dem Zug geworfen werden und hunderte Menschen bei defekter Klimaanlage schwitzen, wer nicht persönlich betroffen ist fährt im nächsten Jahr immer noch Bahn. Und selbst die Betroffenen, wie z.B. die Fahrgäste des ICE „Wilhelm Conrad Röntgen“, fahren zum Großteil wahrscheinlich wieder Bahn, solang sie nicht gestorben sind...
Aktuell sieht es so aus, das man das Thema im Bundestag auf die Tagesordnung gesetzt hat, und die Bahn bei den nächsten Zuggenerationen (ab 2025?) über Verbesserungen nachdenkt. Welcher Art auch immer.
Dazu hätte ich dann auch ein paar Fragen zur Klimaanlage/Lüftung in ICE/Zügen ohne Fenster, die mir hier vielleicht jemand beantworten kann (bin da bei Zügen nicht so fit):
- Wie funktioniert die Luftzufuhr, wenn die Klimaanlage ausfällt? Wie kann es sein das diese Luftzufuhr ebenfalls ausfällt, bzw. nichts zur Abkühlung beiträgt? Eine Innentemperatur, die in dem Fall der Außentemperatur von 38° entspricht, und bewegte Luft, sollten doch durch Luftaustausch immer problemlos möglich sein und einfach über den Fahrtwind erreicht werden können? Gibt es keine Zuluft- und Abluftklappen oder sind die zu klein oder lassen die sich nicht manuell steuern bzw. zirkuliert die Luft nicht wenn die Klimaanlage ausfällt?
Ich denke auch an das aktuelle Beispiel in Schweden, da stand der Zug 6 Stunden ohne jegliche Luftzufuhr in der Sonne, und es war nicht so schlimm wie im ICE nach einer Stunde Fahrt. Es waren zwar nur 200 Menschen darin, aber um einen Raum mit Menschen auf über 40° aufzuheizen müssen das im ICE schon sehr sehr viele gewesen sein (ein paar hundert pro Wagen?)
- Wenn die Klimaanlage bei Überbelastung tatsächlich automatisch abschaltet, welche Schäden drohen da im Vergleich zum Leben der Passagiere und wäre es nicht sinnvoller wenn die einfach weiter läuft, bis sie den Geist aufgibt, oder nur auf "Stufe 2" läuft?
- Gibt es Züge mit Fenstern wie z.B. in klimatisierten Büros? Also mit abschließbaren Fenstern die nur der Hausmeister öffnen kann oder mit zentral gesteuerten Fenstern? In einem Artikel stand das sich die Fenster im ICE 3 nicht manuell öffnen lassen. Ich bin mir aber nicht sicher wie das zu verstehen ist, also ob man sie irgendwie anders öffnen kann.
- Gibt es Fernverkehrszüge mit Knöpfen für das Servicepersonal (wie im Flugzeug) oder Notfallknöpfen wie in der S-Bahn?
- Ist das Servicepersonal medizinisch ausgebildet und welche Gerätschaften sind an Bord eines ICE? Jede Grundschule muss heute über einen Sanitätsraum mit Liege verfügen, auch wenn sie keine Hundert Schüler hat, und nicht mit 300km/h fährt.
- Wo liegen die Probleme bei einem Nothalt auf freier Strecke oder in einem kleinen Bahnhof? Das die Reisenden ihren Anschluss verpassen oder die Evakuierung schwierig ist, wie schon erwähnt wurde, kann es im Notfall nicht allein sein. Ein Flugzeug dreht auch um oder macht eine Notlandung, wenn ein einzelner Passagier Panikattacken bekommt, bei mehreren ohnmächtigen Passagieren in jedem Fall. Jeder Punkt einer Bahnlinie sollte doch 15 Minuten nach Eingang des Notrufs mit Rettungswagen erreichbar sein, sofern es eine Straße gibt, aber da kann ja auch der Lokführer ein bisschen gucken, oder ist der nur noch Passagier wenn jemand die Notbremse zieht? In einsameren Gegenden mag das vielleicht auch mal eine halbe Stunde dauern, aber größere Suchen oder Zufahrtsprobleme schließe ich aus, bei dem guten Netz von Feldwegen das wir haben. Zur Not kann man auch ein Stück über die Wiese fahren.
Gut, ein Großeinsatz mit 100 Sanitätern ist in größeren Städten sicherlich einfacher, aber ist es bei akuten Fällen wie z.B. einem Herzinfarkt nicht besser wenn wenige Helfer schnell vor Ort sind, anstatt eine halbe oder ganze Stunde lang weiterzufahren und auf das Großaufgebot zu warten? Wie sehen da die Vorschriften für Zugführer und Zugbegleiter aus?