Los ging's am Samstag um 9.25 ab [acronym title="MH: München Hbf <Bf>"]MH[/acronym] mit dem DIEX Richtung Passau. Wie erwartet, stand nur ein Solo-Vierteiler bereit, so dass es sich ausgezahlt hat, bereits 20 Minuten vor Abfahrt im Zug zu sitzen. Zwei Plätze nebeneinander wären eine Viertelstunde vor Abfahrt nicht mehr zu bekommen gewesen. Vermutlich dank des grauen Regenwetters, haben aber insgesamt alle Fahrgäste einen Sitzplatz gefunden. Das blieb auch in Freising und Landshut so, wo es eher voller als leerer wurde, danach war aber wirklich jeder Platz belegt.
Bei meiner insgesamt erst 2. Fahrt mit einem 440er hat sich der Ersteindruck vom letzten Sommer nochmal wiederholt: extrem leise Antriebs- und Fahrgeräusche, und die Klimaanlage schuf angenehme Luft im Fahrzeug. Dicke Minuspunkte: die Gepäckablagen im Hochflurbereich - was soll da drauf, eine Handtasche? Außerdem stören mich nach wie vor die oben viel zu schmalen Rückenlehnen, ich würd gern von meinen Vorn- und Hintermännern möglichst wenig mitbekommen.
Die Fahrt bis Plattling verlief (auch dank angenehmer Mitreisender) problemlos, wo in die bereits bereitstehende Waldbahn nach Bayerisch Eisenstein umgestiegen wurde. Die RegioShuttle-Doppeltraktion war (wohl dank des "guten" Wetters) nur sehr mäßig besetzt und hinter Zwiesel waren keine 10 Leute mehr im Zug.
In Bayerisch-Eisenstein war dann Endstation auf deutscher Seite. Da sich die Grenze zwischen Deutschland und Tschechien direkt durch den Bahnhof zieht, kann man hier wirklich zu Fuß die Staatsgrenze überschreiten. Schade: das WC im deutschen Bahnhofsteil ist wegen Bauarbeiten geschlossen - das WC im tschechischen Bahnhofsteil kostet 5 Kronen Benutzungsgebühr (etwa 20 Cent). Dumm nur, wenn man noch kein tschechisches Geld hat...
Da es mittlerweile in Strömen geschüttet hat, war nicht viel mit Zugfotos in Bayerisch Eisenstein - schade, denn der bereits bereitstehende R nach Prag über Klattau und Pilsen stand eigentlich sehr fotogerecht am Bahnsteig. Doch der eiskalte Regen trieb einen vom Bahnhofsgebäude direkt in den Zug, wo ein äußerst angenehmer Kontrast zu DIEX und Waldbahn wartete: nämlich richtige Eisenbahn!

Gemütliche Sitze mit richtigen Rückenlehnen, unglaubliche Beinfreiheit, Vorhänge am Fenster - überhaupt, Fenster zum Öffnen! Die freie Platzwahl trug noch weiter zum Wohlfühl-Feeling bei. Da konnte man sich das Sauwetter von drinnen gemütlich anschauen:

Überraschend war auch die im Bahnhof hinterstellte Zuggarnitur eines weiteren R von/nach Prag, vermutlich dann für einen späteren Zug des Tages:

Die 6 Wagen wirken für den verlassenen Bahnhof von Zelezna Ruda-Alzbetin leicht überdimensioniert...
Die nächsten 2 Stunden schaukelten wir gemütlich durch den verregneten Böhmerwald, an CD-typischen Bahnhöfen ohne jegliche Fahrgäste, aber mit dienstbemützten Stationsvorstehern vorbei. Erst in Klatovy/Klattau, der ersten größeren Stadt hinter der Grenze, sollte unser Zug spürbar voller werden. Da dort Lokwechsel von Diesel auf elektrische Traktion stattfindet, war Gelegenheit zu einem Foto dieser antik anmutenden Anzeigetafel:

Gegen 15 Uhr nachmittags war das Ziel der Reise dann erreicht: Pilsen hlavni nadrazi. Wer noch nie dort war, dem kann ich nur sagen: an diesem Hauptbahnhof fühlt man sich auf einen Schlag 30 Jahre in die Vergangenheit zurückkatapultiert. Da stören nichtmal die paar modernen Geschäfte, die sich im unteren Teil des Empfangsgebäudes breitgemacht haben. Ich weiß nicht, wie man einen dermaßen großen Knotenpunkt bis heute unsaniert lassen konnte, aber hier hat alles den Flair von 1972. Fast möchte man glauben, man kann hier einen Fahrschein nach München lösen, um dort den Olympischen Sommerspielen beizuwohnen.

Interessant auch die Anlage des Bahnhofs: das Empfangsgebäude betritt man quasi über das Basement, zu den Bahnsteigen beiderseits des Empfangsgebäudes hinauf führen diverse Treppen. Die meisten Bahnsteige sind über Unterführung zu erreichen, man kann aber auch an höhengleichen Überwegen über die Gleise gehen.
Nach dem Verlassen des Bahnhofs und dem Suchen der Straßenbahnhaltestelle die nächste Feststellung: Pilsen ist teilweise eine brutal autogerechte Stadt der 1970er. Das Konzept der damaligen Zeit, die Fußgänger wo möglich in gigantische Unterführungsanlagen zu verbannen und den Autoverkehr sechsspurig drüberrauschen zu lassen, wurde nämlich hinter dem Eisernen Vorhang oft gründlicher umgesetzt als im goldenen Westen. Das ist mir schon in Ostrava am Namesti Republiky massiv aufgefallen. In Pilsen bietet sich ähnliches direkt am "Bahnhofsvorplatz". Dann die nächste Feststellung: mit dem 2.000 Kronen-Schein (etwa 80 Euro), den der Geldautomat ausgespuckt hat, werden wir in puncto Trambahn-Fahrschein wohl nicht weit kommen. Also erstmal im Tesco gegenüber mit kleinerem Wechselgeld versorgt, und beim Fahrer eine günstige Einzelfahrkarte erworben. Nachdem ich mich dann 2 Minuten lang an den Stempelautomaten versucht habe, die gar keine Automaten sind, hat sich eine nette ältere tschechische Dame derbarmt und mir erklärt, dass man das schwarze Plastikding von Hand nach vorne schieben muss, um die Fahrkarte zu entwerten. Da muss man auch erstmal drauf kommen

Nach kurzer Fahrt im Solo-Tatra war die Altstadt erreicht. Überraschend war, dass die Innenstadt für einen Samstagnachmittag um 16 Uhr wie leergefegt war. Daran sollte sich auch das gesamte Wochenende nicht mehr viel ändern. Man mag es dem Wetter anlasten oder der Tatsache, dass Pilsen im Vergleich einfach eine relativ kleine Stadt ist. Die Sehenswürdigkeiten hat man auch schnell gesehen: neben dem Dom (das dunkle Foto erspar ich Euch jetzt lieber) warten vor allem das Rathaus und der Schwarze Turm auf interessierte Fotografen:


Solo-Tatras können den Verkehr auf den SL 1 und 2 am Wochenende locker meistern. Die Linie 4 hingegen wird mit Traktionen oder KT8D5 gefahren. Falls jemand die Liniennummer 3 vermisst: die gibt es in Pilsen nicht

Nachdem das Wetter zum Davonlaufen war und die Altstadt menschenleer, haben wir uns sehr bald ins Wirtshaus verzogen. Gulasch mit Knödeln für 4 Euro, superlecker, was will man mehr. Als Abendunterhaltung wartete dann die Stripbar - bei freiem Eintritt und Preisen von 33 Kronen für eine 0,2l-Cola (etwa 1,30 Euro) beschwert man sich nicht, wenn sich laufend reizende junge Damen vor einem entkleiden.
Der nächste Tag wartete immerhin mit etwas besserem Wetter auf: Regen und graue Wolken hatten sich verzogen, bei 20 Grad ließ sich der morgendliche Blick auf die Altstadt vom neugestalteten Stadtpark aus genießen:

Nach einem empfehlenswerten Abstecher durch die mittelalterlichen Katakomben, durch die unsere tschechische Fremdenführerin leider gehetzt ist wie ein Kaninchen durch seinen Bau, wollten wir die bekannte Pilsner-Brauerei zur Führung aufsuchen. Da stellten wir wieder fest, welche Schwierigkeiten es in einer autogerechten Stadt der 1970er bereiten kann, als Fußgänger ans Ziel zu kommen. Gerade das Eck um die Brauerei herum, zwischen Altstadt und Hauptbahnhof, ist gelinde gesagt eine Frechheit und ich verstehe nicht wieso die Stadt Pilsen es nicht hinbekommt, da mal was zu machen. Will man wirklich 2015 den Titel "Kulturhauptstadt Europas" tragen - die Kandidatur steht - dann sollte man zumindest ein paar Fußgängerwege und Ampeln in diesem touristischen Eck der Stadt anlegen, damit die Leute sich auch ohne Skoda fortbewegen können.
Die Brauerei zollt auch dem früheren Haupt-Transportmittel Respekt:

(das Fabrikationsschild besagt übrigens CKD SOKOLOVO - Narodni Podnik - Praha - 1957)
Heute wird nach Aussage des Tourguides natürlich nur noch per Lastwagen transportiert.
Nachdem bereits der Abend vor der Tür stand und um 19 Uhr der ALEX gen München ging, war es an der Zeit, nochmal etwas Hauptbahnhof-Feeling zu schnuppern. Schade: das CD-Kursbuch für 2010 ist am Pilsner Hauptbahnhof schon ausverkauft (vermutlich auch, weil in Pilsen sämtliche Eisenbahnfans aus Bayern ins Land einfallen). Immerhin mußte man für diese Auskunft nicht anstehen, da sowohl das CD-Kundenzentrum wie auch die Fahrkartenschalter am Sonntag Abend mehr Personal, als Kundschaft vorzuweisen hatten. Etwas vertröstet haben mich die interessanten Zuggarnituren am Bahnhof, allen voran natürlich der Kurs-Schlafwagen des bekannten "Excelsior" nach Kosice:

Da wär ich am liebsten gleich eingestiegen und mitgefahren... doch leider stand der Montag ins Haus.
Dieser Ausflug war zumindest fotografisch keine große Ausbeute, aber in jedem Fall wieder ein interessanter Einblick in ein Land, das mit mittlerweile sehr ans Herz gewachsen ist und das ich sehr bald wieder besuchen werde. Dann hoffentlich wieder etwas eisenbahnlastiger. Und wer weiß, vielleicht bringe ich irgendwann mein Tschechisch auch mal so gut hin, dass mir die Kellner im Wirtshaus nicht immer auf Deutsch antworten...

Ich hoffe, es hat Euch auch a bisserl Spaß gemacht
