Vor etwa zwei Wochen gab es einen Unfall mit dem TAV (Technikbasiertes Abfertigungsverfahren) bei einem 611 oder 612. Da ja das TAV mittlerweile auch bei vielen anderen Fahrzeugen (z.B. 423, ich sage nur Lichtschranke) eingebaut ist, denke ich, dass das für viele von Interesse ist. Hier also mal zwei Artikel aus der
Rheinpfalz:
-Rheinpfalz\ @ 9.5.2003 hat geschrieben:
Von Zug mitgerissen: „Ich hab' Schweineglück gehabt"
GERMERSHEIM: Regionalexpress mit in Tür eingeklemmter Studentin fährt von
Germersheim bis Speyer – Leicht verletzt
Von unserem Redakteur
Michael Gottschalk
„Ich hab' Schweineglück gehabt." Dieses Fazit einer ungewöhnlichen und gefährlichen
Bahnfahrt zog eine junge Frau aus Germersheim gestern Nachmittag im Krankenhaus. Die
Studentin war in die Tür des Regionalexpress' nach Mainz eingeklemmt und bis kurz vor
Speyer mitgerissen worden.
Noch halb unter Schock, aber doch schon wieder ein bisschen lächelnd, erzählt sie den
Vorfall aus ihrer Sicht: Die Studentin war mit dem Zug aus Karlsruhe gegen 12.30 Uhr nach
Germersheim gekommen, wo sie am Bahnhof mit ihrem Fahrrad ausstieg. Auf dem
Bahnsteig sah sie eine Frau, die noch in diesen Zug Richtung Speyer einsteigen wollte. Da
die Türen sich bereits schlossen, fuhr sie schnell mit dem Rad zur nächsten Zugtür und
drückte den Türöffner-Knopf, vergeblich, die Türen schlossen sich weiter. In der Hoffnung,
dass sie sich bei Kontakt automatisch wieder öffnen, streckte sie ihren linken Arm zwischen
die sich schließenden Türflügel. Doch die Türen gingen zu, die Gummimanschetten
schlossen sich um ihren Arm und gaben ihn nicht mehr frei.
Am Anfang mit dem Rad neben dem Zug hergefahren
Obwohl sie und die Frau schrieen, die auch noch an der Studentin zog, um sie zu befreien,
setzte sich der Zug in Bewegung. Anfangs saß die 35-Jährige auf ihrem Rad und fuhr
nebenher. Doch als der Zug immer schneller wurde, stieß sie ihr Rad weg und suchte Halt
am Zug. Den fand sie nach kurzer Umschau. Sie sah zwei Schläuche, zu denen hangelte
sie und stellte sich mit den Füßen darauf.
„Ich habe nur gedacht hoffentlich halten die", erzählt die 35-Jährige. Dann fand sie einen
Vorsprung am Waggon, an dem sie sich mit der freien Hand festhalten konnte und
quetschte sich zwischen die beiden Teile des Pendolinos. Allerdings begannen schnell ihre
Knie zu zittern und die Hand wurde vom Festhalten taub. Die Angst: „Hoffentlich reichen
meine Kräfte bis Speyer."
Auf freier Strecke, kurz hinter Berghausen hielt der Zug plötzlich. In den Schläuchen
zischte es. In der Annahme, die Türen müssten sich jetzt wieder öffnen lassen, drückte sie
den Türöffner-Knopf – die Türen öffneten sich. „Ich habe mich dann selbst befreien
können." Danach setzte sie sich auf den Bahndamm. Dort fand sie der Zugführer. Warum
und wieso es zu dem Vorfall kam, konnte die Studentin nicht mit dem Zugführer klären. „Ich
stand unter Schock." Auf der nahe den Bahngleisen verlaufenden Straße hielt dann ein
Auto, dem ein Römerberger entstieg. „Der war wirklich ein Schatz. Er hat sich rührend um
mich gekümmert, hat mich in die Notaufnahme nach Germersheim gebracht und zuvor
noch die Zugdaten und den Namen des Zugführers notiert."
Im Krankenhaus wurde sie geröntgt und gründlich untersucht. Ergebnis: Sie hat wirklich
Glück gehabt. „Der Arm ist gequetscht, die Muskeln sind traumatisiert – so heißt das, glaub'
ich; ich kann wohl einige Zeit kein Cello spielen – ich habe eine Prellung am rechten
Sprunggelenk und einige leichte Schürfungen."
Deutsche Bahn: „Wir können uns das nicht erklären"
Wie es zu dem Vorfall kommen konnte? Darauf wusste ein Sprecher der Deutschen Bahn
keine rechte Antwort. „Das wissen wir selbst nicht, wir können uns das nicht erklären."
Kollegen, die die Situation nachgestellt hätten, hätten ihre Hand wieder zwischen den
Türflügeln herausziehen können. Losfahren könne der Pendolino, der mit einem
automatischen Türschließverfahren ausgestattet sei, erst, wenn die Türen geschlossen
seien, sagte der Bahnsprecher. Dieses elektronische Signal wurde wohl gegeben. Der
Zugführer habe die Studentin wohl nicht am Zug hängen sehen. Der Pendolino habe,
anders als ältere Zugmodelle, keine Rückspiegel – wegen des „eigentlich sicheren
automatischen Schließmechanismus'", sagte der Sprecher.
Die Bahn werde nun prüfen, ob es eine Sicherheitslücke gibt oder es sich um eine
Verkettung unglücklicher Umstände handelt, sagte der Sprecher. Eisenbahnbundesamt
und Bundesgrenzschutz würden jetzt ermitteln. Der Sprecher wies darauf hin, dass der
Lokführer eines dem Pendolino entgegenkommenden Zuges die Frau gesehen und über
Bahnfunk die Kollegen alarmiert hätten, die wiederum den Zugführer des Pendolinos
verständigten.
Heute sollen die beiden Teile des Pendolinos, die aus bahntechnischen Gründen in
Ludwigshafen und Worms stünden, in den dortigen Werkstätten untersucht werden. Das
sagte ein Sprecher des Bundesgrenzschutzes in Saarbrücken.
-Rheinpfalz\ @ 10.05.2003 hat geschrieben:
Studentin will von der Bahn Schmerzensgeld
GERMERSHEIM: 35-Jährige muss länger als erwartet im Krankenhaus bleiben
Die Studentin, die Donnerstagmittag am Bahnhof Germersheim ihren Arm von außen in
eine Zugtür brachte und vom anfahrenden Zug bis kurz vor Speyer mitgerissen wurde, (wir
berichteten gestern) muss mindestens einen Tag länger im Krankenhaus bleiben; sie hofft,
heute entlassen zu werden.
Laut der 35-Jährigen traten in der Nacht Schmerzen in Rücken und Schultern auf,
Zerrungen, die tagsüber wohl vom Schock überdeckt wurden. Mittlerweile habe sie eine
Anwältin eingeschaltet; sie will Schmerzensgeld von der Bahn. Gestern habe sie ein
Beamter des Bundesgrenzschutzes (BGS) vernommen. Der habe ihr im Gespräch
angedeutet, dass die Deutsche Bahn sie möglicherweise wegen Eingriffs in den
Bahnverkehr anzeigt, sagte die Studentin, die nach eigenen Angaben bis dahin keinen
Kontakt mit der Bahn hatte.
„Wir warten erst einmal die Untersuchungen ab", sagte ein Bahn-Sprecher auf Anfrage.
Über eine Anzeige gegen die Studentin mache sich die Deutsche Bahn derzeit keine
Gedanken. Die Bahn habe gestern versucht, Kontakt mit der Studentin aufzunehmen, was
wegen des Datenschutzes nicht einfach gewesen sei. Der Sprecher erzählte noch, dass
das Fahrrad, mit dem die Studentin auf dem Bahnsteig in Germersheim gefahren ist,
sichergestellt wurde und beim Fahrdienstleiter abgeholt werden kann.
Die bereits für gestern angekündigten Untersuchungen am Pendolino sollen nun
kommenden Montag erfolgen, sagte ein BGS-Sprecher. Der Zug stehe versiegelt in
Kaiserslautern. Die Auskunft der Bahn, wonach der Zugführer eines entgegenkommenden
Zuges die Frau am Pendolino hängen sah und Alarm auslöste, präzisierte der BGSSprecher
gestern dahingehend, dass besagter Zug auf dem Gegengleis im Bahnhof
Germersheim stand. Dass der Pendolino, der mit einer Geschwindigkeit von etwa 120
Stundenkilometern unterwegs gewesen sei, überhaupt die zirka acht Kilometer bis kurz vor
Speyer mit der Frau habe fahren können, begründet er damit, dass es beim Auslösen des
Alarms Probleme beim Bahnfunk gab und ein anderer Kanal gewählt werden musste. (gs)