aus der SZ, ePaper, wie fast immer bei mirStaat steigt bei der Regentalbahn aus
Sechs Bewerber aus Hamburg und dem Ausland wollen Aktien kaufen
Von Klaus Ott
München - Liebhaber historischer Dokumente können jetzt alte Aktien der Regentalbahn AG erwerben, zum Stückpreis von 30 Euro. Sogar Wertpapiere der Vorläufergesellschaft, der Lokalbahn Gotteszell - Viechtach, sind noch erhältlich. Die Urkunden aus dem Jahr 1891 kosten 100 Euro. Wer mehr investieren mag, kann auch die heute gültigen Aktien kaufen. Der Freistaat veräußert seinen Anteil von knapp 77 Prozent entweder ganz oder weitgehend. Die CSU-Regierung will, auf Drängen des Rechnungshofes, Bayerns letzte Staatsbahn privatisieren.
Für die profitable Regentalbahn, die mit ihren Triebwagen in Bayern, Thüringen, Sachsen und der Tschechischen Republik gut 20 Strecken betreiben - sie sind mehr als 1000 Kilometer lang - gibt es sechs Bewerber: die Hamburger Hochbahn, die der Hansestadt gehört; die Österreichische Bundesbahn (ÖBB) und eine ebenfalls staatliche Eisenbahn aus Graz; eine deutsch-französische Bietergemeinschaft, an der die Staatsbahn SNCF aus Frankreich beteiligt ist; das britische Verkehrsunternehmen Arriva, das mehrere Linien in Ostdeutschland bedient sowie eine weitere Privatbahn namens Connex, Tochtergesellschaft eines französischen Mischkonzerns. Connex ist Inhaber der Bayerischen Oberlandbahn (BOB), die von München über Holzkirchen in die Alpen fährt.
Vier der sechs Interessenten kommen also aus dem staatlichen Bereich, eine richtige Privatisierung wird es also womöglich nicht geben, je nachdem, wer den Zuschlag erhält. Noch im Sommer sollen die Verhandlungen abgeschlossen werden. Anfang Herbst wolle das Kabinett entscheiden, verlautet aus der Regierung, die den Bewerbern zwei Verkaufsmodelle präsentiert hat: Finanzminister Kurt Faltlhauser gibt entweder alle Aktien des Freistaats zu einem erhofften Preis von 30 Millionen Euro ab. Oder er veräußert nur einen Anteil von knapp 52 Prozent und behält eine Sperrminorität von 25 Prozent. In diesem Fall wären rund 20 Millionen Euro fällig. Mit den Erlösen möchte Wirtschafts- und Verkehrsminister Otto Wiesheu das ostbayerische Grenzland unterstützen.
Bei der hier ansässigen Regentalbahn will der Freistaat auch nach einem Ausstieg weiter mitreden und sich bis 2010 einen Sitz im Aufsichtsrat sichern. Der neue Inhaber muss laut Vertragsentwurf vor allem garantieren, die mehr als 400 Arbeitsplätze und alle Standorte zu erhalten. Stammsitz ist auch heute noch Viechtach. Die Regentalbahn fährt vor allem im Bayerischen Wald, in der Oberpfalz und in Sachsen, dort mit der Tochterfirma Vogtlandbahn. Neu hinzu kam 2003 die Linie München - Oberstdorf.
Quelle: Süddeutsche Zeitung
Nr.127, Freitag, den 04. Juni 2004 , Seite 49

Gruß Flo