FTD: "Riesenfrust bei Beschäftigten der Bahn"

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Electrification
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Beitrag von Electrification »

Iarn @ 18 Aug 2011, 14:15 hat geschrieben: Also gerade die Poststellen in kleinen Lebensmittelläden oder Schreibwarenläden ist der Service meist viel besser als in den echten Postfilialen oder gar der alten Bundespost. Dort will man nämlich, dass die Kunden wiederkommen.
Das Gefühl hatte ich in den alten Bundespost Filialen nie, da hatte man immer das Gefühl, der Kunde stört die Abläufe der Bundespost (Büroschlaf).
Die kleinen Postagenturen sind gut, aber gerade auf dem Land werden die immer weniger, weil die Verträge knallhart sind und den armen Betreibern oftmals kaum was übrig bleibt für die Mühe.
Ich kenne einige Orte wo in den letzten Jahren der Betreiber der Agentur von Geschäft zu Geschäft gewandert ist, tw. ist man schon ohne Agentur.
Hier ist das Problem dass die Post keinen Allgemeinwohlauftrag mehr hat und hier nur Profit rausschlägt.

Noch mieser geht es im Paketgeschäft zu, da habe ich neuerlich erst wieder was über Hermes gelesen, aber sicher auf alle übertragbar, wer kennt nicht die vielen Selbstständigen die mit Schildern "Im Auftrag der Deutschen Post" rumfahren und wenn es gut läuft trotz Arbeit rund um die Uhr wohl knapp über dem HartzIV-Satz sind.
Da werden ja tw. Aufträge an Subunternehmer vergeben, die wieder ihrerseits an Subunternehmer vergeben und schon können sich die ursprünglichen Paketdienste rein waschen. Dabei heißt es die Gelder reichen hinten und vorne nicht um als Subunternehmer wirtschaftlich arbeiten zu können.

Gleiches gilt für Briefträger. Es gibt nun mal nur eine begrenzte Zahl und wenn mehrere Firmen dann Briefe austragen wollen, transportiert jeder weniger. Ist nicht nur weniger umweltfreundlich, es führt auch dazu dass keiner der Leute davon leben kann. Früher konnte ein Briefträger von seiner Arbeit über die Runden kommen, heute ist das für die meisten kaum noch möglich. Eine bedenkliche und unmenschliche Entwicklung.

So positiv vieles auch war, wieder mal bleibt die Menschlichkeit auf der Strecke, denn es werden Leute beschäftigt die für einen Hungerlohn arbeiten und davon kaum leben können und unserer Volkswirtschaft damit massiv schaden.
riedfritz
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Beitrag von riedfritz »

findest du es wirklich motivierend, wenn deine Firma Rekordgewinne macht, und dann trotzdem Mitarbeiter entlässt, wie z.b. bei der Deutschen Bank geschehen?
Die Deutsche Bank ist ein Beispiel, das gar nichts mit dieser Diskussion zu tun hat, sie ist seit eh und je eine Aktiengesellschaft (Privatunternehmen), wo die Aktionäre bestimmen wo´s lang geht.

Von der stolzen Konkurrenz Dresdner Bank und Commerzbank (zweit-und drittgrößte Privatbanken) blieb wegen falschem Management nicht mehr viel übrig und die Eigentümer (=Aktionäre) haben herbe Verluste verkraften müssen.

Dies verhält sich bei den Sparkassen anders, weil der Gewährsträger der Steuerzahler ist.

Vor Jahrzehnten hat man versucht, den Deutschen Aktien als Beteiligungsmodelle schmackhaft zu machen, ausser bei der Telekom hat es kaum eine AG geschafft, ihr Kapitalfundament weiter zu streuen. Trotzdem schreit jeder gleich, als wenn er in irgendeiner Weise am Erfolg / Misserfolg dieser AGs partizipieren würde.


Viele Grüße,

Fritz
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karhu
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Beitrag von karhu »

Electrification @ 18 Aug 2011, 19:27 hat geschrieben: So positiv vieles auch war, wieder mal bleibt die Menschlichkeit auf der Strecke, denn es werden Leute beschäftigt die für einen Hungerlohn arbeiten und davon kaum leben können und unserer Volkswirtschaft damit massiv schaden.
Ich vermute es auch das es noch schlimmer wird wenn man den Kapitalismus nicht aufhält. Es werden nur noch die ein paar einzelne Leute dick Kohle verdienen und die anderen, die große Mehrheit, immer weniger. Man sieht es an Russland wie die Entwicklung nach dem Sozialismus ist. Dagegen helfen nur starke Gewerkschaften und eine demokratische sozialistische Politik.
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Beitrag von riedfritz »

Den ganzen letzten Beitrag incl. Zitat von Electrification kann ich ich nur unterschreiben.

Unser "deutsches" Problem ist, dass sich in weiten Teilen der Welt eine menschlichere Arbeitswelt nicht durchgesetzt hat und wenn man die Entwicklung z.B. der USA pessimistisch sieht (Teaparty), auch auf lange Zeit nicht durchsetzen wird.

Gegen diese Länder stehen wir als Exportnation im Wettbewerb also sind höhere Sozialleistungen eine Gratwanderung, wenn wir unsere Verdienstmöglichkeiten nicht abwürgen wollen.


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Beitrag von Hot Doc »

riedfritz @ 19 Aug 2011, 09:47 hat geschrieben: Unser "deutsches" Problem ist, dass sich in weiten Teilen der Welt eine menschlichere Arbeitswelt nicht durchgesetzt hat und wenn man die Entwicklung z.B. der USA pessimistisch sieht (Teaparty), auch auf lange Zeit nicht durchsetzen wird.

Gegen diese Länder stehen wir als Exportnation im Wettbewerb also sind höhere Sozialleistungen eine Gratwanderung, wenn wir unsere Verdienstmöglichkeiten nicht abwürgen wollen.
Komisch, dass wesentlich sozialere Nationen, wie die meisten nordeuropäischen, wirtschaftlich wesentlich stabiler dastehen.
Hier geht es schlicht darum, Geld effizient einzusetzen (was in Deutschland zwar besser funktioniert als in manch anderen Länder, aber eben immer noch lange nicht so gut wie es möglich wäre) und sich das Geld auch da zu holen wo es z.Z. im Überfluß sitzt. Es gibt genug sehr reiche Bundesbürger, die (im Vergleich zu ihrem Vermögen) kaum Steuern zahlen und ebenso sehr reiche Firmen, die trotz hoher Gewinne Arbeiter entlassen. Das hat mit Wettbewerbsfähigkeit nichts zu tun, sondern nur mit Profitgier!
Dass das auf lange Sicht sogar das gegenteil bewirken kann, will lieber keiner sehen.

Gestern n schonen Beitrag in Panorama über die Staatsverschuldung gesehen. Wie jede Regierung seit Schmidt geschworen hat, die Schulden zu senken und keiner hats dann durchgesetzt. Jetzt liegen wir sogar über der Schuldengrenze der Euro-Länder und trotzdem gehts einfach weiter. Statt die Schulden zu senken, hat Merkel der FDP schon eine Steuersenkung versprochen. Die nächste Wirtschaftskrise läßt sich schon absehen und damit die nächsten Schulden...usw. usw.
Die parallele zur freien Wirtschaft ist eindeutig. Hier wird aktuell auf Gewinn und Profit gesetzt und sonst in vielen Betrieben auf Verscheiß (vor allem menschlicher Verschleiß) gefahren. Ein Hoch auf viele mittelständische Betriebe, die noch sowas wie Unternehmenskultur besitzen.

EDIT: Auch die USA könnten sich ohne größere Probleme mehr Sozialstaat leisten, wenn man die oberen 10% mal etwaszur Kasse bitten würde. Aber die verstehen es noch besser als in Deutschland den kleinen Leuten vorzumachen, dass das für den Wirtschaftsstandort schädlich wäre..."möglichst wenig Staat", selbst die Krankenkasse wird ja dort als sozialistisches Böse verurteilt.
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Beitrag von riedfritz »

Hallo Hot Doc,


nicht viel gegen Deinen Post zu sagen. In den drei nordischen Ländern sind die Probleme aber ähnlich nur auf einem etwas anderen Niveau, wobei Norwegen besonders vom Nordseeöl profitiert und z.B. Schweden die "Bonzen" früher so hoch besteuert hat, dass diese ihre Ersparnisse abbauen mussten.

Was man für richtig oder angemessen hält, ist Ansichtssache.

Ob aber die "Bahn-Wiederverstaatlichung" für die Beschäftigten irgendeine positive Wende
brächte, wage ich zu bezweifeln.

Viele Grüße,

Fritz
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Beitrag von karhu »

Ganz Passend zu dieser Politik: STZ: Sparprogramm bei der Bahn

Was mich besonders aufregt:
Nun aber steht eine neue Sparrunde bevor, obwohl der Staatskonzern hohe Gewinne einfährt.
Das ist reine Profitgier und ist durch nichts zu rechtfertigen.

Wenn ich überlege bei der VR in Tampere oder Helsinki hab ich noch nie länger als 15min am Schalter warten müssen auch zu Spitzenzeiten nicht, weil genug Personal da ist.
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Beitrag von Electrification »

leinfelder @ 19 Aug 2011, 22:24 hat geschrieben: Das ist reine Profitgier und ist durch nichts zu rechtfertigen.

Wenn ich überlege bei der VR in Tampere oder Helsinki hab ich noch nie länger als 15min am Schalter warten müssen auch zu Spitzenzeiten nicht, weil genug Personal da ist.
So ist das deutsche Bahnsystem aber aufgebaut, es geht nur um Profite, egal wie. Das findest du bei der DB genauso wie bei den anderen Privatbahnen, besonders eben die großen Konzerne. Ich kenn mich da gut aus, daher ist der Druck bei den großen Betrieben mittlerweile überall gleich und überall wird von den EVU-Töchtern massiv Geld hin zu den Holdings abgedrückt, über das gesunde Maß hinaus, so dass die Spielräume sehr klein sind.

Wie gesagt, mir wäre eine Art amerikanisches Modell (natürlich nur von der Bezeichnung her ;) ) lieber:
Wettbewerb im Güterverkehr und Infrastruktur und Personenverkehr in öffentlicher Hand mit vielen kommunalen, regionalen Bahnen und Regelungen wie im schweizer Bahnsystem. Das würde mehr bringen. Wäre die BOB z. B. in kommunaler Hand, könnte das Ziel sein wirtschaftlich zu arbeiten, aber man müsste keine hohen Renditen erwirtschaften und vor allem würden die Gewinne in der Region bleiben und somit eine hohe Wertschöpfung, während sie so ins Nachbarland abwandern.
Volkswirtschaftlich ist doch das schweizer Modell sinniger als das deutsche Wettbewerbsmodell (das gegen die Wettbewerbsmodelle einiger anderer Länder eh alt aussieht) und es funktioniert, denn auch im Fernverkehr haben die SBB genaue Vorgaben über eine Mindestbedienung und es läuft.
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