Ramsauer liebäugelt mit Bahnprivatisierung

Alles über Eisenbahn, was woanders nicht passt.
Electrification
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Beitrag von Electrification »

Eine "Bahn für alle"-PM stelle ich mal bei dieser Gelegenheit ein:
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Ramsauer liebäugelt mit Bahnprivatisierung

Bündnis "Bahn für Alle" kritisiert Renditeversprechen scharf

Während die Finanzkrise Europa beutelt, bietet Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer, CSU, privaten Anlegern die Deutsche Bahn als Renditeschlager an. Im Interview mit der Ostsee-Zeitung sagt er in der heutigen Ausgabe: „Die deutsche Bahnwirtschaft ist im weltweiten Vergleich eine langfristig hochrentable Angelegenheit.“ Gleich zweimal lädt er private Investoren als „hochwillkommen“ herzlich ein, „etwa in den Fahrbetrieb der DB Mobility“ zu investieren.

Investoren erwarten Rendite, und die erwirtschaftet die DB AG in erster Linie aus öffentlichen Zuschüssen. Den höchsten Anteil an den ausgewiesenen Gewinnen der DB AG hat mit 33 Prozent die DB Regio, die zur von Ramsauer ins Spiel gebrachten DB Mobility gehört. Die DB Regio erzielt den überwiegenden Teil ihrer Einnahmen aus Regionalisierungsmitteln des Bundes für den Nahverkehr, also aus staatlichen Geldern. Zweitgrößter „Gewinnbringer“ ist die DB Netz mit 27 Prozent, die sich ebenfalls überwiegend aus staatlichen Geldern finanziert, den Bundeszuschüssen für Instandhaltung und Neubau von Strecken. „Nimmt man nur die staatlichen Zuschüsse, die in DB Regio und DB Netz fließen, dann verwandelt sich der 2010er Jahresgewinn von 1,87 Milliarden Euro in einen Verlust von mehr als 6 Milliarden Euro“, rechnet Bernhard Knierim vom Bündnis "Bahn für Alle“ vor. „Ramsauers Vorschlag will nun diese scheinbaren Gewinne privatisieren, während die Kosten bei der Allgemeinheit bleiben.“

Ramsauer weist im Interview richtig darauf hin, dass die Vorbereitung auf den Börsengang mitursächlich für die desolaten Zustände bei der DB waren, die wir heute sehen: massive Verspätungen, Zusammenbruch des Verkehrs bei widrigen Wetterbedingungen oder die Ausfälle bei der S-Bahn Berlin. Aber auch ein Investor, wie Ramsauer ihn hier ins Spiel bringt, hat Renditeerwartungen an die Bahn. Auch damit entsteht Druck, Kosten einzusparen, und das geht zu Lasten von Sicherheit und Zuverlässigkeit.

„Renditeversprechen verschärfen öffentliche Armut. Geld für notwendige Schieneninvestitionen ließe sich nachhaltiger durch eine Umverteilung der Bundesmittel von der Straße zur Schiene finden“, sagt Monika Lege, Verkehrsreferentin der Umweltorganisation ROBIN WOOD. Erst im Dezember hatte Ramsauer den Entwurf des neuen Investitionsrahmenplans vorgestellt. Dieser sieht weiterhin mehr Geld für den Neubau von Bundesfernstraßen als von Schienenwegen vor.

Das Bündnis "Bahn für Alle" fordert eine Bahn, die sich am Gemeinwohl anstatt am Profit orientiert und einen flächendeckenden, zuverlässigen und sicheren Bahnverkehr zu bezahlbaren Preisen sicherstellt. Voraussetzung dafür ist eine Bahn in öffentlicher Hand, die sich am Vorbild der Schweizerischen Bundesbahnen (SBB) orientiert, welche wesentlich bessere Leistungen bei geringeren öffentlichen Zuschüssen bieten.
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c-a-b
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Beitrag von c-a-b »

Der sollte mal lieber mit einer Autobahnprivatisierung liebäugeln…
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Beitrag von firefly »

c-a-b @ 18 Jan 2012, 10:57 hat geschrieben: Der sollte mal lieber mit einer Autobahnprivatisierung liebäugeln…
Ja super, lasst uns vom Regen in die Traufe springen.
Electrification
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Beitrag von Electrification »

Die Infrastruktur gehört in staatliche Hand, aber auch der Betrieb gehört in öffentliche Hand, dafür habe ich ja schon oft genug geworben. Das schweizer Modell ist hier perfekt. Ein perfekter LuFV und viele kleine, regionale Privatbahnen die allesamt in öffentlicher Hand sind.

Damit würden keine Millionen Euro an Steuergelder mehr abfließen an die Eigentümer der ganzen Bahngesellschaften, die Wertschöpfung würde vor Ort bleiben und die Gemeinden mit Bw usw. würden auch von der Gewerbesteuer profitieren (was heute leider nicht der Fall ist). Alles in allem besteht derzeit eine Situation die volkswirtschaftlich keinen Sinn ergibt, aber es bereichern sich einige auf unsere Kosten und diese haben eben den Einfluss auf die Entscheidungsträger in diesem Land bzw. der EU gesamt.
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Boris Merath
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Beitrag von Boris Merath »

Electrification @ 17 Jan 2012, 21:56 hat geschrieben: „Nimmt man nur die staatlichen Zuschüsse, die in DB Regio und DB Netz fließen, dann verwandelt sich der 2010er Jahresgewinn von 1,87 Milliarden Euro in einen Verlust von mehr als 6 Milliarden Euro“, rechnet Bernhard Knierim vom Bündnis "Bahn für Alle“ vor.
Laut einem Buch Betrüg der Verlust der Bundesbahn 1993 6,1 Milliarden Mark, der der Reichsbahn 9,4 Milliarden Mark, umgerechnet 7,9 Milliarden Euro. Um die Inflationsrate bereinigt komme ich auf 11,6 Milliarden Euro.

Allerdings müssen wir zum Beispiel von den 7,9 Milliarden Verlust Im Jahr 1993 noch mindestens 0,7 Milliarden Euro abziehen, die die Bahnen für Zinsen für die Schulden aufbringen mussten - ich bin hier von einem Zinssatz von 2% ausgegangen. Damit komm ich schon nur noch auf 10,6 Milliarden bereinigt um die Inflationsrate. Dann geht ein Teil der Zuschüsse nicht an die DB, sondern auch an private Unternehmen. Momentan kommt ein Teil der Zuschüsse noch zurück in den Bundeshaushalt in Form des Gewinns der DB - wenn jetzt der Gewinn der DB privatisiort wird, sind wir mit den 7,87+x Milliarden nicht mehr so weit von den 10,6 Milliarden von vor der Bahnreform entfernt...

Klar, das ganze ist eine ziemlich Milchmädchenrechnung, weil viele Faktoren nicht berücksichtigt sind (besondere Preissteigerungen im Energiebereich zum Beispiel) und ich habe auch nicht alle Zahlen nachgeprüft, aber mir geht es um die Tendenz, nämlich darum, dass die Einsparungen durch die Bahnreform gar nicht so enorm waren, wie es vielleicht im ersten Moment klingt.

Nicht vergessen sollte man auch die weiteren Kosten, die nur einen Haushaltsposten weiter verschoben wurden, nämlich einerseits die Pensionsansprüche, andererseits aber auch die Kosten für die Allgemeinheit für die abgebauten Arbeitsplätze.
Bis zur vollzogenen Anbringung von ausreichenden Sandstreuapparaten an allen Maschinen haben die Bahnwärter bei aufwärtsgehenden Zügen auf stärkeren Steigungen die Schienen ausgiebig mit trockenem Sand zu bestreuen und für die Bereithaltung eines entsprechenden Vorrathes zu sorgen.

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Boris Merath
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Beitrag von Boris Merath »

Autobahn schreibt in einem anderen Thema:
Insgesamt wendet der Staat also 16,6 Milliarden für die Eisenbahn auf.
Ich habs nicht nachgeprüft, aber das wäre dann ja sogar deutlich mehr, als die Bundesbahn plus Reichsbahn an Verlust gemacht haben.
Bis zur vollzogenen Anbringung von ausreichenden Sandstreuapparaten an allen Maschinen haben die Bahnwärter bei aufwärtsgehenden Zügen auf stärkeren Steigungen die Schienen ausgiebig mit trockenem Sand zu bestreuen und für die Bereithaltung eines entsprechenden Vorrathes zu sorgen.

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Beitrag von imp-cen »

Und dann hat es da geheissen, dass das ja für einen Investor so interessant wäre, da man ja langfristig mit guten Einnahmen rechnen könne. Man bräuchte halt jemanden für die anstehenden Investitionen.

Ja toll, Gewinne der Bahn verschwinden im Bundeshaushalt oder man shoppt Gott weis wo Verkehrsunternehmen in den Konzern, aber der Staat braucht in einigen Jahren keine Einnahmen aus der Bahn, oder wie?

Da wird sich doch blos irgendwer wieder am Gemeineingetum gesundstossen... *kopfschüttel*
Naja, soll ses halt versuchen. <_<

Wir sparen halt für...
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Autobahn
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Beitrag von Autobahn »

Boris Merath @ 18 Jan 2012, 17:07 hat geschrieben:Ich habs nicht nachgeprüft, aber das wäre dann ja sogar deutlich mehr, als die Bundesbahn plus Reichsbahn an Verlust gemacht haben.
In den Zahlen sind die 7 Milliarden Regionalisierungsmittel enthalten. Und Du musst berücksichtigen, das heute mehr Züge fahren, als 1993!

Zudem beträgt der Zuschuss des Bundes an die Rentenversicherung für die ehemaligen Bundesbahnbediensteten 366 Millionen Euro (in 2011). In dem Posten "Erstattungen an das Bundeseisenbahnvermögen" von 5,2 Milliarden sind auch die Gehälter der Beamten (und Pensionen der ehemaligen Beamten) enthalten.

Wie viel Züge ohne die Bahnreform heute fahren würden, kann ich nicht abschätzen. Aber nach den Erfahrungen von 1949 - 1993 bei der Bundesbahn sicher weniger. Durch das Bestellerprinzip (das aber schon Anfang der 1980er Jahre einsetzte) konnten viele Nebenstrecken gerettet werden. Und durch die Ausschreibungen konnte wegen des damit erreichten geringeren Kilometerpreises mehr Verkehr zum gleichen Preis bestellt werden.

Aus vertraulichen Quellen kenne ich den Kilometerpreis, den die Deutsche Bahn gerne haben möchte, wenn es keinen Wettbewerb gibt. Demnach müssten ein Drittel bis zu Hälfte der Zugleistungen abbestellt bzw. gar nicht erst bestellt werden.

Die Deutsche Bahn AG ist de facto privatisiert. Das Problem ist lediglich, das sie als Privatunternehmen auch die Infrastruktur bewirtschaftet.
Electrification @ , hat geschrieben:Ein perfekter LuFV und viele kleine, regionale Privatbahnen die allesamt in öffentlicher Hand sind.
Du wirst lachen, aber viele regionale Privatbahnen sind in öffentlicher Hand oder aus ihr entstanden. Die NordWestBahn wurde von den Stadtwerken Osnabrück gegründet, noch heute halten sie 26 Prozent des Stammkapitals. An der Westalenbahn sind die Mindener Kreisbahn mit 25 Prozent und moBiel (Stadtverkehr Bielefeld, 100 Prozent Stadtwerke Bielefeld) mit ebenfalls 25 Prozent beteiligt. Abellio entstand als Tochterunternehmen der Essener Vervorsgungs- und Verkehrsgesellschaft (EVAG), welche der Stadt Essen gehört.

Und es ist nun mal so, das alle in Deutschland ansässigen Unternehmen auch in Deutschland Steuern zahlen! Das spielt es keine Rolle, wo der Kapitaleigner sitzt.

Über die weiteren privaten EVU kannst Du Dich gerne selber informieren. Sie alle hätten aber gegen die übermächtige DB AG keine Chance gehabt, sich auf dem Markt zu profilieren. Daher haben sie sich finanzkräftige Partner gesucht. Das hiervon viele aus anderen europäischen Ländern kommen, betrachte ich nicht als Manko. Schließlich ist die DB AG auch in vielen europäischen Ländern aktiv. Neben Arriva im Personenverkehr ist es vor allem DB Schenker im Güterverkehr. Und sie würde so gerne auch im französischen Nahverkehr Fuß fassen ;)

Und da spielt es wirklich keine Rolle, wenn nach der vollzogenen Trennung von Infrastruktur und Betrieb der Bund den Rest der DB AG verscherbelt. Doch wer kauft das?
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Beitrag von Boris Merath »

Autobahn @ 18 Jan 2012, 19:54 hat geschrieben: Zudem beträgt der Zuschuss des Bundes an die Rentenversicherung für die ehemaligen Bundesbahnbediensteten 366 Millionen Euro (in 2011). In dem Posten "Erstattungen an das Bundeseisenbahnvermögen" von 5,2 Milliarden sind auch die Gehälter der Beamten (und Pensionen der ehemaligen Beamten) enthalten.
Ja. Nur - die waren vorher auch in dem Verlust der Bundesbahn/Reichsbahn enthalten, also muss man die schon mit dazurechnen.
Wie viel Züge ohne die Bahnreform heute fahren würden, kann ich nicht abschätzen. Aber nach den Erfahrungen von 1949 - 1993 bei der Bundesbahn sicher weniger. Durch das Bestellerprinzip (das aber schon Anfang der 1980er Jahre einsetzte) konnten viele Nebenstrecken gerettet werden. Und durch die Ausschreibungen konnte wegen des damit erreichten geringeren Kilometerpreises mehr Verkehr zum gleichen Preis bestellt werden.
Man hätte auch der Bundesbahn erlauben können, mehr Verlust zu machen, und dafür die Nebenbahnen zu erhalten.
Aus vertraulichen Quellen kenne ich den Kilometerpreis, den die Deutsche Bahn gerne haben möchte, wenn es keinen Wettbewerb gibt. Demnach müssten ein Drittel bis zu Hälfte der Zugleistungen abbestellt bzw. gar nicht erst bestellt werden.
Das ist doch Spielgeld, solange der Geldgeber und der, der die Gewinne bekommt, dieselbe Person ist. Wenn der Bund für eine Strecke 5 Millionen zu viel Bestellerentgelt zahlt, und die Bundesbahn deswegen 5 Millionen mehr Gewinn/5 Millionen weniger Verlust macht, ist das ein Nullsummerspiel. Kein Nullsummenspiel ist es mehr, wenn der Eigentümer privat ist.
Und da spielt es wirklich keine Rolle, wenn nach der vollzogenen Trennung von Infrastruktur und Betrieb der Bund den Rest der DB AG verscherbelt. Doch wer kauft das?
Doch, spielt es - weil die Gewinne der Bahn dann im Bundeshaushalt fehlen, und dafür in private Taschen fließen/nicht von der Bahn wieder investiert werden können. Unterm Strich ist das für die Allgemeinheit ein großer Nachteil - klar, durch den Verkauf hat man zuerst mal natürlich einen ordentlichen Batzen Geld reinbekommen, mittel- bis langfristig steht der Staat bei Privatisierungen gut laufender Staatsunternehmen aber ziemlich schlecht da.
Bis zur vollzogenen Anbringung von ausreichenden Sandstreuapparaten an allen Maschinen haben die Bahnwärter bei aufwärtsgehenden Zügen auf stärkeren Steigungen die Schienen ausgiebig mit trockenem Sand zu bestreuen und für die Bereithaltung eines entsprechenden Vorrathes zu sorgen.

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Beitrag von Autobahn »

@ Boris

Bei der Bahnreform wurde den Ländern erstmals die Möglichkeit gegeben, den Nah- und Regionalverkehr auf ihre Bedürfnisse abzustimmen. Dafür erhielten sie aus dem Bundeshaushalt einen bestimmten Betrag und bestellten die Zugleistungen (damals meist noch bei der DB AG, weil es keine Wettbewerber gab. Und die Verkehrsverträge haben es in sich, die meisten sind überbezahlt.)

Wenn man der „Bundesbahn“ erlaubt hätte, mehr Verlust zu machen um Nebenbahnen zu erhalten, wer trägt dann die Verluste? Eine Staatsbahn ist ein Schattenhaushalt, irgendwann bricht er zusammen, und damit der Staat.

Es ist übrigens kein Nullsummenspiel, wenn der Staat fünf Millionen in den Betrieb einer Strecke steckt und fünf Millionen dabei „erwirtschaftet“. Er „erwirtschaftet“ es nämlich nicht. Die Strecke könnte entweder zum halben Preis oder mit doppelter Frequenz betrieben werden.

Die Bahnreform hat so einige Macken. Erst seit 2011 wird überhaupt eine Dividende eingefordert. Bislang verblieben die Gewinne im Konzern.
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Beitrag von Boris Merath »

Autobahn @ 18 Jan 2012, 21:30 hat geschrieben: Wenn man der „Bundesbahn“ erlaubt hätte, mehr Verlust zu machen um Nebenbahnen zu erhalten, wer trägt dann die Verluste? Eine Staatsbahn ist ein Schattenhaushalt, irgendwann bricht er zusammen, und damit der Staat.
Na der Staat, so wie heute halt auch. Wo ist der Unterschied, ob man jetzt 7 Milliarden Regionalisierungsgelder zahlt, oder 7 Milliarden Verlust übernimmt? Warum bricht in einem Fall der Staat deswegen zusammen, im anderen nicht?
Es ist übrigens kein Nullsummenspiel, wenn der Staat fünf Millionen in den Betrieb einer Strecke steckt und fünf Millionen dabei „erwirtschaftet“. Er „erwirtschaftet“ es nämlich nicht. Die Strecke könnte entweder zum halben Preis oder mit doppelter Frequenz betrieben werden.
Der Betrieb zum halben Preis würde dazu führen, dass der Staat statt 10 Millionen nur 5 Millionen zahlt, und die Bahn statt 5 Millionen nur 0 Millionen Gewinn an den Staat ausschüttet. Wo ist also der gigantische Unterschied?
Bis zur vollzogenen Anbringung von ausreichenden Sandstreuapparaten an allen Maschinen haben die Bahnwärter bei aufwärtsgehenden Zügen auf stärkeren Steigungen die Schienen ausgiebig mit trockenem Sand zu bestreuen und für die Bereithaltung eines entsprechenden Vorrathes zu sorgen.

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Beitrag von Electrification »

Autobahn @ 18 Jan 2012, 19:54 hat geschrieben: Und es ist nun mal so, das alle in Deutschland ansässigen Unternehmen auch in Deutschland Steuern zahlen! Das spielt es keine Rolle, wo der Kapitaleigner sitzt.
Das wird alles so kaputtgerechnet dass das so in der Form nicht stimmt.
EVU X war vorher eine Privatbahn in öffentlicher Hand und am Ort wo der EVU X sein Bw hatte sprudelte die Gewerbesteuer. Nach der Übernahme des EVU X durch Investor Y brach das auf einmal ein und das EVU X wurde von seinem Eigentümer künstlich arm gerechnet. Die Gemeinde hat das mehrfach öffentlich gemacht. Hier entstand ein großer volkswirtschaftlicher Schaden.

Ich gönne jedem seine Meinung, aber ich finde es krank wenn wir mit unseren Steuergeldern die Bereicherung einiger weniger, die hinter den EVU stecken, finanzieren!
Wer meint es wäre was günstiger geworden, der lügt sich in die Tasche, wenn man die ganzen volkswirtschaftlichen Schäden, Folgekosten und Linke-Tasche-Rechte-Tasche-Kosten berechnet, wo jetzt einfach statt dem Verkehrshaushalt der Haushalt des Arbeitsministeriums und anderer Ministerien stärker belastet wird.

Im Grunde ist es ein Nullsummen oder sogar Draufzahlgeschäft, aber wenn man die rosa Brille des Kapitals auf hat, dann will man das nicht erkennen.
Eine Bahn in öffentlichem Eigentum, stark am schweizer Modell orieniert, wäre für die Allgemeinheit die bessere Lösung.
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Beitrag von Mr Burns »

Wir leben im Europa der offenen Märkte und offenen Grenzen. So wie Veolia, Keolis, Netinera, Abellio und andere hier in Deutschland aktiv ist, ist DB Arriva in Großbritannien, den Niederlanden und vielen anderen Ländern ebenfalls aktiv. Wir haben keine Mauern mehr wir sollten nicht vergessen, was das Abellio-Urteil europapolitisch bedeutet: Die niederländische Staatseisenbahn hat sich in Deutschland vor nationalen Stellen eine Wettbewerbspflicht erklagt. Wem auch immer die DB ML AG gehören mag, sie ist nur noch einer von vielen Marktspielern. Die Eisenbahn ist liberalisiert und die EU ist hinterher, die bestehenden Diskriminierungstatbestände in Deutschland zu beenden.
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Beitrag von Electrification »

Mr Burns @ 20 Jan 2012, 14:46 hat geschrieben: Die Eisenbahn ist liberalisiert und die EU ist hinterher, die bestehenden Diskriminierungstatbestände in Deutschland zu beenden.
Die sollten sich erst mal um Frankreich kümmern.

Aber grundsätzlich ist die EU Wurzel allen Übels, denn diese Wettbewerbspolitik sollte man mal überdenken. Im Grunde sind doch die Staatsbahnen unter sich und auch Veolia ist großteils staatlich. Das ist alles ein Nullsummenspiel.

Man bräuchte das schweizer Modell in ganz Europa, denn mit dem EU-Modell bereichern sich nur wenige an den Steuergeldern, sonst gibt es nur Verlierer, aber da die EU von der Wirtschaftslobby regiert und alles andere als demokratisch ist, wird sich das nicht ändern. Im Grunde ist die EU eine große Dikatur und die gehen auf Dauer immer unter. Egal ob rechte, linke oder eben Wirtschaftsdiktaturen, es gibt immer bessere Alternativen.

Was die Eisenbahn betrifft kann man viel von der Schweiz lernen. Eine Bahn die dem Allgemeinwohl verpflichtet ist, ist immer die bessere Lösung. Das schweizer Modell zeigt dass man diesen Liberalisierungsirrsinn nicht braucht. Aber die meisten fallen ja auf das Wettbewerbsmärchen herein.

Auch wenn Mr. Burns und andere das nicht einsehen wollen, es kann auf Dauer nicht gut gehen dieses System, wo sich wenige auf Kosten der Allgemeinheit bereichern.
Mein Beispiel von oben mit den Gewerbesteuereinnahmen sollte mal zum nachdenken anregen, interessiert aber scheinbar keinen...
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Autobahn
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Beitrag von Autobahn »

@ Electrification

Wir brauchen für Leistungen, die der Staat erbringt, Ausschreibungen. Das geht über Bauaufträge für Hochbauten, Straßen und auch Schienenweg. Aber auch für Dienstleistungen z.B. die Reinigung von öffentlichen Gebäuden. Das ist in unseren Gesetzen so verankert, denn sonst könnte sich ja ein Bürgermeister bei einem bestimmten Unternehmer „bedanken“ ;)

Die Struktur des schweizerischen Eisenbahnnetzes ist völlig anders als in Deutschland. Die verschiedenen privatrechtlich organisierten (auch die SBB ist eine AG!) Bahnunternehmen befahren meist eine eigene Infrastruktur. Das kann man in Deutschland auch über eine Inhouse-Vergabe regeln, wie sie es die kommunalen Betreiber von Straßenbahn- und U-Bahn Linien machen. Wahrscheinlicher ist aber, das der Schweizer Staat den EVU den Betrieb auferlegt hat. Hierbei werden die Betriebskosten vom Staat getragen und das EVU hat Anspruch auf einen (angemessenen) Gewinn.

In Deutschland gehört die Infrastruktur aber zu über 95 % der Deutschen Bahn, über die Vergabe von Verkehrsaufträgen entscheiden aber aus gutem Grund die Länder. Somit ist eine Inhouse-Vergabe ausgeschlossen. Zwar können sie einen EVU auch den Betrieb auferlegen, da diese Auferlegung aber für das EVU nicht besonders Attraktiv ist, macht es nur „Dienst nach Vorschrift“.

Zur Gewerbesteuer. Die Deutsche Bundesbahn war als Behörde nicht gewerbesteuerpflichtig. Heute ist sie es als Aktiengesellschaft aber schon. Wo die Gewerbesteuer entrichtet wird, hängt vom Firmensitz ab. Bei den unterschiedlichen Tochtergesellschaften kann es also sein, das die Steuer auch an den Unternehmenssitzen der Töchter fällig wird. Das hängt aber davon ab, wie die Finanzbehörden das bewerten. Wird der Gewerbeertrag vor oder nach der Gewinnabführung an die DB Holding heran gezogen. Im Zweifel ist es Berlin.

Auch die anderen EVU, die in Deutschland tätig sind, zahlen Gewerbesteuer an ihrem jeweiligen Firmensitz, unabhängig davon ob sich Anteilseigner ein ausländischer Konzern ist. Die NordWestBahn zahlt z.B. die Gewerbesteuer in Osnabrück, Abellio in Essen usw.

Kommunale privatrechtlich organisierte Eigenbetriebe zahlen, sofern Gewerbeertrag vorhanden ist, auch Gewerbesteuer, und zwar an die eigene Kommune :). Linke Tasche – rechte Tasche. Meist ist es aber so, dass die kommunalen Verkehrsbetriebe Verluste machen.

Und das mit dem Gemeinwohl der (Eisenbahnverkehrs)Unternehmen lassen wir mal. Noch wichtiger als Mobilität ist Wohnen und Essen. Dann könntest Du auch sagen, das jeder Vermieter (privat oder gewerblich) Dir eine Wohnung kostenlos zur Verfügung stellt und Aldi die Lebensmittel umsonst abgibt. Für das Gemeinwohl ist der Staat zuständig und dem wird er durch die Regionalisierungsmittel gerecht. Und bei Bedürftigen hilft er mit Wohngeld und Hartz IV.
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Beitrag von Electrification »

Wir werden hier nicht mehr auf einen gemeinsamen Nenner kommen, müssen wir auch nicht, denn jeder hat seine Meinung. ;)
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Beitrag von Autobahn »

Electrification @ 20 Jan 2012, 19:43 hat geschrieben:Wir werden hier nicht mehr auf einen gemeinsamen Nenner kommen, müssen wir auch nicht, denn jeder hat seine Meinung.  ;)
Das ist wohl wahr. Aber um einen gemeinsamen Nenner geht es in dieser Diskussion auch nicht, sondern darum, die Meinungen auszutauschen.
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Beitrag von Electrification »

Autobahn @ 20 Jan 2012, 19:55 hat geschrieben: Das ist wohl wahr. Aber um einen gemeinsamen Nenner geht es in dieser Diskussion auch nicht, sondern darum, die Meinungen auszutauschen.
Ja natürlich, das ist ja das schöne dass man verschiedene Meinungen hat. Die perfekte, absolut fehlerfreie Lösung gibt es eh nicht und keiner kann behaupten er hätte sie. Jeder versucht für das zu kämpfen, das er für die richtige Idee hält und das ist gut so, wäre schlimm wenn wir alle eine Einheitsmeinung hätten, das hat noch nie funktioniert.
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Beitrag von Autobahn »

Electrification @ 20 Jan 2012, 19:57 hat geschrieben:..... wäre  schlimm wenn wir alle eine Einheitsmeinung hätten, das hat noch nie funktioniert.
Doch, bist zum bitteren Ende 1945, oder 1989 ;)

Aber das Menue ist in einigen Kreisen noch nicht gegessen. Aber das ist O.T. und daher ist für mich hier Schluss.
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Beitrag von chris232 »

Autobahn @ 20 Jan 2012, 19:27 hat geschrieben: Die Struktur des schweizerischen Eisenbahnnetzes ist völlig anders als in Deutschland.
Du legst hier, wenn ich das nicht völlig falsch verstehe, dar, wieso das schweizer System im deutschen System nicht funktioniert. Meines Erachtens war aber die Forderung, das Schweizer System soweit möglich zu übernehmen und nicht die Negativpunkte zu integrieren.
Eisenbahnen sind in erster Linie nicht zur Gewinnerzielung bestimmt, sondern dem Gemeinwohl verpflichtete Verkehrsanstalten. Sie haben entgegen dem freien Spiel der Kräfte dem Verkehrsinteresse des Gesamtstaates und der Gesamtbevölkerung zu dienen.
Otto von Bismarck

Daher hat die Bahn dem Gemeinwohl und nicht privaten Profitinteressen zu dienen, begreifen Sie es doch endlich mal!
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Beitrag von Electrification »

chris232 @ 22 Jan 2012, 01:39 hat geschrieben: Du legst hier, wenn ich das nicht völlig falsch verstehe, dar, wieso das schweizer System im deutschen System nicht funktioniert. Meines Erachtens war aber die Forderung, das Schweizer System soweit möglich zu übernehmen und nicht die Negativpunkte zu integrieren.
Eben, keiner behauptet dass man das schweizer System 1:1 übernehmen muss, aber vieles was am schweizer System besser ist als bei unserem, muss man einfach übernehmen.

Besser ist einfach fraglos eine Eisenbahn die sowohl was die beiden großen EVU SBB und BLS, als auch die kleinen "Privatbahnen" betrifft, komplett in öffentlicher Hand ist und es funktioniert perfekt und viel besser als bei uns.
Bahn für Alle fordert genau so eine Eisenbahn die dem Allgemeinwohl dient. Die gibts nicht kostenlos, sie ist auch nicht mit der alten Bundesbahn zu vergleichen (das ist ein ganz anderes System), sondern ein verfolgenswerter Ansatz.
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Beitrag von Mr Burns »

Es fängt damit an, daß die Schweiz mit Bahnreform 2.2 ebenfalls den Weg freigemacht hat für Wettbewerb. Er ist dort, wie auch in der Europäischen Union, nicht verbindlich, aber möglich. Die Bundesrepublik Deutschland geht weiter; seit dem Abellio-Urteil steht fest, daß kein Weg an Ausschreibungen vorbeiführt. Nach zwei rechtswidrigen Direktvergaben in Niedersachsen an die Deutsche Bahn, die nicht angefochten worden sind, läuft in Sachsen-Anhalt gerade eine Beschwerde gegen eine freihändige Vergabe. In Berlin gibt es sogar eine vielbeachtete Bürgerinitiative aus dem linksextremistischen Spektrum, die bei der S-Bahn einen Rechtsbruch fordert und eine neuerliche Direktvergabe an die Deutsche Bahn will.

Die Dezentralisierung des Schweizer Eisenbahnwesens, vor allem der Infrastruktur, wäre auch in Deutschland ein sinnvoller Weg. Gerade bei Infrastruktur, die nur oder ganz überwiegend für den SPNV genutzt wird, wäre es es auch eine gute Idee, die direkt den Aufgabenträgern zu unterstellen. Probleme wie bei der Müngstener Brücke, wo DB Netz den VRR über Jahre hinweg folgenlos anlügen konnte, würde es dann nicht mehr geben.

Was Attack und "Bahn für alle" wollen bleibt auf deren Internetseite und Publikationen größtenteils im dunken. Bemerkenswert finde ich aber, daß die sich regelmäßig auf Großbritannien beziehen ohne daß der Begriff Beeching nur einziges mal auftaucht. Auch die Erfolge der britischen Bahnreform nach der Reverstaatlichung der Infrastruktur werden nicht genannt. Chefideologe Winfried Wolf, der die damalige PDS im Jahr 2004 aus Protest gegen die dort vermeintlich vorherrschenden "antikommunistischen Tendenzen" verlassen hat, ist insgesamt gegen Privatwirtschaft und lehnt das System der sozialen Marktwirtschaft ab.
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Beitrag von bayerhascherl »

"Die Schweiz", da geht dem Rheinländer, Norddeutschen und Preuße stets das Herz auf und man ist empfänglich für alles. "So wie in der Schweiz" als stichhaltiges Argument? Nein, mir als Bajuware reicht das leider nicht.

Beispielsweise ist die Liberalisierung in Großbritannien besser als ihr Ruf. Vorallem ist der Bahnverkehr dort sehr wirtschaftlich und es wird dort besser als in den anderen EU Flächenstaaten auf eine zentrale Sache geachtet: Service. Saubere Züge, deren Innenraum regelmäßig runderneuert und redesignt wird. Dem Fahrgast ist wurscht ob er in einem 40 Jahre alten Wagen oder einem 3 Jahre alten Triebzug hockt. Ist der Triebzug verdreckt, hat an jeder Ecke Vandalismusschäden die nicht behoben werden und andauernd überfüllt ist ihm der 40 Jahre alte Wagen der penibel grundgereinigt wird, wo zerschlissene Polster sofort ausgetauscht werden und von dem es schlicht eine ausreichende Anzahl mit Sitzplätzen gibt viel lieber. London ist ein Thema für sich, Metropolen haben einfach ihre Probleme zu Hauptlastzeiten die man nie ausbügeln können wird. Da ist auch die Schweiz kein Beispiel, selbst wenn man die ganze Region Zürich zur "Agglomeration" hochjazzt und mit allen Rechentricks auf eine kleine Großstadt kommt (die offizielle Einwohnerzahl ist und bleibt nun mal weniger als 390.000 Menschen!).

Weiter in der Provinz funktioniert der Bahnverkehr in England sehr gut und ist vorallem für die Fahrgäste ungemein attraktiv. Die Preismodelle sind transparent, die Fahrzeuge und Bahnhöfe sauber und gepflegt (da kann ein Bahnhof auch aus der viktorianischen Zeit sein, mit Holzbänken auf den Bahnsteigen - wenn diese gepflegt sind ist mir das lieber als moderne und teure Edelstahlbänke voller Gekrakel und Dreck). Ich habe mich nirgendwo in Europa so wohl gefühlt wie in England, zumindest außerhalb von London, als Bahnreisender. Die ausgenommen höflichen aber dennoch stets charmanten englischen Gentlemen im Fahrdienst tragen freilich ihren Teil dazu bei.
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Beitrag von c-a-b »

bayerhascherl @ 22 Jan 2012, 16:58 hat geschrieben: …Loblied auf England...
Da kenne ich aber auch ganz andere Stimmen! Einer meiner flickr Kontakte hat mir schon die haarsträubendsten Geschichten aus England erzählt, dass dort Pendelzüge auf einigen Linien grundsätzlich zu kurz und damit mehr als überfüllt seien. Das liegt in der Verantwortung der Gesellschaften, die das aber komischerweise nicht zu stören scheint.

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firefly
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Beitrag von firefly »

c-a-b @ 22 Jan 2012, 18:56 hat geschrieben: Da kenne ich aber auch ganz andere Stimmen! Einer meiner flickr Kontakte hat mir schon die haarsträubendsten Geschichten aus England erzählt, dass dort Pendelzüge auf einigen Linien grundsätzlich zu kurz und damit mehr als überfüllt seien. Das liegt in der Verantwortung der Gesellschaften, die das aber komischerweise nicht zu stören scheint.
Es liegt nicht immer an den TOC, dass die Züge zu kurz sind. Die Infrastruktur ist dort dem seit zwei Jahrzehnten anhaltenden Fahrgast-Ansturm eben nicht immer gewachsen. Es fahren dort schon Züge, die wesentlich länger sind als die Bahnsteige der Unterwegshalte. Und selbst das reicht im Berufsverkehr immer seltener aus.
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Beitrag von Electrification »

Oha GB als Beispiel, mit seinen Mondfahrpreisen finde ich interessant. Man sollte darüber auch sprechen, denn die Fahrpreise sind jenseits von gut und böse!
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Beitrag von Bayernlover »

Electrification @ 23 Jan 2012, 01:26 hat geschrieben: Oha GB als Beispiel, mit seinen Mondfahrpreisen finde ich interessant. Man sollte darüber auch sprechen, denn die Fahrpreise sind jenseits von gut und böse!
Man verdient dort auch wesentlich mehr?
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Beitrag von Electrification »

Bayernlover @ 23 Jan 2012, 08:08 hat geschrieben: Man verdient dort auch wesentlich mehr?
Das ist schon klar, aber Bahnfahren ist davon bereinigt teuerer, war zu lesen und von daher ist Kritik durchaus berechtigt.
Ansonsten finde ich natürlich gut dass Nah- und Fernverkehr ausgeschrieben werden, statt nur Nahverkehr um so den Fernverkehr sekundärer Bedeutung zu zerstören.
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Beitrag von firefly »

Electrification @ 23 Jan 2012, 01:26 hat geschrieben: Oha GB als Beispiel, mit seinen Mondfahrpreisen finde ich interessant. Man sollte darüber auch sprechen, denn die Fahrpreise sind jenseits von gut und böse!
Der Normalpreis ist in Deutschland auch nicht billiger als im UK:
Leipzig - Cottbus €30
Kings Cross - Peterborough £25
Dabei sind die Distanzen ähnlich.
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Beitrag von bayerhascherl »

Briten verdienen nicht mehr, sie müssen auch nicht mehr bezahlen - der Pfundkurs ist traditionell gegenüber Kontinentaleuropa überbewertet, da an den Finanzplatz London Unsummen an Kapital fließen, die Währung eines solchen Standortes neigt immer zu Überbewertungen. In Kaufkraftparität sind die Bahnfahrkosten in England niedriger (also was muss man für einen Liter Milch bezahlen, für einen Standardbrief, etc. - Alltagsausgaben konkret vergleichen und deren prozentualen Anteil am Durchschnittseinkommen einbeziehen). Zumal man einkalkulieren muss dass der Staat in England quasi nicht subventioniert - aus irgend einem Grund kriegen die meisten Steuerzahler diese Schere leider nicht zusammen (juhu, ist dieses und jenes nicht schön subventioniert und damit preiswert... oha, werden mir mal wieder viele Steuern abgezogen...). Und "Steuergeschenke" wie die Ländertickets kann es auch mit einer privatisierten Bahn geben, denn diese beziehen sich ja bereits auf ausgeschriebene Nahverkehrsleistungen. Und der Fernverkehr kann dann mal losgelöst von allen Debatten beweisen ob sich hübsche HGV Trassen wirklich selbst tragen und rechnen. Ich behaupte dass der HGV Verkehr verschwinden würde, da keiner bereit wäre die tatsächlichen Kosten zu zahlen, und der IC wieder die höchste Zugklasse wird. Und sich ganz automatisch Angebote wie der abgeschaffte Interregio wieder entwickeln werden. Die ganzen politisch gewollten Fehlsteuerungen der Bahnpolitik der letzten 20 Jahre würden sich durch die Nachfragemechanismen eines liberalisierten Bahnmarktes selbst korrigieren. Ich halte das für sehr wünschenswert.
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