@Autobahn
Zunächst mal Danke für die ausführliche Antwort
@all
Etwaige Punkte, die andere schon vorgebacht haben, aber ich wiederhole bitte ich mir das nachzusehen.
Autobahn @ 11 Apr 2012, 19:15 hat geschrieben:Auf welche Argumente gegen eine Reservierungspflicht soll ich eingehen?
Idealerweise auf alle?!
Autobahn @ 11 Apr 2012, 19:15 hat geschrieben:Flexibilität? Die größte Flexibilität hat man im Individualverkehr. Selbst bei einem Taxi muss ich rechtzeitig bestellen und schon bei der Nutzung einer schnöden Buslinie bin ich den Beschränkungen des Fahrplans unterworfen. Somit habe ich im gesamten öffentlichen Verkehr mit Einschränkungen der Flexibilität zu leben.
Das ist aber kein Grund die aufwendig geschaffene und etablierte (!) Flexibilität zu opfern. Oder drastisch formuliert - etwas Schlechtes noch schlechter zu machen.
Ich wiederhole nochmals: Spätestens seit 1979 ist Taktverkehr im Fernzugkernnetz Standard, was dann mit dem von dir immer wieder angeführten InterRegio sogar noch ausgedehnt wurde. Weicht man das auf oder führt es ad absurdum, ist das eine Angebotsverschlechterung, die die Stammkundschaft nicht akzeptieren wird. Indiz: Das "Neue Preise. Mit System."-Konzept, s.u.
Autobahn @ 11 Apr 2012, 19:15 hat geschrieben:Ein Anpruchsdenken ist es, wenn ich den Anspruch erhebe, genau mit diesem Zug fahren zu wollen, obwohl er bereits ausverkauft ist.
Nein, es ist
für dich Anspruchsdenken, nicht allgemein. Wenn man so will ist es eben
mein Anspruchsdenken, dass Flexibilität für jeden möglich sein soll.
Andersherum könnte man dir genauso unterstellen:
Ein Anpruchsdenken ist es, wenn ich den Anspruch erhebe, genau jedem Zug eine Reservierungspflicht auferlegen zu müssen, obwohl der Großteil nicht und nie ausverkauft ist.
Autobahn @ 11 Apr 2012, 19:15 hat geschrieben:Auf allen Bahnlinien besteht Taktverkehr, mal dichter, mal weniger dicht. Dadurch ist aber keinesfalls gesagt, das ich einen Sitzplatz bekomme. Im Nahverkehr ist das durchaus in Ordnung, ja sogar an der Tagesordnung.
In der HVZ ist das normal, da muss man damit rechnen. Wenn auch in der NVZ festgestellt wird, das Platzangebot reicht nicht aus, dann wird sich ein guter Besteller dem annehmen und versuchen, dort eine Lösung zu finden. Beispiel BEG: Zwischen Würzburg und Treuchtlingen stießen die "Möpse" an ihre Kapazitätsgrenze; es wurde ausgehandelt, dass einige Leistungen mit n-Wagen gefahren wurden. (Bitte keine Diskussion, inwieweit die n-Wagen gut oder schlecht für Fahrgäste sind).
"In Ordnung" ist das aber per sè nicht. Höchstens man legt an diese Kunden geringere Ansprüche an als an den FV-Kunden. Im Rahmen der wirtschaftlichen Möglichkeiten sollten EVU und Besteller den Anspruch haben, mit vertretbarem Aufwand versuchen, das Platzangebot so weit auszubalancieren, dass jeder Kunde einen Sitzplatz bekommt. Warum? Man schaue sich den Anteil von DB Regio am Gesamtumsatz des Konzerns an. Diese Kunden sind nicht weniger wert als ICE-Gäste.
Autobahn @ 11 Apr 2012, 19:15 hat geschrieben:Natürlich kennt die Bahn die Auslastung ihrer Züge, aber nur im nach hinein. Wie soll sie wissen, das ich bei einem gekauften Ticket ohne Zugbindung (und Reservierung) genau morgen um 8:53 Uhr von Düsseldorf nach Berlin fahren will? [...] Auf Grund von Erfahrungen aus der Vergangenheit kann sie Prognosen stellen und Empfehlungen aussprechen.
Ob ein einzelner NP-Kunde jetzt um 9 oder 10 Uhr losfährt, dass ist für die tatsächliche Auslastungsberechnung nicht entscheidend. Das sind Schwankungen, die weder in der Statistik auffallen noch in der Praxis draußen irgendwelche massiven Auswirkungen hätten; seltene Fälle mal ausgenommen - was aber wieder zur Frage führt, warum man desegen den Holzhammer hervorholen soll. Eine umfassende Antwort will aber irgendwie niemand geben.
Mit den Zugbindungsfahrkarten, mit Fahrgastzählungen, mit Daten über Fahrgastverhalten und ihren Erfahrungen stehen genug Daten und Wissen zur Verfügung, die eine angemessene Hochrechnung erlauben, was in eine entsprechende Angebotsgestaltung fließt, die da heißt: Taktzüge verstärken, Zusatzzüge anbieten.
Autobahn @ 11 Apr 2012, 19:15 hat geschrieben:Probleme mit Anschlussverlust bei Verspätungen, fehlende Waggons und ausgefallenen bzw. Ersatzzügen hat das EVU zu klären, und zwar schon vor Eintreffen des Zuges.
Schöne Theorie, hässliche Praxis. Wenn der (technische) Fehler während der Fahrt auftritt, braucht es eine gewisse Vorlaufzeit, bis der Dampfer sich in Bewegung setzt und die TP das alles ausknoblen kann. Das kann u.U. dazuführen, dass erst einige Zeit
nach der Abfahrtzeit man genauere Infos geben kann.
Oder Umbuchungen von Reservierungen - das dauert eben seine Zeit...
Wobei, mal asl Frage für Befürwörter der Res.pflicht: Wenn ich meinen Anschluss verpasse, aber die nachfolgenden Verbindungen nicht nutzen kann, weil keine Plätze mehr frei sind - was soll dann passieren?
Autobahn @ 11 Apr 2012, 19:15 hat geschrieben:Umgekehrte Wagenreihung kann man auch schon früher und mehrmals ankündigen, damit nicht das große Rennen auf dem Bahnsteig oder das Geschiebe und Gedränge im Zug los geht.
Kann man. In Stuttgart klappt das, in anderen Städten klappt es weniger gut. Warum - keine Ahnung.
Was aber auch in Stuttgart nicht klappt ist, dass "das große Rennen auf dem Bahnsteig" unterbleibt. Wenn den Durchsagen nicht zugehört wird und sich viele (nicht alle) Fahrgäste nichts unter "umgekehrt gereiht" vorstellen können/wollen, kann die Bahn nichts dafür.
Das hat aber mit einer Zwangsreservierung nichts zu tun.
Autobahn @ 11 Apr 2012, 19:15 hat geschrieben:Auch für technische Probleme im Reservierungssystem ist die Bahn verantwortlich.
Hat hier jemand was anderes behauptet?
Autobahn @ 11 Apr 2012, 19:15 hat geschrieben:Würden aber nur so viele Fahrkarten verkauft, wie Sitzplätze vorhanden sind, bräuchte man ein solches System überhaupt nicht. Das würde auch das Problem der „Luftreservierungen“ lösen
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Versteh ich nicht. Welches System genau bräuchte es nicht?
Dass bei einem einem EDV-Verkaufsystem Zwangsreservierung nur so viel Plätze verkauft werden, wie zur Verfügung stehen, das setze ich als selbstverständlich voraus.
Die "Luftreservierungen" werden aber nicht unterbleiben. Das Beispiel wurde hier schon (mehrmals?) genannt: Wer seine Rückfahrt nicht zeitgenau einschätzen kann (Geschätsleute können das nun mal nicht), der wird sich für mehrere Verbindungen passende Reservierungen kaufen, schlicht und ergreifend um sowohl zu verhindern, nicht länger als bis zur nächsten Taktabfahrt warten zu müssen als auch um sicher gehen zu können, dass er noch am gleichen Tag fortkommt.
Oder anderes Beispiel: Um 2004 herum gab es Reservierungen kostenfrei am Automaten. Auch wegen dieser Luftbuchungen sollen, WIMRE lt. dem weiter vorne verlinkten ICE-Treff-Thread, sie recht zügig wieder abgeschafft worden.
Diese Plätze bleiben dann unbesetzt, andere Fahrgäste, die mitfahren könnten, aber es nicht dürfen, gucken in die Röhre... Gut, man könnte jetzt nach einiger Zeit die nicht benutzten Plätze theoretisch wieder ins Verkaufssystem eingeben, aber wie soll das gehen? Das Zub hat andere Aufgaben als nachzuschauen, ob der Fahrgast tatsächlich gekommen ist oder nicht.
Autobahn @ 11 Apr 2012, 19:15 hat geschrieben:Ich glaube nicht, das es viele Kunden verschrecken würde.
Glauben ist nicht Wissen. Und wenn schon glauben, dann sollte der auf mehr aufbauen als auf das eigene Gefühl.
Autobahn @ 11 Apr 2012, 19:15 hat geschrieben:Nach einer Eingewöhnungsphase gibt sich das wieder.
Das hat man auch Ende 2002 mit der Einführung des neuen Preissystems sinngemäß gesagt, verbunden mit wiederholten Ankündigungen, nach zwei Jahren Beobachten und Analysieren werde man die nötigen Korrekturen vornehmen.
Acht Monate nach der Einführung wurde das System, einhergehend mit einem starken Rückgang der Fahrgastzahlen, wieder grundlegend überarbeitet. WIchtigstes Merkmal dabei: Die bereits abgeschaffte BC50 wurde wieder eingeführt, die genau das erlaubt und erschwinglich macht, was Du bisher impliziert negierst: Flexibles Fahren mit der Bahn, ohne sich auf eine exakte Verbindung festlegen zu müssen.
Das ist kein allgemeines Anspruchsdenken, das ist schlicht und ergreifend Bedürfnis eines großen Teils von Stammkunden.
Autobahn @ 11 Apr 2012, 19:15 hat geschrieben:Die Bahn lernt, dass sie ein gewisses Kontingent bis kurz vor Abfahrt des Zuges für Pendler bereit halten muss
Aber wie viele Plätze genau? Oben schreibst Du selber, die Bahn könn es nicht wissen, und in der Tat kann sie es nicht platzgenau wissen. Mit zehn Plätzen pro Zug kommst du in der HVZ nicht weit, von den spezifischen Pendlerzügen wie der ICE Bremen-Hamburg oder einigen ICs zwischen Karlsruhe und Stuttgart gar nicht zu reden. Also brauchts eine flexible Zuteilung an Pendlerplätzen und somit auch einen Puffer daran
für die Pendler, um zu verhindern: (i) stehende Fahrgäste, was Du als "Zumutung" bezeichnet hast, (ii) Abwandern verschreckte Stammkunden, denen das täglich wiederkehrende Risikospiel für einen Sitzplatz in der Tat nicht zugemutet werden kann.
Nachteil: Die Plätze, die aber frei bleiben (oben "Puffer" genannt) können trotzdem nicht verkauft werden. D.h. (i) oft bleiben Plätze frei und (ii) eine Überlastung kann nicht absolut ausgeschlossen werden, da nicht alle Pendler immer den gleichen Zug nehmen können und wollen.
Deswegen muss jeder, der eine Reservierungspflicht befürwortet und sie mit der relativ seltenen Überlastung einiger Züge begründet sich darüber klar sein, dass nur eine genrelle Reservierungspflicht so was verhindert. Diese muss dann auch für Pendler gelten.
Autobahn @ 11 Apr 2012, 19:15 hat geschrieben:(was sie im Prinzip ja auch macht),
Bitte? Wo macht sie das? Wenn der Pendler keine Stammresevierung (momentan 48 EUR/Monat) hat, weiß er selber, dass es passieren kann, dass er stehen muss. Aber auch diese Vertreter mit Stammreservierung werden kaum immer, allenfalls sehr häufig mit diesem einem Zug fahren, wenn sie früher Schluss machen oder länger arbeiten müssen.
Autobahn @ 11 Apr 2012, 19:15 hat geschrieben:die Pendler lernen, das für sie immer ein warmes Plätzchen vorhanden ist
Wenn das Kontingent der nicht reservierbaren Pendlerplätze ausreichend bemessen ist, ja. Dumm nur, dass das eben auch freie Plätze bedeutet. Aber das ist beileibe nicht ausverkauft.
Autobahn @ 11 Apr 2012, 19:15 hat geschrieben:und die Gelegenheitskunden lernen, das Ausverkauft eben Ausverkauft heißt.
Da wären wir wieder bei der Frage, wie viele "Gelegenheitskunden" von einem überfüllten Zug betroffen sind. Diese hat bisher, soweit ich es überblicke, niemand beantwortet.
Autobahn @ 11 Apr 2012, 19:15 hat geschrieben:Wenn Du ins Kino gehst, um den neuesten Blockbuster anzuschauen, kann es Dir ja auch passieren, das Du in eine spätere Vorstellung gehen musst, weil alle Sitzplätze im Kino für die nächste Vorstellung belegt sind.
Wenn ich ins Kino gehe, ist das mein Freizeitvergnügen. Ich bin nicht darauf angewiesen, exakt an diesem einen Tag genau diese Vorstellung sehen zu müssen. Ein Geschätfsreisender ist aber spätestens auf der Rückfahrt auf seine Flexibilität angewiesen (s.o.), ein WE-Pendler braucht seine Flexibilität um möglichst viel Zeit zu Hause verbringen zu können (s. BC-50-Wiedereinführung).
Mit denen verdient DB-Fernverzehr zunächst sein Geld. Und offenbar sind sie nicht bereit, sie auf eine Verbindung festzulegen. Denen wirft man mit einer Reservierungspflicht Knüppel zwischen die Beine und 2003 haben sie gezeigt, dass eine solche Gängelung nicht akzeptieren. In diesen acht Monaten des "Neuen Preise. Mit System."-Konzeptes sind die Fahrgastzahlen um sieben Prozent (Anm. ich hab damals auch von 9,irgendwas gelesen) zurückgegangen, DB-Fernverkehr machte 2003 insg. 130 Millionen Verlust. (Quelle: Peter Schricker in der Ausgabe "10 Jahre DB AG" aus dem GeraNova-Verlag).
Autobahn @ 11 Apr 2012, 19:15 hat geschrieben:Das Problem liegt doch viel tiefer. Die DB hat den Interregio sterben lassen,
Guck, da iss' er wieder
Autobahn @ 11 Apr 2012, 19:15 hat geschrieben:später hat sie viele IC-Linien zu ICE-Linien "aufgewertet", um einen höheren Fahrpreis zu erzielen.
Nach 2002 lassen sich die aufgewerteten IC-Linien an einer Hand abzählen; mir persönlich fallen vier ein (FFM & München - Wien & die POS-Linien, wobei auf drei der vier inenrdeutsch parallel dazu weitere IC-Linien im Taktverkehr fahren), das entstand aber aus dem Bestreben heraus, im Rahmen einer Kooperation den grenzüberschreitenden Verkehr zu verbessern.
Die DB hat auf einigen Verbindungen einen oder einige ICE dazwischen gemogelt (Rollbahn, MDV) oder einige IC-Linien verdünnt (HH-Berlin, wobei hier mit dem ICE ein verbessertes Angebot als Alternative besteht).
Autobahn @ 11 Apr 2012, 19:15 hat geschrieben:So bleibt den "Spontanfahrern" nur noch die Möglichkeit, den ICE zu nutzen.
Was hat das nun genau mit einer Zwangsreservierung zu tun?
Und das stimmt so pauschal definitiv nicht. Dass Überlastungen im FV hauptsächlich im WE-Verkehr auftreten, also Freitag nachmittags und Sonntag abends sowie inzwischen auch Donnerstag Abends, das dürfte kaum zur Disposition stehen. Ein Großteil der verkehrenden Entlastungszüge sind IC; in den ICE wird somit kaum jemand "gezwungen", Alternativen stehen zur Verfügung.
Und dank der "Achsproblematik" hat sich das Betätigungsfeld der IC-Züge wieder beträchtlich erweitert. Die Relationen, auf denen man auf den ICE angewiesen ist, ist seit einigen Jahren entsprechend zurückgegangen.
Dass aber, wie es in Autobahns Formulierung mitschwingt, man nur noch zwischen ICE und gar nichts bei der Bahn wählen kann - sorry, das ist in der Pauschalität schlicht und ergreifend Grütze.
(Edit POS-Gedanken ergänzt)