Ein deutliches Indiz dafür, wie sehr man an diese Strecke "geglaubt" hat, ist schon die Tatsache, dass die P-Triebwagen extra noch in den seitlichen Zielbändern die Einträge "Neuhausen-Effnerplatz" eingefügt bekamen, weil man mit deren Einsatz auf der Strecke rechnete. Trotz "Auslaufbetreb" ...
Gleichzeitig konnte aber verfolgt werden, dass für die Dachauer Straße die Bestellung der R3 "auf Kante genäht" wurde. Man ist von einem 7,5-Minuten-Takt sowohl auf 20 als auch 21 ausgegangen, nötiger Bedarf dafür 15 Züge. Plus genau 2 als Werkstattreserve. Und exakt diese 17 waren die ursprüngliche Bestellung - hätte sich die Inzahlungnahme der drei R1 nicht quasi durch glücklichen Zufall ergeben, hätten wir noch heute nicht mehr.
Und hier setzt meine Kritik an der Beschaffung Mitte der 90er an:
Meiner Meinung nach hätte man es zu diesem Zeitpunkt ohne weiteres noch in der Hand gehabt, die R3-Bestellung auf 40 Stück zu erhöhen und damit den Bedarf zu decken, den man quasi "direkt vor der Brust" schon hatte.
Wäre die damalige Nordtangenten-Linie 22 in Betrieb gegangen und ähnlich erfolgreich wie alle anderen Projekte geworden, hätte alleine diese Strecke schon einen großen Teil der Bestellung "geschluckt" und es wäre einfach nötig gewesen.
Fazit daraus:
Ich kritisiere, dass man sowohl in der Politik als auch an den entscheidenden Stellen des Betriebs selbst einfach nicht "genügend Arsch in der Hose" hatte, um hinter dem eigenen Projekt zu stehen und dieses offensiv genug vertreten; und auch die sich daraus ergebenden Konsequenzen für die Fahrzeug-Beschaffung nicht ängstlich hinter dem Berg zu verstecken. Nein, man hat sich lieber am schönen Rotstift festgehalten und sich heimlich gegenseitig auf die Schultern geklopft, wie wahnsinnig toll jetzt die Betriebswirtschaftlichen Zahlen ja sind, weil man nur ja keinen Platz mehr Kapazität angeschafft hat, als man zwingend und unvermeidlich nur unter seelischer Pein musste. Lieber hat man sich von einem kleinen Lokal-Chefredakteur eines Boulevardblattes so niederschreiben lassen, das die "üblichen Verdächtigen" nicht widerstehen konnten, bildlich gesprochen, auf den stehenden Zug aufzuspringen und ihn endgültig zu torpedieren.
Alternativszenario:
Hätte man damals 40 R3 als Ersatz für 40 P-Züge bestellt, und die die Nordtangente wäre trotzdem nicht gekommen, so wären die zusätzlichen Kapazitäten meiner Meinung nach dennoch keine "Verschwendung" gewesen:
- Auf der 19 hätte man auf die drastischen Kapazitätschnitte verzichten können, die teilweise gegenüber den frühen 90ern schon an aktive Vertreibung grenzen
- Auf der 17 wären schon längst nur noch große Fahrzeuge unterwegs, und die heutige 16 gäbe es trotzdem
- Auch auf der 27 hätte man der drangvollen Enge viel früher nachgeben können, vermutlich hätte eine frühere Verbesserung dort den Boom eher noch weiter befeuert.
- Es wäre nicht nötig gewesen, wegen Fahrzeugmangel Wendezeiten in unsinnigem Masse zu verkürzen, sehr zu Lasten der Zuverlässigkeit.
Auch von mir eine eher späte Antwort, auf die sehr ausführliche Antwort von Sendlinger. Und ich mag lieber Antworten, die Inhalt haben und etwas Zeit brauchen. Deswegen auch den langen Quote, weil es doch ein Stückchen her ist.
Ich sehe nämlich nicht wie es politisch durchsetzbar ist für ein Projekt, dass zwar geplant ist aber noch kein Baurecht hat, Trambahnen auf Halde zu ordern. Selbst wenn es kein städtisches Unternehmen, sondern ein komplett freies marktwirtschaftliches Unternehmen wäre, bestellt man keine Fahrzeuge auf Halde, solange ich nicht ganz ganz sicher bin, dass ich auch bauen darf. Da ausserdem der Bau mit allem drum und dran ebenfalls 2 Jahre mind. dauert, ist es demnach kein Problem, wenn ich zu diesem Zeitpunkt die Fahrzeuge ordere. Besonders da zu diesem Zeitpunkt nicht klar war, dass das Werk in Nürnberg geschlossen werden soll, und es dannach schwierig wird weitere R-Wagen zu bekommen.
Demnach ist es aber auch sinnvoll nur den aktuellen Bedarf einzukaufen und als Bonus die Prototypen noch einzutauschen. Das man trotzdem schon die Rollbänder vorbereitet hat, hat damit ja nichts zu tun, da eine Zielbeschriftung mehr ganz genau garnix kostet, eine neues Rollband 4 Jahre später aber jede Menge, wenn es dann nur noch 2 Jahre im Dienst bleiben sollte.
Ich sehe schon auch, dass die Politik etwas lahm ist, aber das betrifft eher das vorantrieben und durchsetzen der Neubaustrecken. Und wenn die Gartentram durchgegangen wäre, dann wäre tatsächlich eine weitere größere Charge an R3 drinnen gewesen. So gab es aber einen Durchhänger, weil ja nur ein Projekt in Planung war und dieses jetzt fehlte, so dass es zu einer Beschaffungspause kam, die uns im Endeffekt die Varios erst eingebrockt hat.
Auch kann man die Rechnung 40 R3 als Ersatz für 40 P/p so nicht stehen lassen, da zu diesem Zeitpunkt schon nur noch gut 30 P vorhanden waren und auch diese in dem Umfang nicht benötigt wurden.
Was die drangvolle Enge besonders im 27er angeht so kann ich aus eigener Erfahrung zu dieser Zeit sagen, dass diese damals nur in der HVZ zwischen Stachus und Schellingstr. wirklich bestand und auch dort v.a. auf den hinteren Wagenteil zutraf, weil dort die Leut wegen der fehlenden Platform vor der Tür stehen blieben. In der Mitte konnte man sogar recht einfach an einen Sitzplatz kommen und jenseits der Schellingstr. bzw. Fraunhoferstr war es eher gemütlich. Die anderen Linien habe ich damals nicht oft genug benutzt um mich dazu qualifiziert zu äussern. Wenn man aber von den heutigen Zahlen ausgeht und 10 Jahre Rekordgewinne an Fahrgästen abzieht, dann kann es damals nicht so sehr schlimm gewesen sein, was aber nicht heissen soll, dass man sich darauf hätte ausruhen müssen.
Eine Taktverstärkung um 2000 rum mitsammt der Bestellung von den dafür notwendigen Trams hätte sicher wunder gewirkt. Wenn ich allerdings sehe wie manche Parteien bei den heutigen Fahrgastzahlen noch immer quer stellen, dann sehe ich auch nicht, wie man das damals hätte durchboxen können.
Zum Schluss noch eine Frage von mir. Beim Kauf der R2 wurde ja eine Option von 45 Wagen mit verhandelt. Sind die bestellten R3 ein umgewandelter Teil dieser Option? Zeitlich sollte das problemlos passen und es würde dann auch erklären, warum beim Kauf der R3 keine Option verhandelt wurde. Es war ja noch eine Rest der alten Option offen.