GSIISp64b @ 16 Jun 2013, 16:16 hat geschrieben: Bayern ist ja auch das einzige Bundesland, in dem die Unfähigkeit seiner Bewohner, Hochdeutsch zu sprechen, als "kulturelle Identität" gilt.
Das ist linguistisch gesehen doppelter Unfug. Denn das Standarddeutsche heißt deswegen umgangssprachlich "Hochdeutsch", weil es im oberdeutschen Raum entstanden ist (vgl. das Gegenstück "Plattdeutsch", aber auch z.B. das Niederländische was ja auch einst Teil des Deutschen Reiches war, im niederdeutschen Raum). Die Bayern, aber auch Schwaben, Schweizer und Österreicher konnten ihre Mundarten "beibehalten" weil sie insofern kompatibel mit dem von Luther sowie im 18. und 19. Jahrhundert "erfundenen" Standarddeutschen waren, als dass diese Kunstsprache aus diesen Mundarten entstanden ist, sozusagen als Verschnitt, Mischmasch, Durchschnitt.
Die heutigen "Norddeutschen" (immer daran denken, Deutschland als eine Nation gibt es noch keine 150 Jahre) übernahmen diese Sprache, da sich der südliche deutschsprachige Raum (auch immer das heutige Südtirol und die Schweiz miteinbeziehen dabei) als wirtschaftliches und kulturelles Schwergewicht herausgebildet hat und kulturelle Dominanz nun einmal auch Sprachen attraktiv aber auch obligatorisch macht (vgl. die aktuelle Entwicklung des Englischen zur "Weltsprache"). Da die alten Mundarten im Norddeutschen aber auf einer gänzlich anderen Sprache basierten, "Platt" ist kein deutscher Dialekt sondern eine eigene Sprache bzw. Teil der niederdeutschen Sprachenfamilie, waren diese nicht im Alltag kompatibel, so dass diese "alte Muttersprache" sukzessive verlernt und aufgegeben wurde. Bis auf wenige Fragmente, "Appl und n Ei" (Appl ist typisch niederdeutsch, vgl. auch das Englische oder Niederländische, die beide dem niederdeutschen bzw. niedergermanischen Sprachraum angehören).
Die Ironie ist dass die Geschichtsbildung der Deutschen gemeinhin nicht vor 1933, vielleicht noch 1914, reicht und daher tatsächlich z.B. Hannoveraner mit Innbrunst meinen sie könnten "den Bayern Hochdeutsch beibringen". Wo es doch eigentlich genau umgekehrt war. Aber klar, wenn man eine Sprache als "Fremdsprache" gelernt hat, dann führt man sie eben recht nah an der Schrift. Wenn auch mit gelegentlichen Aussprachefehlern (so ist das ständige aussprechen von "g" im Norden einer dieser "Sprachfehler", der auf der alten niederdeutschen Sprache basiert, vgl. die Niederländer die selbst ein "g" am Wortanfang wie "ch" aussprechen, wenn ich höre "der kricht sein Fett wech" dann nun ja.. ist das alles, nur kein Hochdeutsch, ebenso wie es im Hochdeutschen kein stimmhaftes "s" gibt, im Norden sagt man trotzdem häufig "züzze Zahne" ("z" wie im Englischen ausgesprochen), obwohl es diesen Laut im "richtigen" Hochdeutschen so eigentlich gar nicht gibt.
Du siehst also, Bayern hat sehr wohl eine eigene kulturelle Identität, ist dabei auch nicht "nur" ein Bundesland (wie die Bindestrichländer, die irgendwie festgelegt wurden um das Nachkriegsdeutschland zu verwalten sondern Bayern gab es lange bevor es "Bundesländer" gab in seinen heutigen Grenzen).
Traurig mag schon stimmen wenn sogar gebürtige junge Münchner nicht mehr von Zugereisten aus dem Norden unterscheidbar sind. Aber man passt sich halt den Mehrheiten an, gell. :rolleyes: