Um den Fußweg zum Bahnhof zu verkürzen, nehmen wir den Schleichweg von der Haltestelle Jindrišská. Um 14:02 Uhr wollen wir mit dem türkisfarbenen Arriva-628er nach Benešov u Prahy fahren und werden bereits von einem Angestellten erwartet.
Als wir zwei Minuten vor Abfahrt auf dem Bahnsteig ankommen, haben wir die Hiobsbotschaft bereits erhalten. Der 628er ist aktuell in der Werkstatt und ein sächsischer Desiro von DB Regio angemietet. Die Fahrgäste aus dem Mehrzweckbereich werden auf anderen Sitzen platziert und wir bekommen einige Informationen zum Konzept des eigenwirtschaftlichen Regionalverkehrs von Arriva.
Unter der Woche pendelt ein einziger Zug zweistündlich zwischen Praha hl.n. und Benešov. Das Angebot ist vor allem auf Pendler ausgerichtet. Ein großer Nachteil stellt die Nichtintegration in den Prager Verkehrsverbund (PiD) dar, insbesondere angesichts der Tatsache, dass Zeitkarten in Prag sehr weit verbreitet sind. Um dennoch einigermaßen attraktiv zu sein, gibt es die Möglichkeit, sich eine Monatskarte nur für eine Richtung zu kaufen, wenn beispielsweise die Fahrt zu Arbeitsbeginn am Morgen passt, man aber für die Rückfahrt am Nachmittag flexibel die halbstündlich verkehrenden Züge der CD nutzen möchte.
Es wurde mehrfach betont, dass man sich weniger als Konkurrent zur CD sieht, sondern ein attraktives Angebot für Menschen schaffen möchte, die bisher mit dem Auto gefahren sind. Inwiefern das nun zutrifft, lässt sich nicht einwandfrei überprüfen. Das Konkurrenzdenken ist aber ebenfalls deutlich herübergekommen.
Bei den Erläuterungen sind im Wesentlichen drei Merkmale herausgetreten, mit denen sich Arriva von der CD unterscheidet.
Erstens möchte man Fahrgäste durch den günstigeren Preis locken. Die Einzelfahrt ohne irgendwelche Rabatte kostet online (28.11.16, sofortige Abfahrt) für die 51 km lange Strecke 45 CZK bei Arriva, die CD verlangt 75 CZK. Fahrkarten können ohne Aufpreis beim Zugbegleitpersonal erworben werden, es wird jedoch ein Rabatt auf Onlinebuchungen gewährt. Wo genau der Unterschied zu einem Aufpreis beim Kauf im Zug liegt, ist mir nicht klargeworden.
Zweitens bietet man eine kürzere Fahrzeit verglichen mit dem Os an. Während der an allen Stationen haltende Zug der CD 63 Minuten unterwegs ist, schafft Arriva die Strecke mit weniger Zwischenhalten in 51 Minuten. Angesichts des breit gefächerten Angebots diverser Expresszüge der CD (auf die im Vortrag nicht hingewiesen wurde), welche die Strecke mit einem bis mehreren Halten in 40 bis 49 Minuten überwinden, sei der zeitliche Vorteil an dieser Stelle infrage gestellt.
Die Fahrzeiten können sich um mehrere Minuten nach Richtung und Abfahrtszeiten unterscheiden, was auf Trassenbelegung zurückzuführen ist. Aufgrund von Bauarbeiten ist im Laufe des nächsten Jahres mit einer Verlängerung der Reisezeit zu rechnen, welche sich insbesondere auf Arriva negativ auswirkt.
Drittens, und das finde ich persönlich den interessanten Teil, möchte man den Fahrgästen einen höheren Reisekomfort bieten. In den Toiletten werden Kaugummis bereitgestellt, es gibt Spielekoffer für Kinder und für eine optimale WLAN-Versorgung sind vier SIM-Karten im Zug verbaut (im CityElefant gibt es nicht in allen Zügen WLAN). An einem Wasserspender kann man entweder seine eigene Trinkflasche auffüllen (Beitrag zur Müllvermeidung!) oder bereitgestellte Einwegbecher nutzen. Außerdem wird mit Geruchsdesign gearbeitet. Ein leichter Mangoduft (im Bereich der Toiletten etwas stärkerer Mangoduft) im Innenraum soll das Reisen angenehmer machen.
Es ist wirklich außerordentlich schade, dass wir nicht die Gelegenheit hatten, das alles in Realität zu sehen, sondern nur aktuelle Fahrpläne der S1 Meißen – Schöna vorgefunden haben.
Auf die Frage, ob denn die zahlreichen Gegenstände nicht missbräuchlich verwendet oder geklaut würden, hieß es, dass man das Angebot für die Kunden dennoch vorhalten möchte und dann die Kaugummis oder das Wasser nötigenfalls wieder auffüllt.
Es gibt Pläne, von Benešov weiter nach Trhový Štepánov zu fahren. Das ließe sich aber nicht eigenwirtschaftlich durchführen und man hofft seitens Arriva auf Förderung durch die Region. Auch eine Integration in den PiD wird angestrebt.
Häufig wird auch die Frage nach dem Fahrzeugeinsatz gestellt. Obwohl die Strecke vollständig elektrifiziert ist, kommen Dieseltriebwagen zu Einsatz. Die Vorteile des 628er sind seine hohe Wirtschaftlichkeit, Zuverlässigkeit und Wartungsarmut. Größere Wartungen werden in der Werkstatt der ČD in Prag durchgeführt. Zwar gab es auch um diese Tatsache einige Schwierigkeiten, doch besteht auch seitens der CD ein Interesse daran, die Werkstatt an andere EVU zu vermieten und außerdem wurde der Bau der Werkstatt mit EU-Geldern gefördert unter der Bedingung, sie auch für andere Unternehmen zugänglich zu machen.
Des Weiteren sind gebrauchte Dieseltriebwagen viel einfacher zu bekommen als vergleichbare Elektrozüge. Die schwache Beschleunigung der 628er macht sich aufgrund der langen Haltestellenabstände nicht außerordentlich negativ bemerkbar.
Im Sommer wurde zeitweise ebenfalls ein Desiro angemietet, um ein klimatisiertes Fahrzeug anbieten zu können.
Ein weiterer Vorteil ist der flexible Einsatz der Fahrzeuge. Am Wochenende wird nach Cesky Krumlov oder sogar grenzüberschreitend nach Trencín gefahren. Diese Fahrten sind wohl sehr gut ausgelastet und ein weiterer Ausbau ab Dezember
vorgesehen.
Nach der Ankunft in Mnichovice
Der Bahnhof hat kürzlich einen Preis vergleichbar mit dem Bahnhof des Jahres gewonnen.
Die Rückfahrt findet mit der Konkurrenz statt.
Ein Pluspunkt für die D ist jedenfalls die Möglichkeit, aus dem oberen Stockwerk über die sehr stark zugemauerte Strecke zu blicken. Als Kompensation für den Mauerblick biete Arriva WLAN, meint der Angestellte.
Bei den demnächst anstehenden Bauarbeiten wird die Strecke im Bereich Praha-Strašnice zusammen mit dem gleichnamigen Hp auf ehemalige Gütergleise verlegt und beschleunigt. Die Bedeutung der Strecke ist für den GV eher gering, weil sich 12,5%o – Längsneigungen aneinanderreihen. Die überwiegende Mehrheit nimmt daher die Strecke via Brno.
Abschließend sei noch angemerkt, dass wir später erfahren haben, dass der Betrieb des „eigenwirtschaftlichen“ NV durch Arriva mit Sicherheit ein Verlustgeschäft ist und eher darauf abzielt, den Regionen zu demonstrieren, dass es abgesehen von der CD noch weitere EVU gibt, die attraktiven NV anbieten können und man doch zukünftig mehr Verkehre ausschreiben soll.
Mich hat die Innovationskraft von Arriva beindruckt, mit der man Kunden gewinnen möchte. Da stelle ich mir schon die Frage, warum die DB in Deutschland an Innovation kaum zu unterbieten ist, dafür aber umso besser darin ist, Gründe zu finden, warum dieses oder jenes nicht möglich ist.
Nach einer Stärkung besuchen wir die Modelleisenbahnanlage in Praha-Smíchov. Die gut 500 m2 große Anlage ist an tschechische Regionen angelehnt und noch lange nicht fertig.
Der Traum jedes Eisenbahners und jedes Rennfahrers: Leere Autobahnen bis zum Horizont
Der Bahnhof Liberec zur blauen Stunde
Prag wenige Augenblicke später
Praha hl.n. im Detail
Zugkreuzung auf einer Nebenbahn
Der Hersteller mit einem RegioSpider im Angebot könnte hier viel Geld verdienen…
Halt in Melník