Ausbildungspflicht ?

Alles über Eisenbahn, was woanders nicht passt.
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Simpel
Jungspund
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Registriert: 26 Nov 2015, 21:12

Beitrag von Simpel »

Liebes Forum,

wir bilden in unserem Eisenbahnunternehmen auch selbst Lokführer aus.
Die Ausbildung dauert ca. 7 Monate und beinhaltet auch 40 praktische Fahrtage.
Innerhalb dieser 40 Fahrtage werden die Auszubildenden verschiedenen Tfs zugeordnet die diese dann "Ausbilden".
Keiner dieser Tfs hat eine besondere Ausbildung „zur Ausbildung von Tfs“ absolviert oder ist diesbezüglich besonders Qualifiziert.
Wir sind im unserem Unternehmensbereich ca. 40 Tfs.
Allerdings bilden diese nicht alle zu gleichen Teilen aus.
Es gibt Lokführer die sich einfach weigern auszubilden und wiederrum andere denen keine Azubis mehr zugeteilt werden weil sie sich als "untauglich" herauskristallisiert haben.
Wieder andere bekommen 2 Mal im Monat Azubis zugeteilt, andere 4 Mal die Woche.
In der Praxis sieht dies in etwa so aus:
Die Azubis kommen nach einer intensiven Theorieausbildung das Erste Mal zu uns (den Tfs) auf die Lok/Triebfahrzeug.
Sie sollen dann, in Verantwortung des diensthabenden Tfs, das Triebfahrzeug führen und während der Schicht über sämtliche fahrtechnischen Gegebenheiten ausgebildet werden.
Meist sind die Azubis (verständlicherweise) erst einmal ziemlich gefordert (manche auch überfordert) und entsprechend unsicher.
Je nach individuellem Kenntnisstand gibt es Azubis, die die ersten Fahrtage durchaus noch ernsthafte Schwierigkeiten haben die Signalstellungen korrekt anzusagen oder die erlaubte, zu fahrende Geschwindigkeit zu ermitteln.
Ich will nicht näher darauf eingehen, Ihr wisst sicherlich wie sowas abläuft..
Nun meine Fragen:
Unser Unternehmen weigert sich, diese Ausbildungsfahrten den Tfs extra zu bezahlen.
Es gab diesbezüglich schon Beschwerden an die Geschäftsführung, diese hat sich aber bisher (seit Jahren) nicht darauf eingelassen.
Der Grund liegt darin, - es gibt leider noch genügend Tfs die Ausbilden und keine Extraentlohnung geltend machen.
Natürlich hat der Arbeitgeber dann keinerlei Anlass sich zu bewegen – es sind ja genügend da die kostenlos ausbilden.

Dadurch gab es seit einigen Jahren den Zustand, dass von ca. 40 Tfs nur noch 10 ausgebildet haben.

Nun hat unser Unternehmen sein Vorgehen geändert. Zukünftig soll verpflichtend ausgebildet werden müssen.
Laut meinem Arbeitsvertrag bin ich dazu nicht verpflichtet. Der Arbeitsvertrag verweist nur auf den geltenden Tarifvertrag. In diesem Tarifvertrag wird meine Tätigkeit als Tf genau beschrieben.
Eine Ausbildungspflicht wird auch im Tarifvertrag nicht aufgeführt.
Im Gegenteil – es gibt sogar einen Passus der ganz klar folgende (frei wiedergegeben) Aussage trifft:
Wenn der Tf Arbeiten ausführt, die eine Mehrbelastung darstellt bzw. einen größeren Einsatz erfordert als der, welcher ansonsten von einem Tf gefordert wird, - dann ist diese Mehrarbeit bzw. höherwertige Arbeitsausführung extra zu entlohnen.

Unabhängig davon habe ich folgende Rechtsauffassung dazu und bitte Euch besonders diesbezüglich um Einlassungen:
Als verantwortlicher Tf kann mir niemand vorschreiben das ich diese Verantwortung abgebe oder Teile.
Mir vorzuschreiben ich müsste meinen Platz hinter dem Führerpult räumen um einem Azubi Platz zu bieten halte ich für rechtlich unmöglich.
Zumal ich weder dafür bezahlt werde oder eine besondere Qualifikation erhalten habe.
Auch die Folgen die aus einem Fahr-oder Bedienfehler des Azubis entstehen sind seitens unseres Unternehmens vollkommen unkommentiert.
Somit will ich mich auch weiterhin weigern Azubis auszubilden. Das diese im Führerstand mitfahren wenn dies angeordnet wird kann ich sicherlich nicht verhindern. Allerdings kann und werde ich, während ich das Triebfahrzeug führe, auch keine Ausbildungsinhalte vermitteln da ich mich aus Sicherheitsgründen rein ums „Fahren“ kümmern werde.

Ich bin gespannt auf Eure Aussagen und danke bereits im Voraus für jeden Kommentar dazu.

Viele Grüße
Dussl
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DSG Speisewagen
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Beitrag von DSG Speisewagen »

Meiner Meinung nach müsste nach eurem Tarifvertrag der Tf dann in der nächsthöheren Lohngruppe für die Zeit der Schulungsfahrten eingruppiert werden, also i. d. R. die Eingruppierung als Ausbildungslokführer. Hier muss das notfalls eingeklagt werden.
Es ist traurig, aber eine andere Sprache verstehen die EVU heute nicht mehr und das, ich wiederhole mich hier mehrfach, in Zeiten des Personalmangels!
(Eigentlich herrscht ein Arbeitnehmermarkt, der sich hier aber nicht abbildet)

Schlimm ist dass die künftigen Umschüler darunter leiden müssen. Wahrscheinlich ist die Ausbildungsqualität bei einer Umschulungszeit von 7 Monaten eh mies, denn i. d. R. wird ja alles nur optimiert und auf das nötigste komprimiert beigebracht, dies noch im Schnelldurchlauf, damit die Kosten klein bleiben.
Danach wird die Verantwortung einfach aufs Personal umgeklappt, die das Fehlen einer vernünftigen theoretischen Funktionsausbildung wett machen sollen.

Ich glaube es ist der falsche Weg den Leuten nichts beibringen zu wollen. Das ist dem Arbeitgeber doch vollkommen egal, denn am Ende unterschreiben sowieso so gut wie alle ob sie es verstanden haben oder nicht, denn jeder will seine Stelle auch behalten. Daher würde das nur an den Umschülern ausgehen, die ja nichts dafür können dass der Arbeitgeber aus Gier und Sparwahn nicht fähig ist vernünftig auszubilden.

Wie ich hier aber sehe typisches Arbeitgeberverhalten der modernen Eisenbahn, einfach gegen die Mitarbeiter gerichtet. Der große Personalmangel führt nicht etwa zu Verbesserungen, es ändert sich rein gar nichts, Arbeitnehmer werden als Last gesehen oder bei einem nordostdeutschen EVU werden Mitarbeiter gerne auch mal als steakessende Faulenzer bezeichnet.
Ein trauriges und bedenkliches Klima in der deutschen EVU-Landschaft. Es ist unglaublich, der Mangel wird immer größer, aber der Umgang der Arbeitgeber gegenüber den Arbeitnehmern wird immer unmenschlicher.

Ja das mit den Arbeitsverträgen ist ein üblicher weg, die werden nämlich gerne alle heilige Zeit für nachkommende Personale nochmals verschlechtert.
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Beitrag von Cloakmaster »

Und was sagt zB die GDL dazu?
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DSG Speisewagen
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Beitrag von DSG Speisewagen »

Cloakmaster @ 26 Nov 2015, 23:54 hat geschrieben: Und was sagt zB die GDL dazu?
Für die Einhaltung der Tarifverträge (egal ob GDL oder EVG) oder Regelungen bezüglich dieser Ausbildungsfahrten ist der örtliche Betriebsrat zuständig.

Die Tarifpartner könnten höchstens bei den nächsten Tarifverhandlungen diese Dinge in den Tarifvertrag aufnehmen.
Allerdings gibt es ja eine Regelung wenn es eine Tarifstufe für Ausbildungslokführer gibt, denn dann muss diese in dieser Zeit angewandt werden. Dafür sind dann aber die örtlichen Organe zuständig.

Daher sage ich mal dieses Forum ist der falsche Ansprechpartner. Das wäre eher der zuständige Betriebsrat in diesem EVU.
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