Tag 1 Dresden -> Gotha
Heute fällt die allerletzte Prüfung dieses Semesters zeitlich denkbar ungünstig – Donnerstagnachmittag. Insbesondere weil mein Geschenkticket noch immer ungenutzt im Schrank liegt und ich morgen leider nichts damit anfangen kann.
Nennen Sie mindestens 8 streckenseitige Faktoren, die die Kapazität für den Schienengüterverkehr beeinflussen.
Klare Sache. Dann muss ich heute noch abfahren. Keine Dreiviertelstunde nach der Abgabe meiner Klausur sitze ich schon im IC. Er ist mit abweichender Zuggarnitur angekündigt, also herkömmliche IC-Wagen statt IC2. Eigentlich wollte ich den Neuen endlich mal in voller Fahrt erleben. Doch daraus wird vorläufig nichts und im Nachhinein bin ich auch mit dem alten Wagenmaterial nicht unglücklich. Ein Mann genießt die frische Luft bei der Abfahrt in Dresden.
Ich rechne mit einem dusteren Ende des Tages, doch im letzten Moment strahlt die Sonne in sattem Rot unter der Wolkendecke hindurch.

Ein toller Abendhimmel überspannt die Strecke zwischen Dresden und Riesa. Dort nutze ich dann meine Gelegenheit auf frische Luft.

So ein schönes Hl-Signal... Gell, Muffo?


Überpünktlich nähern wir uns Leipzig, deswegen stehen wir auch erstmal eine Weile vor dem Esig. Ich steige in einen ICE um, der planmäßig eine Minute vor der Ankunft des RE aus Magdeburg abfährt. Diese Fahrgäste können sich wohl nicht über eine von der DB geschenkte Stunde freuen. Naja, doch. Über eine unfreiwillige Stunde am Leipziger Hbf. Schön kurios an meiner Verbindung: Der ICE hält zwischen Erfurt und Eisenach nicht. Die Fahrplanauskunft empfiehlt einen Umstieg in Eisenach, sodass der Zielbahnhof Gotha erstmal aus dem Fenster begutachtet werden kann, bevor er dann eine halbe Stunde später erreicht wird. Das fällt auch einem Mann auf, der (immerhin im Handybereich) sehr laut telefoniert. „Boah, das ist so eine Scheiße. Im ersten Zug haben die gesagt, dass der ICE wartet. Dann sind alle in die Unterführung gegangen und genau in dem Moment ist er abgefahren. Dabei haben die doch extra in Leipzig angerufen und dann gesagt, dass der Zug wartet. Jetzt fahre ich von Leipzig nach Gotha. Über Eisenach. (Es klingt klar durch: So einen hirnrissigen Quatsch kann auch nur die Bahn machen.) Dann bin ich um 20:13 Uhr da. Statt 18:33 Uhr!!“ Und so weiter und so fort. Ich habe keine Lust mehr, weiter zuzuhören und lese stattdessen. Leider ist das nun schon meine zweite Fahrt über VDE 8.2 im Dunklen. Nach Verzögerungen im Betriebsablauf sammeln wir +7 ein, was aber meinen Anschluss nicht gefährdet, weil erstens die Umsteigezeit 12 Minuten beträgt und zweitens der IC nach Gotha auch +6 hat.
Mit ordentlicher Bremsverzögerung halten wir in Gotha, was wegen der Ansage erst kurz vor dem Halt einige Fahrgäste aufschrecken und zur Tür rennen lässt. Es duftet kräftig nach Bremsabrieb, dafür sind 3 Minuten rausgefahren. Damit bleiben mir 14 Minuten bis zur Tramabfahrt. Die beiden Geschäfte im Empfangsgebäude sind um halb neun längst geschlossen. Abgesehen vom vielen Müll und einem Besoffenen, der über eine Bierflasche gebeugt am Rand steht, ist die heruntergekommene Bahnhofshalle leer.
Die Tram wartet bereits an der modernen Drehscheibe für den ÖPNV und weil ich keinen Fahrkartenautomaten entdecke, erkundige ich mich bei der Fahrerin nach Möglichkeiten des Ticketerwerbs. „Gibt’s bei mir!“, meint sie mit leichtem Dialekt. 1,50€ kostet die Einzelfahrt, ziemlich günstig, wenn man Münchner Preise gewohnt ist. Ich mache es mir gemütlich. Es ist nur eine Handvoll Fahrgäste in der Tram. Die Fahrerin quatscht mit einem Mann. Als die Abfahrtszeit näher rückt, steigen zwei Fahrgäste aus dem hinteren Bereich wieder aus. „Moment mal. Was haben die Kinder denn da hinten gemacht? Ich geh mal schauen“, meint die Fahrerin. Kurz darauf kehrt sie zurück und meint nur mit Schulterzucken: „Komisch. Steigen ein, bleiben 10 Minuten drin und steigen dann wieder aus…“
Um 20:27 Uhr hält die RB aus Halle, um 20:29 Uhr strömen die Fahrgäste aus dem Bahnhofsgebäude, um 20:30 Uhr ist die planmäßige Abfahrtszeit, um 20:31 Uhr sind alle eingestiegen und wir fahren ab. Die Tram ist gut gefüllt und schaukelt beträchtlich. Nach einigen Minuten habe ich mein Ziel erreicht und steige aus. Nach einer Stärkung steht noch eine Erkundung der Altstadt aus. Ich bin sehr gespannt, was die Stadt zu bieten hat, denn darüber habe ich mich quasi überhaupt nicht informiert. Die Wahl habe ich ausschließlich wegen der Thüringerwaldbahn getroffen.
Das Zentrum der 50.000-Einwohner-Stadt ist zu später Stunde völlig ausgestorben. Gut für mich, denn dann kann mir niemand ins Bild rennen. Eine weitere glückliche Fügung ist die morgige Müllabfuhr, denn so habe ich genügend Standorte für mein kleines Stativ.


Neumarkt

Margaretenkriche

Rathaus

Zwei Besoffene torkeln durch die Gassen. „Hee, machst du Fotossss?“ Wenn ich auf Fototour bin, sind meine Ohren auf Durchzug geschaltet. Keine Ahnung, warum ich beim Knipsen häufig das Ziel von Beleidigungen und Beschimpfungen werde. „Is bestimmt von der Zeitung, der Idiot.“
Die Altstadt ist schön herausgeputzt, aber der Leerstand ist nicht zu übersehen. Die jetzt verkehrenden Trambahnen halten nur für wenige Sekunden – es sind nur ein oder zwei Fahrgäste drin. Ein Glück, dass die Tatras keinen Haltewunschtaster haben, sonst könnte ich die Nachtaufnahmen vergessen.
Bus und Bahn halten an der Gartenstraße

Bei so kurzen Bahnen an so langen Haltestellen weiß man nie so genau, wo die halten…
