Puh. Also ehrlichgesagt, um dein Problem beneide ich dich nicht

Innerhalb Europas würde mir als Ziel abseits des Mainstreams vor allem mal Moldau einfallen. Landschaftlich ist die Zugfahrt von Iasi (inzwischen durchgängig ohne Umstieg in Ungheni möglich) nach Chisinau äußerst sehenswert. Ich empfehle die erste Klasse der höchst komfortabel modernisierten D1-Züge.
Wenn dir in Europa sonst nichts mehr einfällt, würde ich anfangen, Kuriosa zu sammeln. Das ist zwar leider oft nicht sonderlich Bahnbezogen, aber ich liebäugele selber sehr damit, mal diese ganzen lustigen Dependancen wie Ceuta (gut, "Europa"...), Melilla, Gibraltar, die Kanalinseln, die Isle of Man (wie siehts denn mit UK und Irland aus, so nebenbei?), die Faröer, Spitzbergen (billige Flüge mit Norwegian ab Oslo gibts desöfteren) etc. abzuklappern.
Interkontinentale Reisen sind immer gut und noch wesentlich lehrreicher als alles, was man in Europa so erfährt. Gut ausgebaute Eisenbahn wirst du in Latein- und Südamerika wohl leider eher weniger finden, am ehesten noch in Argentinien, die ihre Eisenbahn vor kurzem Renationalisiert haben und sehr viel investieren. Für gut ausgebaute Eisenbahn in Asien wären natürlich Japan, Korea oder China erste Wahl, aber das ist vermutlich auch recht teuer.
Ich persönlich habe für mich auf der Agenda für nächstes und übernächstes Jahr den Iran und den Kaukasus, einfach, weil mich beides brennend interessiert. Insgesamt würde ich gerne mehr in die arabische Welt reisen, aber da ist, zynisch gesagt, entweder unbezahlbarer Wohlstand oder Krieg.
Vielleicht wäre ja auch Israel mal interessant für dich? Eisenbahntechnisch ist quasi das ganze Land sinnvoll erschlossen, du musst halt selber wissen, wie du die Bedrohungslage für dich einschätzt. Ich bin da etwas abgebrüht und würde relativ bedenkenlos (wenn auch sehr vor- und umsichtig) dort hinfahren, aber das ist deine persönliche Entscheidung.
Und wenn du auf den Magenschwinger, sowohl im übertragenen, mentalen Sinne, als auch im wortwörtlichen (ja, schöne Grüße vom Klo...) stehst: Fahr nach Indien. Ich bin jetzt schon eine Weile hier, ich bin in einer der wohlhabenderen Städte in einem wohlhabenden Viertel, aber was ich hier Tag für Tag vor und nach - und auch während - der Arbeitszeiten erlebe, haut mich immer wieder aus den Socken. Indien ist als Reiseland eine absolute Herausforderung in jeder Hinsicht - also vielleicht ja was für den, der schon alles gesehen hat und im "I've been everywhere"-Blues hängt
Ansonsten plane ich meine Reisen und vor allem Reisewünsche meistens sehr irrational. Ich habe vor Jahren mal irgendwo ein Foto von Katterat gesehen, von einem Berg aufgenommen. Seitdem ist mir klar, ich muss dringend nach Katterat, und wenn es entlang der Ofotbane noch 42 schönere Plätze gibt, ich will nach Katterat. Anhand solcher "Wegpunkte" - übrigens, an einem davon bist du schuld, denn du hast hier mal ein Foto von der Metrostation Dnipro in Kiev gepostet, also war auch eines der ersten Ziele das ich in Kiev angesteuert habe ebendieser Bahnhof - plane ich meine Reisen. Und wenn es nur ist, dass ich wegen einer dämlichen Konversation beim Kochen mit einer Freundin nach Schifferstadt fahre und in Schifferstadt eine Karotte esse - es hat sich (nicht) gelohnt, so schön ist Schifferstadt nicht, aber das sind so die Sachen, die ich anwende, wenn ich nicht mehr weiß, wo hin ich fahren soll - denn dass es was zu sehen gibt, was ich noch nicht gesehen habe, darüber mache ich mir eigentlich keine Gedanken, denn das ist immer so. Und wenns nur die lustige Stationsbeschilderung in Lehndorf (Kr Altenburg) ist. Genauso plane ich seit längerem, mal nach Zouerat zu fahren, nur wegen diesem dämlichen klischeehaften "Tomboctou 50 jours"-Schild. Außerdem muss ich mal nach Medzilaborce, einfach deswegen, weil ich inzwischen so oft Fahrkarten dort hin gelöst habe und dann nur bis Kosice gelöst habe, dass ich die fehlenden Kilometer auch endlich mal erfahren muss (da gibt es ein Andy-Warhol-Museum).
Ich versuche außerdem, aus meinen Reisen immer auch eine gewisse literarische Übung zu machen. Dabei entstehen immer wieder sehr ausführliche, sehr detailierte und noch weit über das erlebte in Sachen Hintergrundfakten gehende Reiseberichte. Hier in diesem Forum ist zwar nicht der richtige Platz für sowas, auch wenn Entenfang versucht das Gegenteil zu propagieren, aber mir sind meine Gedanken und Bilder zu wertvoll, um sie hier auf dieser Müllkippe auch noch abzuladen. Aber es gibt überall Menschen, die sich über so etwas freuen. Und es hilft mir, mehr auf Details zu achten, denn ich versuche zum Beispiel auf meinem morgentlichen Arbeitsweg täglich doch noch irgendwas zu finden, das mir noch nicht aufgefallen ist, das ich noch nicht gesehen und beschrieben habe.
Und wenns ganz dumm kommt, wirf einen Dartpfeil auf eine Karte (bitte einen stumpfen, die arme Karte!) und zwinge dich dazu, da hinzufahren wo er landet. Es gibt überall was zu entdecken, auch wenn du vielleicht momentan so im Loch bist, dass du es nicht mehr mitbekommst
Ich hoffe, du findest bald die Freude am Reisen wieder. Und ja, ich kenne dein Problem bis zu einem gewissen Grad
