Reiseerlebnisse mit der Bahn

Eure Reportagen und Reiseberichte finden hier ihren Platz, gerne auch Bilder abseits von Gleisen
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146225
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Beitrag von 146225 »

chris232 @ 22 May 2016, 21:05 hat geschrieben: Wann war denn soll-Ankunft geplant und wann wars dann? +22 in München klingt ja jetzt nicht soo dramatisch, selbst mit längerer Umsteigezeit zum Nachtzug?
Soll-Ankunft in Heilbronn wäre mal 00:01 Uhr am Hbf gewesen, zu Hause dann ~ 10 Minuten später, Ist-Ankunft war dann mit ca. +120.

Dass ich mit dem EC 110 in München angekommen bin, war ja nur der Vorgeschichte in Österreich geschuldet, eigentlich hätte ich da ja mit dem RJ 1066 aufschlagen wollen, sprich gegenüber meiner ursprünglich für München geplanten Zeit waren das schon +100. An sich alles egal, richtig, nur hat die "letzte" RB ab Stuttgart Hbf (00:15) nach Heilbronn halt keinen sinnvollen FV-Anschluss von München. Und der 418 halt keinen Anschluss nach Heilbronn mehr. Der noch spätere 618 dagegen schon, allerdings in Karlsruhe...
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218217-8
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Beitrag von 218217-8 »

Danke, 146225, für den informativen Bericht. Tagestour von Heilbronn nach Linz, Respekt! Auf die Idee wäre ich auch nicht gekommen.
146225
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Beitrag von 146225 »

218217-8 @ 22 May 2016, 22:32 hat geschrieben: Danke, 146225, für den informativen Bericht. Tagestour von Heilbronn nach Linz, Respekt! Auf die Idee wäre ich auch nicht gekommen.
Sagen wir, es war eine meiner verrückteren Ideen. :lol:
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Entenfang
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Beitrag von Entenfang »

Sachsen unterwegs

Ein letztes Mal warten in Dresden die Dostos auf mich. Da ich heute besonders früh dran bin, kann ich noch ganz entspannt ein Abschiedsbild machen. „Hast du schon ein Bild gemacht?“, fragt der Zub den Tf, als ich einsteige. Auf dem ZZA ist die Abfahrt wenige Minuten später angekündigt, bald kommt die Durchsage, dass wir noch fünf Minuten auf Anschlussreisende vom EC warten würden. Kurz vor der planmäßigen Abfahrtszeit steigt eine sichtlich gehetzte Frau ein. „Ich habe es nicht geschafft, eine Fahrkarte zu kaufen. Es ging wirklich nicht, ich habs versucht, aber die Schlange war so lange…“ „Wo wollen Sie denn hin?“, fragt der Zub. „Freiberg.“ „Ok, setzen Sie sich hin, ich komm dann vorbei.“
Mit +5 verlassen wir also den Dresdner Hbf. Oh, der Vorhang ist ja offen. Ich gehe in Position und schaue dem Tf über die Schulter, während wir durch Freital rauschen. Interessant, ich wusste gar nicht, dass die Weiche zum dritten Gleis zwischen Deuben und Hainsberg eine bewegliche Herzstückspitze besitzt.
Wesentlich langsamer ruckeln wir die Tharandter Rampe empor, ohne nennenswert Verspätung abzubauen. In Chemnitz steigen zwei DB-Mitarbeiter zu, ein älterer Sachse und ein recht junger Bayer. Die auf meinem Schoß ausliegenden Vorlesungsunterlagen zum Dienstplan im Wochenrhythmus genießen nicht mehr meine ungeteilte Aufmerksamkeit. „Von den neuen Zügen gibt es Dreiteiler und Fünfteiler. Ich habe gehört, Elsterwerda wird mit Fünfteilern und Hof mit Fünf plus Drei gefahren. Aber so schön kompakt wie drei Dostos ist das natürlich nicht. Das ist einfach der große Vorteil der Dostos…“

„Als ich aus der Nacht kam, stand da plötzlich mal ein 612er. Mal schauen, wie die das mit dem Rollmaterial in Zukunft hinkriegen.“ „Ich hatte mal eine Hamsterbacke. Auch nicht so ganz planmäßig…“

„Du musst halt zu Cargo gehen. Angeblich kriegen die jetzt ein paar 143er.“

„Die S-Bahn München hat Lokführer vom privaten Nahverkehr abgeworben. Angeblich kriegen die eine top ausgestattete Wohnung angeboten. Da habe ich eine Kollegin, die ist früher nur Diesel gefahren. Nach einer ganz kurzen Umschulung fährt die jetzt durch die Stammstrecke. Und da gibt’s Schutzstrecken und was weiß ich was. Irgendwie ist mir nicht so wohl bei der Sache.“
„Entschuldigung, können Sie mir sagen, wo der Zugbegleiter ist?“, möchte ein Mann von den beiden plaudernden Lokführern wissen. „In Glauchau gibt es nämlich keinen Fahrkartenautomat. Der Alte wurde abgebaut, aber noch kein Neuer aufgestellt.“ „Setzen Sie sich einfach hin“, empfiehlt der Sachse, „und erzählen Sie dem Zugbegleiter dann die Geschichte.“ „Aber dann bin ich ja Graufahrer…“, meint der Mann wenig begeistert, nimmt dann aber doch Platz.

„Irgendwie finde ich führerlose Züge gruselig…“, meint der Sachse. „Aber in Nürnberg bei der U-Bahn klappt das doch ganz gut“, wirft der Bayer ein. „Ja gut, bei der U-Bahn. Aber das ist auch etwas ganz Anderes, die sind komplett abgetrennt, nicht so wie wir. In London bin ich mal mit den Docklands gefahren. Ist schon komisch, ganz vorne zu sitzen und das Ding fährt von allein. Auch da zu sitzen und nicht für den Zug verantwortlich zu sein…“

Im Nu ist die Fahrt bis Zwickau verflogen und ich habe mich irgendwo bei der Optimierung der Dienstdurchläufe verrannt. Der Sachse verabschiedet sich, nur der Bayer bleibt sitzen. Ich schaue nochmal dem Tf über die Schulter, während wir Zwickau mit nur noch +1 hinter uns lassen. Abgesehen von einigen tollen Ausblicken von den hohen Talbrücken passiert nichts Spektakuläres. Irgendwo zwischen Reichenbach und Plauen dann plötzlich ein blinkendes grünes Licht mit einer goldenen Sechs. Hoppla. DÖÖÖT. Auch der Tf wirkt etwas überrascht. Das Ganze sieht doch sehr nach Fahrt auf dem Gegengleis aus, denn das Zs2v verkündet P wie Plauen. Alles andere wäre auch eher ungünstig. DÖÖT. Vorsignalwiederholer Nummer Eins.
DÖÖT. Vorsignalwiederholer Nummer Zwei.
DÖÖÖT. DÖT. Vorsignalwiederholer Nummer Drei.
In Herlasgrün fahren wir auf das Gegengleis, begleitet von orange flackernden Warnlichtern und nur noch mit 90. Auf dem Regelgleis werden die Schienen ausgetauscht. Erst in Plauen wechseln wir zurück auf das Regelgleis und sind deswegen leicht hinter Plan.

Kurz vor Hof mache ich mich aussteigefertig und schiebe meinen Koffer durch den Gang nach hinten. Der Graufahrer blockiert gerade mit seinem Koffer den Gang. „Dort ist doch kürzer“, sagt er zu mir und deutet in die andere Richtung, während ich darauf warte, dass er den Weg freigibt. Aber klar, wenn man darauf steht, den Weg dann auf dem Bahnsteig zurückzulaufen.

Der Alex besteht heute aus Dosto + BRmz + ABvmz + Avmz. Damit kommt wegen der angenehm warmen Außentemperatur nur der ABvmz mit Übersatzfenstern in Frage. Gleich im ersten Abteil hinter der 1. Klasse setze ich mich zu zwei Fahrgästen dazu. Auf dem Gang herrscht rege Betriebsamkeit, heute wird der Zug richtig voll. Ein Mann schiebt einen riesigen Koffer vor sich her. „Hier sind noch drei Plätze.“ „Ok, ich setze mich dann dort dazu“, antwortet eine Frau. Der mittelalte Mann, ein junger Mann und eine ältere Frau kommen schließlich zu mir ins Abteil. Jeder hat einen ziemlich großen Koffer dabei. Der mittelalte Mann müht sich sichtlich, diese auf die Ablage zu hieven, obwohl er kräftig gebaut ist. Wie sich später herausstellt, handelt es sich um Vater, Sohn und Oma, die Mutter hat im nächsten Abteil platzgenommen. Es sind unverkennbar Sachsen, doch glücklicherweise ist der Dialekt nicht unangenehm stark ausgeprägt. Der Sohn, etwa 18 Jahre alt, trägt eine löchrige, abgewetzte Jeans in den Kniekehlen, ein langes T-Shirt und eine nach hinten ausgerichtete Käppi.
Pfeif! DitditditRUMMS! Und schon rollt der Zug an.
Zunächst passiert nichts Interessantes. Der Sohn hört laut Musik über seine Kopfhörer. Uzuzuz. Der Vater tippt auf seinem Smartphone herum. Oma sitzt einfach da.

Erarbeiten Sie eine Fahrtenliste für eine geplante Regionalbuslinie im 2-Stundentakt von 5 bis 23 Uhr von A über B nach C.

In Marktredwitz steigt das mittelalte Paar, das schon anfangs im Abteil saß, aus. Der Mann, dessen Gesicht einen ungut aussehenden roten Farbton aufweist, hat in der halben Stunde zwei Dosen Bier geleert. Jetzt kann Mama aus dem anderen Abteil umziehen. Papa holt den vierten riesigen Koffer, der ebenfalls im anderen Abteil untergebracht war. Nur wohin damit? Die Ablage ist mit meinem und den drei restlichen Koffern schon komplett voll. Also stellt er ihn einfach mitten in das Abteil unter das Fenster. Mama sitzt neben mir, Oma ist an das Fenster durchgerückt, Papa sitzt ihr gegenüber (wegen des Koffers leicht verrenkt), mir gegenüber sitzt der Sohn. „Den hättest du ja auch drüben lassen können“, meint die Mutter. „Nicht, dass der nachher noch weg ist“, befürchtet der Vater. „Wer nimmt den sö ein Riesending?“, zweifelt die Mutter. „Na bei dem ganzen Gesindel heudzudach weeß man ja nie…“

Uzuzuz. Der Sohn schaut ununterbrochen desinteressiert und gelangweilt in die Welt, während die Beats aus dem Kopfhörer dringen. Nächster Halt Wiesau. Ousstieg reschts.
„Woher kommt denn där Zug?“, wundert sich der Mann. „Na aus Dräsden“, weiß die Frau. Ha! Schön wärs. „Ganz schön warm hier drin“, kommentiert die Frau, „und die Klimaanlage geht auch nicht. Aber man spürt ja zum Glück Luft.“ Diese strömt durch das von mir auf dem Gang geöffnete Fenster und die offene Abteiltür. „War das nicht mal vor ein paar Jahren, dass der Züg deswegen stand?“, wirft Oma ein. „Ich dachte, die hätten da was ümgerüstet, nachgerüstet…“, glaubt Mama.

Sie beginnen, Essen auszupacken. „Tim, willst du auch ein Brötchen?“, fragt Mama. Keine Reaktion. „Tiiiim! Brötchen!?“ versucht sie es lauter und tippt ihn dabei an. „Hm?“, fragt er, während er einen Ohrstöpsel herausnimmt. „Achso, nein.“
Mama, Papa und Oma beginnen, belegte Brötchen zu essen. Dazu gibt es gekochte Eier. Datschdatsch. Mama schlägt das erste Ei am Koffer auf. Datschdatsch. Das Nächste. „Tim? Ein Ei?“ Kopfschütteln. Zu den Brötchen gibt es noch Wurst und Gurken. „Will noch jemand ein Ei?“ Datschdatsch.
„Willst du auch?“, fragt Mama und deutet auf die Wurst. Doch von Tim gibt es wieder nur ein Kopfschütteln.
Die Fahrt verspricht kurzweilig zu werden, denn bei der Fahrkartenkontrolle zeigt der Vater ein Heftchen von TUI vor. Die Familie ist auf dem Weg in den Urlaub und fliegt wohl vom Münchner Flughafen ab. Die Fahrtenliste wird allmählich zur Gesprächsmitschrift.

„Zwei Eier haben wir noch. Tim?“ Kopfschütteln. Datschdatsch.
Als die Alten schon fast fertig gegessen haben, lässt sich Tim doch noch zu einem Brötchen überreden.
„Da beschwärt sich die Bohn immer, dass so wenig Leute mitfohrn. Aber es ist doch ganz voll, also kanns doch nischt so schlimm sein“, weiß die Mutter. „Ist ja bloß in dem einen Wagen“, wirft die Oma ein.
Tim steht plötzlich auf und geht zum offenen Fenster. „Vorsicht, Tim!“, ruft der Vater, „nicht dass deine Kappe noch wegfliegt.“ „Ach, ich hab bloß die Alufolie rausgeschmissen.“ „Tsts, hier ist doch Abfall“, meint der Vater und deutet hinter den Koffer.

Beim Halt in Weiden hört man laute Abschiedsrufe von draußen. „Tschüss! Tschühüss!!!“ Zwei kleine Kinder laufen mit ihrer Oma durch den Gang, während die Mutter von draußen winkt. „Oma, da sind doch noch ganz viele Plätze!“, ruft die Enkelin. „Nein, da dürfen wir uns nicht hinsetzen. Das ist die 1. Klasse.“ „Aber warum denn nicht?“ „Da müssen wir mehr bezahlen…“

Inzwischen ist in meinem Abteil eine Diskussion über den Koffer ausgebrochen, der das halbe Abteil blockiert. Die Mutter schlägt vor, den Koffer umzukippen, sodass man die Füße drauflegen kann. Letztendlich bleibt aber alles beim Alten und Papa muss weiter eingequetscht sitzen. Kaum jemand versucht noch Konversation. Tim hat die Stöpsel aus den Ohren genommen und tippt auf seinem iPad herum. Bauklötze fliegen von unterschiedlichen Seiten rein und mit einem Tippen werden sie zum Stehen gebracht. Auf diese Weise entsteht ein Turm, der irgendwann einstürzt. Oma hält ihm ihr Smartphone mit einem Cartoon hin. „Kann grad nicht schauen.“
Nach einer Weile wechselt Tim vom Gangplatz auf den freien Platz in der Mitte. „Wasn los?“, wundert sich die Mutter. Er nuschelt irgendetwas. „Er will nicht an der Wand sitzen“, übersetzt der Vater. Da bin ich auch stark dafür, denn nun ist meine volle Beinfreiheit wiederhergestellt.
In den nächsten Minuten passiert nichts Interessantes. Tim hört wieder Musik und schaut gelangweilt in die Welt, der Vater drückt auf seinem Smartphone herum, die Oma drückt auf ihrem Smartphone herum und die Mutter liest auf ihrem kindle.

Schließlich meldet die Oma Interesse an einem Kaffee an und steht auf, um zum Alex Treff zu gehen. „Tim, willst du auch was?“ Er schüttelt den Kopf. „Gehst du mit der Oma mit?“, schlägt die Mutter vor. Er zögert kurz. „Ja.“ „Genau, bisschen Bewegung“, meint der Vater. Wenige Minuten später kehrt er zurück. „Das war aber schnell.“ „Ja.“ „Wo hast denn die Oma gelassen?“ „Klo.“ Bald kommt auch Oma wieder, ohne Kaffee. „Die haben zu! Dabei haben sie doch gerade durchgesagt…“
Der Vater möchte jetzt auch beim Klötzchenspiel am iPad mitmachen. „Tim wollte doch mein iPad haben“, protestiert die Mutter, „du hättest ja auch deins mitnehmen können.“ Doch ein Duell zwischen Vater und Sohn klingt eigentlich recht spannend. Papa hat sich umgesetzt und sitzt jetzt mir gegenüber. Er legt vor, währenddessen zieht Tim eine 2-Literflasche Cola Vanilla aus seinem Rucksack und nimmt einen Schluck. Tim gewinnt souverän 29 zu 63. Interessant finde ich die unterschiedliche Art, auf das iPad zu tippen. Während der Sohn nur leicht mit dem Finger drückt, bewegt sich beim Vater die ganze Hand.
Nach kurzer Zeit wird ihnen das aber zu langweilig. Offensichtlich möchte Tim mal seine Sitzposition wechseln. Gemeinsam ziehen sie an Rückenlehne und Armlehne und blicken unter den Sitz. Doch es gibt keine Möglichkeit, den Sitz zu verstellen.
Bald möchte die Mutter mit Tim Platz tauschen. „Warum?“ „Ich will mich über die beiden Sitze hinlegen.“ „Und was machen wir mit meinem Rucksack?“, wirft der Vater ein. „Ich lege mich drauf und nehme ihn als Kissen.“ „Näää!“, protestiert der Mann. „Warum nicht?“ „Machst alles kaputt.“ Doch er verliert die Diskussion und Tim wechselt zu mir. Ganz einfach fällt Mama das Hinlegen auf der beschränkten Fläche nicht. Nach einigem Wälzen klappt es schließlich mit dem Nackenkissen auf dem Rucksack. Die Position sieht schrecklich unbequem aus. „Und was machst, wenn ich was zu trinken will?“ „Dann wart halt.“ „Hab aber Durst…“ Nichts zu machen. Die Frau bleibt liegen und der Mann zupft an ihrer Hose herum. „Was fummelst an meinem Hintern rum?“

Tim kramt in den Essenvorräten und fördert ein belegtes Brötchen zutage. Er klappt es auf und beäugt den Frischkäse mit einem Stiel Petersilie äußerst skeptisch bevor er es wieder zuklappt und reinbeißt. Nachdem er knapp die Hälfte gegessen hat, werden meine Erwartungen erfüllt. „Willst du das? Das schmeckt mir nicht.“ Er hält das Brötchen seinem Vater hin. Nachdem auch Papa einen großen Bissen genommen hat, setzte sich Mama kurz auf und meint: „Packs wieder ein.“ Widerspruch ist zwecklos, also wird der Rest wieder in die Plastiktüte verpackt und im Rucksack verstaut.

Mehrmals laufen Fahrgäste mit Kaffee aus dem Alex Treff an unserem Abteil vorbei, doch Oma spielt beleidigtes Leberwürstchen. „Da bin ich jetzt bockig und nehm lieber keenen Kaffee.“ Bald nähern wir uns auch schon Regensburg. „…planmäßige Weiterfahrt um 17:46 Uhr.“ „Wie viel ist denn jetzt?“, fragt Tim. „34.“ „Hmm, dann können wir ja eigentlich aussteigen.“ Nach einigen Minuten versiegt der Strom zusteigender Fahrgäste und ich verlasse den Zug. Vater und Sohn stehen eine Tür weiter halb auf der Treppe und rauchen hektisch. Oma rennt zum nahegelegenen Getränkeautomaten und rennt wenig später samt Kaffee zurück zur Tür. Rechtzeitig ist der Rangiervorgang abgeschlossen. Fehlt nur noch die Ausfahrt. Zuerst darf eine OPB raus, mit +1 sind dann wir dran. Pfeif! Alle Türen schließen ordnungsgemäß, die Zugchefin gibt Zp9. Ein älteres Paar hat gerade das Treppenende erreicht, als die letzte Tür zuschlägt. „Die hätte uns wirklich noch reinlassen können“, meint der Mann bitter, während unser Wagen an ihm vorbeirollt.

„Kannst du mal schauen, ob da eine Steckdose ist?“, will der Vater wissen. Oma lugt hinter den Koffer und verneint. „In der Vögtlandbahn gibt’s da eine und im ICE unterm Sitz…“

Eine Weile herrscht wieder Funkstille und jeder ist mit sich selbst beschäftigt. Papa drückt am Smartphone herum, Mama liegt mit geschlossenen Augen da (wie hat sie das bloß in dieser Position so lange ausgehalten?), Oma schaut aus dem Fenster, Tim hört Musik. Leise dröhnen die Beats aus seinen Ohrstöpseln. Wir lassen Landshut hinter uns. Allmählich mahnt der Vater zum Fertigmachen. „Wir sind bald da.“ „Wann denn?“, wundert sich die Oma. „Um 46.“ „Ach sö, isch dachte um 55.“ Dann deutet er auf sein Smartphone, auf dem einige Sonnen zu sehen sind. „Schau mal, 45 Grad.“ „Ist das ist im Schatten gemessen?“ „Natürlisch.“
Plötzlich steht der Sohn auf und verkündet: „Ich muss mal aufs Klo.“ Er schaut aus dem Abteil. „Oder lieber doch nicht. Da stehen so viele Leute.“ „Schau mal in die andere Richtung, da sind noch welche“, schlägt der Vater vor.
Er nutzt die Gunst der Stunde, dass sich eine Person weniger im Abteil aufhält und beginnt die Koffer herunterzuwuchten. Die Mutter steht nun auch auf. „Was ist denn eigentlich mit deinem Koffer passiert?“, wundert sich der Mann. „Da hab ich die Eier aufgeschlagen.“
Da er jetzt nicht mehr ins Abteil passt, lehnt sich Tim nach seiner Rückkehr erstmal aus dem Fenster, dieses Mal ohne Käppi. „Tim, wir müssen aussteigen“, meint die Mutter, während sie versucht, die Koffer in den Gang zu schieben. Der junge Mann bleibt jedoch an Ort und Stelle. „Tiiiiim, wir müssen aussteigen!“ Dieses Mal etwas lauter und mit Antippen. „Ja“, meint er und bleibt weiterhin stehen. „Geh mal bitte Richtung Tür.“ „Zu welcher?“ „Egal.“ Nach kurzer Bedenkpause meint er: „Dann nehmen wir die dahinten, oder?“ Nach und nach werden die Koffer in den Gang gezerrt, jeder nimmt einen und nach einem knappen „Tschüss“ verschwinden sie aus meinem Blickfeld.

In Freising füllt sich mein Abteil wieder bis auf den letzten Platz. Fünf Menschen starren auf ihr Smartphone. Eine Frau isst geräuschlos ihre Brezel. Der Zug rattert nach München.
Mein Bahnjahr 2024
Zurückgelegte Strecke: 30.060 km - Planmäßige Gesamtreisezeit: 16,1 Tage - Gesamtverspätung (analog FGR): 626 min - Planmäßige Reisegeschwindigkeit: 78 km/h - Durchschnittliche Fahrzeitverlängerung aufgrund von Verspätung: 2,7% - Fahrtkosten: 10,6 Cent/km - Anschlussquote (alle Anschlüsse einer Verbindung mit min. 1 Umstieg erreicht): 87,5%
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218217-8
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Beitrag von 218217-8 »

Hab den Bericht wieder mit Begeisterung "verschlungen". Danke fürs Teilen.
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Entenfang
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Beitrag von Entenfang »

Eine Bahnfahrt, die ist nicht lustig, eine Bahnfahrt, die ist nicht schön – Betreiberwechsel und Probleme im System Bahn

Kürzlich ist der Sommerfahrplan in Kraft getreten, womit das E-Netz Mittelsachsen durch Transdev betrieben wird. Nun warte ich doch gespannt, was mich zukünftig nach 612 und 143+Dostos erwarten wird.
Bis zur Buchung meiner Fahrkarte habe ich bis gestern gewartet, in der Hoffnung, dass der leidige 3-Minuten-Anschluss vom ALX 84112 auf den RE 3 doch noch nachgetragen wird. Dies ist nicht der Fall, obwohl alle Abfahrtszeiten unverändert sind. Planmäßig bin ich also von München nach Dresden fast acht Stunden unterwegs. Mit der Verbindung habe ich eigentlich sehr gute Erfahrungen gemacht und bin guter Dinge, den Anschluss dennoch außerplanmäßig zu erreichen.
Überpünktlich pfeift die Zugchefin in München. Alle Türen schließen. Ein junges Paar kommt angerannt. Doch die vorletzte Tür ist bereits zu. „He, kommen Sie hierher“, ruft die Zugchefin aus der noch geöffneten letzten Tür. Die beiden rennen wieder zurück, der junge Mann steigt ein, während seine Freundin am Bahnsteig zurückbleibt. Ein Mann mit Koffer nutzt die Gelegenheit, auch noch in den Zug zu springen. Eine Brotzeitdose wird aus dem Zug geworfen, die junge Frau fängt sie auf. Dann schließt auch die letzte Tür und wir fahren pünktlich in München ab. Es wird heute die einzige pünktliche Abfahrt bleiben.

„Nach einer geschmeidigen Fahrt hinter einer Hochgeschwindigkeits-S-Bahn erreichen wir nun Freising. Dort befindet sich der Ausstieg in Fahrtrichtung links.“ +5 stehen also auf dem Zähler.

Weit kommen wir nicht, dann stehen wir vor einem roten Signal. Zunächst werden wir darauf hingewiesen, dass es sich um einen außerplanmäßigen Halt handele und man doch bitte nicht aussteigen solle. Nach einiger Zeit heißt es dann, dass die Fahrt aufgrund einer Stellwerkstörung in Kürze mit verminderter Geschwindigkeit fortgesetzt werde und sich die Verspätung deswegen bis Landshut um 10 bis 15 Minuten erhöhen wird. Bis Moosburg zuckeln wir trotz Ks1 mit 40 durch die Landschaft, nicht ohne die Straßenverkehrsteilnehmer an den ordnungsgemäß funktionierenden BÜ mit lautem Pfeifen zu warnen.

Die +24 in Landshut bedeuten, dass ich meinen außerplanmäßigen Anschluss vergessen kann. Regensburg verlassen wir nach Halt vor der Einfahrt wegen Gleisbelegung und dem Vorlassen der OPB mit +28. Während die Fahrplanauskunft optimistisch von einer Verspätungsreduktion auf +17 bis Hof ausgeht, ist das Gegenteil der Fall. +30 in Schwandorf, +33 in Weiden und aus einem unbekannten Grund fahren wir langsamer als sonst und haben in Marktredwitz +40 auf dem Zähler stehen.
In Hof bleiben mir nun 20 Minuten Umsteigezeit zum RE nach Chemnitz, wo dann nach einer halben Stunde Wartezeit Anschluss zur RB nach Dresden besteht. Laut ZZA und Aushang soll er vom selben Gleis abfahren. Die planmäßige Abfahrtszeit 20:30 Uhr verstreicht. Zunächst kommt kein Zug in Sicht und kein Hinweis erscheint. Dann rollt der verspätete RE aus Regensburg an den Bahnsteig und das Personal muss sich sehr bemühen, die Fahrgäste vom Einsteigen abzuhalten, da noch immer RE Chemnitz Hbf auf dem ZZA steht. Die Dreifachtraktion 612 wird wegrangiert, der RE verschwindet spurlos vom ZZA und hinterlässt ratlose Fahrgäste auf dem Bahnsteig. Der ebenfalls wartende Tf und der Zub werden dementsprechend mit Fragen bestürmt. Doch die sind genauso ratlos wie die ratsuchenden Fahrgäste. Kleine Kinder einer Flüchtlingsfamilie toben über den Bahnsteig und schreien herum.
Der Tf telefoniert schließlich mit der Leitstelle in Leipzig und verkündet, dass in etwa 15 Minuten ein Zug aus Dresden ankommen werde, der anschließend zurückfährt. Murrend wartet die Fahrgastmeute ab. 5 Minuten vergehen, 10 Minuten vergehen, 15 Minuten vergehen. 612er rangieren vor und zurück.
Allmählich bildet sich ein Halbkreis um das Zugpersonal. Ein älteres Paar mit unverkennbar sächsischem Dialekt beschwert sich unentwegt. „Damals hat man noch über die Reichsbohn geschimpft. Dabei war die viel besser als die Bahn heudzudach.“ … „Wir fohrn zweemal im Jahr mit der Bohn. Und jedes Mol ist irgendwas. Schon bei der Hinfahrt nach Frankfurt war irgendeene Störung…“ Eigentlich könnte ich jetzt einwenden, dass ich fünfzig Mal im Jahr mit der Bahn fahre und nicht jedes Mal eine Störung auftritt. Ist auch egal.
„Sie haben döch gesagt, dass in 15 Minuten eener kommt.“ „Dann hat er eben noch zwei, drei Minuten draufgelegt“, meint der Tf.
„Ein Hinweis an Reisende Richtung Dresden: Dieser Zug fährt um etwa 21:30 Uhr von Gleis 10“, ertönt eine Durchsage. „DER HUND! WAS SAGT DER DAS NICHT FRÜHER!?!?!?!“, schreit ein älterer Mann. „JETZT KOMME ICH NICHT MEHR NACH HAUSE. DER HUND! DANN HÄTTE ICH JA ÜBER GERA FAHREN KÖNNEN!!!!“ Die EB nach Gera verlässt gerade eine Abgaswolke zurücklassend den Bahnhof.
5 Minuten vergehen. Der Alex hat mittlerweile einmal über den kompletten Bahnhof rangiert.
„Ja kömmt da heude überhaubt nöch irgendwas? Und wieso stehd da nischts auf der Anzeige?“ Die alte Frau deutet auf den ZZA, der zunächst die Ankünfte der nächsten Züge verkündet hat, inzwischen aber nur noch Bluescreen zeigt. „Dafür können wir nichts. Wir programmieren die nicht.“ Einige Fahrgäste telefonieren genervt und bedrängen den Zub mit ähnlichen unnötigen Kommentaren. „Ich kann das ab“, meint er zu einem anderen Fahrgast, der Verständnis für seine Situation zeigt und nach irgendeinem Anschluss fragt.
Weitere 5 Minuten vergehen. Nun wird der Tf doch stutzig und telefoniert nochmal. Dieses Gespräch dauert deutlich länger. „In etwa fünfzig Minuten kommt einer aus Dresden, mit dem fahren wir dann zurück.“ „Das haben Sie döch vorhin och schon gesagt.“ „Ich kann Ihnen nur sagen, dass da in fünfzig Minuten einer kommt.“ „Ünd wieso kömmt dann nischts?“ „Ich bin ja hier, um den Zug zu fahren. Also wird schon einer kommen.“ „Sagen Sie döch gleich, dass nischts mehr kömmt. Dann wissen wir wenigstens Bescheid.“ „Genau, mieten wir uns einen Hubschrauber! Dann brauchen wir die Bahn nicht mehr“, klinkt sich der Schreihals ein, „und wieso können wir nicht den dahinten nehmen?“ Er deutet auf einen 1440 in der Abstellung. „Der ist doch auch von euch.“ „Das ist halt nicht der Richtige.“ „Ünd von welchem Gleis fohrn wir dann?“ „Das kann ich Ihnen nicht sagen.“ „Na Sie müssen döch wissen, wö ihr Züg hinfährt!“ „Woher soll ich denn wissen, wohin der Fahrdienstleiter den reinlässt?“ „ Was steht denn im Abfahrtsplan?“, erkundigt sich ein anderer Fahrgast. „Ich weiß es nicht, ich kenn mich hier nicht aus“, antwortet der Tf. „Und das um 20:30 Uhr ist doch der Letzte, oder?“ Der Zub blättert im gefalteten Fahrplan, der Tf meint unsicher: „Ja, schon.“ „Und warum fährt nicht noch einer um 21:30 Uhr?“ „Das ist vom Besteller so vorgegeben. Ich kenn mich hier nicht aus, ich weiß nicht, wie viele Leute hier einsteigen. Wenn der Besteller meint, dass 20:30 Uhr ausreichend ist, dann ist das so.“ Wie oft habe ich mir diese Frage schon gestellt. Der Besteller im selbsternannten Bahnland ist jedenfalls der Meinung, dass man um 22:45 Uhr noch nach Bad Steben und um 22:52 Uhr noch nach Helmbrechts kommen sollte. Aber für die Franken-Sachsen-Magistrale braucht man natürlich nichts mehr.
612er rangieren hin und her, eine 223 fährt vor und zurück. Die Minuten verstreichen. Allmählich vergeht den Fahrgästen die Lust am Meckern und sie lassen vom Zugpersonal ab. „Ich hab den in der Leitstelle falsch verstanden“, meint der Tf zum Zub. „Der hat 50 Minuten gesagt, ich habe aber 15 verstanden. Und jetzt wollte er gar nicht mehr rangehen. Ich habe einfach so lange klingeln lassen, bis er dann doch rangegangen ist.“

Irgendwann geht der Zub auf Gleis 10 schauen, was auf dem dortigen ZZA steht und verkündet nach seiner Rückkehr, dass dort nur die Ankunft aus Dresden stehe.
Nach einer knappen Stunde Wartezeit rollt ein 612er aus der Abstellung in den Bahnhof. „Da kommt ja einer“, freut sich ein Fahrgast. „Das ist nicht der Richtige“, macht der Tf alle Hoffnung zunichte.
Schließlich kommt nach einer Stunde tatsächlich der Richtige aus Dresden. Der Fünfteiler ist vorne komplett leer, hinten verteilen sich etwa 30 Fahrgäste auf die Sitzplätze. Ich dokumentiere den Innenraum, während der Zub nach Anschlusswünschen fragt und Visitenkarten mit Service-Nummern verteilt. Ein Student aus Chemnitz spricht mich an. Was ich denn fotografieren würde? Wir kommen ins Gespräch, ich ziehe mein Gepäck um.
Er erzählt mir, dass er bisher immer Mitfahrgelegenheiten genutzt habe und nur aus dem Grund Bahn fahre, weil man angeblich bei seinem ersten Arbeitsverhältnis sämtliche Fahrkarten aus der Studienzeit von der Steuer absetzen könne. Und bei der Mitfahrgelegenheit gäbe es eben keine Quittung…
Endlich rollen wir mit +77 los. Völlig lautlos gleitet der fabrikneue Zug durch die Finsternis.
Wir diskutieren über Fahrgastrechte. Ich kann ihm leider keine positive Nachricht überbringen. Für sein Bayernticket wird er wohl nichts wiederbekommen. Außerdem berichtet er von seiner verkorksten Hinfahrt nach München, wo er wegen der großen Verspätung beinahe seinen Auftritt verpasst und deswegen ein Taxi nehmen musste. Doch auch auf diesen Kosten wird er sitzen bleiben. Eigentlich habe er nach den beiden Fahrten überhaupt keine Lust mehr, mit der Bahn zu fahren. Das kann ich nur allzu gut nachvollziehen. Mit hat es letzten Sommer auch gereicht, nachdem ich es auf keiner Fahrt unter +30 nach Dresden geschafft habe.
Ich zeige ihm schließlich, wie man einen Sparpreis mit Alibi-FV buchen kann. Der gerade vorbeikommende Zub bleibt stehen und lauscht meinen Erklärungen. „Das ist ja hochinteressant…“ Nun bin ich aber ehrlich überrascht. Kannte er den Trick noch gar nicht? „Ach, wissen Sie, ich habe vor 7 Wochen meine Umschulung begonnen. Da habe ich nur das wirklich Allerwichtigste gehört. Jetzt lerne ich halt während der Arbeit.“
Nächster Halt: Plauen Vogtland oberer Bahnhof. Ausstieg rechts. Next stop: Plauen Vogtland upper station.
Dennoch ist er sehr bemüht, den Fahrgästen bestmöglich zu helfen. „Wichtig ist ja, dass ihr ans Ziel kommt.“ Der Zug schaukelt heftig über eine Weichenstraße. „Ach, jetzt versucht er, Verspätung aufzuholen. Dabei soll er das doch gar nicht…“
Er teilt uns noch mit, dass der Zug in Zwickau enden würde und man dort in die RB umsteigen solle. Bereits in Hof hat der Tf verkündet, dass er nur bis Zwickau fahre und dort endlich Feierabend machen wolle.
Wir nähern uns Zwickau. Gegenüber steht die letzte RB, erst zum Sommerfahrplan nach Dresden (bisher war in Freiberg Schluss) verlängert. Müssen jetzt alle umsteigen? Es gibt leider keine Durchsage. Jetzt wäre sie aber wirklich hilfreich gewesen. Ich beschließe, umzusteigen, der Student bleibt im RE. Der Zub ist ebenfalls umgestiegen, er muss auch weiter Richtung Dresden. Der RE fährt ab.
„Kann ich bei Ihnen eine Fahrkarte kaufen?“, möchte ein Fahrgast wissen. „Ich habe mein Gerät gerade nicht dabei, der Kollege kommt gleich.“ „Können Sie mir nicht trotzdem eine Fahrkarte verkaufen?“ „Nein, ich kann Ihnen ohne das Gerät ja keine Fahrkarte geben…“
Ditditditdit. Wuhuuu. Es geht mit +16 weiter, endlich.
RB 30 über Glauchau Sachsen, Chemnitz Hauptbahnhof, Flöha, Freiberg Sachsen, Tharandt nach Dresden Hauptbahnhof. Nächster Halt: Zwickau-Pölbitz. Ausstieg links.

Nächster Halt: Zwickau-Pölbitz. Ausstieg links.

Wuhuuu. Bip Bip Bip Bip. Zwickau-Pölbitz. Ausstieg links.
RB 30 über Glauchau Sachsen, Chemnitz Hauptbahnhof, Flöha, Freiberg Sachsen, Tharandt nach Dresden Hauptbahnhof.
Ditditditditdit. Wuhuuu.

RB 30 über Glauchau Sachsen, Chemnitz Hauptbahnhof, Flöha, Freiberg Sachsen, Tharandt nach Dresden Hauptbahnhof. Nächster Halt: Oberrothenbach. Ausstieg rechts.

Bei 32 Zwischenhalten verhindert die Dauerbeschallung zumindest, dass ich einschlafe.

Nun aber noch ein paar Worte zu den neuen Zügen. Die 1440er sind extrem laufruhig, vom Fahrgeräusch ist kaum etwas zu hören. Bei Dunkelheit spürt man fast gar nicht, dass man fährt. Genauso gut hätte ich auch im Wohnzimmer daheim sitzen können. Die Ausstattung ist hochwertig – große Tische bei vis-a-vis-Bestuhlung und Klapptische an allen Plätzen. Noch besser wäre es gewesen, könnte man die großen Tische ausklappen wie im ICE. So kann man leider nicht aufrecht sitzen und auf dem Tisch arbeiten. Die Sitze sind bequem, die Beinfreiheit auch bei vis-a-vis-Bestuhlung angenehm groß. An allen Sitzplätzen gibt es wegklappbare Armlehnen. Fast an allen Plätzen sind Steckdosen angebracht. Außerdem wurde eine längst vergessene Einrichtung wiederentdeckt: Die Leselampe. Insbesondere im Vergleich mit den Dostos gibt es auch reichlich Ablagefläche für Gepäck. Die Fenster dagegen sind etwas klein geraten.

Zwei Jugendliche steigen in Oederan zu. „Boah, das ist aber ein geiler neuer Zug.“ „Ich find das voll hässlich!“ „Nee Mann, das ist doch voll geil!“

Grundsätzlich möchte ich mich dem Ersten anschließen. Wenn die Zuverlässigkeit und die Ausbildung des Personals verbessert und die Ansagen auf ein Nötiges Maß gekürzt werden, hat sich der Betreiberwechsel meiner Meinung nach gelohnt. Die neuen Züge bringen fast schon FV-Komfort nach Sachsen. Dass die vom Land Sachsen geförderten und noch nicht abgeschriebenen Dostos jetzt auf dem Abstellgleis stehen, ist die Kehrseite der Medaille.

Als letzter Zug des Tages erreichen wir kurz nach 1 Uhr den Dresdner Hbf. Drei weitere Fahrgäste und die Flüchtlingsfamilie steigen aus. Trotz +175 lasse ich mir ein letztes Bild nicht nehmen, bevor ich in mein wohlverdientes Bett falle.

Bilder folgen in Kürze bei den OdB.
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Beitrag von 146225 »

Entenfang @ 15 Jun 2016, 22:21 hat geschrieben: Dass die vom Land Sachsen geförderten und noch nicht abgeschriebenen Dostos jetzt auf dem Abstellgleis stehen, ist die Kehrseite der Medaille.
Was zu befürchten war, ja. Berichten anderszuforum soll aber ein 20-Dosto-Zug von Dresden her Karlsruhe erreicht haben, und irgendwie wird zwischen Freiburg und Stuttgart aufgeteilt. Mal schauen.
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vloppy
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Beitrag von vloppy »

Das mit dem Sparpreis mit Alibi-FV interessiert mich jetzt doch - gerne auch per PN B-)
JeDi
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Beitrag von JeDi »

vloppy @ 24 Jun 2016, 21:38 hat geschrieben: Das mit dem Sparpreis mit Alibi-FV interessiert mich jetzt doch - gerne auch per PN B-)
Eine gute Verkaufsstelle hilft dir gerne weiter.
Muffo1234
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Beitrag von Muffo1234 »

Düüt,düüt,düüt die Türen des Talent (1!) schließen sich mit einem nur halb so nervigen Geräusch wie dem seines „großen“ Bruders. Seit langer Zeit bin ich mal wieder zu Hause gewesen, nun geht es auf die Fahrt zurück nach Dresden. Angenehme 6 Stunden liegen vor mir, ich höre Musik und debattiere mit mir selbst, ob ich denn wirklich noch Mathe machen muss. Ich setze mich auf meinen Lieblingsplatz, der erste Vierer ganz vorne, und hoffe, dass der Tf seine Tür aufhat.
Dööööt, frei. Mein Wunsch wurde erhört, die Tür ist offen, sodass ich auf die Strecke vor uns schauen kann. Seitdem der erste Teil der Strecke Warendorf - Rheda-Wiedenbrück auf 100 km/h ertüchtigt wurde, überholt man zumindest hier die Autos.
Nach dem Bahnhof Beelen aber sind wir wieder in der ewigen 60 Zone gefangen. Döööt, wachsam. Wir passieren ein gelbes Dreieck mit einer Zwei darauf. Clarholz naht. Mit den vorgeschrieben 20 zuckeln wir durch die Kurve am Ortseigang. Die sind auch bitter nötig, denn in Clarholz gibt es einen unbeschrankten BÜ mitten am Marktplatz. Der liegt hinter der besagten langen Kurve… Kaum kommt er ins Blickfeld erklingen zwei ebenfalls sehr bekannte Töne: 1. Ein Dauerpfeifen und 2. Das Zischen der Schnellbremsung. Mitten auf dem BÜ, also etwa 200 Meter vor uns steht ein Kleintransporter und macht auch keine Anstalten dort weg zu fahren. Der Fahrer wartet ganz offensichtlich auf eine Lücke im Verkehr auf der Bundesstraße. Wenn die nicht kommt, dann bleibt man natürlich auf dem BÜ stehen *Sarkasmus aus*. Der Tf murmelt irgendeinen Fluch, den ich leider nicht verstehen kann. So stehen sie nun da, der Kleintransporter und der Zug, und keiner bewegt sich.
Der Fahrer des Transporters macht auch immer noch keine Anstalten den BÜ zu räumen. Und keiner der Verkehrsteilnehmer auf der Bundesstraße sieht es ein, den Transporter fahren zu lassen. Der Tf sitzt einen Moment da und wartet auf die Dinge die da kommen. Ich erwarte schon das er aussteigt um dem Mann vor uns zu erklären wie das so funktioniert mit Bahnübergängen. Doch weit gefehlt. Er verlegt sich stattdessen auf Dauerpfeifen. Das wirkt! Der Transporterfahrer fährt 20 Meter zurück, und wir sind wieder unterwegs. Die ganze Aktion hat uns 3 Minuten Verspätung eingebracht, was aber für mich bei einem 20 Minuten Anschluss kein Problem ist.
Dööt, wachsam. „Wir erreichen jetzt Rheda-Wiedenbrück. Dieser Zug endet dort. Wir bitten alle Fahrgäste auszusteigen und bedanken uns für Ihre Fahrt mit der Eurobahn.“
Zeitsprung, 20 Minuten später: „Auf Gleis 3 erhält Einfahrt RE6 nach Minden Westfalen Hauptbahnhof, über Bielefeld, Herford. Vorsicht bei der Einfahrt.“ Da auf meiner kleinen Nebenbahn am Wochenende nur alle zwei Stunden bis Bielefeld gefahren wird muss ich in den RE umsteigen um eine Haltestelle nach Gütersloh Hbf zu fahren (FV-Halt, fragt mich nicht warum). Der von einer 146 gezogene und aus 6 Dostos gebildete RE fährt an den Bahnsteig. Ich steige ein und suche mir für die 7 Minuten erst gar nicht einen Platz.
Kurze Zeit (7 Minuten) später halten wir in Gütersloh. Es ertönt ein menschliches „Ausstieg rechts“. Die Menschen strömen zu den rechten Türen. Komischerweise sogar automatisch zu den richtigen obwohl der Zusatz „in Fahrtrichtung“ fehlte. Verrückte Welt! Doch Halt! Eine Sache fehlt… Der grüne Ring um den Türknopf. Die ersten Versuchen es zwei- dreimal, während andere durch die Verbindung zwischen den Wagen gehen, um auch dort vor verschlossenen Türen zu stehen und wiederzukommen. Eine mittlere Panik macht sich breit. Ein türkischer Mitbürger neben mir wiederholt bestimmt fünfmal „Alter, isch muss hier raus“. Doch es nützt alles nichts. Die Türen bleiben zu. Eine Frau hechtet in Richtung der Notöffnung. „Was ist denn dieser rote Knopf, lassen Sie uns den mal drücken“. Diesen zeitraubenden Fehler kann ich gerade noch verhindern. Ich warte geduldig, denn dem Tf wird spätestens beim Serviceblick auffallen das gar keiner aussteigt… Und siehe da, kaum ist der Gedanke zu Ende gedacht, erscheint der grüne Ring der Erlösung. So eine Türfreigabe kann man halt mal vergessen…

Der IC ist pünktlich und ich wähle meinen Lieblingswagen, den Steuerwagen. Lange Zeit fahren wir dahin, die Halte nehme ich kaum richtig wahr…
Erst in Halle werde ich wieder etwas wacher. Vor dem Einfahrsignal bleiben wir kurz stehen, natürlich nicht ohne die obligatorische Bitte alle Türen geschlossen zu halten und nicht auszusteigen. Wobei das im Moment sogar egal wäre, denn neben uns erstreckt sich eine riesige Baustelle. Dort liegen weder Gleise, noch hängen Oberleitungen. Der Zub hat die Ansage noch nicht ganz beendet, da rollen wir schon wieder.
Draußen senkt sich langsam die Dunkelheit über die Landschaft. Häuser und Felder fliegen vorbei. Ich dämmere vor mich hin und lausche der Stimme in meinem Kopf… Dort herrscht heute allerdings absolute Stille. Schließlich entscheide ich mich, vielleicht doch noch ein bisschen was für die Uni zu machen. Etwa eine Stunde lang schlage ich mich gewöhnlichen Differentialgleichungen erster Ordnung herum, bevor ich entnervt feststelle, dass ich einfach nach 7 Uhr nicht mehr aufnahmefähig bin. Die lange Fahrt tut ihr übriges zu meiner Müdigkeit.
Geschlafen habe ich nicht, trotzdem steht der Zug irgendwann in Dresden. Natürlich fährt die nächste Tram in 15 Minuten, sodass ich auf den letzten Metern doch noch ein bisschen wach werde. Es war mal wieder eine schöne Fahrt.
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Beitrag von Entenfang »

Wie mir die Bahn eine Stunde klaut und doch neun Stunden schenkt

Es ist mal wieder so weit, quer durch Deutschland zu fahren. Mehr als neun Stunden für 640 Kilometer – schnell ist etwas Anderes. Aber der attraktive Preis spricht für sich.
Es ist ein warmer Sommertag, als ich am Dresdner Hbf wenig erfreut den Dreiteiler auf dem RE 3 nach Hof erblicke. Der kurze Mops war schon auf meiner letzten Fahrt hoffnungslos unterdimensioniert, vor allem freitags.
Nachdem der Rucksack vom Sitz verscheucht ist, nehme ich am Tisch bei zwei Studenten Platz. Ich ruhe meinen Kopf ein wenig von der gerade überstandenen Prüfung aus und lasse meine Gedanken schweifen.
Dong. R E Drei über Tharandt Freiberg Sachsen Flöha Chemnitz Hauptbahnhof Glauchau Sachsen Plauen Vogtland oberer Bahnhof nach Hof Hauptbahnhof. Nächster Halt: Tharandt. „Verehrte Fahrgäste, aufgrund des kurzen Zuges bitten wir Sie, alle Gepäckstücke von den Sitzen zu räumen, damit alle einen Platz finden. Vielen Dank.“ „Alsö ich tu den bestimmt nieh hoch“, kommentiert einer der Studenten an meinem Tisch und deutet auf seinen Wanderrucksack auf dem Platz neben ihm. Eine Handvoll Fahrgäste muss immer noch stehen, obwohl inzwischen wirklich fast alle Sitzplätze mit Reisenden besetzt sind. „Aufgrund der hohen Auslastung hebe ich die 1. Klasse auf. Fahrgäste, die noch keinen Sitzplatz haben, dürfen sich auch in die 1. Klasse setzen.“
Das zumindest muss man der MRB lassen. Obwohl auf meinen Fahrten bisher selten alles reibungslos geklappt hat, ist das Personal stets hoch motiviert und hilfsbereit.
Ich erkundige mich bei der Fahrkartenkontrolle, ob denn nur ein Dreiteiler bestellt ist (in Sachsen könnte ich mir sowas durchaus vorstellen) oder ob es Probleme mit der Fahrzeugverfügbarkeit gibt. „Ach, wissen Sie, das hat jemand im Büro so entschieden. Das entscheiden Leute, die nie mit der Eisenbahn fahren.“
Die Studenten unterhalten sich über wenig interessante Themen und wer welche Prüfung nicht bestanden hat. Schließlich zaubert einer der beiden eine Bierflasche aus seinem Rucksack hervor. Der andere tut es ihm gleich. „Dein Bier ist irgendwie viel besser gekühlt, dabei hab ich es doch och noch in den Kühlschrank gelegt.“ Kling. Prost.
Das Rollo zum Führerstand ist oben und die 1. Klasse freigegeben. Was will ich mehr? Ich schaue dem Tf eine Weile über die Schulter. Die 1440 fahren quasi von allein, der Tf gibt nur die gewünschte Geschwindigkeit ein und bestätigt. Der Nachteil davon ist der verhältnismäßig unruhige Fahrstil, da die Automatik immer ziemlich genau die Geschwindigkeit hält und deswegen abhängig von der Längsneigung recht häufig zwischen Beschleunigen und Bremsen wechselt. Der Zub öffnet bald die Tür zum Führerstand. Ob ich was brauche? Neinnein, ich schau bloß. „Na dann vuiel Spaß!“, meint er mit bayerischem Klang.
In Freiberg dirigiert der Zub die an der ersten Tür zusteigenden Fahrgäste in die 1. Klasse, welche sich nun komplett füllt.
Im Chemnitz wird ein Tisch frei, ich ziehe um und arbeite an meiner Hausarbeit. Der Grund für die lange Fahrzeit ist eine Baustelle zwischen Glauchau und Zwickau. Deshalb wird der Zug über Gößnitz umgeleitet und der Anschluss in Hof um drei Minuten verpasst. Ab Glauchau sitzt mir ein älteres Ehepaar gegenüber. „Puh, warm…“, ächzt die Frau. In der Tat ist es hier oben auf dem Drehgestell deutlich wärmer als am anderen Tisch unten. Leider unterhalten sie sich auf Polnisch und ich verstehe kein Wort.
Der Zub geht durch und erkundigt sich, ob es jemandem zu warm sei. Die Frau meldet sich sofort, woraufhin er die Klappfenster öffnet. Die erste ältere Frau, die freiwillig ein Fenster im Zug öffnet…
Als ich zur Abfallentsorgung meinen Platz verlassen möchte, der durch das Gepäck der beiden zugestellt ist, meint die Frau: „Geht das?“ Ich klettere über ihr Gepäck und kommentiere, dass ich ja noch jung sei. „Ja, NOCH jung. Da haben Sie recht. Wir waren auch mal Kinder…“

Pünktlich erreichen wir Hof, der -3-Minuten-Anschluss hat natürlich nicht gewartet. „Auf Wiedersehen. Vielleicht sehen wir uns ja mal wieder“, meint die Frau freundlich. Die 50 Minuten Aufenthalt weiß ich natürlich sinnvoll zu nutzen. Da wir genau nach dem Knoten angekommen sind, fährt jedoch erstmal kein Zug. Ich verlasse das Bahnhofsgebäude, um mir in der kleinen Grünanlage auf dem Bahnhofsvorplatz ein schattiges Plätzchen zu suchen. Doch Fehlanzeige, alle Bänke sind durch die örtliche Alte-Männer-Säufergruppe belegt. Also widme ich mich dem Busverkehr. Anschließend verschaffe ich mir noch einen Überblick von der Fußgängerbrücke. Den wollte ich schon lange mal umsetzen. Allmählich bildet sich der nächste Knoten.

Pünktlich wird die Fahrt Richtung Nürnberg fortgesetzt. Heute habe ich mal Lust auf Sound und setze mich in den Großraum. DRÖÖÖÖÖÖHN! QuietschKLONG. QuietschKLONG. Ein Kind öffnet den Deckel eines Mülleimers und schlägt ihn anschließend wieder zu. „Jetzt hör mal bitte auf. Das ist kein Spielplatz.“ Doch die Mutter bleibt erfolglos. QuietschKLONG. Einem zweiten Kind liest sie aus einem Buch vor. QuietschKLONG. DRÖÖÖÖHN. QuietschKLONG. Mit dieser Geräuschkulisse schaukele ich die nächste halbe Stunde durch die Oberpfalz. Dann – endlich - verliert das Kind offensichtlich den Spaß am Spielen mit dem Mülleimer und wohlige Ruhe kehrt ein. DRÖÖUUUUUUUUÖÖÖÖ.

Da wir einige Male vor einem Signal zum Halten kommen, erreichen wir Nürnberg leicht hinter Plan. Durch die Unterführung begebe ich mich Richtung Anschlusszug. Doch statt am Fuß einer Treppe stehe ich vor einem Bauzaun. „Treppenaufgang zum Bahnsteig 4/5 und 6/7 gesperrt. Bitte benutzen sie den Zugang Mitte oder Ost.“ Wie praktisch, dass direkt daneben der (nicht gesperrte) Aufzug fährt. Wie unpraktisch, dass ich nicht der Einzige bin, der aus heiterem Himmel vor einem Bauzaun steht und sich denkt, wie praktisch, dass der Aufzug direkt daneben ist. In die zweite Fuhre quetsche ich mich rein, während in der Unterführung noch immer eine Menschentraube mit Gepäck wartet. Der IC nach Stuttgart steht bereits am Bahnsteig und ich nehme gleich den Steuerwagen. Ein Tisch ist noch komplett frei und ich setze mich hin, um weiter zu arbeiten. Es ist einen Tick zu warm im Wagen, zumindest etwas wärmer und stickiger als im Fahrradabteil.

Kurz vor der Abfahrt nimmt ein junges Paar auf den beiden Sitzen gegenüber Platz.
Wenig später ziehen sie eine Glückwunschkarte hervor. Auf der rechten Seite steht „…zum Geburtstag“, die linke Seite bietet Freiraum für die Kreativität des Schenkers. Die Frau platziert ein Schlampermäppchen auf dem Tisch und kramt einen türkisfarbenen Fineline Stabilo heraus. Die beiden diskutieren, wie man am besten „Alle Gute“ auf die freie Seite bekommt. Die Frau beginnt schließlich, die Konturen des A zu zeichnen. „Jetzt hast du das ganz in die Ecke gequetscht“, nörgelt der Mann, „hast du keinen Bleistift? Dann könnte man erst vorzeichnen.“ Die Frau sucht in ihrem Mäppchen und wird fündig. „Aber ich habe keinen Radiergummi. Also bringt das auch nichts.“ Sie setzt die künstlerische Aktivität fort. „Das sieht irgendwie so leer aus“, kommentiert der Mann nach dem ersten l. „Kann man das nicht ausmalen?“ „Ausmalen? Wie denn mit dem feinen Stift?“ Dennoch beginnt sie, das A zu schraffieren. Damit ist sie eine ganze Weile beschäftigt. Vermutlich wird ihr dann klar, dass die gesamte Zugfahrt nicht zum Ausmalen ausreichen wird, wenn sie in diesem Tempo weitermacht. Sie fördert einen dickeren türkisfarbenen Stabilo zutage. „Hmm, das ist aber nicht derselbe Farbton“, stellt sie wenig begeistert fest, „der ist viel dunkler.“ „Na und? Ist doch egal, solange er dunkler ist“, stellt ihr Partner fest. Sie beginnt also, das A mit dem dunkleren Türkis zu übermalen.
Während sie malt, wischt der Mann mit griesgrämigem Gesichtsausdruck auf seinem Smartphone herum. Inzwischen werden Fahrkarten kontrolliert, sie hält eine BC 50, er eine BC 25 hin. Als der Zub verschwunden ist, stöhnt der Mann: „Boah, ganz schön heiß hier drin. Haben die denn keine Klimaanlage? Und Fenster kann man auch keine öffnen…“
Als der türkisfarbene Schriftzug endlich vollendet ist, zieht sie Vorlesungsmitschriften hervor und beginnt, darin zu lesen. „Wieso sitzt du eigentlich halb auf mir drauf?“, will ihr Freund wissen. „Ich finde das schön so.“ „Aber es ist so warm…“ Sie widmet sich wieder ihren Unterlagen.
„Wie kann das denn bitte sein? Wenn wir um 10 Uhr zurückfahren, sind wir mit dreimal umsteigen schneller als wenn wir direkt fahren.“ Er hält ihr sein Smartphone unter die Nase. „Weiß ich auch nicht…“ „Das geht doch eigentlich gar nicht.“ Ich sollte mir ein T-Shirt mit dem Aufdruck „Was auch immer Sie schon immer über die Bahn wissen wollten: Fragen Sie mich.“ zulegen. Nein, lieber nicht. So kann ich wenigstens frei entscheiden, wem ich weiterhelfen will und wem nicht. „Aber schau mal, das sind nur ganz kurze Umsteigezeiten. In Backnang zum Beispiel nur 5 Minuten.“ „Aber schneller als direkt? Das kann nicht sein.“ „Ich hab nächste Woche Prüfung und würde die gerne bestehen. Lässt du mich jetzt bitte lernen?“ Mit äußerst griesgrämiger Miene widmet er sich wieder seinem Smartphone. Bis Stuttgart passiert nichts mehr Interessantes, lediglich die Gewitterwolken verdunkeln die Landschaft bedrohlich. Kurz vor der Ankunft beginnt ein Regenguss.

Ich begebe mich zu meinem Anschlusszug der Neckar-Alb-Bahn. Auja, ein n-Steuerwagen hängt ganz vorne dran. Den nehme ich doch gleich, denn er ist zehnmal besser als die DBuza oder die ebenfalls nicht klimatisierte westdeutsche Variante. Leicht nach Plan rollen wir los. Die letzten Regentropfen des abziehenden Gewitters spritzen in mein Gesicht, während wir den Stuttgarter Hbf hinter uns lassen. Diese Abkühlung ist eine willkommene Entschädigung für die Fahrt mit der Sauna-Alb-Bahn vor zwei Wochen, als ich um meinen wertvollen Reiseproviant bangen musste. Glücklicherweise überstand die Himbeer-Sahne-Torte die Fahrt in besserem Zustand als die meisten Fahrgäste und wurde im Reisezentrum in Stuttgart während der großzügigen Umsteigezeit genüsslich verzehrt.
Wenige Minuten später halten wir auch schon in Bad Cannstatt. Ich beobachte den Fahrgastwechsel aus dem Fenster. Die Zugchefin pfeift, die Türen schließen. Eine junge Frau chinesischer Herkunft entdeckt einen Regenschirm auf dem Bahnsteig. Den hat offensichtlich jemand dort vergessen. Sie wedelt aufgeregt damit herum, doch damit erreicht sie genauso viel wie die junge Frau, die noch die Treppe hochgesprintet kommt und versucht, einzusteigen. Aus irgendeinem Grund fahren wir aber nicht sofort ab. Da erkennt die Chinesin ihre Chance und kommt zu meinem Fenster. „Kannst du mir einen Gefallen tun?“ Immer gerne. „Kannst du den einer jungen Chinesin im nächsten Wagen geben?“ Sie drückt mir den Schirm in die Hand. „Vielen Dank!“ Da kommt bereits ein junger Mann aus dem nächsten Wagen und nimmt den Schirm entgegen. Schließlich rollen wir an und die Chinesin winkt glücklich ihren Bekannten im DBuza zu. Es sind Momente wie diese, die mich daran erinnern, warum ich mich jedes Mal aufs Neue auf (fast) jede Bahnfahrt freue.

Ohne größere Ereignisse erreiche ich schon bald mein Ziel. Waren das wirklich neun Stunden?
Die Zugchefin pfeift, die Türen gehen zu. Ein junger Mann springt in großen Sätzen über den Bahnsteig. Doch er ist zwei Sekunden zu langsam. Das weiße Licht wird geschwungen, die letzte Türe schließt und der Zug setzt sich wieder in Bewegung.
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Beitrag von Lobedan »

Entenfang @ 5 Aug 2016, 14:28 hat geschrieben: Ab Glauchau sitzt mir ein älteres Ehepaar gegenüber. „Puh, warm…“, ächzt die Frau. In der Tat ist es hier oben auf dem Drehgestell deutlich wärmer als am anderen Tisch unten.
Das ist mir bisher immer nur im Desiro aufgefallen, dass die hochflurigen Bereiche wärmer sind, selbst wenn unten Tiefkühltemperatur herrscht. Schade, dass man das nicht in den Griff bekommt. :ph34r:
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Wildwechsel
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Beitrag von Wildwechsel »

Im Fugger-Express hast Du doch sogar in Linkskurven eine andere Temperatur als in Rechtskurven (ja, ich weiß, Gleisbögen).
Beste Grüße usw....
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Beitrag von NJ Transit »

Lobedan @ 5 Aug 2016, 20:41 hat geschrieben: Schade, dass man das nicht in den Griff bekommt. :ph34r:
It's not a bug - It's a feature! Mit der integrierten Klimazonen-Automatik ist in solchen Fahrzeugen jede Temperatur zwischen 10 und 15 sowie zwischen 30 und 35 Grad möglich - ideal für wechselwarme Reisende :ph34r: :P
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Beitrag von JeDi »

Lobedan @ 5 Aug 2016, 20:41 hat geschrieben: Das ist mir bisher immer nur im Desiro aufgefallen, dass die hochflurigen Bereiche wärmer sind, selbst wenn unten Tiefkühltemperatur herrscht. Schade, dass man das nicht in den Griff bekommt. :ph34r:
Dass es bei 642, 643 und co in den Hochflurbereichen wärmer ist als anderswo, liegt aber in der Natur der Sache (Motoranordnung)...
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Beitrag von 146225 »

JeDi @ 5 Aug 2016, 21:51 hat geschrieben: Dass es bei 642, 643 und co in den Hochflurbereichen wärmer ist als anderswo, liegt aber in der Natur der Sache (Motoranordnung)...
Witzigerweise schrieb Entenfang aber über einen ET - 1440/1441. ;)
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Beitrag von Lobedan »

NJ Transit @ 5 Aug 2016, 20:59 hat geschrieben:It's not a bug - It's a feature! Mit der integrierten Klimazonen-Automatik ist in solchen Fahrzeugen jede Temperatur zwischen 10 und 15 sowie zwischen 30 und 35 Grad möglich - ideal für wechselwarme Reisende :ph34r:  :P
Mir ist eigentlich immer nur kalt. Und jetzt bitte keinen Spott über falsche Pinguine. :o
Wildwechsel @ 5 Aug 2016, 20:56 hat geschrieben:Im Fugger-Express hast Du doch sogar in Linkskurven eine andere Temperatur als in Rechtskurven (ja, ich weiß, Gleisbögen).
Im Fugger-Express (und auch in den Talent 2-Zügen) habe ich vor allem eine unangenehme, feucht-stickige Luft meist schon direkt beim Einstieg.
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Beitrag von JeDi »

146225 @ 5 Aug 2016, 21:52 hat geschrieben: Witzigerweise schrieb Entenfang aber über einen ET - 1440/1441. ;)
Lobedan, den ich zitierte, allerdings von Desiros. Gut, wenn er jetzt die 460 von Transregio gemeint hat, wird meine Argumentation dünn ;-)
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Beitrag von Martin H. »

Zu fährt von alleine, aber unruhig.
Wenn es wie bei den 0440 ist, hätte der Lokführer schon gewissen Einfluss. Je weiter der Fahr-/Bremsschalter in Fahren ist, je stärker die freigegebene Kraft zum Halten der Geschwindigkeit. Das ist beinahe schon eine AFB. Wenn natürlich der Hebel einfach vorne bleibt.....
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Beitrag von JeDi »

Wie viel Bahnfahrt schafft man eigentlich an einem Tag? Ich hab das am Sonntag mal ausprobiert, die Alternativen waren auch kaum vorhanden (nein, ein Swissairflug um 400 Euro ist keine Alternative und hätte mit Vor- und Nachlauf auch gar nicht so viel Zeit eingespart).

Problem war, 2 Schmalspurbahnen zu verbinden, zum einen die Borschatalbahn in Transkarpartien, der Ukraine, kurz vor Rumänien, wo am Samstag eine Sonderfahrt über die sonst nicht befahrenen Teilstrecken stattfand, und die Furka-Bergstrecke, wo ab Montag Arbeit anstand. Die Anreise in die Ukraine erfolgte recht langweilig über Przemysl nach Lemberg, wo das Anstimmen meiner Signatur zu spontanen Verbrüderungsszenen auf dem Marktplatz führte. Später ging es dann per Nachtzug nach Berehove (Ankunft irgendwas kurz vor 5) zum Wahnsinnspreis von knapp 6 Euro pro Nase im Kupe.

Hier ein kleines Ich-war-da-Beweisbild:

Bild
Ukrainische Dorfromantik by JeDi, auf Flickr

Nachdem die Sache am Ende doch etwas nervte, brach eine lustige Truppe in Vynogradiv ab, und begab sich auf der Breitspur (hier aber mit Vierschienengleis, man könnte also auch auf 1435mm fahren) in einem der unvermeidlichen D1-Triebwagen Richtung Chop.

Bild
Zugkreuzung by JeDi, auf Flickr

Nun ging das überlegen los. Wenn ich jetzt noch irgendwie nach Ungarn vorfahre, bringt mir das was? Kann ich damit Anschlüsse entspannen oder nennenswert Schlafenszeit gewinnen? Die Antwort war "nein", zumindest nicht mit vertretbarem Aufwand. So endete der Abend bei Schaschlik und Horilka in Chop. Doch genug des Vorgeplänkels, nun zur eigentlichen Fahrt:

Chop 5:30 - 4:48 Zahony

Ich finde mich um kurz vor 5 im internationalen Bahnhofsteil von Chop ein. Man soll eine halbe Stunde vorher zur Grenzabfertigung da sein, außerdem brauche ich noch einen Fahrschein. Letzerer (ausgestellt von den "Eisenbahnen der UdSSR") für letzteren wechseln 77 Grivna den Besitzer. Da ich kein ungarisch spreche, kommuniziere ich in einer wilden Mischung aus Russisch und Slowakisch mit der Fahrkartenverkäuferin, die mir danach noch irgendwas sagen will (Lösung: Grenzabfertigung ab 5 an der nächsten Tür). Die Grenzabfertigung beginnt dann erst so gegen 5:15 und ist völlig unproblematisch. Mit mir sind etwa 10 Leute im Zug. Der MÁV-Schaffner hat noch am Fahrschein eines Mitreisenden etwas auszusetzen, was aber unbürokratisch gelöst werden kann (oho!). Nach rund 15 Minuten Fahrt über die Grenze erreichen wir den ungarischen Grenzbahnhof Zahony, durch die Zeitverschiebung ist es jetzt wieder Dreiviertel Fünf. Die EU-Einreisekontrolle läuft auch unproblematisch, sind alles Unionsbürger und außer einem oberflächlichen Blick in den Rucksack passiert nichts.

Nun wollte ich mir eigentlich was zum Frühstücken besorgen, doch im einzig geöffneten Laden hängen große Jobbik-Fahnen, und Forint-Münzen für den Kaffeeautomaten hab ich keine. Mist. Also schaue ich mich etwas auf dem Bahnhof um, denn Züge stehen schon genug rum:

Bild
Auf der Eisenbahn morgens um fünf... (Links: Eilzug zum Belaton, Rechts: Regionalzug Richtung Debrecen, ganz rechts: Der Wagen aus Chop) by JeDi, auf Flickr

Bild
Denkmal. by JeDi, auf Flickr

Inzwischen ist auch mein Zug geöffnet, ich steige ein und habe den Wagen für mich. Das nutze ich gleich mal für ein Foto:
Bild
Intercity von Innen by JeDi, auf Flickr

Zahony 5:28 - 9:20 Köbanya-Kispest

Ich schlafe bald ein, die Nacht war kurz, die Landschaft ist eh fad (Was würde ich für einen Nachtzug Deutschland/Westösterreich/Schweiz - Ostungarn geben...) - in Debrecen werde ich kurz von einer Frau geweckt, die gerne meinen Tischplatz hätte. Mit vielen Worten verstehe ich es nicht, mit Händen und Füßen schon - nun gut, ziehe ich halt auf den Platz dahinter um.

Vor Szolnok werde ich dann leicht nervös, in den letzten Jahren haben die Züge hier immer Verspätung aufgebaut - und ich habe nur 7 Minuten Umsteigezeit in Köbanya-Kispest. Doch: Alles ganz entspannt, wir erreichen pünktlich Kikö. Hier habe ich einen direkten, Bahnsteiggleichen Anschluss an einen Flirt "rüber" nach Kelenföld.

Köbanya-Kispest 9:27 - 9:41 Kelenföld

Kelenföld als Via ist aber komischerweise nirgendwo angeschrieben. Der Schaffner gibt jedoch so ca. jedem zweiten Fahrgast bereitwillig Auskunft, fast pünktlich geht es los (es hätten aber gerne 2 Flirts sein können). Kelenföld erreichen wir mit einigen Minuten Verspätung, da wir vor der Donaubrücke noch etwas rumstanden. Es reicht aber dicke auf den Railjet nach "MUNCHEN Hbf Gl 5". Am Bahnhofsbäcker ist mir aber die Schlange etwas zu lang (Frühstückskauf, siehe oben).

Kelenföld 9:55 - 12:21 Wien Hbf

In den Railjet eingestiegen ist noch genau ein Platz frei: Meiner. Diverse Interrailer sitzen auf dem Boden (und bekommen später vom MAV-Schaffner erklärt, dass das jetzt 8000 Forint Strafe und einen Klassenwechsel kostet). Für mich ist jedoch erstmal Henry am Zug und es gibt (um die Zeit für mich aber nur noch ein kleines, ist ja bald Mittag) Frühstück. Etwas Gebäck mit Aufstrich und einem Verlängerten um 4,90 - Hochpreiseuropa hat mich wieder. Lecker ist es aber.
Anmerkung: Das soll nicht heißen, dass mir das Preisniveau zu teuer erscheint - es ist nur ein gewisser Schock, wenn man am Tag zuvor noch um den selben Preis ein sehr dekadentes Abendessen bekommen hat...

Die Fahrt ist - wie Ungarnquerungen eigentlich immer - landschaftlich sehr fad, das Publikum besteht - wie auf dieser Strecke eigentlich immer - aus vielen internationalen Touristen und sorgt teilweise für gewisse Erheiterung, bringt aber auch einen gewissen Nervfaktor mit sich. Irgendwann steigt die Klimaanlage aus, der Schaffner sagt, er kann nichts machen, also selber was gemacht. Fand der Schaffner nicht lustig, aber mir doch egal. In Hegyeshalom die übliche Prozedur, der ÖBB-Schaffner meint dazu nur, dass die ungarischen Kollegen da leider manchmal etwas seltsam seien und bestellt für Wien einen Bordtechniker. In Wien SüdHauptbahnhof wird der Zug verdoppelt, ich habe nun eine gute Stunde Umsteigezeit, die ich in der "Fressmeile" und später in der Lounge verbringe. Auch die meisten anderen Fahrgäste verlassen den Railjet und werden durch neue ausgetauscht.

Wien Hbf 13:30 - 21:20 Zürich HB

Der Zug ist voll. Richtig voll. Mein Abteil füllt sich auf die vollen 4 Leute, und dann ist es auch ganz schön eng. Die anderen 3 scheinen sich einigermaßen zu kennen, und verziehen sich gleich hinter ihre Laptops. Ich gehe am Tablet noch diverse Unterlagen durch. Der Lainzer Tunnel ist eine der vielen kleinen "Erstbefahrungen" auf dieser Tour. Der Schaffner ist von der alten ÖBB-Schule und bezeichnet meine Fahrkartensammlung als "Schaffnertraum", ein Mädel hat ihre Fahrkarte daheim liegen lassen "Setz dich hin, ich komm dann, da find ma eh was". So schaukeln wir die Westbahn hoch, auch die ist inzwischen von zahlreichen Fahrten bekannt. Salzburg wird erreicht, der Zug noch voller, selbst der Putzmann gibt Auskünfte welcher Teil nach Zürich und welcher nach Bregenz fährt. Weiter geht es ohne Halt bis Innsbruck, in Rosenheim denke ich mir noch, dass da was nicht stimmen kann (eine gute Dreiviertelstunde bis Innsbruck), aber ich hatte die Inntal-U-Bahn vergessen (wieder eine Erstbefahrung). Die Fahrt verläuft ruhig, ab etwa Landeck wirds mir dann aber doch fad (dabei wirds dort doch eigentlich erst schön?). Etwas gedöst, 5 Minuten Verspätung wegen eines verspäteten Gegenzuges erreicht. In Bludenz steigen die andren aus, und für mich gibts Abendessen (Chickentikka um 10 Euro oder so, sehr zu empfehlen!). Komplettbereisung des Bahnnetzes Liechtensteins, in Buchs übernehmen die SBB - und machen aus den +4 in der Ankunft gleich mal +9. So wie ich das gesehen habe, war da ein Rheintal-Express verspätet. In Sargans steigen noch 3 Schweizer zu, die gerne ein 3-Gänge-Menü serviert bekommen möchten (vermutlich günstiger als ein Hauptgang in einem Schweizer Restaurant), für mich gibts noch einen Tee und Mannerschnitten, somit hat Henry nochmal was zu tun. In Sargans hat der IC nach Zürich auch etwas Verspätung und fährt somit noch vor uns. Wir fahren den Walensee entlang, ich genieße meinen Tee und die Aussicht. Nebel wabert die Hänge entlang, langsam wird es finster, einfach unbeschreiblich. Zürich HB wird mit +6 erreicht.

Da die SBB-Lounge bereits um 21 Uhr schließt, verbringe ich die Zeit auf dem Bahnhof. So kaufe ich mir eine Rivella, und schaue mir den neuen Bahnhof Löwenstraße an. Letzteren finde ich mit seinen goldenen Decken etwas geschmacklos, nachdem aber grade passend ein ICN da steht, kann man ja mal ein Foto machen:

Bild
Bahnhof Löwenstraße by JeDi, auf Flickr

Zürich HB 22:09 - 23:41 Göschenen

Ich gehe wieder hoch in die Bahnhofshalle, mein IR steht schon bereit. Ich nehme im Panoramawagen Platz (auch wenns um diese Uhrzeit natürlich kaum Panorama zu sehen gibt).

BildSo lässts sich aushalten by JeDi, auf Flickr

Sanft gleitet der Zug durch die Nacht, der Zugführer ist hier natürlich schon der Capo di Treno. Pünktlich um 23:41 wird der Bahnhof Göschenen erreicht. Hier lasse ich mich per Auto abholen - per Bus und Bahn geht er morgen erst weiter...

Bilanz des Tages:

Ziemlich genau 1500 km in 19:11 zurückgelegt, dabei in 6 Ländern gewesen, mit 4 verschiedenen Bahnverwaltungen gefahren, 3 Länder durchquert, größte Verspätung 9 Minuten - an einer eher unerwarteten Stelle.

Gruß,
JeDi
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Lobedan
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Beitrag von Lobedan »

JeDi @ 5 Aug 2016, 23:24 hat geschrieben: Lobedan, den ich zitierte, allerdings von Desiros. Gut, wenn er jetzt die 460 von Transregio gemeint hat, wird meine Argumentation dünn ;-)
Liegen in ET mit Hochflurbereichen etwa keine Motoren darunter oder was führt dich zu dieser Anmerkung? Dass es beim Desiro (und ähnlichem VT) an den Motoren liegt, leuchtet mir schon ein, aber ist das bei den ET anders?
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Entenfang
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Beitrag von Entenfang »

JeDi @ 6 Aug 2016, 12:21 hat geschrieben:Hier ein kleines Ich-war-da-Beweisbild:
Schick, schick. Gibts (evtl. auch anderswo) noch mehr Material? :)


Eine Alltagsfahrt mit der MVG

Es schüttet, während ich frühstücke. Um 12 Uhr muss ich an der Schwanseestraße sein, da ich aber nicht weiß, wie lange ich noch reingelassen werde, besser ein paar Minuten früher. Wegen des Wetters soll das Fahrrad mal ausnahmsweise stehen bleiben.
Hmm, meinen 139er zur Quiddestraße um 11:12 Uhr erwische ich wohl nicht mehr, denn die Uhr zeigt 11:13 Uhr. Also schnell die Regenhose an und mit dem Fahrrad zur Quiddestraße. Die entspannten 4 Minuten Wartezeit lassen sich ganz gut nutzen, um nochmal die Verbindung anzuschauen. Am Giesinger Bf sind es 11 Minuten Umsteigezeit zur Tram. Also geht auch 1 Minute. Ich steige am Innsbrucker Ring in die U2 um. Nach der Abfahrt am Karl-Preis-Platz positioniere ich mich an der ersten Tür. Wir fahren in den Bahnhof ein. 11:29:40. Um 11:30 Uhr fährt die Tram.
Zisch. Ich springe aus dem U-Bahnzug, bevor dieser richtig steht. Beide Zweirichtungsrolltreppen bringe ich sogar dazu, in aufwärtiger Richtung anzuspringen. Um 11:30:20 stehe ich im Wartehäuschen und sehe die Rücklichter 100 Meter weiter.
Hoppla, steht da nicht der 139er zum Klinikum Harlaching? Dann bin ich quasi einen Kurs nach vorne gesprungen. Zugegebenermaßen hat er einige Minuten +. Doch er steht an der Ampel und nicht an der Haltestelle. Leider hat der Busfahrer keinen guten Tag erwischt und schüttelt den Kopf. Na gut, dann warte ich halt auf die Tram.

Um 11:50 Uhr bin ich überraschend schon fertig. Als nächstes muss ich nach Neuperlach Zentrum. Ah, um 11:54 Uhr mit der Tram zur Chiemgaustraße, dann 3 Minuten Umsteigezeit und weiter mit dem 139er.
Eine Frau eilt hektisch zur ersten Tür der wartenden Tram. „Fahren Sie zum ZOB?“ Nein, da müssen Sie umsteigen. „Ok, danke.“ Sie steigt wieder aus und eilt davon.
Der Bildschirm verkündet an der Chiemgaustraße den nächsten 139er Richtung Messestadt West erst in 23 Minuten. Ich entscheide mich, auf eine Fehlfunktion statt auf einen ausgefallenen Kurs zu spekulieren und dennoch auszusteigen. Meine Spekulation geht auf, die DFI im Wartehäuschen steht auf 1 Minute. Der Regen hat noch an Stärke zugelegt und das Wasser spritzt an beiden Seiten aus den Spurrillen, als der Busfahrer beschleunigt.
Während wir an einer Baustellenampel im Neubaugebiet am Neuen Südfriedhof warten, fällt mir auf, dass sich eigentlich für die Rückfahrt unnötigerweise nochmal gestempelt habe. Von Neuperlach Zentrum könnte ich einfach mit dem Bus weiterfahren, an der Siegfried-Mollier-Straße aussteigen und die 100 Meter zu meinem Fahrrad laufen. Dann wäre es weder eine Rück- noch eine Rundfahrt.

Ruckartig fährt der Fahrer an der Holzwiesenstraße an. „Boah ohje whua!“, protestiert ein älterer Mann, der sich an die Haltestange im Rollstuhlabteil klammert und versucht, nicht das Gleichgewicht zu verlieren. Der Fahrer steigt, halb auf der Straße, halb noch an der Haltestelle, kräftig auf die Bremse, was dem Mann einen weiteren Fluch entlockt. „Setzen Sie sich hin“, meint der Busfahrer. „Ja wohin denn?“, ruft der Mann zurück. Wie wärs denn mit dem komplett freien Vierer vor deiner Nase… Eine Frau will schon von einem Zweier daneben aufstehen, doch der Mann lässt sich dann doch in den Vierer plumpsen. Mit +2 setzen wir die Fahrt fort, während der Regen gegen die Scheiben prasselt und das Wasser aus den Spurrillen spritzt.
Um 12:16 Uhr stehe ich am Busbahnhof Neuperlach Zentrum. Gutes Timing, denn ab 12 Uhr kann ich mein bestelltes Buch abholen. Auf der DFI steht die Weiterfahrt in 4 Minuten, also kommt der 192er in 14 Minuten. Würde ich mich nicht jedes Mal irgendwo festlesen, hätte ich den Bus sicher erwischt. Aber so sollte es nicht kommen und statt dem nächsten 139er kann ich auch die U-Bahn nehmen, wenn ich schon gestempelt habe.
Ich sollte wohl öfter mal öffentlich fahren. Auch wenn es teurer ist, mit etwas Glück dauert es gar nicht mal viel länger als mit dem Fahrrad und unterhaltsam ist es allemal…
Mein Bahnjahr 2024
Zurückgelegte Strecke: 30.060 km - Planmäßige Gesamtreisezeit: 16,1 Tage - Gesamtverspätung (analog FGR): 626 min - Planmäßige Reisegeschwindigkeit: 78 km/h - Durchschnittliche Fahrzeitverlängerung aufgrund von Verspätung: 2,7% - Fahrtkosten: 10,6 Cent/km - Anschlussquote (alle Anschlüsse einer Verbindung mit min. 1 Umstieg erreicht): 87,5%
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Beitrag von JeDi »

Lobedan @ 6 Aug 2016, 16:50 hat geschrieben: Liegen in ET mit Hochflurbereichen etwa keine Motoren darunter oder was führt dich zu dieser Anmerkung? Dass es beim Desiro (und ähnlichem VT) an den Motoren liegt, leuchtet mir schon ein, aber ist das bei den ET anders?
Ehrlich gesagt: Keine Ahnung. Ich bin technisch fast nur mit Dieselfahrzeugen vertraut. ET können ihre Motoren mehr oder weniger überall haben.
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Beitrag von JeDi »

Entenfang @ 7 Aug 2016, 13:57 hat geschrieben: Schick, schick. Gibts (evtl. auch anderswo) noch mehr Material? :)
Von mir: sobald ich dazu komme. Von anderen z.B. hier oder hier.
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Beitrag von Martin H. »

JeDi @ 13 Aug 2016, 00:23 hat geschrieben: ET können ihre Motoren mehr oder weniger überall haben.
Ähh, nein?
Immer in unmittelbarer Nähe zu den angetriebenen Achsen. Also vorwiegend auch unten.
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chris232
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Beitrag von chris232 »

Aber vorwiegend eben auch direkt am Drehgestell und nicht im Wageninneren.
Eisenbahnen sind in erster Linie nicht zur Gewinnerzielung bestimmt, sondern dem Gemeinwohl verpflichtete Verkehrsanstalten. Sie haben entgegen dem freien Spiel der Kräfte dem Verkehrsinteresse des Gesamtstaates und der Gesamtbevölkerung zu dienen.
Otto von Bismarck

Daher hat die Bahn dem Gemeinwohl und nicht privaten Profitinteressen zu dienen, begreifen Sie es doch endlich mal!
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Beitrag von JeDi »

Martin H. @ 13 Aug 2016, 09:32 hat geschrieben: Ähh, nein?
Immer in unmittelbarer Nähe zu den angetriebenen Achsen. Also vorwiegend auch unten.
Gabs nicht mal Bestrebungen, die Motoren aufs Dach zu packen? Ansonsten gibt es noch diverse Sonderlösungen, wie die Motoren im Gelenk beim ULF (ok, ist Straßenbahn).
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Lobedan
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Beitrag von Lobedan »

Wäre dann vielleicht mal interessant zu vergleichen, ob die ET mit Motoren an den Drehgestellen oder in ähnlicher Lage zum Wageninneren sich ebenso aufheizen (bzw. schlecht kühlen) wie Desiro und Co; und ob das bei ET mit anderer Motorenanordnung nicht der Fall ist.

Aber dafür ist das vermutlich der falsche Thread.
Martin H.
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Beitrag von Martin H. »

chris232 @ 13 Aug 2016, 14:24 hat geschrieben: Aber vorwiegend eben auch direkt am Drehgestell und nicht im Wageninneren.
Aber zumindest unterflur. Gut, macht schon einen kleinen Unterschied.

Motor auf dem Dach, kann man machen, wenn man denn unbedingt will. Entweder den Dieselmotor und unten nochmal E-Motoren, oder bei ET und VT zig Wellen und Zahnräder.
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Beitrag von 146225 »

Kreiseln am östlichen Bodensee


Samstag und viel zu früh, aber so ist das eben mit den spontanen Ideen am Freitagabend, dass man dann am Samstag auch aufstehen muss. Die Idee lautete: „Wollte ich nicht schon lange mal wieder an den Bodensee und, neben einer kurzen Besorgung, noch ein paar unbekannte Streckenabschnitte in der Ostschweiz erfahren? Also am NTA in der Nachbarschaft zwei Fahrkarten besorgt und los geht die Reise. Für den deutschen Reiseabschnitt dient, da ich ausnahmsweise nur mit Regionalzügen unterwegs sein kann/werde, ein Baden-Württemberg-Ticket als Fahrkarte. Und weil es nach Lindau von Heilbronn doch ein paar km sind und bei schönem Wetter auch gerne ein „paar Leute“ mehr an den Bodensee fahren, habe ich ganz dekadent einen Zehner draufgelegt, und reise damit erstklassig.

In der frühen RB von Heilbronn nach Stuttgart, die im Gegensatz zu vielen Wagenparks in der wöchentlichen Pendler-HVZ alle 5 Wagen dabei hat, finde ich die erste Klasse leer im Oberdeck des Steuerwagens, - einer der bekannten DABpbzfa 764. Kurz vor der Abfahrt mit +2 kommt noch ein bekannter Eisenbahner, der zur Frühschicht per Gastfahrt ausrückt dazu, meint grinsend „Sind auch immer dieselben hier!“ – und dann ist für die nächsten rund 50 Minuten schläfrige Ruhe angesagt, bis der Zug in der Stuttgarter Ruine zum Stehen kommt. Am Nebengleis ist schon einiger Betrieb am frühen TGV nach Paris, ansonsten ist alles noch überschaubar entspannt.

Der IRE nach Lindau bietet Auswahl, neben der Rarität Dduu zur Fahrradbeförderung sind unter den 4 Doppelstockwagen hinter der 146.2 auch außerplanmäßig 2 DABpza enthalten. Was dann prompt dazu führt, dass im Fahrtverlauf dann öfters mal 2.Klasse-Reisende auf Platzsuche noch schauen müssen, ob das wirklich komplett 1. Klasse ist. Oder man macht es so wie die beiden „krassen Chicas“ (so haben die Teenie-Tussies sich selbst bezeichnet), die in Geislingen (Steige) zugestiegen sind, sich Füße hoch reinfläzen und lautstark über Vor- und Nachteile diverser Jungs und über Kosmetik „diskutiert“ haben und darauf „gewettet“ haben, dass bis Ulm Hbf schon niemand zur Kontrolle kommen wird. Wette gewonnen, als meine Fahrkarte das erste Mal an diesem Tag geprüft wird, ist der Zug schon längst hinter Laupheim unterwegs.

Was fällt in Ulm noch auf, während die 146.2 gegen die auf der Südbahn noch unverzichtbare 218 getauscht wird? Mein IRE ist pünktlich, und der Anschluss-RE am Nebengleis, der über die Brenzbahn bis Ellwangen fahren wird ist irgendwie kein 644, sondern einer der Ulmer Bastel- 628.2/629.2 – fehlt der RAB das nötige Talent? Jeglicher Zusammenhang mit einer immer wieder in Eisenbahnerkreisen erwähnten personellen Unterbesetzung der Ulmer Werkstatt ist natürlich völlig abwegig.

Hätte ich nur bis Friedrichshafen reisen wollen, oder weiter an den westlichen Bodensee wäre ich in Ulm bereits auf den mit 611 gefahrenen IRE-Sprinter umgestiegen, so bin ich einfach sitzen geblieben und kann mal wieder auf der langen, geraden Strecke in Richtung Erbach (Württ.) die grandiose „Beschleunigung“ der 218 erleben. Uff… - wenn es also mal wieder länger dauert. In Biberach an der Riss ist, unüblich für eine ländliche Kreisstadt in Deutschland am Samstag, am ZOB neben dem Bahnhof einiges an Busanschlüssen angeschlagen. Der naive Teil von mir fragt sich noch kurz, warum diese Anschlüsse nicht auf den von Ulm her kommenden IRE abgestimmt sind, sondern in loser Folge über die nächste halbe Stunde hinweg verkehren. Zwei Halte später, in Aulendorf, zeigt sich, dass Zugsanschlüsse mehr Fahrgäste anziehen, auf dem Bahnhof der 10.000-Einwohner-Gemeinde ist mächtig Betrieb. Bevor in Friedrichshafen Stadt die Fahrtrichtung des Zuges wechselt, kann noch festgehalten werden, dass in der Einfahrt eine in frischem Verkehrsrot glänzende 232 in der Wochenendruhe steht. Steuerwagen voraus geht es in Richtung Lindau weiter, der Zug ist immer noch pünktlich. Bis Kressbronn, als durch eine kopflos am Bahnsteig durcheinanderwuselnde Seniorengruppe es irgendwie nicht schafft, ihre Fahrräder aus dem Zug auszuladen. Die sehr freundliche RAB-Zubine muss einige deutliche Kommandos über den Bahnsteig rufen, bevor es dann mit netten +8 endlich weiter geht. Der direkte Anschluss an die Vorarlberger S-Bahn nach Bregenz und weiter in Lindau ist also gefährdet. Nun, mir kann es an sich egal sein, die Anschluss-S-Bahn nach St. Margrethen SG würde ich in „Breagaz“ auch noch bekommen, wenn ich mit dem nächsten Takt ab Lindau fahre, diese „Sorge“ ist aber mal wieder völlig unbegründet. Wie schon erwähnt, zieht schiebt die 218 wirklich nicht die „Wurst vom Teller“ und bei der Einfahrt in Lindau stehen immer noch +8 auf der Uhr, aber die ÖBB ist mal wieder ihr gelassenes Selbst und kann auch 2 Minuten auf den Anschluss warten.

Nach dem bräsigen Tempo der Windmühle ist der leichtfüßig losspurtende 4024 ein ganz anderes Fahrgefühl, kaum den Seedamm hinter sich gelassen, geht es in flottem Tempo durch Reutin gen Vorarlberg, elektrische Traktion ist eben unschlagbar. Und trotz regem Fahrgastwechsel an den Zwischenhalten geht sich eine pünktliche Ankunft in Bregenz aus, womit ein Kurzaufenthalt in Österreich auch gebucht war. Fotografisch interessante Objekte hat die ÖBB nicht bereitgestellt, also ein kurzer Stadtbummel – ein zweites Frühstück mit frischen Mehlspeisen. So gestärkt, geht es in der nächsten, als S3 verkehrenden „Ente“ weiter in die Ostschweiz, ich kann während der Zugsfahrt über eine ebenfalls mitreisende deutsche Familie schmunzeln, die in die Westschweiz möchte und ganz erschreckt feststellt, dass in St. Margrethen nur 9 Minuten Umsteigezeit auf den RE in Richtung St. Gallen zur Verfügung stehen, ob das wohl ausreicht? Die Vorarlberger S-Bahn beruhigt die Bedenken durch pünktliche Ankunft, und dann ist der Ostschweizer Knotenbahnhof ja auch keine übergroße Anlage. Der RE von Chur nach Wil SG besteht aus einem 6-teiligen Stadler-KISS, den ich nach 6 Minuten in Rorschach schon wieder verlasse. Hier besteht der Bahnverkehr neben den SBB-Kiss als RE und den allseits bekannten EC Zürich<->München in der Hauptsache aus den elektrischen GTW der Thurbo:

Bild
7526 765, ein Thurbo-GTW 2/8 in Rorschach Hafen.
München kann jeder. Duisburg muss man wollen!
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