Eine bunte Mischung an Fahrzeugen wird auf der Sightseeing-Linie 22 eingesetzt
Als ich die nächste Bahn Richtung Innenstadt nehmen möchte, fällt mir auf, dass meine 24h-Karte schon abgelaufen ist. Grandios, ich habe vergessen, noch Einzelfahrten vorzukaufen und im Fahrzeug gibt es ebensowenig einen Automaten wie an dieser Haltestelle. Ich laufe rein spekulativ eine Station zur Burg und finde dort einen Automaten. Bis ich endlich die richtigen Münzen herausgekramt habe, fährt mir die nächste Bahn natürlich gerade vor der Nase weg.
Nach einem schnellen Mittagessen erkunde ich noch weitere Passagen am Wenzelsplatz.
Der Bildhauer David Cerný schuf bereits einige kontrovers diskutierte Kunstwerke. Eines der bekanntesten ist die Parodie auf das Reiterstandbild des Heiligen Wenzels.
Völlig unerwartet öffnet sich ein kleiner Park mit Spielplatz im Innenhof eines Gebäudekomplexes. Hinten ist die Kirche St. Maria Schnee zu sehen.
Die letzten Sonnenstrahlen beleuchten die Hausdächer
Bevor ich zurückfahre, gönne ich mir einen der leckeren
Baumstriezel.
Die Verkäufer haben eine neue Möglichkeit entdeckt, mehr Geld damit zu verdienen. Für 20 Kronen extra bekommt man Nutella hineingeschmiert.
9353 nähert sich der Haltestelle Nákladové nádraží Žižkov.

Hinter dem Namen verbirgt sich ein 2002 eingestellter Güterbahnhof, der anschließend zum Begierdeobjekt von Immobilienhaien wurde. Doch das Gebäude wurde nach langen Diskussionen zum Kulturdenkmal erklärt und erhalten. Heute kann das Areal besichtigt werden, außerdem finden kulturelle Veranstaltungen wie beispielsweise Open-Air-Kino statt. Hätte ich das doch bloß vorher gewusst…
So, jetzt aber schnell zum Bahnhof. Zeitoptimiert wie immer stehe ich wenige Minuten vor Abfahrt auf dem Bahnsteig. Der gut gefüllte Zug setzt sich nach Anschlussaufnahme vom direkt gegenüber haltenden Zug aus Budapest mit +7 in Bewegung. Mit -1 endet der stark verlängerte Wochenendtrip nach einer unspektakulären Rückfahrt an der Elbe.
Fazit
Nun hat sich also eine wunderbare Gelegenheit ergeben, mal wieder die Stadt der 1000 Türme und Tatras zu besuchen. Wenn ich auch weit weniger der zahlreichen Vorschläge von Oliver abarbeiten konnte als erhofft, so war der Besuch doch äußerst erfolgreich. Einige weiße Flecken auf meiner persönlichen Landkarte konnten gefüllt werden.
wer sich etwas für "urban exploration" oder leerstehende Gebäude interessiert, findet mit den "Barrandovske terasy" ein absolutes Highlight.
Inzwischen leider größtenteils in ein Netz zum Schutz vor herabfallenden Steinen eingehüllt.
Gleichzeitig konnte ich noch viele weitere interessante Orte auf meine To-do-Liste für den nächsten Besuch schreiben. So schnell wird mir in dieser Stadt jedenfalls nicht langweilig.
Kulinarisch stellte sich wieder einmal heraus, dass Gulasch und Knödel drei Tage ganz lecker sind, der Bedarf dann aber erstmal gedeckt ist. Daraus kann man aber nicht folgern, dass die Dauer des Aufenthalts drei Tage nicht überschreiten darf. In Prag gibt es auch ein recht umfangreiches kulinarisches Angebot abseits der traditionellen Küche.
Den Großteil des Fazits möchte ich den verkehrlichen Aspekten der tschechischen Hauptstadt widmen.
Der Prager Straßenbahnbetrieb ist ein recht prominenter Vertreter eines stark ausgeprägten Verästelungsnetzes. Nach ausgiebiger Nutzung sind mir doch einige damit verbundenen Aspekte aufgefallen. Bereits der erste Blick auf das Netz offenbart einen Nachteil: Es ist ziemlich unübersichtlich.
2009:
http://metro.angrenost.cz/images/tram-map.png
2013:
http://www.prague-guide.eu/images/prague-m...trams-stops.jpg
März 2016:
http://czech-transport.com/images/metro_tr...daily_stops.pdf
Seit August 2016:
http://www.dpp.cz/download-file/13568/05_m...daily_stops.pdf
Immerhin hat sich das Design im Laufe der Jahre erheblich verbessert. Sehr schade finde ich hingegen, dass mit der Liniennetzumstellung im August 2016 im Netzplan nicht mehr zwischen Hauptlinien und Nebenlinien unterschieden wird. Diese waren durch eine dicke Linie gekennzeichnet und sind in der Regel doppelt so häufig unterwegs als die restlichen Linien. Ein kleiner Vergleich im Aushangfahrplan:
Hauptlinie 9:
http://jrportal.dpp.cz/DataFTP/JRPortalDat.../9_(612_3)T.pdf
Nebenlinie 20:
http://jrportal.dpp.cz/DataFTP/JRPortalDat...0_(1019_1)T.pdf
Aus dem verzweigten und verschachtelten Liniennetz folgt zwangsläufig, dass nicht auf allen Abschnitten mit mehreren Linien ein gleichmäßiger Takt angeboten werden kann. So kommt es zu unschönen Pulkfahrten auf gemeinsam genutzten Abschnitten.
https://files.mycloud.com/home.php?brand=we...Palmovka-Maniny
Selbstverständlich ist das auch nicht gerade für eine gleichmäßige Fahrgastverteilung förderlich, sodass dann das nach längeren Lücken zuerst ankommende Fahrzeug überfüllt ist (insbesondere, wenn es sich um ein Tatra-Solo handelt) und das direkt folgende ziemlich leer ist.
Trotzdem ist es auf vielen längeren gemeinsamen Abschnitten erstaunlich gut gelungen, einen weitgehend gleichmäßigen Abstand zu erreichen.
Ein weiterer Nachteil sind die abweichenden Haltepositionen für eine Fahrtrichtung je nach Linie. Möchte man beispielsweise von der Station Andel Richtung Norden fahren, kann man zwischen vier Linien wählen.
https://files.mycloud.com/home.php?brand=we...l_Halteposition
Doch zwei davon fahren an Halteposition 1, die anderen beiden an Position 2 ab. Aus diesem Grund können sich unnötige Wartezeiten ergeben.
Das Verästelungsnetz bietet noch eine weitere „Chance“ auf unnötige Wartezeiten. Steht man beispielsweise an der Haltestelle Botanická zahrada und möchte zur Haltestelle Národní divadlo fahren, bietet sich nur die 18 als direkte Linie an. Gleichwohl würde auch die Option bestehen, eine 14 oder 24 zu nehmen, falls diese zuerst kommen sollten und am Novomestská radnice in die 22 umzusteigen. Alternativ könnte man auch bis Lazarská fahren und dort in die 9 umsteigen. Es gibt also eine Vielzahl an Reisemöglichkeiten, aber selbst wenn man sämtliche Reisemöglichkeiten für eine Strecke kennt, weiß man noch lange nicht, welches der schnellste Weg ist. Ganz abgesehen davon ist es natürlich psychologisch äußerst ungünstig, wenn man auf die direkte 18 wartet und erstmal die 14, dann die 24, dann wieder die 14 und dann erst die 18 kommt. Das kann sogar ohne Abweichungen vom Fahrplan vorkommen, da die Linien nicht in gleichen Intervallen verkehren.
Leider ist DFI mit Live-Abfahrtszeiten noch nicht sehr weit verbreitet, sodass man sich auch nicht zu Beginn für eine Fahrt mit Umstieg entscheiden kann, wenn die gewünschte Linie verspätet ist.
Die fehlenden Abfahrtsmonitore machen sich natürlich auch beim Umsteigen von der Metro im Zusammenhang mit den unterschiedlichen Haltepositionen negativ bemerkbar.
Die Aufenthaltsqualität ist an vielen Tramhaltestellen äußerst bescheiden. Selbst an größeren Haltestellen gibt es keine Wartehäuschen und auf den engen Bahnsteigen in Straßenmitte steht man inmitten des Verkehrstrubels. Manchmal gibt es ein Wartehäuschen am Straßenrand, doch wenn es keinen Zebrastreifen gibt, sollte man besser rechtzeitig auf den Bahnsteig wechseln, denn die Autofahrer halten nicht immer an, wenn eine Bahn einfährt. Das sorgt für durchaus gefährliche Situationen, wenn sich ein- und aussteigende Fahrgäste auf dem engen Bahnsteig drängen oder auf die Fahrbahn ausweichen müssen.
Die Beschilderung der Haltepositionen auf dem Bahnsteig und in den Zwischengeschossen ist mir sehr sparsam vorgekommen, sodass ich mehrmals den falschen Ausgang genommen habe. Liniennummern sind oft gar nicht und Endhaltestellen nur unvollständig ausgeschildert.
Umsteigen macht an einigen Stellen keinen Spaß, weil die Fußwege ziemlich lange ausfallen. Besonders ungünstig ist die Tramhaltestelle am Hbf, wo man zuerst 5 Minuten durch den vorgelagerten Park, dann noch 5 Minuten durch die Shopping Mall laufen muss.
Gleichwohl bietet der Prager ÖPNV auch einige sehr positive Seiten. Der 1994 eingeführte Verkehrsverbund PiD ermöglicht auch Fahrten mit Zügen der CD, außerdem lässt sich die Standseilbahn aufpreisfrei nutzen. Dafür würde man wohl in jeder anderen Stadt der Welt extra bezahlen müssen.
Das weit verzweigte Tramnetz bietet unzählige Direktverbindungen, dadurch werden die Nachteile der langen Umsteigewege und der ungemütlichen Haltestellen teilweise kompensiert. Außerdem gibt es eine wunderbare Symbiose im „Parallelverkehr“. Während die Metro als Schnellbahn mit sehr großen Haltestellenabständen und dichtem Takt das schnelle Fortkommen auf langen Strecken ermöglicht, dient die Tram (mit ihren immer noch recht großen Haltestellenabständen) auf denselben Strecken der Feinerschließung. So gibt es insbesondere auf der Linie B sehr ausgeprägten Parallelverkehr. Auf Kurzstrecken ist die Metro aufgrund der extremen Tiefenlage ohnehin nicht so attraktiv.
Trotz einiger stauanfälliger Abschnitte kommt aber auch die Tram recht zügig voran, da es verhältnismäßig wenige Ampeln gibt.
Dass die unmodernisierten T3 kurzfristig ersetzt werden sollen, finde ich außerordentlich schade. Die T6 mag ich aufgrund des extrem unangenehmen Türschließtons viel weniger.
Dass im Prager Verkehr einiges im Argen liegt, verdeutlicht diese Präsentation von Umweltinitiativen.
http://www.boell-hessen.de/archivseite/pol...%e4ge/Bohac.pdf
Inzwischen ist der innere Autobahnring, der fast vollständig durch Tunnels verläuft, abgeschlossen.
Auch einige U-Bahnprojekte wurden umgesetzt. Derzeit laufen die Planungen für eine vierte Linie, welche den Südosten der Stadt erschließen soll und in Pankrac Anschluss an die Linie C bekommen wird. Mittelfristig soll sie über den Hbf in das Zentrum verlängert werden. Ich befürchte nur, dass man hier den bekannten Fehler der Tram 23 in Prag wiederholen wird. Die neue Metrolinie wird noch mehr Fahrgäste in den ohnehin schon am stärksten belasteten Abschnitt der Linie C schaufeln…