Allzu früh starten wir in den Feiertag. Es standen sogar noch viel frühere Abfahrten im Raum, die ich glücklicherweise abwenden und mit diesem Plan überzeugen konnte:
Dresden Hbf................RE 18406......ab 8:50
Ruhland...........................................an 9:57
..................................RE 78952......ab 10:00
Senftenberg.....................................an 10:09
.................................RB 18355.......ab 10:14
Berlin-Lichtenberg.............................an 12:05
.................................RB 61117.......ab 12:51
Oranienburg.....................................an 13:17
.................................RE 3512.........ab 14:09
Neubrandenburg..............................an 15:29
Aufgrund von Bauarbeiten am Karower Kreuz verendet der Regionalverkehr von/nach Rostock und Stralsund bereits in Oranienburg. Dadurch ergeben sich die langen Umsteigezeiten mit der unattraktiven Reisezeit von 6h 39 min für 350 km. Aber vielleicht lässt sich ja was rausholen…
Dresden Hbf...............RE 18406.......ab 8:50
Ruhland...........................................an 9:57
.................................RE 78952 .......ab 10:00
Senftenberg.....................................an 10:09
.................................RB 18355.......ab 10:14
Berlin Ostkreuz................................an 11:59
................................S9...................ab 11:58
Bornholmer Straße...........................an 12:13
................................S1...................ab 12:21
Oranienburg.....................................an 12:55
...............................RE 4358...........ab 13:10
Neustrelitz Hbf.................................an 13:59
...............................RE 13060.........ab 14:03
Neubrandenburg...............................an 14:28
Ja, ihr habt schon richtig gelesen. Die Übergangszeit am Ostkreuz beträgt -1 Minute und ist zudem nicht bahnsteiggleich.
Da der Bus mit +3 angekündigt ist, disponieren wir spontan auf einen Fußmarsch zum Hbf um. Gut, dass ich auf einem Online-Ticket bestanden habe, denn an diesem Morgen sind aufgrund des schönen Wetters unzählige Wandergruppen und Ausflügler unterwegs und alle Fahrkartenautomaten belegt.
Im dreiteiligen Hamster schnappen wir uns einen Vierer. Recht gut gefüllt und mit einigen Fahrrädern startet die Fahrt pünktlich. Im weiteren Verlauf treten geringfügige Verzögerungen durch den üppigen Fahrradtransport auf.
In Großenhain startet dann eine kleine Diskussion mit vier jungen Klischeeossis. Sie sind mit ihren Fahrrädern unterwegs und haben offensichtlich keine Fahrkarte bis Lampertswalde. Die Zub will erstmal die Fahrkarten bis Großenhain sehen und bietet dann den Verkauf der erforderlichen Fahrkarten an. Sie meckern ein wenig herum, doch die Zub klärt sie auf, dass sie ohnehin schon sehr kulant ist, weil die Fahrräder den Fluchtweg blockieren. „Warum haben Sie eigentlich keine Fahrkarte am Automaten gekauft?“ „Naja, der Zug kam und wir mussten dann einsteigen…“ „Sie müssen gar nicht einsteigen…“ Einer der Jungs hat eine Bierflasche in der Hand, ein anderer telefoniert. „Hallo Papa! Ja, wir sind im Zug. … Hab dich lieb, tschüssi!“ Schließlich kaufen sie doch noch ihre Fahrkarten.
Pünktlich wird Ruhland erreicht, Fahrgastmassen wechseln die Bahnsteigseite zum RE Richtung Cottbus. Fußballfans schleppen Bierkästen in den Zug. Der Dreiteiler ist wieder gut gefüllt. Aus nicht erfindlichen Gründen fahren wir erst mit +2 ab, die wir bis Senftenberg behalten. Daher begeben wir uns rechtzeitig zum Türbereich. Andere Fahrgäste tun es uns gleich.
Ein Fußballfan möchte unterdessen zum WC durch, jedoch ohne Erfolg. „Es ist aber dringend“, bittet er die stehenden Fahrgäste. Doch mit den ganzen kreuz und quer stehenden Fahrrädern und Koffern besteht kein Durchkommen. Tja, wer weniger sauft hat weniger Druck.
Die Umsteigerhorde stürmt durch die Unterführung zur RB Richtung Eberswalde. Der Fünfteiler ist deutlich schwächer ausgelastet und wir wählen die PRM-Sitzgruppe wegen des größeren Sitzabstands. Ja, diese Mülleimer sind wirklich sehr dumm angebracht…

Mit +3 startet die nächste Fahrt und schon bald müssen wir den Gegenzug im Wald bei Altdöbern am Ende der zweigleisigen Strecke abwarten, weil die Nutzung des zweiten Bahnsteiggleises dort aufgrund der fehlenden Reisendensicherung nicht möglich ist. Die Bahnhöfe entlang der Strecke bieten ein äußerst trauriges Bild, wie fast überall im Osten. Die nun eingesammelten +7 sind schon mal eine äußerst schlechte Voraussetzung für den -1-Minuten-Anschluss. Die vielen Fahrräder verzögern die Fahrt weiter und das durch eine Sitzgruppe verbarrikadierte Mehrzweckabteil sorgt nicht gerade für einen flüssigeren Fahrgastwechsel.

Glücklicherweise ist der Tf zügig unterwegs, sodass die Verspätung dahinschmilzt. In Berlin-Schöneweide sind wir bereits wieder pünktlich. Als wir uns dem Ostkreuz nähern, überholen wir die gesuchte S9, welche gerade ihren Fahrgastwechsel am Treptower Park beendet hat und uns leicht versetzt folgt. Eine wilde Aufholjagd beginnt. Nahezu zeitgleich rollen die beiden Züge an den Bahnsteig. 100 Bahnbonuspunkte, wer zuerst drüben ist!
DÖÖDÄÄDÖÖ! Rumms. Hurra, mein verrückter Plan ist tatsächlich aufgegangen. In den nächsten Minuten müssen wir erstmal verschnaufen, während die S-Bahn über den Ring rollt und uns erst zur Bornholmer Straße, dann nach Oranienburg bringt. Ohne weitere Überraschungen erreichen wir unser Ziel mit -61.

Der dat Bus bietet im Sommer täglich Fahrradmitnahmemöglichkeiten und verkehrt zwischen Neubrandenburg und dem Müritzsee.

Am Nachmittag wird Stadt und Umgebung auf zwei Rädern erkundet. Am Tollensesee tummeln sich zum Männertag zahlreiche Menschenansammlungen aller Altersklassen zum Alkoholkonsum. „Ahh, hier gibt’s die guten Sachen“, kommentiert unser Gastgeber die Shisha der arabischen Jungs.
Außerdem gibt er mir den guten Ratschlag, dass man dieses Verhalten entweder mit Humor nehmen müsse oder mitsaufen sollte, um es zu ertragen.
Beim Tollensesee handelt es sich um einen in der Eiszeit entstandenen Zungenbeckensee. Durch die große Wassertiefe liegt der Grund teilweise unter dem Meeresspiegel. Außerdem wurde er aufgrund seiner Eigenschaften im 2. Weltkrieg als Torpedoversuchsanlage genutzt.

Zu DDR-Zeiten gab es am östlichen Rand eine Panzerfabrik mit einem Sperrgebiet, in welchem Panzer getestet wurden sowie Panzerfahrschule stattfand. Heute befindet sich auf der Behmshöhe ein Aussichtsturm.

In den Hallen rechts im Bild vor den Plattenbauten wurden einst Panzer gefertigt. Sie werden nun teilweise abgerissen und durch schicke Villen am See ersetzt.

Wir werfen einen Blick in die Innenstadt. Echter Altbau ist kaum noch vorhanden, da die Altstadt im Krieg zwar nicht bombardiert wurde, aber nach der Eroberung durch die Rote Armee angezündet wurde. Unverblümt sozialistisch zeigt sich der Marktplatz mit „Kulturfinger“.

Das aktuelle Streitthema schlechthin ist der Radverkehr in der Fußgängerzone Turmstraße.

Kürzlich wurde die Nutzung außerhalb der Geschäftszeiten freigegeben. Angesichts des überschaubaren Andrangs (zugebenermaßen entstand das Bild am Feiertag) erscheint es auf jeden Fall sinnvoll. Doch die in der Lokalpresse abgedruckten Leserbriefe lassen darauf schließen, dass Radfahrer keinen guten Ruf genießen, weil sie angeblich trotz des Verbots durch die Fußgängerzone brettern würden. Die Stadt ist nicht besonders fahrradfreundlich, da die Wartezeiten an den Ampeln groß sind und es in der Innenstadt verbreitet böses Kopfsteinpflaster gibt. Grundsätzlich erscheint mir Neubrandenburg ziemlich autogerecht.
Nach der Wende hatte die Stadt mit massivem Einwohnerrückgang zu kämpfen. Von den einst 90.000 Einwohnern sind noch 63.000 geblieben. In den letzten Jahren ist der Rückgang aber weitgehend gestoppt, da zunehmend alte Menschen vom Land aufgrund der besseren Versorgung in die Stadt ziehen. Zahlreiche Plattenbauten wurden abgerissen, weil sie niemand mehr bewohnen wollte und sich viele Menschen den Wunsch nach einem Eigenheim erfüllen konnten.
Während ich das eindrucksvolle Treptower Tor dokumentiere, pöbeln mich einige angetrunkene Männer an, ich solle sie fotografieren.
