146225 @ 5 Jul 2017, 06:03 hat geschrieben:wenn du vor einem Apfel sitzt und krampfhaft nach den Merkmalen einer Orange suchst, wirst du auch auf ewig scheitern müssen. :rolleyes:
Wieso? Beide sind rund, beide können verfaulen und können versaftet werden, beide eignen sich prima als Wurfgeschoss, um missliebige Sänger von der Bühne zu kriegen...
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Catracho @ 5 Jul 2017, 07:24 hat geschrieben:Stimmt, man muss es nicht verstehen, warum man im polyzentrischen, dicht besiedelten Deutschland der Meinung ist, man würde bei entsprechenden Fahrzeiten zwischen diesen dicht besiedelten Polyzentren keine Punkt-zu-Punkt-Züge vollkriegen […]
Wo ist man denn bitte schön dieser Meinung?
Ich kuck mal auf meine imaginäre, polyzentrische Eisenbahnkarte von Deutschland und schaue mir Punkt-zu-Punkt-Verbindungen an, da sehe ich zwischen Köln und Frankfurt am Main Hbf über die SFS zwei bis drei Verbindungen in der Stunde, eine davon mit Umsteigen. Oder zwischen München und Nürnberg/Würzburg, wo abgesehen von einzelnen Lücken zwei ICE die Stunde angeboten werden. Oder zwischen Berlin und Hamburg, wo man gerne mehr ICE fahren lassen möchte, aber abseits der Fahrzeugproblematik in den vermurksten Knoten Spandau und im Zulauf auf die Knoten Berlin und Hamburg schlicht nicht genügend Trassen dafür findet, ohne eine Blutspur durch den restlichen Verkehr zu ziehen – die Aufenthaltszeit des RE1 in Büchen zwecks Überholung schwankt zischen fünf und 15 Minuten; im ersten Jahr gab es wohl einen Fall, bei dem planmäßig 20 Minuten dort abzustehen waren. Oder der erwartbare Halbstundentakt mit diversen Zusatzleistungen zwischen München, Stuttgart, Rhein-Neckar, Rhein-Main und vielleicht sogar weiter bis Köln und in den Pott, wenn irgendwann mal S21, Offenburg—Freiburg(—Basel) und die NBS Rhein-Main/Rhein-Neckar fertig sind. Oder der postulierte Zwei-Stunden-Sprinter-Takt zwischen Berlin und NRW, wahlweise zur Alternative ein Halbstundentakt auf der Strecke.
Kurz, wer befürchtet denn in Deutschland, dass bei kurzen
Reisezeiten (n.b. ungleich Fahrzeiten) zwischen wirtschaftsstarken Regionen, gerne kombinierbar mit „Durchreiseverkehr“, nicht die Züge so voll werden, dass es über einen Stundentakt keinen Bedarf gibt? Selbst zwischen München und Berlin sind die Sprinter ausdrücklich als Wachstumsoption vorgesehen...
Schaut man sich nämlich die Reisezeit an, die in Frankreich wie in Deutschland entscheidend ist, scheint irgendwie das Gras auf der anderen Seite des
RheinsZauns mal wieder grüner zu sein. Da rutscht ein Mittelzentrum mit über 200.000 Einwohnern auf der Schiene deutlich näher an die Hauptstadt heran, indem die Fahrzeit dorthin auf gut zwei Stunden gedrückt wird. Großer Jubel, wenn es Bordeaux ist, das über 500 Kilometer von der Seine entfernt ist. So geht HGV! Die Atlantikküste, sofern großzügig gerundet, und die Stadt selber werden zum Vorort von Paris, c'est la vie! All die neuen Lebensgestaltungsmöglichkeiten, in der malerischen Altstadt wohnen, in Paris arbeiten und abends einen guten Rotwein direkt von der Quelle süffeln, hach! Was sind da bitte schön schon steigende Immobilienpreise? Wer kommentiert in der „Welt“ denn so etwas bitte schön kritisch...
Aber wehe wehe, wenn das deutsche Bordeaux Erfurt heißt und das Gleiche passiert, aber nur läppische 250 Kilometer zur Hauptstadt überwunden werden. Da geht das Meckern los. Das ist doch kein HGV! Wie kann man nur so was planen? Da muss der ICE doch durchbolzen, ach was, vorbeibolzen! Typisch deutsch! Wer wohnt denn bitte in Erfurt und arbeitet in Berlin oder auch in Nürnberg oder München? Blöder Föderalismus, was hatte der Thüringer MP in den 1990ern so viel Einfluss, eine direktere Streckenführung zu verhindern? Und dabei bloß nicht erwähnen, dass auch der Verkehr Frankfurt—Berlin auf der Strecke mitgebündelt wird...
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Hot Doc @ 5 Jul 2017, 13:30 hat geschrieben:Wenn du in jeder mittelgroßen Stadt anhältst, brauchst du keinen HGV-Zug, da reicht auch ein IC. (Nürnberg - Hannover bin ich mit einem Erstatz IC exakt im ICE-Plan gefahren.)
Altes Muster, die veröffentlichten Fahrzeiten sind auf der Strecke haltbar, aber auch nicht mehr. Während mit dem ICE Verspätungen von grob zehn Minuten aufgeholt werden können, wenn nichts vor der Nase fährt und alles funktioniert, darf beim IC nichts passieren, um wenigstens die Planffahrzeiten zu halten.
Weil das recht allgemein ist, ein konkretes Gegenbeispiel: 2016 wurde eine Zeitlang wurde eine ICE-Leistung Berlin—Basel u.z. kurzzeitig planmäßig als IC gefahren. Zwischen Wolfsburg und Berlin erhielt der in beide Richtungen gut zehn Minuten mehr Fahrzeit zum Verspätungsausgleich; in Nordrichtung wurden bereits dafür bereits ab Fulda die Fahrzeiten gestreckt.
Oder als ein ICE-Paar Stuttgart—Hamburg gleichermaßen ersetzt wurde, wurde dabei gleich der Halt in Göttingen gekübelt, eben weil die Fahrzeit zwar haltbar wäre, aber keine Verspätung abgebaut werden könnte.
Hot Doc @ 5 Jul 2017, 13:30 hat geschrieben:[...] jeder Halt mehr hat nix mehr mit HGV zu tun, völlig wurscht wie schnell der Zug dazwischen wird. Das gehört in ein normales IC-Netz (was meinetwegen auch gerne mit ICE 1/2 gefahren werden kann, wenn man will.)
Ich denke allerdings so ein bisschen hat man das mit der Bestellung des ICx kapiert.
Vielleicht sollte man sich auch mal vergegenwärtigen machen, dass der ICE im Wesentlichen ein Intercity mit neuen, schnelleren Fahrzeugen war und ist. All die kolportierten Gedanken und Vorwürfe von wegen, der ICE sei doch kein „echter“ Hochgeschwindigkeitsverkehr, weil der zu langsame Punkt-zu-Punkt-Verbindungen zwischen den wirklich wichtigen Städten anbiete und, im zweiten Schritt, das HGV-Produkt ICE verwässere, verkennen eines: Seit seiner Einführung 1991 war und ist der InterCityExpress in das InterCity-Netz integriert, was wiederum heißt: Taktsystem. Vertaktung, Rücksicht auf Anschlüsse und Zu-/Abbringer, Korrespondenzen, feste Haltefolge in Großstädten oder Umsteigepunkten. Diese Grundgedanken ziehen sich von 1971 über die IC-Netze von 1979, 1985 bis zur Eröffnung der NBS Köln-Rhein/Main und zur anstehenden Eröffnung des VDE 8.1. Mit dem Bonus, dass neben einem anfänglich hohen Service-Niveau auch 250/280 oder später auch 300 km/h ausgefahren werden können.
Es wird genau das gemacht, was Du forderst, nur dass der IC noch ein E spendiert bekommen hat. Das mag kein „echter“ HGV sein, nur war der in Deutschland so ohnehin nie geplant, weil eben seine Eintaktung in das bestehende, erfolgreiche System mit bedacht wurde, die dem entgegen steht.
Das Einzige in die Richtung sind Sprinter-Verbindungen – und die wiederum speisen sich seit Anbeginn ihrer Versuche aus Einzelzügen, hauptsächlich morgens, manchmal auch mit einer Gegenleistung am Nachmittag oder frühen Abend. 1989 installierte die Bundesbahn den „Hamburger Clipper“, ein IC-Zugpaar, das morgens zwischen Köln und Hamburg sowie in Gegenrichtung verkehrte und zwischen Essen und Hamburg nur in Münster hielt und gut 20 Minuten schneller war als der Taktlinie 1. Mit dem ICE starteten erste Versuche 1993 zwischen Hamburg/Hannover und Frankfurt/Karlsruhe/Wiesbaden mit zwei Zugpaaren sowie mit einem Zugpaar zwischen München und Frankfurt, ab 1994 fuhr zwei (?) Jahre lang ein ICE-Sprinter-Paar zwischen Köln und Hamburg, für drei Jahr wurde ab 1994 vor der Eröffnung der SFS Wolfsburg—Berlin ein ICE-Paar nonstop zwischen Hannover und Berlin geführt – mittlerweile ist das Regelangebot. „Richtig“ los ging es 1998 mit den einigermaßen erfolgreichen Sprinter-ICE zwischen Frankfurt und Berlin über die Hannoversche Güterumgehung, zunächst als Zusatzleistung mit zarten Fortführungen mal von/nach Mannheim, Heidelberg, Karlsruhe oder Stuttgart, ehe sie vor Jahren in die Taktlinie integriert wurden und zwischen Main und Spree entsprechend die Taktzüge ersetzen. Erst mit der Linie 15 zwischen Frankfurt und Berlin über Erfurt wurde eine eigene Sprinter-Linie aus der Taufe gehoben, die taktmäßig vier Fahrten am Tag anbietet und in Frankfurt gezielte Anschlüsse an weitergehenden FV anbietet (ICE Mannheim/Stuttgart, ICE Köln/Essen, IC Darmstadt/Heidelberg/Karlsruhe, sofern der bei den ganzen Bauarbeiten in der Ecke mal fährt).
Kurzum, die Sprinter-Leistungen waren bislang nie wirklich erfolgreich, zumindest in dem Sinne, dass sich eine Ausweitung auf mehr als zwei Zugpaare oder gar Taktverkehr oder sogar einen Stundentakt aufdrängte. Der übersichtliche Erfolg findet sich sicher auch wegen infrastruktureller Engpässe oder wegen mir auch Mängel, so dass die Fahrzeit nicht so kurz war/ist, wie sie ideal oder auch nur bei nicht vorhandener Überlastung diverser Teilstrecken sein könnte. Aber eben auch, weil der Bedarf an reinen Punkt-zu-Punkt-Verbindungen in Deutschland nicht generell gegeben ist, sondern verschiedene Relationen Metropole—Region oder entgegengesetzt und Metropole—Metropole in Infrastruktur und Zugleistungen zusammengelegt werden. Das darf gerne bedauert werden, im gleichen Atemzug darf es auch anerkannt werden, dass die Regionen Nachfrage generieren, die die Züge flächendeckend erst voll macht, was in Frankreich in der starken Form nicht gegeben ist. Aber selbst dort ist ein „Umdenken“ im Übernehmen deutscher Muster erkennbar.
An der bejubelten LGV Sud Atlantique, auf der mit ein, zwei Lücken einmal in der Stunde der TGV in gut 2 Stunden und zehn Minuten zwischen Bordeaux und Paris-Montparnasse verkehrt, gibt es drei Ausschleifungen: nach Angoulême (knapp 42.000 Einwohner), Poitiers (über 87.000 Einwohner) und Tours (über 136.000 Einwohner) – n.b., entgegen der bisherigen Gepflogenheiten sind das keine Bahnhöfe à la „Croissant TGV“ auf der Grünen Wiese mit angeschlossenem XXL-Parkplatz, sondern Bestandsbahnhöfe mit Übergangsmöglichkeit zum TER. Das erklärt wohl auch die relativ häufige Anbindung mit ca. 7 TGV-Paaren zuzüglich dreier Zugpaare nach Lille und Strasbourg, die überwiegend an allen drei Stationen halten, z.T. auch weniger, z.T. aber auch einen Stück der Bestandsstrecke befahren und somit beispielsweise St-Pierre-des-Corps zu TGV-Ehren verhelfen.
Aber wehe, der ICE hält in Coburg... Zwischen Bordeaux und dem „Sacre Coeur“ brauchen diese Züge grob drei Stunden.
Zwischen Berlin und dem wohl „unstrittigen“ Halt Nürnberg liegen im Vergleich dazu an der VDE 8.1-3 Leipzig (über 560.000 Einwohner, aktuell mit steigender Tendenz), Halle (weit über 230.000), Erfurt (über 210.000), Bamberg (über 73.000) sowie die Halte einzelner Linien Wittenberg (über 46.000), Bitterfeld (über 15.000), Coburg (über 41.000) und Erlangen (deutlich über 100.000). Von der Netzwirkung, wenn an regionalen Halten wie Erfurt oder Bamberg gehalten wird und damit eigentlich ganz Ober- und Unterfranken oder weite Teile Thüringens eine Anbindung an das A-Netz erfährt, noch gar nicht gesprochen.
Warum die Zahlenlitarnei? Es soll zeigen, dass in Deutschland andere Raumstrukturen vorhanden sind als in Frankreich. Alleine mit den „Systemhalten“ Bamberg, Erfurt und Leipzig erhalten weit über achthunderttausend Menschen direkten Zugang zum A-Fernverkehr; fasst man „Halleipzig“ zusammen, durchbricht man sogar die Schallmauer von einer Million locker. Mit den Zwischenhalten an der LGV Sud Atlantique werden dagegen weniger als ein Drittel direkt angebunden, grob 250.000 Menschen erhalten Zugang zum A-Verkehr bei gleichzeitiger Netzwirkung dank Übergang zum TER. Was in Deutschland eigentlich seit 1979 Standard ist.
Daraus soll nun nicht folgen, dass jeder Halt von jedem ICE bedient werden soll oder das Sprinter-Züge gar keinen Nutzen haben. Beileibe nicht, dafür bieten die, obacht Marketingsprech, Metropolregionen München, Berlin und auch Nürnberg ein unbestreitbares Potential für einige Punkt-zu-Punkt-Verbindungen nur zwischen ihnen – was wiederum mich immer noch den Kopf schütteln lässt, dass die Sprinter dazwischen auch noch alle in Erfurt und Halle halten sollen.
Damit lässt sich an
Rohrbachers Mischmodell anschließen. Ein reines „so schnell wie möglich“ bringt es mit sich, dass Regionen schlechter angebunden werden und so erhebliches Potential liegen gelassen wird – berühmte, relevante Unis sind nicht nur in Berlin und München, sondern auch in Erlangen oder Jena, um einen einfachen Indikator zur wirtschaftlichen Relevanz zu nennen. Gleichzeitig gibt es zwischen Berlin und München ohne Zweifel ein relevantes Potential für „A+-Verkehre“, der schnelle Punkt-zu-Punkt-Verbindungen zwischen ihnen anbietet. Dafür eine eigene Infrastruktur, also idealerweise Umfahrungen von Erlangen, Bamberg, Erfurt, Halle/Leipzig, Bitterfeld und/oder LuWi, um die kürzestmögliche Fahrzeit zu erreichen, unterliegt keiner kapazitativen Notwendigkeit. Die Alternative dazu sind ausgebaute Bahnhofsdurchfahrten, wie in Bamberg angestrebt, die zwecks Anbindung der Regionen ohnehin gebaut werden müssen (oder sollten). Gleichzeitig hat man auch aus den „Fehlern“ in Fulda, Kassel und Göttingen gelernt, wo mehrere Kilometer mit 100 km/h durchgeschlichen werden muss und so der gewonnene Zeitvorteil der Hochgeschwindigkeit wieder aufgefressen wird: Bamberg selber dürfte im wahrscheinlichen Endausbau am Bestand mit 160 Sachen durchfahren werden können, woran recht schnell die 200 km/h der ABS anschließen; Erlangen dürfte auf ähnlichem Niveau durchfahren werden, LuWi aufgrund der Kurven ebenfalls, Bitterfeld erlaubt prinzipiell bereits heute 200 km/h, also Streckenhöchstgeschwindigkeit zwischen Halle/Leipzig und Berlin.
Auch in den Linien spiegelt sich die Relevanz wieder: Die wenigsten Züge halten an allen kleineren ICE-Bahnhöfen, so dass Bitterfeld und Erlangen „nur“ zweistündlich bedient werden, LuWi genießt im Sinne eines glatten Stundentaktes und direkter Anbindung sowohl Richtung Frankfurt/Stuttgart als auch Nürnberg/München eine Sonderstellung. The lucky one. Da spiegelt sich erneut die Relevanz der Vertaktung wieder, die den ICE seit Anbeginn auszeichnet.