Die Volvobusse können noch nicht alt sein, denn es gibt LED-Beleuchtung im Innenraum.
Tatsächlich stammen aus dem Jahr 2011 und sind damit nur gut ein Jahr älter als die Trambahnen, wirken aber äußerst heruntergewirtschaftet. Dies könnte unter anderem daran liegen, dass die Instandhaltung durch M´dina Bus in der eigenen Werkstatt mit eigenem Personal durchgeführt wird.
Trotz des dichten Verkehrs kommen wir zügig voran, nach etwa einer Viertelstunde tippt mir der Mann eine Reihe hinter uns auf die Schulter, murmelt etwas von Palais Royal a gauche und deutet in eine unklare Richtung. Wir steigen aus und haben keine Ahnung, wo wir eigentlich sind. Wir sind dann doch zu oft abgebogen, um den Weg auf der mitgebrachten ungenauen Übersichtskarte verfolgen zu können. Leider haben wir es noch nicht geschafft, uns eine marokkanische Simkarte zuzulegen, um Google Maps zurate ziehen zu können.
Wir laufen etwas planlos durch die Gegend und passieren die Nouvelle Medina mit ihren engen Gassen.
Schließlich landen wir in einer belebten Straße, in der sich einen Stand an den nächsten reiht.
In der näheren Umgebung und den Seitenstraßen kann man wohl so ziemlich alles außer Autos kaufen. Obst, Gemüse, Waschmaschinen, Kochtöpfe, Plastikkram, Klamotten, Tastenhandys, Windows 95-CDs, Kassettenrekorder, Nüsse, Fleisch, Fisch und lebende Hühner, eingesperrt in enge Käfige, sodass sich die Tiere teilweise übereinanderstapeln.
Immerhin muss man positiv anmerken, dass es einige Metzger gibt, die ihr Fleisch gekühlt lagern und der Fisch an den Verkaufsständen auf riesigen Eiswürfelhaufen gelagert wird. Dennoch ist der Geruch in den Gassen nicht gerade angenehm, da Fischabfälle einfach auf einem Haufen gesammelt werden. Diese Katze scheint das in keiner Weise zu stören.
In Marokko gibt es sehr viele Straßenkatzen, aber dafür nahezu keine Straßenhunde. Hunde werden in Marokko nicht als Haustiere gehalten, weil sie von Muslimen als unrein angesehen werden (ähnlich wie Schweine).
Die TAZ gibt einen kurzen Überblick, was hinter dem Verbot des Schweinefleisches steckt. Grob zusammengefasst ist der Hauptgrund heute, dass es schon immer so war.
http://www.taz.de/!5141509/
Im Internet finden sich abgesehen davon aber auch reichlich absurde Argumentationen, warum man auf den Verzehr von Schweinefleisch aus angeblich guten Gründen verzichten sollte und nicht nur, weil es im Koran steht.
http://www.islamreligion.com/de/articles/2...t-teil-2-von-2/
http://www.fragenandenislam.com/icerik/war...leisch-verboten

An einem Stand erwerben wir Orangen, eigentlich wollten wir bloß zwei Stück, bekommen aber gleich ein Kilo. Datteln kaufen wir ebenfalls, nur leider lassen wir den Bäckerstand ohne Kauf zurück. Das sollten wir später bereuen.
Während wir tiefer in die Gassen vordringen, ziehen wir die Blicke der Menschen regelrecht magisch an. Vermutlich verirrt sich nur äußerst selten ein Tourist in diese Gegend. Bald gesellt sich ein armselig aussehender Mann zu uns, der möglicherweise erst Anfang 20 ist, aber viel älter aussieht. Er plappert ununterbrochen wirres Zeug vor sich hin, während er uns nachläuft. Vermutlich ist er nicht ganz klar im Kopf.
Allmählich wird es uns zu viel, wir kehren zur Hauptstraße zurück, ehe wir uns hoffnungslos verlaufen. Wir werden weiterhin verfolgt und verstehen kein Wort von seinem Gelaber, deshalb ignorieren wir ihn einfach. Schließlich spricht uns ein anderer Mann im selben Alter an. Er stellt sich später als Youssef vor. „Do you need help?“ Ohja, bitte. Eigentlich suchen wir die im Reiseführer angepriesene Patisserie Bennis, angeblich die beste in Casablanca. Er erkundigt sich bei seinen beiden Kumpels. Ob wir wohl das gelbe Gebäude da vorne am Ende der Straße (Anm.: mindestens einen halben Kilometer entfernt) sehen könnten? Dorthin, dann rechts, dann immer geradeaus. Aber eigentlich wollten sie ja zufällig auch gerade in diese Richtung und könnten uns begleiten. Woher wir den kommen würden? Deutschland. „Ohhh, Deutschland. Sagen Sie es doch gleich! Ich lerne Deutsch am Goethe-Institut und mache demnächst meinen B2-Abschluss. Dann kann ich nach Deutschland zum Studieren gehen!“ Das Fach Verkehr vereint uns, auch wenn sein Schwerpunkt auf dem Luftverkehr liegt. Ahh, Dresden wäre doch so schön, da wollte er auch so gerne studieren. Es sollte das einzige Mal auf der ganzen Reise bleiben, dass jemand Dresden kennt. Ob er schon jemals in Deutschland oder Dresden war, geht aus dem Gespräch nicht hervor.
Wir erläutern unser Simkartenproblem. Youssef diskutiert das mit seinen Kumpels, der Verrückte hat uns nun über mehr als einen Kilometer verfolgt und nimmt ebenfalls an der Diskussion teil. Plötzlich eskaliert die Situation aus dem heiteren Himmel, einer packt den Verrückten am Hals, drückt ihn gegen ein parkendes Auto. Es werden ein paar Worte geschrien, dann verschwindet die aggressive Stimmung ebenso plötzlich, wie sie begonnen hat und sie sprechen wieder wie normale Menschen miteinander. Immerhin, nach wenigen Minuten werden wir tatsächlich in ein kleines Geschäft geführt, in dem wir zwei Simkarten von Orange kaufen. PIN und PUK sind natürlich schon freigerubbelt, eine aufwendige Registrierung wie bei uns ist nicht erforderlich.
Unser kompetenter Führer schreibt noch seine Telefonnummer auf, wir könnten ihn doch anrufen, wenn wir Lust auf eine Tasse Tee hätten. Er würde auch mitkommen, wenn wir weiter nach Marrakesch oder Agadir fahren, alles kein Problem. Wir versprechen, ihn anzurufen, bedanken uns und folgen alleine der diffusen Wegbeschreibung zur Patisserie Bennis. Wir sind noch keine 100 Meter gelaufen, da taucht Youssef plötzlich nochmal auf, um uns nach unseren Namen zu fragen. Er würde ja so gerne sein Deutsch mit uns üben.
Wir folgen weiter der Wegbeschreibung, der Verrückte folgt uns und plappert ununterbrochen weiter. Der Bäcker taucht aber nicht auf und wir setzen uns auf eine Bank im Schatten, um die Simkarten einzusetzen. Der nervige Verfolger fingert an meinem Handy rum und will mir beim Simkartentausch helfen. Das wird mir allmählich etwas zu aufdringlich und ich drehe mich weg. Er scheint es zu verstehen und setzt sich neben uns auf den Fußweg, während wir uns der Technik widmen. Immerhin ist er jetzt ruhig. Die Situation ist etwas grotesk und zieht weiterhin sämtliche Blicke der Passanten an. So sehr wir uns auch bemühen, das Internet funktioniert nicht. Offensichtlich ist kein Guthaben aufgeladen.
Wir laufen weiter, bis wir den nächsten kleinen Laden für alle wichtigen Dinge im Leben finden, man nennt sie Teleboutique. Dort kann man sein Handyguthaben aufladen sowie Snacks und Wasser kaufen. Für 5€ sollten wir in den nächsten zwei Wochen 2h telefonieren und 2 GB Internet nutzen können. Doch Pustekuchen. Es funktioniert einfach nicht. Wir drücken auf unseren Handys am Straßenrand stehend herum. Der Mann verfolgt uns noch immer. Schließlich spricht uns ein mittelalter Mann an, wir erläutern unser Problem, er deutet auf einen kleinen Laden 100 Meter weiter. Es kommt zu einem kleinen Wortgefecht zwischen dem mittelalten Mann und unserem Verfolger. Dieser haut plötzlich mit der flachen Hand auf ein vorbeifahrendes Taxi und auf einmal läuft wieder alles aus dem Ruder. Der Taxifahrer steigt aus und schreit ihn wütend an. Mehrere Männer kommen angerannt, wieder wird der Verrückte gepackt und festgehalten. Als einer auch noch anfängt, einen Schraubenschlüssel zu schwingen, machen wir uns schleunigst aus dem Staub. Einige Meter weiter meint der mittelalte Mann freundlich: „Welcome to our country. Everything is Ok, no need to be afraid.“
Leider kann uns der Computerflüsterer im empfohlenen Laden auch nicht helfen und schickt uns wieder zur Teleboutique. Immerhin ist von unserem Verfolger nichts mehr zu sehen, die kleine Menschenansammlung ist ebenso schnell wieder verschwunden, wie sie aufgetaucht ist. Der Verkäufer bemüht sich eine halbe Stunde erfolglos und schickt uns wieder zum Computerflüsterer. Es geht schon auf 16 Uhr zu, wir sind müde und hungrig und haben keine Lust mehr. Daher beschließen wir, stattdessen mit dem nächsten 6er zurück in die Stadt fahren. Nach einigen Minuten taucht er auf, glücklicherweise ist er nicht überfüllt, ich winke ihn heran und zahle 2x 50 Cent beim Fahrer. In der Nähe unseres Appartements suchen wir vergeblich einen Supermarkt in unserem Stil, sodass unser Mittagessen nur aus Fladenbrot mit La Vache Quirit, einem Streichkäse, der nicht im Kühlschrank gelagert werden muss sowie Orangen und Datteln besteht.
Im WLAN suchen wir nach der nächsten Orange-Boutique. Laut Google gibt es in Casablanca derer zwei, davon eine nur rund einen Kilometer entfernt. Wir versuchen, den Ort mit aus dem WLAN geöffnetem Google Maps zu finden.
Während die Sonne in der Mittagszeit unbarmherzig gebrannt hat, ist es jetzt ziemlich neblig. Der Smog dürfte aber auch seinen Anteil zur schlechten Sicht beitragen.
Auf dem Place Mohammed V. entsteht derzeit ein großer Kulturpalast.
http://www.casa-amenagement.ma/en/nos-proj...e-de-casablanca
Derzeit ist der Platz aber längst nicht so schön wie auf der Visualisierung, sondern ziemlich dreckig, ungemütlich und mit Bauzäunen vollgestellt. Einen besseren Überblick gibt es hier:
https://www.360cities.net/image/casablanca
Mein Bild zeigt den im Panorama links mittig sichtbaren runden Brunnen mit Blickrichtung nach links.
Auf dem Weg passieren wir einen Spielplatz, ein äußerst seltener Anblick in Marokkos Großstädten.
Mütter und einige Väter beobachten ihre Kinder beim Spielen, wie im Bild zu erkennen, kostet aber jedes Spielgerät 50 Cent Eintritt.
Google Maps führt uns in ein slumartiges Viertel, eine Orangeboutique finden wir an der angegebenen Adresse nicht.
Es herrscht übler HVZ-Verkehr, Autos, Mofas und Busse mit komplett fehlenden Scheiben quälen sich hupend voran.
Es stinkt aus allen Ecken, aus Mülltonnen und von Müllbergen. Die Gegend ist nicht besonders angenehm und es ist sehr voll auf den Straßen.

Es dauert keine 10 Sekunden, bis uns der erste anspricht und wissen möchte, ob wir Journalisten sind. Wenn ihr schon immer mal auffallen wolltet wie ein bunter Hund mit blinkender Weihnachtsbeleuchtung, dann stellt euch mit Stativ und großkalibriger Kamera in eine Seitenstraße.
Wir laufen Richtung Place des Nations Unies und finden glücklicherweise das recherchierte Restaurant zum Abendessen. Ich esse die erste Tajine meines Lebens, Rindfleisch mit Pflaumen und Mandeln, dazu Fladenbrot. Es schmeckt ausgezeichnet.