Lobedan @ 7 Aug 2017, 05:41 hat geschrieben:So eine klassische Sandwüste und eine landwirtschaftlich genutzte Oase würde ich mir auch gern mal anschauen, ich schätze, dass die Fotos den echten Eindruck gar nicht so vollends transportieren können.

Damit hast du natürlich recht - jedes Bild ist ja nur ein abgebildeter Ausschnitt aus der Wirklichkeit. Ich kann einen Besuch in Merzouga sehr empfehlen, wenn du dich dafür interessierst - der Ort ist verhältnismäßig einfach mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu erreichen, bietet eine gewisse Touristeninfrastruktur und ist laut Auswätigem Amt auch sicher (Von Reisen in Wüstenregionen wurde und wird sonst
abgeraten.)
Kamelkot? :ph34r:
Herzlichen Glückwunsch, richtig!
Tag 11 Merzouga -> Erfoud
In der Nacht zieht ein starker Sturm auf. Das Zelt wackelt, der Wind rauscht und ab und zu spüre ich einen kühlen Luftzug unter den vielen Decken. Ich schaue auf mein Handy. 3:28 Uhr.
Ein ausgewachsener Wüstensturm ist keine wahnsinnig angenehme Erfahrung, die man unbedingt gemacht haben muss. Ich sollte noch viele weitere Male aufs Handy schauen und schlafe bis zum Morgengrauen nicht mehr ein.
Nach einer gefühlten Ewigkeit – wahrscheinlich eine der längsten Nächte meines Lebens – beginnt endlich ein neuer Tag. Zum Glück hat sich der Sturm gelegt und es ist nur teilweise bewölkt. Leider haben sich die Wolken die Ostseite ausgesucht, die zweite Chance verspielt.
Mit triefender Nase schleppe ich mich auf die nächste Düne. Einen Schal und eine Mütze könnte ich gut gebrauchen, aber wer rechnet schon damit?
Überall beginnt rege Betriebsamkeit, Karawanen machen sich auf den Rückweg in die Zivilisation. Luftlinie sind wir übrigens nicht mehr als zwei Kilometer vom Ort entfernt – es könnten aber genauso gut 20 oder 200 sein.
Auch wir besteigen wieder die Wüstenschiffe und treten den Rückweg an. Unsere Beine schmerzen vom gestrigen Ritt, doch wir schrecken nicht mehr jedes Mal auf, wenn die Kamele abrutschen. Wortlos wird unser kleiner Zug in die Stadt zurückgeführt. Die zahlreichen Spuren im Sand deuten auf eine wahre Karawanenautobahn hin. Nach einer knappen Stunde bei frischem Wind ist mir nicht gerade warm, obwohl die Sonne nun immer kräftiger wird.
Zurück in unserer Unterkunft bekommen wir ein reichhaltiges Frühstück. Nur am Rande nehme ich wahr, dass die Franzosen immer noch mit dem Modulateur kämpfen – wenn man keine Probleme hat, schafft man sich halt welche. Ich frage mich, was man hier mitten in der Wüste eigentlich jedes Jahr macht.
Gestärkt lege ich mich völlig erschöpft nochmal hin.
Nachdem unser Gastgeber etwas drängt, brechen wir gegen 13 Uhr auf. Doch wir haben uns eine äußerst ungünstige Zeit für Sammeltaxis ausgesucht. Freitagmittag zur Gebetszeit eines erwischen zu wollen ist vergleichbar mit dem Wunsch, in Deutschland sonntags mit einem Regionalbus fahren zu wollen.
Nachdem wir eine Dreiviertelstunde am Dorfplatz auf… ja was eigentlich? … gewartet haben, bitte ich unseren Gastgeber, ein Taxi zu rufen, welches uns direkt in das 50 km entfernte Erfoud bringt. Meine Kräfte sind am Ende und ich habe keinen Nerv mehr, auf ein Sammeltaxi zu warten, das „gleich kommt“.
In zehn Minuten, verspricht er. Tatsächlich dauert es keine fünf. Es ist zwar kein offizielles Taxi, aber das ist mir inzwischen auch egal. Unser Gastgeber hat sich als äußerst zuverlässig erwiesen und selbst das Abendessen nach unserer Ankunft ging aufs Haus.
Ein Renault Kangoo, der die beste Zeit hinter sich hat, wird uns zu unserem nächsten Etappenziel bringen. Der Innenspiegel fehlt ebenso wie die Kopfstütze des Beifahrersitzes. Auch sonst befindet sich der Innenraum in einem ungepflegten Zustand. Tankanzeige und Tacho funktionieren nicht (Gruß an Muffo

). Nach mehr als einer Woche in Marokko erscheint der Zustand des Fahrzeugs fast schon normal – nach einer weiteren Woche würde es wohl gar keine Erwähnung mehr im Reisebericht finden. Es ist doch erstaunlich, wie schnell sich der Mensch an ein geändertes Umfeld anpassen kann.
Merzouga ist ein perfektes Beispiel dafür, wie Tourismus einen Ort beeinflusst. Ich kann mich nicht entscheiden, ob er Fluch oder Segen oder beides zugleich ist.
Selbstverständlich ist unser „Taxi“ mit allem möglichen Krempel vollgestopft, der an jeder Bodenwelle scheppert. Ein Teil davon wird zwei Straßen weiter in einer Werkstatt ausgeladen, ehe wir den Ort auf einer einsamen Straße in die Wüste verlassen. Mit bis zum Anschlag geöffneten Fahrerfenster und vermutlich deutlich über 100 km/h nehmen wir auf der relativ geraden Landstraße durch die Einöde Kurs auf Erfoud. Unnötig zu erwähnen, dass während der rasanten Fahrt mehrere Handygespräche geführt werden. Die Nummer unseres Hotels sollen dann aber wir in das Nokia-Handy des Fahrers eingeben. Wie er bei dem Krach überhaupt etwas verstehen kann, ist mit völlig schleierhaft.
Nach einer guten halben Stunde sind wir schon am Ziel, das war immerhin einfach und schnell, aber mit 20€ auch verhältnismäßig kostspielig.
Wir haben ein 4-Sterne-Hotel gewählt, welches aber günstiger als unser Appartement in Casablanca ist. Ein Metalldetektor am Eingang gibt beim Durchlaufen ein ohrenbetäubendes Piepen von sich. Später vermute ich, dass er ganz alleine dazu dient, das Personal an der Rezeption aufzuwecken, denn das riesige Hotel wirkt völlig ausgestorben und scheint nur sehr wenig Gäste zu haben.
Unser Zimmer ist mindestens 50 m2 groß und wie das gesamte Anwesen im vollendeten 90er-Jahre-Stil eingerichtet. Immerhin beschränken sich die großformatigen Königsporträts auf die Gänge und die Lobby.
Zeit zum Mittagessen, wir spazieren entlang der Hauptstraße Richtung Ortsmitte.

Die Menschen auf der Straße wirken irgendwie abweisend und feindselig. Junge Männer, die in Gruppen auf der Straße abhängen, schleudern uns blöde Kommentare hinterher, wir bekommen stechende Blicke zu spüren und Guides noirs gehen uns auf die Nerven. Ich fühle mich äußerst unwohl und halte mich mit Bildern stark zurück.
Ein Mann hilft uns dann bei der Suche nach einem Restaurant, welches natürlich stets auf der anderen Seite und nur 20 Meter entfernt ist (oder auch nicht). Wir werden schließlich doch fündig und sind wie gewohnt die einzigen Gäste. Es gibt Tajine und Orangensaft. Der Gastraum ist mit einer riesigen EU-Flagge geschmückt und im Fernseher läuft ein amerikanisches Basketballspiel.
Ich mache mich alleine auf den Rückweg, um nochmal etwas Bettruhe zu bekommen. Wieder missbilligende Blicke und Hinterherrufen. Joachim ergeht es nicht besser, wir sind uns schnell einig, dass uns die Menschen in diesem Ort äußerst unsympathisch sind.
Abends überwinde ich meine Trägheit, wir suchen das entdeckte Gestein- und Mineraliengeschäft auf, in dem ich ein Geschenk besorgen möchte. Selbstverständlich erinnert sich der Verkäufer, welcher einwandfrei deutsch spricht, noch an Joachim und bietet uns erstmal Tee an.
Die Diskussionen ziehen sich hin, es fällt ihm offenbar sehr schwer zu akzeptieren, dass ich nur ein kleines Mitbringsel suche und dafür nicht 100€ ausgeben möchte. Schließlich erstehe ich einen kleinen Stein für 8€ und während wir den Tee trinken, will mir der Verkäufer doch noch etwas Größeres aufschwatzen und den kleinen Stein zurücknehmen. Ich bin mit meinem Kauf zufrieden und bleibe standhaft. Interessehalber erkundigen wir uns nach dem Preis für das faszinierende Granit-Waschbecken mit herausgearbeiteten Fossilien. Er nennt 6000€, aber darüber kann man sicher handeln…
Anschließend gibt es Pizza gegenüber. Später wollen wir mit einem Taxi zurückfahren, doch zu dieser Zeit ist kaum noch Verkehr und wir gehen ein Stück zu Fuß. Gerade als wir hinter parkenden Autos sind, rollt ein mintgrünes Fahrzeug von hinten heran. Nur ein wenig die Hand ausgestreckt und schon hält der Taxifahrer mit schier unglaublicher Reaktionszeit an. Die Rückfahrt kostet mit 3€ doppelt so viel wie die Hinfahrt, denn ab 20 Uhr gilt Nachttarif.