Heute wagen wir uns in den Untergrund - das Herzstück der S-Bahn Mitteldeutschland. Mit der Eröffnung im Dezember 2013 war ein Jahrhundertprojekt vollendet. Genau ein Jahrhundert zuvor, etwa zeitgleich mit dem Bau des Leipziger Hauptbahnhofs, wurde bereits mit dem Tunnelbau begonnen. Die damalige Einwohnerzahl lag etwa auf dem heutigen Wert von 590.000. Die vor dem 1. Weltkrieg gebaute Einfahrt von der Dresdner Strecke ist heute noch gut
zu erkennen.
Doch dann kam der 1. Weltkrieg dazwischen, irgendwann folgte der 2. Dann erschien die Notwendigkeit einer durchgehenden Fernbahn durch die deutsche Teilung weniger gegeben.
Nach der Wiedervereinigung stand sogar kurzzeitig eine Führung der VDE 8 auf diesem Wege im Raum. Im Jahr 2000 erfolgte schließlich der Planfeststellungsbeschluss für den heutigen S-Bahntunnel in Nord-Süd-Richtung.
Doch wieder einmal zeigt sich das Problem des langen Zeitraums zwischen Planung und Inbetriebnahme. Während zurzeit das Thema Bahnsteighöhen brandaktuell ist, ergab sich beim Citytunnel ein ganz anderes Problem – die Bahnsteiglänge. Im Planfeststellungsverfahren war man von einem Betrieb mit BR 425 ausgegangen. Diese waren jedoch zum Zeitpunkt der Ausschreibung für das Netz der S-Bahn Mitteldeutschland nicht mehr zulassungsfähig, weil sie nicht den aktuellen Crashnormen entsprechen.
Nun ergab sich das Dilemma, dass der Tunnel inklusive Bahnsteigen vor der Fertigstellung stand, die 442er (4+4 oder 5+3: 144 m) aber deutlich länger als die 425er (Dotra: 135 m ) sind. Wirft man einen Blick in
StredaX, stellt man fest, dass die Bahnsteiglänge im Citytunnel nur 135 bis 140 m beträgt.
Zunächst erscheint das nicht problematisch, sind doch die Türen im 442 viel weiter von der Zugspitze entfernt als beim 425 und passen damit trotz der größeren Zuglänge problemlos an den Bahnsteig. Von zwei wesentlichen Problempunkten konnte einer schnell verworfen werden – die Signalstandorte. Denn die waren glücklicherweise bereits einige Meter in den Tunnel versetzt geplant worden, sodass eine ausreichende Signalsicht auch beim 442 gegeben ist.
Punkt 2 erwies sich dagegen als kritisch – das Regelwerk sah zur damaligen Zeit nämlich vor, dass die Bahnsteignutzlänge der Länge eines Triebwagens entsprechen muss. Nur bei lokbespannten Reisezügen musste die Lok nicht zwingend am Bahnsteig stehen.
Was nun, was tun?
Eine Änderung des Betriebskonzepts mit Verzicht auf den Einsatz von 2x Vierteilern oder 5+3-Teiler wären Kapazitätsengpässe vorprogrammiert gewesen (ok, sind sie ohnehin…) und man hätte sich unnötige Restriktionen bei der Zugbildung auferlegt.
Umbauen von Tunnelbahnhöfen ist sehr aufwendig und hätte die Eröffnung wohl lange verzögert.
Immerhin hat man sich dieses Mal für eine pragmatische Lösung entschieden. Das Regelwerk wurde so geändert, dass der Bahnsteig nur so lange sein muss, wie der Abstand zwischen den Außenkanten der Türen zuzüglich 5 m Halteungenauigkeit beträgt.
Folglich gilt für den Citytunnel "Ende gut, alles gut" und er wurde genau im richtigen Moment eröffnet, um dem starken Bevölkerungswachstum der Stadt Leipzig in den letzten Jahren Rechnung zu tragen.
Starten wir im Süden am Bayerischen Bahnhof. Alt über Neu
Bunte Streben schmücken den Zugang
Der blaue Farbstreifen an der Wand wird mit gelben Wellen animiert, wenn sich ein Zug nähert.
Mein persönlicher Favorit ist definitiv der kathedralenartige, indirekt beleuchtete Wilhelm-Leuschner-Platz.
Darf es ein bisschen Modelleisenbahn sein?
Eine Station weiter erreichen wir das Herz der Stadt. Durch den eröffneten Bahnhof(steil) Markt trat eine wesentliche Verbesserung der Anbindung des Leipziger Zentrums an den ÖV dar. Wirft man einen Blick auf die Karte der
Parkhäuser, stellt man fest, dass diese sich überwiegend innerhalb des Promenadenrings befinden. Folglich ist der Fußweg vom Auto oftmals sogar kürzer als von der außenherum verkehrenden Straßenbahn.
![Bild](https://farm5.staticflickr.com/4777/40294596904_c981d71f2e_c.jpg)
Trotz aller Proteste über die große Tiefe und angeblich zu lange Fußwege wird der Halt sehr gut angenommen.
Im Bild ebenfalls gut zu erkennen ist der ebene Einstieg bei 55 cm Bahnsteighöhe. Das zu ändern, stelle ich mir sehr spannend vor. Nicht nur aus diesem Grund denke ich, dass ich eine deutschlandweit einheitliche Bahnsteighöhe nicht mehr erleben werde.
Ich finde den Bahnsteig am Markt zu stark verbaut, wodurch die Fotofreude etwas getrübt wird. Außerdem entstehen im Bereich hinter den Treppen an beiden Bahnsteigenden wenig belebte und schlecht einsehbare Bereiche, die sich auf das subjektive Sicherheitsgefühl negativ auswirken.
Wagen wir einen Blick an die Oberfläche.
Der namensgebende Platz wird zweimal wöchentlich zu seinem ursprünglichen Zweck verwendet. Die große Vielfalt auf den Leipziger Wochenmärkten ist für mich ein sehr positiver Aspekt der Stadt.
Im Takt 10 (Wochenende und abends Takt 15) tuckert der 89er mitten durch die Innenstadt.
![Bild](https://farm1.staticflickr.com/800/41004089351_e7b49cf156_c.jpg)
Es entbehrt nicht einer gewissen Ironie, dass die Umstellung der Linie 89 auf Elektrobusse seit Jahren misslingt. Dabei war die im Musikerviertel überwiegend auf derselben Strecke verkehrende Straßenbahn erst 1999 stillgelegt worden.