Reich der Mitte - Land der Superlative

Eure Reportagen und Reiseberichte finden hier ihren Platz, gerne auch Bilder abseits von Gleisen
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Entenfang
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Beitrag von Entenfang »

Vorgeschichte

„Hey, ich mache Auslandssemester in Shanghai. Willst du mich nicht besuchen kommen?“
Da kann es nur eine Antwort geben – und die lautet ja.

Mal Hand aufs Herz – wie viele chinesische Millionenstädte (es gibt über 100) könnt ihr nennen? Shanghai, Peking und Hongkong kennt wohl jeder, aber wer hat schon mal Dalian, Zhengzhou oder Ningbo gehört?
Mir ging es nicht anders, bevor ich mit den Planungen für diese Reise begonnen habe.


Bereits lange bevor ich den ersten Fuß in einen chinesischen Zug setze, sollte ich einiges über die Eisenbahn in China lernen.

30 Tage vorher

30 Tage vor einer geplanten Bahnfahrt in China sind ein enorm wichtiger Zeitpunkt, denn dann wird die Online-Buchung für Fahrkarten freigeschaltet. Das gilt insbesondere, wenn man während des chinesischen Neujahrsfests unterwegs ist. Von der Bedeutung des Festes ist es mit Weihnachten bei uns vergleichbar. Wer schon mal um Mitternacht zwei Monate vor Fahrplanwechsel versucht hat, einen Sparpreis für den Freitag vor Weihnachten zu bekommen, weiß, wovon ich spreche. Doch man stelle sich nun den deutschen Weihnachtsreiseverkehr hochgerechnet auf eine Bevölkerung von 1,3 Mrd. Menschen vor, welche ihre wenigen Urlaubstage dazu nutzen möchten, um ihre Familie zu besuchen oder zu verreisen. Und dann bedenke man, dass viele der konventionellen Langstreckenzüge nur einmal oder wenige Male pro Tag verkehren.

Nun, das Ergebnis dieses Gedankenspiels ist in unserem Fall unschön. Zwei Minuten nach Buchungsfreigabe sind sämtliche Züge zwischen Changsha und Zhangjiajie ausgebucht – als letzte Option wäre uns ein Stehplatz auf einer knapp sechsstündigen Fahrt mit Ankunft am Ziel mitten in der Nacht geblieben. Das wollen wir dann doch nicht und haben die Strecke erstmal fallen gelassen. Für die 400 km wird sich wohl irgendwie kurzfristig ein Bus vor Ort finden müssen.

26 Tage vorher

Zur Freigabe der nächsten Strecke sind wir besser vorbereitet, doch das Resultat fällt nicht viel besser aus. Der gewünschte Zug ist ebenfalls komplett ausgebucht. Also müssen wir notgedrungen eine frühere (vor allem für meinen Geschmack viel zu frühe) Abfahrt wählen.

Bei Hochgeschwindigkeitszügen sieht es meistens nicht ganz so übel aus, ich verfolge die Ausbuchungsgeschwindigkeit der weiteren Strecken im Laufe der Tage mit, um die besonders kritischen Abschnitte zu identifizieren. In der Tat fällt mir dabei eine Strecke ins Auge, welche ebenfalls innerhalb von Minuten komplett ausgebucht ist. Es handelt sich um einen Hochgeschwindigkeitszug, in welchen wir am relativ kleinen Zwischenhalt Yangshuo (sowas wie Montabaur) einsteigen wollen.

Ich nutze also die verbleibenden Tage bis zur Buchungsfreigabe, um ein wenig zu recherchieren.
Es gibt generell einige unterschiedliche Möglichkeiten, Zugfahrkarten für China zu erwerben.

Erste Option: Kauf am Bahnhof vor Ort. Angesichts des schnellen Ausverkaufs, der möglicherweise langen Schlangen und der Verständigungsprobleme nicht unbedingt zu empfehlen. Wir haben allerdings am Bahnhof nie länger als 10 Minuten anstehen müssen.

Zweite Option: Kauf in einem autorisierten Reisebüro vor Ort. Eher kürzere Schlangen, dafür schwer zu finden und ebenfalls Verständigungsschwierigkeiten sind zu erwarten.

Dritte Option: Online-Tickets auf der offiziellen Website: http://www.12306.cn/mormhweb/
Nur mit Chinesischkenntnissen und einer chinesischen Kreditkarte nutzbar.

Vierte Option: Über ein Vermittlungsportal.

Es gibt eine breite Auswahl und alle haben eins gemeinsam: Pro Fahrkarte wird eine Gebühr von etwa 5…10€ fällig.

http://english.ctrip.com/#from=click_en

https://www.chinahighlights.com/china-trains/

https://www.travelchinaguide.com/china-trains/

https://www.china-diy-travel.com/en/

Für eine Fahrplanauskunft mit Entfernungsangaben eignet sich auch folgende Seite:
http://www.chinatrainguide.com/

Ctrip hat sich als verlässlich erwiesen und die genaue Zeit der Buchungsfreigabe (chinesische Ortszeit!) ist ersichtlich. Aber die Buchung muss man selbst vornehmen. Die anderen Portale bieten auch die Möglichkeit, bereits vor Beginn der Vorverkaufsfrist die Buchung in Auftrag zu geben, welche dann von Mitarbeitern so bald wie möglich vorgenommen wird.

Um unsere Wahrscheinlichkeit auf eine Fahrkarte zu erhöhen, habe ich dann vorgeschlagen, die gewünschte kritische Strecke von Yangshuo nach Guangzhou sowohl in Auftrag zu geben, als auch sofort nach Freischaltung selbst über Ctrip zu versuchen. Fahrkarten können problemlos storniert werden; lediglich die Vermittlungsgebühr ist futsch. Die Fahrkarten sind namensgebunden und es ist nicht möglich, eine weitere Fahrkarte für einen in zeitlichem Konflikt liegenden Zug zu buchen.

In einem umfangreichen E-Mail-Austausch mit China-DIY-Travel habe ich dann die Möglichkeiten, die Fahrkarten für die gewünschte Strecke zur gewünschten Zeit zu bekommen, erörtert. Mir wurde erläutert, dass es deswegen so außerordentlich schwierig ist, an die gewünschten Fahrkarten zu kommen, weil wir an einem kleinen Zwischenhalt zusteigen wollen. Jedem Zwischenhalt des Zuges würde ein gewisses Ticketkontingent zugewiesen; für größere Städte ist es natürlich größer als für kleinere. (Ich vermute, dass sich die Umsetzung der Reservierungspflicht in China deutlich von der in Europa angewendeten unterscheidet. Vermutlich ist es problemlos möglich, einen kompletten TGV nur mit Fahrten Karlsruhe – Strasbourg auszubuchen. In China ist das hingegen nicht möglich.)

Also schlage ich vor, eine Fahrkarte für eine längere Strecke mit Start an einem größeren Ort zu buchen. Prallelen zum Alibi-Sparpreis drängen sich auf, mit dem Unterschied, dass es nicht darum geht, den Preis zu drücken, sondern überhaupt eine Fahrkarte (dafür aber zu einem höheren Preis) zu bekommen.
Aber funktioniert diese Variante in China überhaupt? Im Gegensatz zu Deutschland sind die Bahnsteige nicht frei zugänglich und die Fahrkarte wird bereits vor dem Einstieg kontrolliert. Ich bekomme grünes Licht sowohl von China-DIY-Travel als auch aus China.


20 Tage vorher

Wir bekommen eine Fahrkarte für den kompletten Zuglauf Liuzhou – Shenzhen ausgestellt und zahlen mehr als das Doppelte – aber immerhin haben wir die gewünschten Fahrkarten.

10 Tage vorher

Die letzten Tage und Wochen ist mir die fehlgeschlagene Zugverbindung Changsha – Zhangjiajie mit Aussicht auf Busersatz nicht aus dem Kopf gegangen. Ausgerechnet auf eine Bummelzugverbindung soll ich verzichten? Darüber bin ich gar nicht glücklich. Jeden Tag starte ich bei Ctrip eine neue Suche, stets mit demselben Ergebnis. Nur die Stehplätze mit Ankunft mitten in der Nacht bleiben verfügbar. Bei anderen Zügen stelle ich dagegen fest, dass wieder Fahrkarten verfügbar werden – möglicherweise, weil jemand seine Fahrkarten storniert hat oder nicht alle Fahrkarten bereits 30 Tage vor Abfahrt freigeschaltet werden.
Schließlich dann große Freude bei mir – 4 Sitzplätze frei! Schnell klicke ich auf Buchung, gebe die Kreditkartendaten ein uuuuuund… Booking cancelled. Keine Plätze verfügbar.

Zwei Stunden später sind es immer noch 4 freie Plätze und ich starte einen neuen Anlauf. Booking cancelled. Gnapf.

Einige Stunden später sind es immer noch 4 freie Plätze. Ich versuche es ein drittes Mal. Uuuuuuuund…
Booking confirmed!
YAAAAAAAAY! Ich habe meine Bummelzugfahrkarten bekommen! 3€ pro Person für sechs Stunden Fahrt auf 400 km – wenn das mal kein Erlebnis wird…



Und es wurde ein Erlebnis – ein kurzer Überblick über das riesige Land:

Als Vertreter des modernen Chinas bietet sich der Blick über den Bund auf das Stadtviertel Pudong in Shanghai an.
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Ein Tag, der bleibt. Spaziergang auf der Chinesischen Mauer.
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Das nachts unglaublich stimmungsvolle muslimische Viertel in Xi’an hat es mir nicht leichtgemacht, die Kamera irgendwann einzupacken und weiterzugehen.
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Personalwechsel beim ICE äh CRH3A.
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Nicht zu vernachlässigen ist die Natur mit einem Tick zu frechen Affen…
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…und (fast) perfekten Spiegelbildern.
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Und wenn der Platz nicht mehr reicht, baut man einfach nach oben – Aufgeständerte Straßen, Wolkenkratzer und Doppeldeckerstraßenbahnen in Hongkong.
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Also dann, alle einsteigen und Abfahrt!
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In Kürze gebe ich den Abfahrauftrag für diese Reise:
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Mein Bahnjahr 2024
Zurückgelegte Strecke: 30.060 km - Planmäßige Gesamtreisezeit: 16,1 Tage - Gesamtverspätung (analog FGR): 626 min - Planmäßige Reisegeschwindigkeit: 78 km/h - Durchschnittliche Fahrzeitverlängerung aufgrund von Verspätung: 2,7% - Fahrtkosten: 10,6 Cent/km - Anschlussquote (alle Anschlüsse einer Verbindung mit min. 1 Umstieg erreicht): 87,5%
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Beitrag von Entenfang »

Tag 1 München -> Shanghai

Seit dem Linientausch der S4 und S6-Ost sind die Verbindungen aus dem Münchner Osten zum Flughafen viel besser geworden – statt 62 Minuten brauche ich jetzt nur noch 48 Minuten und kann mir den Umweg über den Ostbahnhof sparen. Von der S6 kann man am Leuchtenbergring wunderbar in die S8 umsteigen.

Der Nacktscanner an der Sicherheitskontrolle ist mir ebenso neu wie die Aufforderung, die Schuhe auszuziehen. Deutschland in Terrorangst.
Pünktlich um 22:00 Uhr startet der Flug, ein wahres Verlustgeschäft für die Lufthansa. Die Auslastung beträgt nicht mal ein Drittel, so ein leeres Flugzeug habe ich noch nie gesehen.
Die Nacht ist kurz und unbequem.
Auf einer Skala von 0 bis 10, wie gut hast du geschlafen?
-1.
Zum Frühstück kann ich zwischen Omelett und chinesischen Nudeln wählen und entscheide mich für letzteres. Wenn diese Flugzeugfraß-Nudeln mit Hackfleisch und Aubergine der Einstieg in die chinesische Küche sind, kann es nur noch besser werden…


Abgesehen von einem endlosen Hochhausgebirge erhalte ich einen ersten Eindruck von China, während das Flugzeug eine Schleife dreht und sich dem Flughafen Shanghai-Pudong nähert. Mit Windrädern, Solarzellen, Gewächshäusern und ziemlich breiten, aber ziemlich leeren aufgeständerten Schnellstraßen fällt der erste Eindruck eher überraschend aus.

Pünktlich um 16 Uhr Ortszeit betrete ich das Flughafengebäude, die Einreise verläuft völlig problemlos und mein Koffer kommt flott. Nicht einmal 30 Minuten später stehe ich im Ankunftsterminal. Als Alex auftaucht, habe ich schon eine Fehlinvestition getätigt und eine völlig überteuerte Sim-Karte gekauft.

Als wir in der U-Bahn Richtung Innenstadt sitzen, neigt sich der Tag in China bereits dem Ende zu. Meine innere Uhr ist leicht durcheinander, weil es schon wieder dunkel wird. Aber nun wieder auf Schienen unterwegs, fühle ich mich gleich viel besser.
Bereits beim Start am Flughafen sind alle Sitzplätze belegt. Die Fahrzeuge sind eher auf hohe Kapazität denn auf viele Sitzplätze ausgelegt.
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Anmerkung: Das Bild entstand zu einem späteren Zeitpunkt. Die herumfliegenden Werbeflyer waren eine absolute Ausnahme; in den Zügen ist es stets sehr sauber.

Das U-Bahnnetz Shanghai sieht nicht nur gewaltig aus, es ist auch sage und schreibe 637 km lang.
https://de.wikipedia.org/wiki/Metro_Shangha...tro_Linemap.svg
Damit hat Shanghai derzeit die Nase vorn und besitzt Stand März 2018 das längste U-Bahnnetz der Welt – gefolgt von Peking und London. Dabei wurde der Bau erst 1990 begonnen und 1995 zum ersten Mal Fahrgastbetrieb angeboten. Die Linie 2 zum Flughafen ist übrigens Etikettenschwindel – denn an der Guanglan Road muss umgestiegen werden. Der Hintergrund: Im Zentrum werden längere Züge benötigt als außerhalb. In China ist es kaum üblich, den Takt zur Endstation hin auszudünnen.

Nach einer knappen Dreiviertelstunde (und gerade einmal 8 Stationen) ist es so weit. Die Menschen stehen nur so lange brav an den Bahnsteigtüren an, bis sich diese öffnen. Dann rempeln alle unter Ellbogeneinsatz in den Zug, um einen Sitzplatz zu ergattern. Auf der relativ alten Linie 2 vergehen nach dem Schließen der Türen 10…20 Sekunden bis zur Abfahrt.
Hier bekommt man einen guten Eindruck, wie viel Zeit beim Öffnen und Schließen der Türen vertrödelt wird:
https://youtu.be/aTP96yE7cMY?t=59s
Bald wird es ziemlich voll, denn es ist gerade nachmittäglicher Büroschluss. Die Fahrgäste stehen formschlüssig im Zug und einige bleiben sogar zurück. Das ist aber nach unseren Beobachtungen die Ausnahme.

Knapp anderthalb Stunden dauert die Fahrt über 41 km und kostet etwa 90 Cent. Wir suchen ewig nach meiner Unterkunft in einer Seitenstraße. Nach einer Stunde finden wir endlich die Haustüre, auf der nur eine Telefonnummer steht. Man verspricht uns, jemanden vorbeizuschicken. Eine weitere Viertelstunde vergeht. Leider spricht der Mann kein Englisch. Nach mehreren Telefonaten und Übersetzungsapps steht schließlich fest, dass ich hier nicht bleiben will. War wohl doch keine so gute Idee, die äußerst schlechte Bewertung bei Booking zu ignorieren… Mein Zimmer ist nicht gereinigt, obwohl es schon nach 19 Uhr ist. Angeblich würde in zwei Stunden die Putzfrau kommen. Das ist mir alles zu dubios und Alex erkundigt sich flott nach einer geeigneten Alternative, die zwar doppelt so viel kostet, aber in Wohnheimnähe liegt und sauber ist.
Dann machen wir uns schleunigst daran, den Hunger zu stillen, ehe die Restaurants schließen.
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Meine erste Mahlzeit in China ist zugleich meine erste, die ich mit Stäbchen zu mir nehme. Ich kämpfe ein wenig mit dem ungewohnten „Besteck“. Links eine Suppe mit Pilzen und Tofu, die einen sehr ungewohnten, leicht sauer-scharfen Geschmack hat. In der Mitte Schwein süß-sauer, das könnte man auch so in einem chinesischen Restaurant in Deutschland bekommen. Rechts ein Brokkoli-Wok mit Chili. Das teeartige Getränk hat einen ziemlich penetranten Geschmack und sagt mir ebenso wenig zu, wie das im chinesischen Winter häufig angebotene warme Wasser. Man kann aber auch einfach seine mitgebrachte Mineralwasserflasche auspacken, was ich des Öfteren getan habe.
Üblicherweise bestellt man auch ein Schälchen Reis pro Person dazu. Damit kann man die teils sehr geschmackskräftigen Gerichte und die Schärfe etwas dämpfen. Ein nicht zu unterschätzender Faktor ist aber auch, dass man von Gemüsewok nicht wirklich satt wird. Alex hat sich immer wieder beschwert, dass das chinesische Essen ihn nicht richtig sättigen würde. Das kann ich so aber nur sehr eingeschränkt bestätigen.
Üblicherweise bestellt man ein Gericht mehr, als Personen am Tisch sind, wie in unserem Fall drei. Jeder greift mit seinen Stäbchen in die Gefäße zu. Um etwas auskühlen zu lassen, kann man es im eigenen Reisschälchen ablegen. Dadurch erhält der Reis auch etwas Geschmack. Das Geschirrlayout von Alex ist deutlich aussagekräftiger als meines, da ich ob der ungewohnten Teller, Schälchen und Stäbchen noch etwas durcheinander bin.
Meistens werden die Gerichte nicht zur gleichen Zeit serviert. Man tut daher gut daran, sofort mit dem Essen anzufangen, sobald irgendetwas auf dem Tisch steht. Denn sonst läuft man in Gefahr, dass das zuerst servierte Gericht schon kalt ist, während das zuletzt servierte noch brühend heiß ist.

Nachdem wir gestärkt sind, wollen wir die Aufmerksamkeit eines Wachmanns auf die Probe stellen. Alex wohnt seit fünf Monaten im Studentenwohnheim. Eigentlich muss man sich als Besucher beim Pförtner anmelden, seinen Pass abgeben und diesen bis spätestens 22:00 Uhr wieder abholen. Doch genauso schwer wie es uns fällt, Chinesen zu unterscheiden, fällt es Chinesen schwer, Europäer auseinanderzuhalten.
Wir treten durch die Türe, biegen um die Ecke. Der Wachmann wirft uns einen kurzen Blick zu uuuund…
…wir sind im Aufzug. Ich gehe wohl als durchschnittlicher europäischer Auslandsstudent durch.

Auch wenn ich durch Alex Berichte schon vorgewarnt war – sein Zimmer ist für mich ein Schock.
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Was auf dem Bild nicht zu erkennen ist: Die Gesamtgröße des Doppelzimmers (der andere Deutsche war zum Zeitpunkt meines Besuchs Ende Januar bereits ausgezogen) inkl. Bad beträgt sicher komfortable 20 m2 und es ist relativ sauber. Doch damit sind alle positiven Aspekte genannt.
Anfang Dezember ist der Winter in Shanghai eingebrochen und die Temperaturen dümpeln seit Wochen knapp über dem Gefrierpunkt. Jetzt wird sich manch einer wundern (mir ging es zunächst genauso), was daran so schlimm sein soll. Nun, der wesentliche Unterschied zum deutschen Winter ist, dass man sich bei uns drinnen aufwärmen kann. Obwohl beide Klimaanlagen auf 30°C ununterbrochen laufen, sind es im Zimmer keine 15°. Die über das Kopfende des Bettes gehängte Decke dient ausschließlich dazu, den kalten Windzug vom undichten Fenster abzuhalten. Es ist so feucht im Zimmer, dass das Wasser von den Fenstern tropft. Und als wäre das nicht genug, wurde Ende Dezember das Dach „repariert“. Seitdem breitet sich großflächig Schimmel aus. Ach, und der Kühlschrank hat auch noch nie funktioniert…
Doch Alex versichert mir, er hätte keinen Grund zu klagen. Das Auslandsstudentenwohnheim wäre immer noch viel komfortabler als das für chinesische Studenten, die strikt nach Geschlechtern getrennt und unter denselben Zugangshürden meistens zu viert, manchmal sogar zu acht (!) in einem Zimmer untergebracht sind.
Deutsche Neiddebatten kommen mir in den Sinn. Flüchtlinge, die im Hotel untergebracht werden, während die von Hartz IV lebende alleinerziehende deutsche Mutter ihre Wohnung räumen muss, weil sie zu groß ist.
Doch Alex meint, dass die Chinesen zwar wüssten, dass die Ausländer besser untergebracht sind, darüber aber nicht weiter nachdenken und es einfach hinnehmen würden.

Es ist schon 23 Uhr, als ich mich alleine auf den Rückweg zum zuvor spontan gebuchten Hotel mache. Der Wachmann wirft mir nur wieder einen desinteressierten Blick zu, als ich das Wohnheim verlasse. Draußen fallen große Schneeflocken vom Himmel. Ich bin darüber gar nicht unglücklich. Nur die Kälte macht mir zu schaffen. Denn obwohl ich die Klimaanlage in meinem Doppelzimmer auf höchste Stufe stelle, wärmt es sich kaum auf. Selbst mit zwei Schlafanzügen und der zweiten Decke vom freien Bett ist mir nicht wirklich warm. Dennoch schlafe ich bald ein.


Ich schlage die Augen auf. Völlige Dunkelheit, die Klimaanlage summt vor sich hin. Es ist kurz nach 3 Uhr morgens. Der Jetlag hat zugeschlagen und meine ersten Eindrücke drängen sich in meine Gedanken.
Die Luft ist besser als erwartet.
Ich bin überrascht, wie modern Shanghai ist.
Der Kulturschock fällt deutlich kleiner aus als erwartet.
Chinesen nutzen ihr Smartphone exzessiv. In der U-Bahn starren alle in den Bildschirm und sind in ihrer eigenen Welt. Es ist noch viel extremer als bei uns.
Die Rolltreppen sprechen ständig mit mir, auch wenn ich es nicht verstehe.
Mein Bahnjahr 2024
Zurückgelegte Strecke: 30.060 km - Planmäßige Gesamtreisezeit: 16,1 Tage - Gesamtverspätung (analog FGR): 626 min - Planmäßige Reisegeschwindigkeit: 78 km/h - Durchschnittliche Fahrzeitverlängerung aufgrund von Verspätung: 2,7% - Fahrtkosten: 10,6 Cent/km - Anschlussquote (alle Anschlüsse einer Verbindung mit min. 1 Umstieg erreicht): 87,5%
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Beitrag von Entenfang »

Tag 2 Shanghai

Als der Wecker um 10 Uhr klingelt, fühlt es sich an, als wäre es noch mitten in der Nacht. Für meine innere Uhr ist es ja auch so.
Nach einem ausgiebigen Frühstück, welches hauptsächlich aus von mir importiertem deutschen Brot besteht, werfe ich einen kurzen Blick auf den Unicampus bei Tageslicht. Es schneit immer noch und über geparkten Autos hat sich eine weiße Decke ausgebreitet.
Eine Statue des großen Führers Mao prägt den Zugang.
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Anschließend machen wir uns auf den Weg zum Bahnhof.
Breite Straßen und Hochhäuser prägen den größten Teil von Shanghai.
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Überraschend viele Elektroautos, auch deutsche Marken, säuseln vorüber. Die Mehrheit der Mofas ist elektrisch angetrieben.
Auch viele Busse fahren mit Strom.
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Entlang der Hauptstraßen gibt es in der Regel einen Fahrradweg, der auch von Mofas mitbenutzt wird. Dass es allerdings so frei und problemlos befahrbar ist, kann man leider nicht als Regelfall annehmen.
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Wir nehmen zunächst das schnellste Verkehrsmittel in chinesischen Großstädten – die U-Bahn. Vielerorts weisen Schilder den Weg zur nächsten Station.

Chinesische U-Bahnstationen bieten keine architektonischen Highlights, sie sind schlicht, funktional, auf große Fahrgastmengen ausgelegt und sehr sauber. Leider sind die Pflastersteine unglaublich rutschig, ein Feature, das ebenfalls in fast allen U-Bahnbetrieben zu finden ist.
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Auf den Rolltreppen galt anfangs „Rechts stehen, links gehen“. Davon ist man inzwischen abgekommen und informiert die Fahrgäste nicht nur über zahlreiche Piktogramme, wie man sich zu verhalten hat…
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…sondern auch durch permanente Durchsagen am jeder Rolltreppe.

Im Zwischengeschoss passiert man zunächst die Fahrkartenautomaten, an denen man sein Ziel auswählt und mit Scheinen oder Münzen bezahlen kann. In einigen Stationen gibt es auch personenbediente Verkaufsstellen, an denen man gegen ein Pfand von etwa 3€ die elektronische Public Transport Card erwerben kann, auf welche Guthaben aufgeladen wird. Sie ist der Oyster Card nachempfunden und wird inzwischen in fast jeder größeren Stadt angeboten.
Anschließend folgt eine völlig sinnlose Sicherheitskontrolle. Rucksack und Koffer sollten dort eigentlich durchleuchtet werden, doch ein Fahrgast ignoriert die Aufforderung des Wachmanns und geht unbehelligt einfach weiter.
Zuletzt muss man die Bahnsteigsperre passieren. Alle Fahrkarten sind elektronisch. Einzelfahrkarten werden am Ausgang einbehalten. Benutzt man die Chipkarte, wird automatisch das entsprechende Guthaben je nach zurückgelegter Entfernung abgebucht.

Der Preis ist für deutsche Verhältnisse unglaublich niedrig, weil staatlich hoch subventioniert. Hier ein Überblick der Preise in Yuan (1€ = 7,5 Yuan) mit Start Shanghai Railway Station.
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Die längstmögliche Strecke, die man in Shanghai mit der U-Bahn zurücklegen kann, führt von Dishui Lake nach Oriental Land. Das sind 122 km (!), für welche man rund 2h 30 min. braucht. Dafür muss man 1,90€ bezahlen. Eines ist mal klar – um das U-Bahnnetz Shanghai komplett abzufahren, muss man sich einige Tage Zeit nehmen…

Das U-Bahnnetz Shanghai weist einen hohen Anteil Durchmesserlinien auf, die durch ihren geschwungenen Verlauf in Bezug auf Umsteigevorgänge sehr angenehm sind, weil fast jede andere Linie mit nur einem Umstieg erreicht werden kann.

Der überwiegende Teil des innenstadtnahen Netzes verläuft unterirdisch. Erfreulicherweise trifft das nicht auf den westlichen Teil der Ringlinie 4 zu, die aufgeständert verkehrt und einen Blick auf das Stadtbild erlaubt.
Abstellbahnhof
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Hier wird der eintönige Hochhausdschungel durch das Riesenrad einer Shopping Mall aufgelockert. Es ist schier unglaublich, in welcher Dichte riesige Shopping Malls in Shanghai zu finden sind…
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Beitrag von Entenfang »

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Ein Siemens AC05-Zug rollt auf der Linie 4 an den Bahnsteig. Daneben steht ein AC03-Zug von Alstom bereit, um auf der Linie 3 eingesetzt zu werden.

In den meisten Zügen wird auf dem Linienband der Fahrtverlauf sowie die Ausstiegsseite angezeigt.
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Am Bahnhof sind wir das Objekt der Begierde und einige Chinesen fotografieren uns ganz ungeniert, während wir uns in die Schlange am Fahrkartenschalter stellen.
Wir haben alle unsere Züge bereits online gebucht. Wie man an der verbliebenen Anzahl an Sitzplätzen in den Zügen der nächsten Tage sehen kann, sicher keine schlechte Idee.
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Nach wenigen Minuten sind wir dran und reichen eine Buchungsnummer nach der anderen an den Mitarbeiter. Die hinter uns Anstehenden werden irgendwann ungeduldig, weil wir einen ganzen Stapel Fahrkarten abholen.
Als wir endlich den Fahrkartenbereich verlassen, ist das Wetter unverändert nasskalt.
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Zwei Chinesinnen rennen uns hinterher und bitten uns um ein Selfie. Sie kichern herum und man merkt, dass es ihnen superpeinlich ist. Aber Chinesinnen finden Europäer im Allgemeinen toll, also kann man ja mal fragen…
Sie verpassen sich selbst noch alberne digitale Katzenschnurrhaare, dann wird abgedrückt.

Mangels Motivation, draußen herumzulaufen, befragen wir die chinesische Variante von Google Maps (= Dianping Maps) nach einer geeigneten Busverbindung. Ich nehme die geringe Geschwindigkeit gerne in Kauf, wenn ich dafür ein bisschen rausgucken kann.

Zielsicher lotst sie uns zur richtigen Halteposition. Dafür müssen wir zunächst zurück in das Zwischengeschoss.
Der Fahrplan der U-Bahn ist in China üblicherweise sehr übersichtlich. Abfahrtsminuten werden nicht angegeben, nur der erste und letzte Zug.
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Sofort fällt ins Auge, dass der Betriebsschluss für eine Megastadt wie Shanghai sehr früh ist. Nachtleben ist in China noch nicht sehr weit verbreitet.

Ausnahmsweise gibt es bunte Akzente im Zwischengeschoss
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Trübe Aussichten
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Ah, hier hält der 930er.
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Die Busse stammen von Sunwin, einem Joint-Venture aus der chinesischen Firma SAIC und Volvo – unschwer am Logo zu erkennen.

Innenraum
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Alle Busse haben Begleitpersonal (Arbeitsplatz rechts im Bild). In Shanghai sind sie für das Kassieren zuständig. Wir benutzen einfach unsere Chipkarte. Auch wenn es in China in der Regel keine Verkehrsverbünde gibt, kann man das aufgeladene Guthaben zumindest in allen Stadtverkehrsmitteln nutzen. Bei einem Fahrpreis von 25 Cent ist die zusätzliche Abbuchung verschmerzbar.
Der Bus füllt sich etwas, doch bei der Abfahrt sind noch immer Sitzplätze frei. In eher gemächlichem Tempo rollen wir durch die breiten Straßen, doch Shanghai hat erstaunlich flüssigen Verkehr und verhältnismäßig geringe Stauprobleme.
Bei der Anfahrt an jede Haltestelle hält die Busbegleiterin eine rote Fahne aus dem Fenster. Es gibt sogar Haltestellenansagen auf Englisch, die allerdings nur wenig besser zu verstehen sind als die Chinesischen. Wir verlassen uns lieber auf das GPS (und ich auf Alex Ortskenntnis).

Die Aushänge an den Haltestellen sind jedoch generell nur auf Chinesisch.
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Bei der Linie 310 handelt es sich wohl um einen Nachtbus, der sogar exakte Abfahrtszeiten besitzt. Man beachte die Schreibweise 24:13 Uhr.
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Beitrag von Entenfang »

Wir steigen in der Nähe des People´s Square aus.
Sehr typisch sind die Absperrungen in der Straßenmitte, um Fußgänger vom Queren abzuhalten. Dafür gibt es häufig Über- oder Unterführungen.
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Ein sehr seltener Anblick dagegen ist in China eine Kirche. Religiöse Gebäude sind dort längst nicht so präsent wie bei uns.
Es ist nicht ganz einfach, glaubwürdige Zahlen über die Verteilung der Religionen zu bekommen. Offiziell anerkannt werden nur fünf Religionen: Buddhismus, Daoismus, Islam sowie Katholiken und Protestanten.
Bei einem späteren Gespräch mit einem Einheimischen wurde ein Anteil von 60% Buddhisten und 10% Taoisten genannt.
Er war sichtlich überrascht, dass in Deutschland der größte Anteil mit über 1/3 Atheisten sind.

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Mit knapp 3000 Fahrzeugen stellt Daewoo rund die Hälfte der Stadtbusse in Shanghai.

Das Mittagessen nehmen wir in einer nahen Mall ein. Es gibt Wan Tan, die Maultaschen ähneln, mit Erdnuss-Sesam-Soße.

Anschließend suchen wir das Shanghai Museum auf, welches angesichts des Wetters und des freien Eintritts gut besucht ist. Bei der Sicherheitskontrolle wird zunächst das Buttermesser beanstandet, aber wir werden dann doch durchgewunken. Leider ist den Ausstellungsobjekten nur wenig Text beigegeben. Bald treffen wir eine andere Auslandsstudentin und verquatschen die ganze Zeit bis zur Sperrstunde.
Um 17:00 Uhr schließt das Museum und bereits eine Viertelstunde vorher beginnen die unzähligen Wachmänner, die Besucher zum Verlassen des Gebäudes aufzufordern.

Es schneit kräftig, als wir wieder in die Kälte treten.
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Eine wahre Armee an Wachmännern verlässt den sozialistischen Museumsbau.
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Nicht nur in der U-Bahn ist das Pflaster furchtbar rutschig, sondern durch den Schneematsch auch der Fußweg.

In Shanghai schneit es nur selten, daher schießen viele Chinesen begeistert Selfies. Da es keine Schneeschaufeln gibt, werden spontan irgendwelche Schilder umfunktioniert.
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Ein sehr typisches Bild, das überall entstanden sein könnte. Der öffentliche Straßenraum ist flächendeckend videoüberwacht. Big Brother lässt grüßen.

Nach kurzer Suche finden wir die Obus-BRT-Linie 71, welche unter einer aufgeständerten Schnellstraße verläuft.
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Auf den normalen Buslinien werden ausschließlich Standardbusse eingesetzt. Nur auf der BRT-Linie kommen viertürige Gelenker zum Einsatz, die mit Türen auf der linken Seite für Mittelbahnsteige ausgelegt sind.
Einsteigen soll man nur an der ersten und vierten Türe.
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Doch die Fahrt über zwei Haltestellen zieht sich, weil der Bus kurz vor der Endstation keine eigene Trasse hat und ewig an einer Ampel warten muss.
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Beitrag von Entenfang »

Eine der bekanntesten Orte in Shanghai ist der Bund mit Blick auf das moderne Viertel Pudong. Doch an diesem trüben Abend beißt der Wind und die Sicht ist auch eher bescheiden…
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…sodass wir flott in die nächste Shopping Mall flüchten, die es hier an gefühlt jeder dritten Straßenkreuzung gibt. Und die Dimensionen dieser Malls erst…
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Es gibt die gleichen Marken zu denselben Preisen wie bei uns auch und dementsprechend leer sind die Geschäfte. Da die Löhne aber sehr niedrig sind, lohnt es sich vermutlich für die Modeketten trotzdem.

Das Abendessen fällt sehr üppig aus und mit 25€ pro Nase wird es das teuerste unserer ganzen Reise. Doch dafür gibt es All you can eat und All you can drink. Ganz einig werden wir uns mit den Kommilitonen nicht, ob der Kiwisaft nun nach Knoblauch schmeckt oder nicht. Aber wir sind uns doch sehr sicher, dass da jemand Ingwer mit Knoblauch verwechselt hat.

Für das frisch zubereitete Fleisch wird er jedenfalls exzessiv verwendet.
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Für 7 Leute wird das Knoblauchfach ganz links dreimal nachgefüllt…

Als ich das Bild aufgenommen habe, sind wir schon beim Nachtisch angelangt. Es gibt flambierte Banane mit Vanilleeis. Also dann, Feuer Marsch!
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Oliver-BergamLaim
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Beitrag von Oliver-BergamLaim »

Entenfang @ 18 Jun 2018, 12:55 hat geschrieben: Der Nacktscanner an der Sicherheitskontrolle ist mir ebenso neu wie die Aufforderung, die Schuhe auszuziehen.
Hattest Du vielleicht besonders schwere oder große Winterschuhe/-stiefel an? Die muss man bisweilen auf Aufforderung ausziehen. Ansonsten musste ich am Münchner Flughafen noch nie, auch nicht in der letzten Zeit, die Schuhe ausziehen (normale Sneakers oder Halbschuhe).
Entenfang @ 18 Jun 2018, 12:55 hat geschrieben:Die Auslastung beträgt nicht mal ein Drittel, so ein leeres Flugzeug habe ich noch nie gesehen.
Wenn ich es richtig verstanden habe, bist Du im Januar geflogen. Januar und Februar sind für europäische Airlines schon immer die mit Abstand schwächsten Monate gewesen - es ist einfach keine klassische Reisezeit (weil jeder grade 2 Wochen Weihnachtsurlaub hatte, und es im Januar und Februar ohnehin überall in Europa bzw. nördlich der Tropen/Subtropen überall weltweit zu kalt ist zum Reisen). Flugzeuge, die zu zwei Dritteln leer rumfliegen, sind da keine Seltenheit, denn die laufenden Betriebs- und Instandhaltungskosten müssen natürlich trotzdem irgendwie bestmöglich getragen werden, sprich die Kisten müssen in die Luft. Dafür sind sie dann aber im Regelfall auch den Rest des Jahres gut bis sehr gut gefüllt. Ich kann mich noch an einen Lufthansa-Flug München-Kiew und zurück im Februar erinnern, der war auch zu zwei Dritteln leer, aber man kann halt nicht eben mal den Großteil der Flotte für 2 Monate grounden und die Hälfte der Beschäftigten in 2 Monate Zwangsurlaub schicken.
Entenfang @ 18 Jun 2018, 12:55 hat geschrieben:Bereits beim Start am Flughafen sind alle Sitzplätze belegt. Die Fahrzeuge sind eher auf hohe Kapazität denn auf viele Sitzplätze ausgelegt.
So wenig Sitzplätze sind das jetzt auf dem Foto aber gar nicht - ich meine nicht die freien, sondern insgesamt. Zwischen den Türen sind ja auf beiden Seiten überall Längsbänke. Das ist die übliche Bestuhlung in vielen Systemen weltweit, z.B. bei einem Großteil der Flotte in New York und bei vielen Betrieben der ehemaligen Sowjetunion (z.B. Moskau, St. Petersburg und Kiew). Den Luxus von gemütlichen 4er-Sitzgruppen in Querbestuhlung gönnt man sich nur in sehr wenigen Betrieben außerhalb Deutschlands bzw. Europas, München ist in dem Fall nicht repräsentativ.
Entenfang @ 18 Jun 2018, 12:55 hat geschrieben:Ich bin überrascht, wie modern Shanghai ist.
Der Kulturschock fällt deutlich kleiner aus als erwartet.
Das überrascht mich jetzt ehrlich gesagt recht wenig ;) mir ist bei meinen Reisen gerade in den letzten 3 bis 5 Jahren ganz krass aufgefallen, dass es so etwas wie einen richtigen Kulturschock eigentlich mittlerweile kaum mehr gibt, weil sich der Alltag in fast allen Ländern weltweit immer mehr angleicht. Bedingt durch Smartphones und neue Technologien, aber auch Angleichung weltweiter Standards. Ein Daewoo-Niederflurbus sieht halt dann auch nicht mehr so viel anders aus als einer von einem europäischen Hersteller, die Supermärkte, Minimärkte und Shopping Malls sind auch überall das gleiche, die anderen Schriftzeichen schocken einen irgendwie auch nicht mehr, wie oft hat man die schon irgendwo auf Bildern gesehen. Stäbchen? Liegen in jedem China-Restaurant in Deutschland auch auf dem Tisch. ;) Und die Leute? Mei, wie viele Chinesen, Koreaner, Japaner sieht man als Münchner jeden Tag durch die Fußgängerzone laufen oder sitzen mit einem im Bus von Berchtesgaden zum Königseee.

Ich war letztes Jahr z.B. auf den Philippinen. Und war überrascht, wie wenig das eigentlich ein Kulturschock ist. Man findet sich sofort zurecht, so viel anders als in Deutschland, Europa, den USA oder im Rest der Welt funktionieren die Sachen nicht. Im Supermarkt stehen Chips von deutschen und Eistee von österreichischen Herstellern, das Pulver-Päckchen zur Zubereitung des Nationalgerichts Sinigang kommt von der lokalen Dependance eines bekannten deutschen Lebensmittel-Großkonzerns. Das wundert mich aber nicht mehr, schon vor 5 Jahren gab es in den Supermärkten in der tiefsten rumänischen Provinz kaum noch einen anderen Fruchtsaft als den eines deutschen Herstellers.

Das Exotischste am Reisen ist mittlerweile einfach leider oft, dass man einen Adapterstecker für die Steckdose braucht.
Entenfang @ 19 Jun 2018, 12:00 hat geschrieben:Hier wird der eintönige Hochhausdschungel durch das Riesenrad einer Shopping Mall aufgelockert. Es ist schier unglaublich, in welcher Dichte riesige Shopping Malls in Shanghai zu finden sind…
Eintöniger Hochhausdschungel - das trifft es sehr gut. Ich bin überrascht, wie gesichtslos und beliebig austauschbar Shanghai tatsächlich in weiten Teilen aussieht - auf Deinen Bildern wird es leider noch durch das graue Regenwetter verstärkt. Im Vergleich dazu sind wir in Europa ja wirklich mit einer schier unendlichen Fülle an historischer Architektur und angenehmen, hübschen Stadtzentren gesegnet - nicht nur in Kleinstädten, aber auch in den meisten Großstädten Europas. Das ist auch der Grund, warum sich die Chinesen z.B. das österreichische Hallstadt als 1:1-Kopie nachgebaut haben.

Ein Wort zur Dichte an Shopping Malls: in vielen Ländern außerhalb der westlichen Welt sind die leider die einzige Möglichkeit, sich als Fußgänger oder mit Freunden oder der Familie geschützt vor Witterung (je nach Land Winterkälte / Sommerhitze / Tropenhitze / Monsunregen) und geschützt vor dem brutalen Straßenverkehr (Fußgängerwege sind z.B. in einem Großteil von Manila unbekannt) zu treffen, einigermaßen entspannt zu spazieren und nebenbei noch etwas essen oder trinken zu gehen. Die Malls übernehmen praktisch die Funktion, die bei uns Fußgängerzonen, Biergärten und Stadtparks innehaben. In manchen 12-Millionen-Metropolen wie Manila sind öffentliche Stadtparks fast völlig unbekannt. Die wenigen, die es gibt, gehören entweder zu Shopping Malls oder sind privat betrieben und eintrittspflichtig und nur zu bestimmten Öffnungszeiten zugänglich, und sind insbesondere abends nach Büroschluss schon zu. Also geht man eben in die Mall.

Darum findet man in vielen asiatischen Großstädten Einkaufszentren an fast jeder größeren Kreuzung oder U-Bahn-Station.

Um es mal auf den Punkt zu bringen: je mehr ich von der Welt außerhalb Europas sehe, desto besser gefällt mir Europa und desto dankbarer bin ich für all die Annehmlichkeiten, die wir hier im Alltag und auf innereuropäischen Reisen gewohnt sind.
Entenfang @ 19 Jun 2018, 12:00 hat geschrieben:Der Fahrplan der U-Bahn ist in China üblicherweise sehr übersichtlich. Abfahrtsminuten werden nicht angegeben, nur der erste und letzte Zug.
Das ist z.B. auch in Betrieben der Ex-Sowjetunion so üblich, etwa in Kiew.
Beim frühen Betriebsschluß der U-Bahn muß ich an Paris denken. Bei meinem Besuch dort im Jahr 2005 war an allen Betriebstagen auf allen Metrolinien um kurz vor 0 Uhr Betriebsschluß. Ob sich das mittlerweile geändert hat, weiß ich nicht.
Entenfang @ 19 Jun 2018, 12:01 hat geschrieben:Eine der bekanntesten Orte in Shanghai ist der Bund mit Blick auf das moderne Viertel Pudong. Doch an diesem trüben Abend beißt der Wind und die Sicht ist auch eher bescheiden…
Sicher trübt die eingeschränkte Sicht das Bild, aber... sooo toll wie man sich das früher immer ausgemalt hat, sieht der Blick jetzt wirklich nicht aus.

Eigentlich gibt es auch nur zwei Hochhauspanoramas weltweit, die mich wirklich begeistert haben - Platz 1 mit Abstand Hong Kong (wegen des Hafens dazwischen, und der Berge im Hintergrund der Hochhäuser), Platz 2 New York City (wegen der schieren Anzahl an hohen Gebäuden auf einer so schmalen Insel). Alles andere an Hochhäusern reißt einen letztlich nicht vom Hocker, egal ob es Chicago, Frankfurt/M., Manila, Moskau oder San Francisco ist.
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Beitrag von Catracho »

Oliver-BergamLaim @ 19 Jun 2018, 14:45 hat geschrieben: Ein Wort zur Dichte an Shopping Malls: in vielen Ländern außerhalb der westlichen Welt sind die leider die einzige Möglichkeit, sich als Fußgänger oder mit Freunden oder der Familie geschützt vor Witterung (je nach Land Winterkälte / Sommerhitze / Tropenhitze / Monsunregen) und geschützt vor dem brutalen Straßenverkehr (Fußgängerwege sind z.B. in einem Großteil von Manila unbekannt) zu treffen, einigermaßen entspannt zu spazieren und nebenbei noch etwas essen oder trinken zu gehen. Die Malls übernehmen praktisch die Funktion, die bei uns Fußgängerzonen, Biergärten und Stadtparks innehaben. In manchen 12-Millionen-Metropolen wie Manila sind öffentliche Stadtparks fast völlig unbekannt. Die wenigen, die es gibt, gehören entweder zu Shopping Malls oder sind privat betrieben und eintrittspflichtig und nur zu bestimmten Öffnungszeiten zugänglich, und sind insbesondere abends nach Büroschluss schon zu. Also geht man eben in die Mall.
Es sind nicht nur die Wetterverhältnisse und der Straßenverkehr. In vielen Ländern ist es auch der Schutz vor Kriminalität. Durch viel Wachpersonal, flächendeckende Videoüberwachung und hohe Besucherdichte ist der Aufenthalt in einer Mall erheblich sicherer, als im Freien. Erst Recht nach Einbruch der Dunkelheit.

Mfg
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Beitrag von Jojo423 »

Super interessanter Beitrag. Da bekommt man gleich Fernweh! :)
Viele Grüße
Jojo423
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Beitrag von Entenfang »

Wie ich sehe, besteht reger Diskussionsbedarf, das freut mich! :)
Oliver-BergamLaim @ 19 Jun 2018, 14:45 hat geschrieben:Hattest Du vielleicht besonders schwere oder große Winterschuhe/-stiefel an? Die muss man bisweilen auf Aufforderung ausziehen.
Klar, es war ja mitten im Winter. Eigentlich musste jeder seine Schuhe ausziehen, die aber natürlich auch überwiegend winterlich waren.

Wenn ich es richtig verstanden habe, bist Du im Januar geflogen. Januar und Februar sind für europäische Airlines schon immer die mit Abstand schwächsten Monate gewesen - es ist einfach keine klassische Reisezeit (weil jeder grade 2 Wochen Weihnachtsurlaub hatte, und es im Januar und Februar ohnehin überall in Europa bzw. nördlich der Tropen/Subtropen überall weltweit zu kalt ist zum Reisen).
Richtig und ich habe mir die Erklärung schon so ähnlich gedacht. Kam mir natürlich durch den günstigen Preis (550€ hin mit Lufthansa und zurück mit Air China, jeweils direkt) sehr gelegen.

So wenig Sitzplätze sind das jetzt auf dem Foto aber gar nicht - ich meine nicht die freien, sondern insgesamt. Zwischen den Türen sind ja auf beiden Seiten überall Längsbänke. Das ist die übliche Bestuhlung in vielen Systemen weltweit
Was man nicht sieht, im Bereich der Wagenübergänge (also da, wo in München im C-Zug die drei Längssitze sind) gibt es in China meistens keine Sitze.
Entenfang @ 18 Jun 2018, 12:55 hat geschrieben:Ich bin überrascht, wie modern Shanghai ist.
Der Kulturschock fällt deutlich kleiner aus als erwartet.
Das überrascht mich jetzt ehrlich gesagt recht wenig ;) mir ist bei meinen Reisen gerade in den letzten 3 bis 5 Jahren ganz krass aufgefallen, dass es so etwas wie einen richtigen Kulturschock eigentlich mittlerweile kaum mehr gibt, weil sich der Alltag in fast allen Ländern weltweit immer mehr angleicht. Bedingt durch Smartphones und neue Technologien, aber auch Angleichung weltweiter Standards. Ein Daewoo-Niederflurbus sieht halt dann auch nicht mehr so viel anders aus als einer von einem europäischen Hersteller, die Supermärkte, Minimärkte und Shopping Malls sind auch überall das gleiche, die anderen Schriftzeichen schocken einen irgendwie auch nicht mehr, wie oft hat man die schon irgendwo auf Bildern gesehen. Stäbchen? Liegen in jedem China-Restaurant in Deutschland auch auf dem Tisch. ;) Und die Leute? Mei, wie viele Chinesen, Koreaner, Japaner sieht man als Münchner jeden Tag durch die Fußgängerzone laufen oder sitzen mit einem im Bus von Berchtesgaden zum Königseee.
Einigem kann ich so nicht zustimmen. Indien 2012 war schon ein ordentlicher Kulturschock - gut, war auch meine erste außereuropäische Reise, auch Marokko war nicht ganz ohne und für dich vielleicht überraschend - die Ukraine durchaus auch, vor allem für meinen Mitreisenden.
Es gibt wohl zwei wesentliche Faktoren, die zur Dämpfung des Kulturschocks auf dieser Reise beigetragen haben:
1. Der Startpunkt Shanghai, einer vergleichsweise westlichen Stadt.
2. Wenn man jemanden kennt, der sich schon 5 Monate in China zurechtgefunden hat und bisschen Chinesisch kann, ist das Reisen natürlich viel entspannter.
Auch Smartphone lasse ich so nicht allgemeingültig stehen - während in den chinesischen Metropolen zwar jeder eines hat, sieht das auf dem Land schon wieder anders aus und in Marokko gibt es derer nur sehr wenige. Außerdem reicht das Smartphone alleine nicht. Man braucht auch die richtigen Apps, weil ja in China so manches geblockt ist und auch nicht alle VPN funktionieren. Ich wäre nie im Leben drauf gekommen, mir vor dem Abflug Dianping Maps zu installieren. Google Maps funktioniert natürlich nicht und als mit Alex vor Ort die App empfohlen hat, wollte ich sie im Play Store runterladen. Hat – oh Wunder – natürlich nicht funktioniert. Auch der chinesische App Store ging bei mir nicht. Man muss also
1. Die richtigen Apps kennen
2. Sie auch installieren können.

Und weltweiter Standard, naja. Der Lebensstil in Deutschland ist doch anders als in Tschechien oder Italien und völlig anders als in Marokko oder China. Im Laufe der nächsten Tage werde ich noch weitere Beispiele bringen. Und ja, es gibt in Chinas Metropolen unglaublich viele Burgerking, McDonalds, Subway, Pizza Hut und Starbucks. Ich würde aber sagen, dass sie in China (schon allein aufgrund des Preisniveaus) nahezu ausschließlich von weltgewandten, überdurchschnittlich gut gebildeten und verdienenden Menschen genutzt werden. In Deutschland würde ich es eher umgekehrt beschreiben –überdurchschnittlich gebildete Menschen trinken eher den Fairtrade-Kaffee im alternativen Laden um die Ecke als bei Starbucks.
Mal die Frage in die Runde, ob ihr mir in Bezug auf Deutschland zustimmen würdet oder eher abweichende Beobachtungen gemacht hat?
Das ist meiner Ansicht nach der wesentliche Unterschied zu Deutschland – westliche Ketten sind in China zurzeit vor allem bei jungen Leuten einfach sehr „in“.

In Bezug auf ÖPNV stimme ich dir im Vergleich Deutschland - China zu, da sind die Unterschiede nicht allzu groß. Wohl aber der Unterschied Deutschland - Indien oder - Marokko.
Westliche Supermärkte sind in China vergleichsweise selten und meistens im Keller der Malls zu finden. Aber die Malldichte ist nur in den großen Metropolen so extrem und Shanghai ist definitiv die westlichste Stadt in Festlandchina auf der Reise. Eine Mall in Changsha hat ein deutlich abweichendes Angebot und auch keinen westlichen Supermarkt. Ich stimme dir auch bei der Aussage "Malls sind alle gleich" absolut zu, deswegen meide ich sie auch, wann immer es geht. Aber manchmal sucht man dann eben doch ein westliches Produkt und so landet man halt doch drin...
Minimarkets gibt es tatsächlich zuhauf. In Shanghai heißt die Kette Familiy Mart und man läuft eigentlich nie weiter als 500 m bis zur nächsten Filiale. Teilweise gibt es in größeren Gebäuden sogar mehrere Filialen. Das angebotene Sortiment würde ich eher mit Rewe to go vergleichen als mit einem richtigen Supermarkt. Dennoch gibt es (wie bei uns auch) Einflüsse fremder Kulturen. Die Lindt-Schokolade kostet aber im Familiy Mart fast 3x so viel wie bei uns!

Der Anblick der Schriftzeichen schockt vielleicht nicht auf den ersten Blick. Das siehst du aber anders, wenn du die Speisekarte nur auf Chinesisch und ohne Bildchen vorgesetzt bekommst und niemand weit und breit auch nur ein Wort Englisch spricht.

Zwar liegen in Deutschland Stäbchen aus, aber meiner Beobachtung nach nutzt die erstens kaum jemand und zweitens bleibt immer noch das Besteck als Rückfallebene, wenn man nicht zurechtkommt. Die gibt es in China üblicherweise nicht.

Klar sieht man in Deutschland viele Ausländer und ihr Anblick ist nichts Ungewöhnliches. Umgekehrt ist das aber in China absolut unzutreffend – die Menschenmasse ist selbst im vermeintlich internationalen Shanghai außerordentlich homogen und Ausländer ein sehr seltener Anblick. Aus diesem Grund steht man auch immer unter Beobachtung. Und man darf auch nicht vergessen, dass die weit überwiegende Mehrheit der chinesischen Bevölkerung weder jemals ihr Land verlassen hat noch ein Wort Englisch spricht.
Das Exotischste am Reisen ist mittlerweile einfach leider oft, dass man einen Adapterstecker für die Steckdose braucht.
Sehe ich ganz klar anders und auch für China.
Eintöniger Hochhausdschungel - das trifft es sehr gut.
[…] Im Vergleich dazu sind wir in Europa ja wirklich mit einer schier unendlichen Fülle an historischer Architektur und angenehmen, hübschen Stadtzentren gesegnet - nicht nur in Kleinstädten, aber auch in den meisten Großstädten Europas.
Richtig und ein Grund, weswegen Chinesen so sehr von Europa begeistert sind.
Ein Wort zur Dichte an Shopping Malls: in vielen Ländern außerhalb der westlichen Welt sind die leider die einzige Möglichkeit, sich als Fußgänger oder mit Freunden oder der Familie geschützt vor Witterung (je nach Land Winterkälte / Sommerhitze / Tropenhitze / Monsunregen) und geschützt vor dem brutalen Straßenverkehr (Fußgängerwege sind z.B. in einem Großteil von Manila unbekannt) zu treffen, einigermaßen entspannt zu spazieren und nebenbei noch etwas essen oder trinken zu gehen.
Gegenbeispiel: In Marokko gibt es auch keine Fußwege und sehr heiße Sommer und dennoch ist die Mall-Dichte extrem gering. Muss also noch andere Gründe geben.
Um es mal auf den Punkt zu bringen: je mehr ich von der Welt außerhalb Europas sehe, desto besser gefällt mir Europa und desto dankbarer bin ich für all die Annehmlichkeiten, die wir hier im Alltag und auf innereuropäischen Reisen gewohnt sind.
Und hier möchte ich dir uneingeschränkt zustimmen, auch dazu kommt noch mehr.

Sicher trübt die eingeschränkte Sicht das Bild, aber... sooo toll wie man sich das früher immer ausgemalt hat, sieht der Blick jetzt wirklich nicht aus.
Vielleicht kann dich der heutige Tag vom Gegenteil überzeugen.

Eins würde mich noch interessieren: Warst du schon mal in Festlandchina (nicht Hongkong) und wenn ja, wann und in welchen Städten?


Catracho @ 19 Jun 2018, 16:02 hat geschrieben:Es sind nicht nur die Wetterverhältnisse und der Straßenverkehr. In vielen Ländern ist es auch der Schutz vor Kriminalität. Durch viel Wachpersonal, flächendeckende Videoüberwachung und hohe Besucherdichte ist der Aufenthalt in einer Mall erheblich sicherer, als im Freien. Erst Recht nach Einbruch der Dunkelheit.
Aber ganz sicher nicht in China. Ich würde sagen, dass es eines der sichersten Reiseländer überhaupt ist, angesichts der unzähligen Wachmänner und Polizisten überall...


Tag 3 Shanghai

Ich spüre den Jetlag immer noch deutlich. Heute ist es klar, aber sehr kalt. Es ist erstaunlich viel Schnee liegen geblieben und so kann ich Shanghai bei Minusgraden im Schneezauber erleben. Dafür kommt, wie gestern auch, die Skihose zum Einsatz. Das Wasser fülle ich in die Thermoskanne, die ich noch am Tag der Abreise daheim gekauft habe.
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An der Sicherheitskontrolle der U-Bahn beobachte ich, wie ein Wachmann eine Frau bittet, ihren Rucksack durchleuchten zu lassen. Doch die ignoriert ihn und geht weiter. Er streckt den Arm aus, um ihr den Weg zu versperren. Sie schiebt den Arm beiseite und geht eiskalt weiter. So viel zum Thema Sinnhaftigkeit der Sicherheitskontrolle.

Am Ausgang landen wir unbeabsichtigt in einer weiteren Mall.
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Nun steht die Französische Konzession auf dem Besichtigungsplan.
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Sie stellt einen gewaltigen Kontrast zu den modernen Wolkenkratzern und den eintönigen Hochhäusern dar. Die zahlreichen kleinen Garküchen verströmen einen verführerischen Duft.
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Wir nutzen die Gelegenheit, einen kleinen Snack mitzunehmen. Es handelt sich um ein ziemlich dünnes und scharfes, aber sehr leckeres Fladenbrot.
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Die Schärfe führt dazu, dass sich meine Halbliter-Thermoskanne viel zu schnell leert. Man kann sich vorstellen, wie angenehm es ist, das draußen gelagerte Wasser zu trinken…

Fassade im Detail
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Klinkerbauten – wäre da nicht die Ampel, könnte man fast meinen, das Bild wäre in Norddeutschland entstanden.
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Auch dieser Anblick entspricht so gar nicht meiner Vorstellung von Shanghai
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Gartenmauer einer Villa in Solln.
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Nein. Stop!
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Beitrag von Entenfang »

Braucht man auf die Schnelle ein Fahrrad…
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…ist die Auswahl beachtlich. Aber ich entdecke Oberleitungen und schlage eine Fahrt mit dem Obus vor.
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„Ich kann dir schon raussuchen, welche Linien hier abfahren. Aber woher wissen wir, auf welcher Liniennummer Obusse fahren?“
Entenfang hat vorgesorgt und zieht den Zettel heraus, auf dem die Obuslinien stehen. Eine Übersicht gibt es im Wikipedia-Artikel.

„Hmm, ich kann dir nur sagen, dass im Ziel der Linie 15 die Zeichen für Shanghai vorkommen. Aber was der Rest bedeutet, weiß ich nicht.“
Kurzer Abgleich mit meiner Liste, der Eintrag auf Wikipedia scheint zu stimmen und das Ziel heißt Shanghai Stadium.

Wartezeit verknipsen
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Wow, das Ziel steht sogar auf Englisch drauf. Nur leider ist es unmöglich zu lesen.

Ein Fahrzeug in ungewohnter Farbgebung
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Die Straße bietet Busfahrern eine besondere Herausforderung. Die auf die Straße ragenden Äste machen den rechten Fahrstreifen für Busse weitgehend unpassierbar. Also müssen sie zwischen dem rechten und dem linken Fahrstreifen Slalom fahren, um die Haltestellen anzufahren und Linksabbieger zu umfahren.

Und da kommt das gewünschte Fahrzeug. Obusse bieten in Shanghai einen für den chinesischen Busverkehr sehr ungewohnten Komfort: Eine Klimaanlage. Beim Betrachten dieser Bilder ist es kaum zu glauben, dass das Thermometer im Hochsommer die 40°-Marke überschreitet…
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Ein paar Haltestellen weiter bietet sich ein völlig anderer Anblick. Verschneite Blumen…
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…und festgefrorene Rolltreppen…
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Beitrag von Entenfang »

…inmitten von Architektur, die von brachial…
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…bis modern beton-glasig reicht.
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Westliche Ketten wie McDonalds, Burgerking, KFC, Pizza Hut, Starbucks und Subway sind in den Metropolen sehr weit verbreitet und bei der jungen Generation ziemlich beliebt.

Umspült von einer endlosen Blechlawine, verrichtet ein Straßenkehrer seinen Dienst.
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Wir nehmen die U-Bahnlinie 1, auf welcher die ältesten Fahrzeuge, hergestellt von einem Konsortium aus Siemens und AEG, verkehren.

Dass die Züge ein paar Jahre älter sind, merkt man auf den ersten Blick.
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Ein äußerst ungewohnter Anblick, den es in mehreren chinesischen U-Bahnbetrieben gibt, ist dieser hier:
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Auch wenn es auf dem Bild nur schwer zu erkennen ist, handelt es sich um Werbung, die auf Bildschirmen während der Fahrt durch den Tunnel abgespielt wird. Die Geschwindigkeit des Werbefilms wird dabei an die Beschleunigungs- und Bremsvorgänge des Zuges angepasst. Meistens gelingt das ziemlich gut. Man mag sich gar nicht vorstellen, wie viele Tausend Bildschirme nebeneinander verbaut sein müssen, um einen Film von einer halben Minute abzuspielen, wenn der Zug mit Höchstgeschwindigkeit durch den Tunnel rauscht…

Außerdem fällt mir auf, wie schnell die Chinesen reagieren, wenn irgendwo ein Sitzplatz frei wird. Da könnte man meinen, die sind so sehr in ihr Handy vertieft, dass sie nichts mehr mitbekommen und man sich ganz entspannt hinsetzen kann. Eine fatale Fehleinschätzung.

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Die attraktive Deckenverkleidung hat man sich wohl von der Münchner Stammstrecke abgeschaut.


Als nächstes steht ein Bummel durch die „Altstadt“ auf dem Plan.
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Doch gleich eine Anmerkung vorneweg – alt ist daran überhaupt nichts. Durch den Bauboom in China haben nur wenige historische Gebäude überlebt. Und wenn man eine Altstadt haben möchte, dann wird alles plattgewalzt, was dort zuvor stand und die so aufgebaut, wie man sie gerne hätte.
Und das bedeutet eigentlich immer: Bunt, laut und touristisch. Jeder chinesische Inlandstourist würde bei einem Besuch in Shanghai hierher kommen. Es gibt auch einige freundliche Frauen, die ausländische Touristen in Teehäuser „einladen“. Merke: Spricht dich jemand in tadellosem Englisch an, ist höchste Vorsicht geboten.
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Beitrag von Entenfang »

In der Regel wirken diese Stadtviertel in unseren Augen maximal kitschig. Chinesen dagegen sind davon begeistert.
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Die Hunde erinnern an das Jahr des Hundes, welches mit dem Chinesischen Neujahrsfest Mitte Februar begonnen hat.
Ganz typisch im Stadtbild ist auch der Polizeiwagen. Sie stehen überall herum und sollen das Herumsitzen der Polizisten wahrscheinlich angenehmer machen, als es bei den Temperaturen draußen ist.

Wir kaufen uns ein kleines Mittagessen an einem Teigwaren-Stand. Es gibt Xiaolongbao. Die Teigtaschen sind meistens mit Fleisch und Brühe gefüllt und man kann sich leicht die Zunge verbrennen. Die große Version wird mit dem Strohhalm ausgetrunken.
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Und siehe da, kaum sind Europäer an diesem Stand zu sehen, wollen die Chinesen auch was. Vor uns gab es keine Schlange.
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Gestärkt besichtigen wir den Yuyuan Garden.
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Der künstliche Park wurde im 16. Jahrhundert während der Ming-Dynastie angelegt und durch Kriege mehrfach beschädigt. Im Gegensatz zur restlichen Altstadt handelt es sich tatsächlich um einen historischen Ort.
Der Park ist eine wunderbare Oase im Trubel der Stadt und durch den hinzugegebenen Puderzucker eine wahre Augenweide.
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Es gibt sechs Bereiche, die durch steinerne Drachenmauern voneinander getrennt sind.
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Beitrag von Entenfang »

Weitere kunstvolle Figuren schmücken die Pavillondächer
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Nein, nicht diese Figuren.

Sondern diese:
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Alle Brücken über die Goldfischteiche sind in Zickzackform gebaut. Aber warum? Morgen gibt’s die Auflösung.
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Hinter dem prächtigen Pavilion of Listening to Billows erhebt sich der Shanghai Tower
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Wolkenstimmung
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Ich hätte gerne noch mehr Zeit hier verbracht. Denn obwohl der Park gerade mal eine Fläche von 2 Hektar umfasst, komme ich aus dem Staunen nicht mehr heraus. Aber die Kälte und das Abendprogramm locken uns schließlich zum Ausgang und zurück zur U-Bahn.

Wo wir schon beim Stichwort „Kälte“ sind: Da Mofas ein sehr beliebtes Fortbewegungsmittel sind, haben sich findige Menschen etwas einfallen lassen, um die Fahrt bei diesen Temperaturen erträglicher zu machen. Viele Fahrzeuge haben daher solche Handschuhe am Lenker angebracht.
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Auf dem Weg zur U-Bahn passieren wir diese Häuser.
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Würde ich dasselbe Bild in drei Jahren nochmal machen, sähe es wahrscheinlich so aus:
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Einen Block weiter (rechts des ersten Bildes) werden solche niedrigen Häuser gerade großflächig abgerissen. Angesichts der nicht zimperlichen Politik gehe ich stark davon aus, dass nicht jeder freiwillig ausgezogen ist.

Immer wieder faszinierend ist für uns der Anblick der Baugerüste, die vollständig aus Bambus bestehen.
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Ortswechsel an die East Nanjing Road, der Einkaufsmeile in Shanghai.
Leider ist nur ein kurzer Abschnitt dieser belebten Straße Fußgängerzone.
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Der angebissene Apfel rechts im Bild ist keine Sinnestäuschung. Im Gegensatz zu Google, Facebook und Amazon sind die Beziehungen zu Apple exzellent. Die Applestore-Dichte und deren Größe in Shanghai sucht wirklich seinesgleichen. Dazu sollte ich noch ergänzen, dass es in China wohl zwei wesentliche Statussymbole gibt: iPhone und deutsches Auto.
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Beitrag von Entenfang »

Während der Fußgängerzonenabschnitt hauptsächlich aus Malls und den üblichen westlichen Ketten besteht, gibt es im weiteren Verlauf viele kleine Läden und Garküchen.
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Ein autoritätsloser Verkehrspolizist macht sich durch Pfeifen wichtig und bemüht sich erfolglos, die Passanten vom unerlaubten Gehen und Queren der Straße abzuhalten. Es sind einfach zu viele Menschen für die engen Fußwege. Aber man braucht selbstverständlich drei breite Fahrstreifen für die Autos…

Die blaue Stunde verbringen wir am Bund. Es ist zwar eisig kalt, doch Alex meint, die Sicht wäre durch den gestrigen Schneefall so klar wie schon seit langem nicht mehr. Blick entlang des Huangpu stromaufwärts.
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Die Polizei ist nicht nur an jeder Straßenecke durch einen Wagen oder die unzähligen Streifen präsent, sondern auch auf dem Wasser.
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Nach und nach erstrahlen die modernen Hochhäuser in Pudong in der abendlichen Beleuchtung und machen die blaue Stunde eher zur bunten Stunde.
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Die bunte Beleuchtung fasziniert den Nachtfotografen und ich knipse ununterbrochen. Würde ich doch nur meine Finger noch spüren…
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Einen völlig anderen Charakter weist die Uferseite auf, von der die Bilder entstanden sind.
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Abendessen gibt es in einer Mall beim Thailänder. Im Keller entdecken wir einen westlichen Supermarkt, in dem wir uns für die morgige Reise mit Salami eindecken, für Alex das erste Mal seit fünf Monaten.
Grundsätzlich kann man in Shanghai jedes westliche Produkt kaufen – man muss nur wissen, in welcher der 1000 Shopping Malls es zu finden ist und bereit sein, den dreifachen Preis dafür zu bezahlen.
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Beitrag von Entenfang »

Ich kämpfe mit der Müdigkeit, doch ich kann Shanghai nicht verlassen, ohne einmal eine Skybar besucht zu haben. Es gibt unzählige Aussichtspunkte und wir wählen die Dachterrasse des Hyatt, weil sie nicht vollständig verglast ist und den Blick sowohl auf die moderne als auch die koloniale Uferseite ermöglicht.

Doch zunächst ein weiterer Spaziergang durch den kalten Abend.
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Rechts im Bild das Monument to the People´s heroes, welches aus drei aneinandergelehnten, 23 m hohen Gewehren aus Beton besteht und an gefallene Soldaten erinnert.

Blick über den Suzhou Creek zum Postamt
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Über die Waibaidu Bridge
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Auch wenn mir das Stativ abgenommen wird (Hätte ich doch bloß mein kleines Stativ in den Rucksack gepackt…) ist der Ausblick von der Dachterrasse überwältigend.
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Diese Siedlung wird gerade abgerissen und durch noch mehr Hochhäuser ersetzt.
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Beitrag von Entenfang »

Auch die koloniale Seite soll hier repräsentiert sein.
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Schweren Herzens packe ich die Kamera nach fast einer halben Stunde Dauerfotografierens ein.
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Beitrag von Catracho »

Entenfang @ 20 Jun 2018, 22:04 hat geschrieben: Aber ganz sicher nicht in China. Ich würde sagen, dass es eines der sichersten Reiseländer überhaupt ist, angesichts der unzähligen Wachmänner und Polizisten überall...
Natürlich ganz sicher nicht China. Oliver hat zwei für viele Länder zutreffende Begründungen geliefert, ich eine dritte aus eigener Erfahrung. Von konkreten Ländern hat keiner von uns gesprochen. Und auch nicht davon, das unsere Gründe immer, alle und überall gültig sind.

Mfg
Catracho
Theirs not to reason why, theirs but to do and die. - Alfred Tennyson
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Beitrag von Oliver-BergamLaim »

Entenfang @ 20 Jun 2018, 22:04 hat geschrieben: Richtig und ich habe mir die Erklärung schon so ähnlich gedacht. Kam mir natürlich durch den günstigen Preis (550€ hin mit Lufthansa und zurück mit Air China, jeweils direkt) sehr gelegen.
In der Hochsaison kann es schon fast genauso teuer sein, mal eben von München auf die Kanaren zu fliegen. Welche Schnäppchen man teilweise im internationalen Langstrecken-Flugverkehr auch bei renommierten Fluggesellschaften machen kann, wenn man nicht an klassische Reisezeiten gebunden ist, ist schon enorm. Zumindest was Flüge in die USA und nach Asien anbelangt; bei Lateinamerika-Verbindungen ist das aber deutlich schwieriger.
Entenfang @ 20 Jun 2018, 22:04 hat geschrieben:Was man nicht sieht, im Bereich der Wagenübergänge (also da, wo in München im C-Zug die drei Längssitze sind) gibt es in China meistens keine Sitze.
In München beim C2 gibt es die Sitze im Bereich der Wagenübergänge ja auch teilweise nicht mehr.
Entenfang @ 20 Jun 2018, 22:04 hat geschrieben:Mal die Frage in die Runde, ob ihr mir in Bezug auf Deutschland zustimmen würdet oder eher abweichende Beobachtungen gemacht hat?
Das ist meiner Ansicht nach der wesentliche Unterschied zu Deutschland – westliche Ketten sind in China zurzeit vor allem bei jungen Leuten einfach sehr „in“.
Es gibt hier eben auch eine andere Ausgangslage in den unterschiedlichen Ländern. In Deutschland konkurrieren die relativ neuen Kaffeehaus-Ketten mit einer seit Jahrzehnten bestehenden und umfassenden Kultur der Bäckereien mit Sitzgelegenheiten und der klassischen Cafés. Meine Beobachtung ist tatsächlich, dass "moderne" Kaffeehaus-Ketten in Deutschland nach wie vor eher von Touristen besucht werden und ggf. eher von jungen Leuten in der Altersgruppe 15 bis 25. Außerdem sind in Deutschland die klassischen, inhabergeführten Cafés und die lokalen Bäckereiketten eben mit viel mehr Filialen aufgestellt als die Coffeeshops.

In vielen Ländern Asiens dagegen gab es eine Kaffee- und Kuchen-Kultur ja nie, bevor die westlichen Coffeeshops aufkamen. Insofern ist es natürlich was Besonderes für Asiaten, das mal auszuprobieren, und ja, auf den Philippinen z.B. sind die Besucher tatsächlich überwiegend die Besserverdiener, young professionals und junge Leute, die das Geld ihrer wohlhabenden Eltern ausgeben können. Außerdem spielt hier auch wieder ein anderer Faktor rein: während ich mich in Deutschland mit Freunden oder Familie im Biergarten, Park, am Badesee oder einfach auf irgendeinem gemütlichen Platz zum Ratschen, Picknicken, Kaffee trinken oder Kuchen essen treffen kann, geht das in vielen Ländern Asiens im öffentlichen Raum eben wiederum nicht - die Coffeeshops bieten einfach eine unterm Strich doch noch relativ preisgünstige Möglichkeit, sich wetter-, kriminalitäts- und verkehrsgeschützt zum Ratschen oder einfach Verweilen rumzusitzen.
Entenfang @ 20 Jun 2018, 22:04 hat geschrieben:Gegenbeispiel: In Marokko gibt es auch keine Fußwege und sehr heiße Sommer und dennoch ist die Mall-Dichte extrem gering. Muss also noch andere Gründe geben.
Das könnte meiner Vermutung nach an einer Mischung aus insgesamt vorhandener Kaufkraft, Vorhandensein/Nicht-Vorhandensein einer gut gebildeten, relativ gut verdienenden jungen Mittelschicht (young professionals), sowie an der Aufgeschlossenheit einer Kultur und auch einer Regierung/Stadtplanung gegenüber westlichen Konsum- und Lebensweisen liegen. In den meisten Ländern Asiens ist man sowohl in der Regierung wie auch in einem Großteil der Bevölkerung heilfroh, wenn man alles alte abreissen und durch Neubauten nach westlichem Vorbild ersetzen kann, inklusive entsprechender Einkaufsmöglichkeiten (auch wenn die deutschen Medien bei groß angelegten städtischen Umbaumaßnahmen im Ausland, egal ob in der Türkei, in China oder in Russland, immer genau die 2% der Leute interviewen, die dagegen sind, und das dann als Meinung der gesamten Bevölkerung darstellen. Ich habe mir das von Asiaten mittlerweile besser erklären lassen. Das ist wie früher in der DDR, da war auch jeder froh, der aus einem feuchten Altbau mit Kohlenofen und Toilette im Treppenhaus in eine neue Plattenbauwohnung mit Zentralheizung, Bad/WC in der Wohnung ziehen konnte). Die USA, Europa und generell die westliche Welt genießen in einem Großteil Asiens höchstes Ansehen, was man auch daran sieht, wie viele Asiaten ihren Urlaub in den USA oder Europa verbringen.

Vielleicht ist dieser Wille bzw. diese Aufgeschlossenheit gegenüber der westlichen Welt und entsprechender Lebensweisen in Marokko einfach nicht gegeben, vielleicht lehnt man es dort sogar ab. Und vielleicht hat Marokko auch einfach keine große, gut gebildete, gut verdienende young professionals-Mittelschicht zwischen 25 und 40. Die Städte Marokkos wären mir jetzt ebenfalls nicht für moderne, groß geplante Stadtplanung bekannt.
Entenfang @ 20 Jun 2018, 22:04 hat geschrieben:Eins würde mich noch interessieren: Warst du schon mal in Festlandchina (nicht Hongkong) und wenn ja, wann und in welchen Städten?
Ich war nur einmal in Hong Kong, das war 2012. Mein Bezug zu Festlandchina ergibt sich hauptsächlich durch intensive persönliche Berichte und Fotos von zwei Freunden, die ca. 2007 jeweils ein Auslandssemester in Shanghai gemacht haben und die Stadt in den Folgejahren immer wieder besucht haben, und durch Berichte und Fotos eines weiteren Freundes, der ca. 2013 bis 2017 dreieinhalb Jahre lang in Shenyang, einer touristisch völlig unbekannten und irrelevanten, weil häßlichen Millionenstadt/Industriestadt im Nordosten Chinas (allerdings mit Straßenbahn, die sogar direkt bis vors Flughafen-Terminal fährt), gelebt und gearbeitet hat. Aufgrund meiner persönlich anders gesetzten Reise-Prioritäten (es gab einfach immer irgendwas, was mir wichtiger war, um es persönlich zu besuchen) habe ich aber nie eine Reise nach Festlandchina unternommen bisher.
Entenfang @ 20 Jun 2018, 22:04 hat geschrieben:Klinkerbauten – wäre da nicht die Ampel, könnte man fast meinen, das Bild wäre in Norddeutschland entstanden.
Das ist jetzt doch sehr ungewöhnlich - meine erste Assoziation mit diesem Bild war, dass das auch in irgendeiner russischen Stadt aufgenommen sein könnte, wenn die Lastenfahrräder nicht wären. Die Ampelbauform würde sogar ziemlich gut an Russland hinkommen.
Entenfang @ 20 Jun 2018, 22:04 hat geschrieben:Gartenmauer einer Villa in Solln.
Okay, da musste ich jetzt wirklich lachen ;) das gibt es auf den Philippinen auch, da nennt sich das dann "townhouse" und ist bewusst nach westlichem Vorbild gebaut.
Entenfang @ 20 Jun 2018, 22:06 hat geschrieben:Gestärkt besichtigen wir den Yuyuan Garden.
Der ist wirklich wunderschön! :)
Kennst Du die Ecke des Münchner Westparks, in dem die asiatischen Pavillons und Tempel stehen? Das könnte im Winter ähnliche pudergezuckerte Motive geben...
Entenfang @ 20 Jun 2018, 22:06 hat geschrieben:Auch wenn es auf dem Bild nur schwer zu erkennen ist, handelt es sich um Werbung, die auf Bildschirmen während der Fahrt durch den Tunnel abgespielt wird. Die Geschwindigkeit des Werbefilms wird dabei an die Beschleunigungs- und Bremsvorgänge des Zuges angepasst. Meistens gelingt das ziemlich gut.
So etwas gab es ja vor ca. 10 Jahren versuchsweise auch mal im Stammstrecken-Tunnel der Münchner S-Bahn :) Es müsste sogar hier im Forum noch irgendwo Beiträge zu dem Thema geben...
Entenfang @ 20 Jun 2018, 22:09 hat geschrieben:Nach und nach erstrahlen die modernen Hochhäuser in Pudong in der abendlichen Beleuchtung und machen die blaue Stunde eher zur bunten Stunde.
Okay, mit der Sicht, der Beleuchtung und der Stimmung sieht es doch ziemlich beeindrucken aus - allerdings für mich immer noch kein Vergleich zu Hong Kong ;)
Entenfang @ 20 Jun 2018, 22:10 hat geschrieben:Über die Waibaidu Bridge
Sieht aus wie die Glienicker Brücke in Potsdam beim Austausch von Spionen in einer dunklen Winternacht :D :P


Ich bin schon sehr gespannt, wie Deine Reise weitergegangen ist! Vielen Dank dafür, dass Du uns in Bild und Wort daran teilhaben lässt, und Daumen hoch für die gewohnt hochklassige stilistische Aufbereitung!
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Beitrag von Entenfang »

Oliver-BergamLaim @ 21 Jun 2018, 11:45 hat geschrieben:Welche Schnäppchen man teilweise im internationalen Langstrecken-Flugverkehr auch bei renommierten Fluggesellschaften machen kann, wenn man nicht an klassische Reisezeiten gebunden ist, ist schon enorm.
Man muss sagen, dass sich die Reisezeit durch gegebene Randbedingungen ergeben hat, nämlich die Ende Januar endende Prüfungszeit an der Tongji University. An die haben wir dann die gemeinsame Reise angeschlossen.
In München beim C2 gibt es die Sitze im Bereich der Wagenübergänge ja auch teilweise nicht mehr.
Stimmt, ist mir seit gestern auch wieder eingefallen. Viellleicht war meine Aussage tatsächlich zu sehr deutschland/münchen-verblendet, denn im internationalen Vergleich hast du mit der überwiegenden Längsbestuhlung sicher recht.
In vielen Ländern Asiens dagegen gab es eine Kaffee- und Kuchen-Kultur ja nie, bevor die westlichen Coffeeshops aufkamen. Insofern ist es natürlich was Besonderes für Asiaten, das mal auszuprobieren, und ja, auf den Philippinen z.B. sind die Besucher tatsächlich überwiegend die Besserverdiener, young professionals und junge Leute, die das Geld ihrer wohlhabenden Eltern ausgeben können. Außerdem spielt hier auch wieder ein anderer Faktor rein: während ich mich in Deutschland mit Freunden oder Familie im Biergarten, Park, am Badesee oder einfach auf irgendeinem gemütlichen Platz zum Ratschen, Picknicken, Kaffee trinken oder Kuchen essen treffen kann, geht das in vielen Ländern Asiens im öffentlichen Raum eben wiederum nicht - die Coffeeshops bieten einfach eine unterm Strich doch noch relativ preisgünstige Möglichkeit, sich wetter-, kriminalitäts- und verkehrsgeschützt zum Ratschen oder einfach Verweilen rumzusitzen.
Guter Punkt.
Die USA, Europa und generell die westliche Welt genießen in einem Großteil Asiens höchstes Ansehen, was man auch daran sieht, wie viele Asiaten ihren Urlaub in den USA oder Europa verbringen.
In China ist eines völlig klar: Europa und insbesondere Deutschland ist das Vorbild. USA und vor allem Japan sind längst nicht so hoch angesehen.
Kennst Du die Ecke des Münchner Westparks, in dem die asiatischen Pavillons und Tempel stehen? Das könnte im Winter ähnliche pudergezuckerte Motive geben...
Nein, tatsächlich nicht. Danke für den Tipp! Und ich dachte immer, ich würde mich in München gut auskennen. Aber so entdeckt man immer noch was Neues...
Okay, mit der Sicht, der Beleuchtung und der Stimmung sieht es doch ziemlich beeindrucken aus - allerdings für mich immer noch kein Vergleich zu Hong Kong ;)
Kommt auch noch. ;)
Sieht aus wie die Glienicker Brücke in Potsdam beim Austausch von Spionen in einer dunklen Winternacht  :D  :P
Jetzt wo du es sagst...
Ich bin schon sehr gespannt, wie Deine Reise weitergegangen ist! Vielen Dank dafür, dass Du uns in Bild und Wort daran teilhaben lässt, und Daumen hoch für die gewohnt hochklassige stilistische Aufbereitung!
Es freut mich, wenn das Lesen des Berichts ebensoviel Spaß macht wie mir die Reise und die Aufbereitung gemacht hat! :)


Tag 4 Shanghai -> Peking

Auflösung von gestern: Böse Geister können nicht um die Ecke gehen und fallen daher beim Versuch, die Brücke zu überqueren, ins Wasser.


Mit der M10 sausen wir eine Dreiviertelstunde über 25 km unter der Stadt durch, ehe wir den HGV-Bahnhof Hongqiao im Westen Shanghais erreichen.
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Nein, das ist kein Flughafenterminal, sondern der Wartebereich des Bahnhofs. Chinesische Bahnhöfe sind auf große Menschenmengen ausgelegt und weisen ein ausgeklügeltes Einbahnstraßensystem auf.
Auf Ebene -1 ist in der Regel das Sperrengeschoss der U-Bahn untergebracht.
Abfahrende Fahrgäste müssen dieses in der Regel verlassen und den Haupteingang des Bahnhofs auf Ebene 0 aufsuchen. Diesen Weg zu finden, kann manchmal etwas nervig sein, weil er eher schlecht oder verwirrend beschildert ist. Am Eingang wird meistens zunächst Pass und Fahrkarte kontrolliert, anschließend das Gepäck durchleuchtet. Taschenmesser und Sprühdeos gehören zu den häufigsten konfiszierten Gegenständen. Unser Buttermesser wird nicht beanstandet.
Anschließend nimmt man eine Rolltreppe auf Ebene +1, auf welcher sich eine oder mehrere Wartehallen sowie Geschäfte befinden. Dort wartet man, bis der Zug zum Check-in freigegeben wird.
Die Abfahrtsmonitore wechseln zwischen Chinesisch und Englisch, außerdem gibt es auch zweisprachige Durchsagen, die den Beginn des Check-ins ankündigen.
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Im HGV steht das Abfahrtsgleis häufig bereits auf der Fahrkarte. Am Zugang zum Bahnsteig, im ersten Bild links und rechts in der riesigen Wartehalle, werden nochmals die Fahrkarten kontrolliert. Dann führt eine Rolltreppe auf Ebene 0 herunter, der Gleisebene.
3 bis 5 Minuten vor der planmäßigen Abfahrt wird das Check-in beendet und der Zugang zum Bahnsteig ist nicht mehr möglich. Wer seinen Zug verpasst hat, kann aber aufpreisfrei seine Fahrkarte für einen späteren Zug umbuchen, sofern es noch freie Plätze gibt.

Auf uns wartet der Fu Xing, der Prestigezug von CRH. Darauf sind die Chinesen besonders stolz und verkünden es direkt nach der Abfahrt per automatischer Durchsage. „This train was entirely designed and built in China!“
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Erst seit Ende 2017 verkehrt er wieder mit der Höchstgeschwindigkeit von 350 km/h (davor 300) und legt die 1318 km nach Peking mit zwei Zwischenhalten in 4h 28 min. zurück. Das entspricht einem Durchschnitt von 295 km/h (!). Damit dürfte es sich um eine der höchsten Reisegeschwindigkeiten weltweit handeln.

Kurz vor 10 werden die Türen geschlossen und exakt zum Zeigersprung setzt sich der Zug in Bewegung. Wir beschleunigen schnell und passieren endlose Hochhaussiedlungen, die bis zum Horizont reichen.
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Der Blick auf den Abstellbahnhof lässt die Dimensionen des chinesischen HGV erahnen.
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Fein säuberlich wird das Gepäck auf der Ablage verstaut.
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Schon bald geht eine für die Gepäckkontrolle zuständige Mitarbeiterin durch den Zug und prüft mit kritischem Blick, ob auch wirklich alles ordnungsgemäß verstaut ist. Die herabhängenden Bändchen des Rucksacks links im Bild werden beanstandet und müssen vom Verursacher auf die Ablage gestopft werden.
In den HGV-Zügen werden alle Sitze am Endbahnhof in Fahrtrichtung gedreht. Es gibt keine Kopfbahnhöfe. Obwohl die Züge in China auf Regelspur verkehren, ist das Lichtraumprofil großzügiger und erlaubt eine bequeme 3+2-Bestuhlung in der 2. Klasse.

Bald setzt Schneefall ein und wir rasen mit 350 durch die Winterlandschaft. Der Fahrkomfort ist sehr gut und das niedrige Innenraumgeräusch lässt den Fahrgast schnell vergessen, wie schnell der Zug unterwegs ist.
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Doch weit kommen wir nicht, ehe gleich zwei Störungen auftreten. Die erste betrifft meine Kamera, die zu diesem denkbar ungünstigen Zeitpunkt ihren Dienst vollständig quittiert und einen defekten Fokus meldet.
Die zweite Störung betrifft die Eisenbahn, denn erst werden wir immer langsamer und kommen außerplanmäßig auf dem Durchfahrtsgleis eines Bahnhofs zum Halten.
Am Bahnsteig neben uns rollt einige Minuten später ein Velaro.
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Kaum stehen wir, verhalten sich die Chinesen wie die Deutschen. Alle werden nervös. Während der Geräuschpegel bisher sehr niedrig war, beginnen jetzt aufgeregte und lautstark geführte Gespräche. Einige Fahrgäste laufen den Wagen auf und ab.
„Dear passengers, this is a temporary stop.“
Ich nutze den Stillstand zur Dokumentation des Innenraums.

Edle Holzoptik im Bereich der Wagenübergänge
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Während die Laufruhe im Fahrgastraum beeindruckend ist, sind bei Höchstgeschwindigkeit die Vibrationen hier unangenehm stark.

In jedem Wagen gibt es nicht nur ein Plumpsklo und eines mit Toilettenschüssel, sondern auch ein Waschbecken und einen Trinkwasserspender. Das heiße Wasser erfreut sich reger Benutzung, um Tee aufzubrühen oder Instant-Nudelsuppen zuzubereiten.
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Beitrag von Entenfang »

Es gibt einen Bistrowagen, wo man Instantsuppen, Getränke und Snacks kaufen kann. Während der Fahrt schiebt ein Mitarbeiter aber auch einen Snackwagen durch den Zug. Während der Mittagszeit wird auch vorgewärmtes Essen im Flugzeugstil angeboten.
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Für eine Fahrt in der 2. Klasse muss man rund 70€ berappen. In der 1. Klasse mit 2+2-Bestuhlung zahlt man knapp das Doppelte…
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…und in der Business Class etwa 250€.
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Nur dem Tf kann man leider nicht über die Schulter schauen…

Nach etwa einer halben Stunde Stillstand rollen wir weiter, halten aber bereits am folgenden Bahnhof wieder außerplanmäßig an. Dieses Mal dauert es aber nicht so lange und mit einer Stunde Verspätung erreichen wir Nanjing.

Die Strecke verläuft nahezu durchgehend aufgeständert. Bei einer ebenerdigen Führung oder im Einschnitt schützt eine Betonmauer mit Stacheldraht die Gleisanlagen. Befinden sich Häuser in der Nähe der Trasse, gibt es Lärmschutzwände, die aber nie den Blick aus dem Fenster versperren.
Die meisten Fahrgäste starren ohnehin in ihr Handy oder Tablet. Bald wabert der Geruch der Instant-Nudelsuppen durch den Wagen. Etwas nervig sind die regelmäßig abgespielten automatischen Durchsagen auf Chinesisch und Englisch. „Smoking is forbidden on this train!“

Hinter Nanjing erhalten wir grüne Welle und sausen bald wieder mit 350 Richtung Norden. In den Überholungsbahnhöfen warten Velaros brav auf den Prestigezug.

Die Landschaft ist jetzt flach und eintönig, gelegentlich tauchen Kohlekraftwerke am Horizont auf. Der Schnee wird weniger, aber es wird immer kälter. Die Gewässer sind dick zugefroren und alle Bäume vollständig kahl.

„This train is delayed by one hour 27 minutes due to bad weather. Thank you for your patience.“ Mit +95 sind wir in Peking. Merke: Gegen die vier Feinde der Bahn und 5 cm Schnee ist nicht nur die S-Bahn München machtlos, sondern auch der chinesische Prestigezug.

Auch ohne die Luftqualität online zu checken, wissen wir sofort nach dem Aussteigen, dass sie miserabel ist. Die Sicht ist schlecht und es stinkt regelrecht. Und es ist kalt, sehr kalt. Hastig nutzen die Raucher die Gelegenheit, endlich wieder ihrer Sucht nachgehen zu können. Bei der Luftverschmutzung macht das wahrscheinlich auch keinen großen Unterschied mehr…

Ab in die warme U-Bahn. Das Pekinger Netz ist mit 599 km weltweit auf Platz 2. Wirft man einen Blick auf den Netzplan, fällt der Unterschied zur Netzgestaltung in Shanghai sofort ins Auge.
http://bjsubway.com/en/subwaymap/station_map.html
Die erste U-Bahn fuhr im ältesten chinesischen Netz im Jahr 1969. Aus dieser Zeit stammt auch weitgehend die Planung für das Netz, welches sich stark am Straßenlayout orientiert. Durch die hohe Zahl an Ring-, Halbring-, Tangenten- und Zubringerlinien sowie die rasterförmige Anordnung der Durchmesserlinien sind häufige Umsteigvorgänge erforderlich. Aufgrund der langen Umsteigewege gibt es kaum Relationen, auf denen sich die Nutzung der Linie 2 lohnen würde. Während es zahlreiche überlastete Streckenabschnitte gibt, habe ich die Linie 2 auf unseren wenigen Fahrten immer ziemlich leer erlebt.

Schaut man auf den ambitionierten Plan für 2020, wird die Netzgestaltung noch deutlicher.
http://mmbiz.qpic.cn/mmbiz/1C4sTBDoC7s4ic0...RCfKhAlZHaKPA/0
Dass die Linie 8 zukünftig in der Innenstadt in einem Bogen nach Osten geführt wird, dürfte an der darüberliegenden Verbotenen Stadt liegen. Vermutlich möchte man eine Diskussion wie um 1970 vermeiden. Beim ersten Bauabschnitt musste für den Bau des südlichen Teils der heutigen Linie 2 die alte Stadtmauer zu einem großen Teil weichen.

Das genaue Halten an den Bahnsteigtüren klappt in Peking längst nicht so reibungslos wie in Shanghai. Immer wieder muss der Zug nach dem Halten nochmal einen Meter vorgezogen werden.

Wir laufen einen halben Kilometer durch eine überfüllte Fußgängerzone in den Hutongs. Eigentlich handelt es sich dabei um ein historisches Viertel. Die Häuser sind flach und erinnern an Bungalows. Doch alt ist auch hier nichts daran, denn es handelt sich mal wieder um ein komplett neu errichtetes „Altstadtviertel.“ Einerseits ist das natürlich nicht authentisch, andererseits erhöht es unsere Chance auf ein warmes Zimmer.
Kein Ausstattungsmerkmal unseres Hostels ist uns so wichtig wie die Heizung. Wir haben zu unserem großen Glück ein warmes Zimmer erwischt, obwohl es auch hier kräftig am einfach verglasten Fenster hereinzieht.
Nach dem Abendessen kundschaften wir den empfohlenen Ort zur Kamerareparatur aus, doch der ist schon geschlossen. Morgen also ein neuer Versuch.
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Beitrag von Entenfang »

Tag 5 Peking

Hurra, mein Jetlag ist weg! Als wäre nichts gewesen, ist auch der Smog verschwunden und die Sonne scheint. Aber es ist und bleibt sehr kalt, als Höchstwert sind heute -8° zu erwarten.
Mit der U-Bahn fahren wir erneut zum Elektroladen. Es handelt sich um ein ganzes Einkaufszentrum voller Elektrogeräteladen aller erdenklichen Hersteller. Auf Nachfrage im erstbesten Laden werden wir in den 1. Stock geführt, wo es eine Kamerareparatur gibt. Nach einem kurzen Blick erklärt der Geschäftsführer, dass er das richten kann. So weit, so gut. Und was kostet der Spaß? 300 Yuan für die Arbeit und 95 für das Ersatzteil. Seufz, als insgesamt über 50€. Aber welche Wahl habe ich? Immerhin verspricht er, dass ich meine Kamera in vier Stunden abholen kann und der Laden noch bis 19 Uhr geöffnet ist, selbstverständlich auch am heutigen Sonntag.

Wir starten zur Verbotenen Stadt. Mit dem ziemlich vollen und unbeheizten Bus 120 fahren wir durch die wahnsinnig breiten Straßen Pekings, für die in den 1960er Jahren Häuser und Teile der historischen Stadtmauer abgerissen wurden. Eine knappe halbe Stunde später erreichen wir den Tiananmen-Platz, eine endlose betonierte Fläche.
Heute muss ich euch leider mit Handyfotos quälen…
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Die wichtigsten politischen Gebäude befinden sich ebenfalls hier. Ein ungewöhnlicher Bus fährt mir dabei vor die Linse.
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Nach einer sinnlosen Sicherheitskontrolle erreichen wir den Eingang. Das Tor des Himmlischen Friedens wird durch das Abbild Maos geschmückt.
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Der eisige Wind streicht über die riesige Fläche. Täglich werden maximal 80.000 Eintrittskarten verkauft, doch da wir in der absoluten Nebensaison unterwegs sind, stellt das kein Problem dar. Das Ticketbüro zu finden, ist nicht gerade einfach und wir fragen in einem Souvenirshop nach. Der Tipp, es mal in dem roten Gebäude – ja, genau dem – zu versuchen, ist bei dem Anblick natürlich wenig hilfreich.
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Irgendwann werden wir fündig und betreten die Verbotene Stadt nach einer weiteren Sicherheitskontrolle, die genauso sinnlos wie die erste ist.
Seit der Fertigstellung 1420 bis 1924 lebte die kaiserliche Familie der Ming- und Qing-Dynastien im über 72 Hektar großen Gebäudekomplex. Weil normale Bürger keinen Zutritt hatten, wurde er „Verbotene Stadt“ genannt. Insgesamt war es der Sitz von 24 Kaisern.

Ein 52 Meter breiter Graben führt nebst einer etwa 3,5 km langen Mauer um das Gelände, in dem sich 890 Gebäude mit über 8700 Räumen befinden. Da kann Ludwig II. mit seinen paar läppischen Schlössern nicht mithalten…
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Die Verbotene Stadt liegt auf einer Anhöhe. Während des Kaiserreichs durfte kein Gebäude Pekings höher sein. Heute gilt das freilich nicht mehr.
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Über Marmortreppen geht es hoch zur Halle der Höchsten Harmonie.
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Auch wenn die Maximalbesucherzahl heute bestimmt nicht ausgeschöpft ist, kann keine Rede von wenig Besuchern sein.

In der Halle der Höchsten Harmonie befindet sich der prunkvolle Thron.
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Wichtige Gebäude werden durch Löwenpaare bewacht.
Der Löwe mit dem Globus unter der Pranke symbolisiert die Macht des Kaisers…
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…die Löwin mit der Pranke auf dem Löwenbaby steht für die Fruchtbarkeit des kaiserlichen Hofs.
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Beitrag von Entenfang »

Zum Aufwärmen bieten sich die zahlreichen Souvenirshops an, in denen meistens zwei große Klimageräte auf 30°C laufen. Da erreicht man selbst bei mäßiger Isolierung mollig warme Temperaturen und kann die Finger auftauen.
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Auch die kleinen Ausstellungsräume sind gut nachgefragt und unzählige Chinesen schieben sich herum. Unser großer Vorteil als Europäer ist die Körpergröße, die es uns ermöglicht, ganz entspannt über die drängelnde Masse drüberzuschauen.

Aufwendige Brandschutzvorkehrungen gab es schon vor Jahrhunderten. Mehr als 300 Wasserbehälter aus Messing oder Bronze sind auf dem Gelände verteilt. Einer wiegt (ohne Wasser) zwei bis drei Tonnen. Einfallende Soldaten haben die Goldschicht von den Gefäßen abgekratzt. Damit das Wasser im Winter nicht einfriert, wurden die Behälter in Decken eingewickelt oder sogar mit Feuer aufgeheizt.
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Es gibt unzählige Details zu bestaunen, wie beispielsweise die Dachfiguren. Je mehr, desto wichtiger das Gebäude. Die Dachziegel zeichnen sich durch ihre große Härte und Widerstandsfähigkeit gegenüber den hohen Temperaturschwankungen zwischen Sommer und Winter aus. Sie wurden extra aus Suzhou auf dem Wasserweg nach Peking transportiert und sind mit einem speziellen Öl eingelassen, welches ihnen Farbe und Glanz verleiht.
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Kleiner Durchgang im westlichen Palast – man beachte die geringe Zahl der Figuren auf dem Dach.
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Schattenspiel
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Kleine Pause gefällig?
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Allmählich knurren unsere Mägen und wir suchen ein Café auf. Dort gibt es ausverkauftes Schinken-Käse-Sandwich. Stattdessen gibt es eine heiße Schokolade für 4€ sowie die Salzbrezel-Brösel vom Hinflug und einen Müsliriegel. Irgendwie ist es höchst unzufriedenstellend, dass nach dem spärlichen Frühstück nun auch noch das Mittagessen ausfällt.

Endlich mal ein vernünftiges Verbot.
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Kurz nach vier werden alle Besucher zum Ausgang gescheucht, denn um 16:30 Uhr ist Feierabend. Wäre es nicht so verdammt kalt, hätte ich gerne noch mehr Zeit hier verbracht. Blick zum Jingshan-Park mit Aussichtsturm, zu dessen Besuch wir aber zu müde und zu durchgefroren sind.
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In den ersten Bus quetschen sich die Leute rein, bis der Innenraum formschlüssig gefüllt ist. Der nächste steckt hundert Meter vor der Haltestelle im Hupkonzert fest. Wir bekommen einen Sitzplatz und lassen uns im Schritttempo durch den Stau kutschieren. Egal, es ist warm und wir können ruhen, was will man mehr für 0,13€?

Bei der Abholung der Kamera gibt es eine böse Überraschung. Sie funktioniert zwar wieder, aber der Preis für das Ersatzteil beträgt nicht 95, sondern 950 Yuan. Damit bin ich 160€ los und kann gleich wieder zur Bank.

Warum zu Fuß gehen in Peking keinen Spaß macht:
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Eine der unzähligen kleinen Läden
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Das moderne Peking
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Wenn man Glück hat, sehen Radwege so aus:
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Zeit fürs Abendessen, wir fahren Bus. Wie auch in Shanghai sind alle Busse begleitet, aber man wirft sein Geld selbstständig in die Zahlbox beim Fahrer bzw. hält seine Chipkarte an den Leser. Letzteres kostet mit 1 Yuan nur halb so viel.
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Stellt euch ein maximal klischeehaftes chinesisches Restaurant vor.



STOP!



Nicht weiterscrollen.







Bild vor Augen? Dann bitte vorrücken:


Sieht das Bild vielleicht so aus?
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Ich habe immer gedacht, rote Lampions sind nur ein Merkmal billiger chinesischer Restaurants in Deutschland – und wurde eines Besseren belehrt.
Das Essen ist übrigens hervorragend. Wir haben dank der bisher spärlichen Kost einen Bärenhunger und bestellen schon mal vor, ehe weitere Bekannte dazustoßen.

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Los geht es – von links nach rechts mit einem süßen und sehr leckeren Reiskuchen in Fischform (na gut, zum Zeitpunkt des Fotos war die Fischform leider schon unserem Hunger zum Opfer gefallen), dem Klassiker gebratene Aubergine, gebratene Nudeln mit Hackfleisch und Frühlingszwiebeln und zu guter Letzt Bratkartoffeln mit viel Chili. So viele Kartoffeln haben wir während der ganzen Reise nicht wieder gegessen.

Als der Rest auftaucht, ist von den Kartoffeln fast nur noch der Chili übrig. Dafür gibt es dann noch reichlich Teigtaschen, die ich ebenfalls sehr lecker finde.
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Als Anschlussprogramm zum Essen ist KTV vorgesehen. Alex meint, KTV wäre ein absolutes Muss, wenn man in China ist. Das Prinzip ist ziemlich einfach: Man mietet sich ein Zimmer zusammen mit Freunden und singt. Größere Mengen Alkohol tragen meistens dazu bei, dass die Hemmschwelle sinkt. Aber da es schon nach 23 Uhr ist und wir morgen früher aufstehen wollen, beschließe ich dennoch, darauf zu verzichten, mit der letzten U-Bahn eine Haltestelle zu fahren und noch einen längeren Spaziergang durch die nächtlichen Hutongs zu unserem Hostel dranzuhängen, da weder der Bus noch die Umsteigeverbindung der U-Bahn jetzt noch fahren.

Die lang anhaltende winterliche Kälte macht sich an den Gewässern deutlich bemerkbar.
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Nichts Böses ahnend, möchte ich mir eine Einrückfahrt der Ringlinie zunutze machen, welche nur noch drei Stationen weit fährt. Doch die sechs Mädels der Security-Spätschicht halten mich am Eingang auf. Ich schaue sie fragend an. Sie fangen an zu kichern und schauen sich gegenseitig ratlos an. Keine spricht auch nur ein Wort Englisch. Dazu sei noch angemerkt, dass Chinesinnen Europäer im Allgemeinen äußerst attraktiv finden.
Sie kichern weiter und wollen mich nicht durchlassen. Gott sei Dank habe ich ein paar Minuten Puffer bis zur Abfahrt der letzten U-Bahn eingeplant… In meiner Not ziehe ich den Netzplan heraus und deute auf die nächste Haltestelle. „Andingmen?“ Ich nicke. Sie ruft ihren Kolleginnen den Bahnhofsnamen zu. Offensichtlich wissen die aber auch nicht, ob dort noch ein Zug hinfährt oder sie sind zu sehr von meinem Anblick verzaubert. Jedenfalls wird dann der Stationsvorsteher gefragt und der bestätigt, dass noch ein Zug fährt. Das Mädel winkt mich durch und bedeutet mir, mich zu beeilen. Niemand besteht darauf, meinen Rucksack zu durchleuchten und so kann ich einmal einen U-Bahnhof ganz für mich (also nur mit dem ganzen Wachpersonal) erleben. Und jede Wette, ich war das Highlight der heutigen Spätschicht…
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Wenige Minuten später rollt der letzte und ziemlich leere Zug an den Bahnsteig.
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Abgesehen vom weitergewanderten Punkt auf dem Linienplan sieht der nächste Bahnhof exakt gleich aus.
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Beitrag von Entenfang »

Tag 6 Peking

Als um 8:00 Uhr der Wecker klingelt, sind wir beide nicht besonders motiviert, die Wärme des Betts zu verlassen.
„Du, es ist schon 8:20 Uhr. Wollen wir nicht mal langsam aufstehen?“, höre ich Alex fragen.
Wir bleiben liegen.

Dafür genießen wir zu später Stunde ein westliches Frühstück aus Toast, Speck, Ei und Wassermelone. Während Alex seine leichte Erkältung auskuriert, gönne ich mir einen Fuzzi-Vormittag. Ehe ich losfahren kann, muss ich noch Guthaben auf meine Karte nachladen. Mit einer aufgeschriebenen „40“ in Kombination mit einem 100-Yuan-Schein klappt das ganz ohne Chinesischkenntnisse.

Obwohl die U-Bahnlinien 6 und 8 an der Station Nanluoguxiang nahezu parallel verlaufen, ist der Umsteigweg ziemlich lange. Bahnsteiggleiches Umsteigen wie am Scheidplatz ist in China nicht vorgesehen. Ich vermute, dass hinter den langen Wegen auch die Absicht steckt, Fahrgastströme zu entzerren.
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Nervig sind vor allem zwei Dinge. Erstens die schrecklich rutschigen Fliesen, sodass ich hier im gezeigten Tunnel immer auf dem Blindenleitstreifen gelaufen bin. Zweitens das Gehtempo der Chinesen, welches gefühlt nicht einmal ein Drittel des deutschen Wertes beträgt. Dementsprechend dauern die Umstiege noch länger, denn so leer wie auf dem Bild ist es nur selten.

Smartphonegerecht sind Umsteigewege auch auf dem Boden beschildert.
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Stationsübersichts- und Umgebungspläne sorgen für eine gute Orientierung. Die durch Buchstaben und ihrer Himmelsrichtung benannten Ausgänge ersparen das Einprägen von chinesischen Straßennamen.
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Auch in Peking gibt es das gewohnte Linienband in den Zügen.
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Blick von einer der zahlreichen Fußgängerbrücken über die breiten Boulevards des modernen Peking
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Rechts im Bild ist übrigens kein „echter“ Stau zu sehen – das sind lediglich die Fahrzeuge, die sich an der roten Ampel der im Hintergrund sichtbaren Kreuzung während einer (!) Rotphase gestaut haben. Das ist auch nicht weiter verwunderlich, denn die LSA-Umlaufzeit beträgt hier satte 300 Sekunden! Für den dichten Busverkehr ohne Vorrangschaltung ist das natürlich eine Katastrophe und die Fahrzeuge kommen sehr unregelmäßig und pulkweise.
Abgetrennt von der Hauptfahrbahn sind Grundstückszufahrten, Parkmöglichkeiten sowie der Fahrrad- und Mofaweg.

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Blick in Gegenrichtung. Während der HVZ ist der rechts Fahrstreifen dem Busverkehr vorbehalten. In Peking ist Stau ein weitaus größeres Problem als in Shanghai – Alex hat von Bekannten berichtet, die mit dem Taxi über eine Stunde gestanden haben.
Die meisten modernen Obusse und Batteriebusse sind vom Hersteller Foton. Daimler ist mit 50% an der Firma beteiligt.

Hier der Seitenstreifen mit Bushaltestelle im Detail
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Auch in Peking sind die Haltestellenanzeigen und -ansagen in den neueren Fahrzeugen auf Englisch, die Haltestellenaushänge dagegen nicht.
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Interessante dieselbetriebene Doppeldecker entdecke ich auf dem 139er.
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Mein Hauptziel ist der BRT 2. Ich habe die Linie gestern nur aus dem Augenwinkel gesichtet. Es handelt sich um keinen „echten“ BRT, weil die Linie nicht durchgängig auf abgetrennter Busspur verkehrt und ebenfalls keine LSA-Bevorrechtigung erhält. Dementsprechend ist die höhere Reisegeschwindigkeit vor allem auf den Zustieg an vier Türen sowie die größeren Haltestellenabstände zurückzuführen. Besonders attraktiv scheint die Linie nicht zu sein, denn während meines Testvormittags sind die Fahrzeuge alle ziemlich leer.

Ein Fahrzeug fährt mir vor dem Dongyue-Tempel vor die Linse. Jetzt muss ich nur noch die richtige Haltestelle finden…
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Obwohl die Linie durchgängig elektrifiziert ist, ist das Fahrzeug im Batteriebetrieb unterwegs.
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Beitrag von Entenfang »

Nach längerer Suche entdecke ich schließlich eine Zugangsstelle.
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Diese bestehen alle aus einem Seitenbahnsteig mit Fahrkartenverkauf und einem Wachmann. Die Chipkarte wird bereits beim Betreten des Bahnsteigs entwertet. Die Länge der Bahnsteige gestattet den Halt von drei Gelenkern gleichzeitig, obwohl dieses Ereignis aufgrund des verglichen mit den anderen Buslinien eher dünnem Takt zumindest derzeit äußerst unwahrscheinlich erscheint. Hier wird wieder einmal deutlich, dass Verkehrssysteme in China nicht auf den letzten Cent optimiert werden müssen, um den NKF über 1,0 zu hieven, sondern Luft für die zukünftige Entwicklung lassen.

Eher zufällig lande ich am World Financial Center, das durch die ungewöhnliche Form auffällt.
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Die obligatorische Shopping Mall inmitten moderner Hochhäuser
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BRT auf eigener Busspur
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Nicht nur die langen LSA-Umlaufzeiten (an dieser eher kleinen Kreuzung immer noch 180 s) bremsen den Bus aus, sondern auch die ungeduldigen Linksabbieger, die bei Rot schon mal in die Kreuzung fahren und die Busspur blockieren.
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Die Doppeldecker-Batteriebusse besitzen keinen Stromabnehmer und können im Gegensatz zu vielen Solobussen nicht als Obus eingesetzt werden.
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Zahlreiche Obusse sind mit eingefahrenem Stromabnehmer im Batteriebetrieb auf nicht elektrifizierten Strecken unterwegs. Ich muss dabei an einem Vortrag bei den Prager Verkehrsbetrieben denken, die uns ihre Anforderungen an einen Batteriebus wie folgt erläutert haben:

• Lokal völlig emissionsfrei -> Elektrische Heizung
• Fahrgastkapazität wie ein Dieselbus
• Reichweite 250 km
• Verfügbarkeit 4:30 – 0:30; Nachtladung darf nicht länger als 4h dauern
• Schnellladung während der Wendezeit an der Endstation möglich

Dabei hieß es ausdrücklich, dass bisher nur chinesische Hersteller diese Anforderungen weitgehend erfüllen. Der einzige Haken: Diese Fahrzeuge müssten nach einem Einsatztag 24h geladen werden.
Daher kommt mir der Gedanke in den Sinn, ob in Peking möglicherweise Obusse tageweise abwechselnd auf einer nicht elektrifizierten Linie im Batteriebetrieb und eine Obuslinie mit ausgefahrenem Stromabnehmer eingesetzt werden. Damit ließen sich zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen – es können doppelt so viele Linien elektrisch betrieben werden, als das Oberleitungsnetz groß ist und die Fahrzeuge müssten nicht 24h zum Laden nutzlos auf dem Betriebshof herumstehen, wenn sie während des Betriebstags als Obus aufgeladen werden könnten. Außerdem stellt sich dann weniger das Problem, einen derart leistungsfähigen Stromanschluss auf dem Betriebshof bereitzustellen, um eine ganze Busflotte gleichzeitig zu laden.

Leider konnte ich meine These nicht verifizieren - der obige Absatz bleibt folglich reine Spekulation meinerseits.

Elektrobus im Detail
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Anschließend setze ich mich auf gut Glück in den 139er, auf dem ich zuvor die Doppeldecker entdeckt habe. Hmm, wohin fährt der bloß?
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Bus im Anmarsch
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Beitrag von Entenfang »

Der Doppeldecker weist eine sehr ungewohnte Treppenkonstruktion…
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…sowie Bestuhlung auf.
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Ein Chinese steigt mit seiner Tochter zu und setzt sich neben mich in die erste Reihe, weil sie ebenfalls rausschauen will. Er sieht so aus, als ob er ein paar Worte Englisch sprechen könnte und ich deute auf den ausgebreiteten Stadtplan vor mir. Der Mann zeigt in die Richtung, die der Bus an der nächsten Kreuzung nehmen wird. Grmpf, es ist die völlig falsche Richtung, aber schon zu spät, um noch auszusteigen. Damit wird sich das Mittagessen leider etwas verzögern…

So führt die Reise durch zähflüssigen Verkehr auf der Ringstraße nach Süden.
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Ich steige in der Nähe eines U-Bahnhofs aus, nur leider finde ich keinen Zugang.
Auf der Suche zwischen Fußgängerbrücken und Schnellstraßenzufahrten entstehen ein paar Bilder.
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Das Gebäude rechts sieht zwar aus wie ein Regierungsgebäude, ist aber ein Hotel.

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In diesem schlichten Gebäude sitzt der oberste Gerichtshof.

Ich laufe und laufe und entdecke schließlich ein Schild, welches zum nächsten Metroeingang zeigt, der in 400 m Entfernung liegt. So habe ich mir das nicht vorgestellt…
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Die Anzahl der Polizisten nimmt stetig zu und nach ein paar Minuten stehe ich vor dem Bahnhofsgebäude.
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Hurra, endlich ist der U-Bahnzugang gefunden (unten rechts)!
Grmpf, ist nur Ausgang.

Blick von der Fußgängerbrücke zurück zum bereits gezeigten Hotel. Links ein paar Regionalbusse.
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Während ich das hübsche Bahnhofsgebäude (endlich mal kein Beton-Glas-Zweckbau) zwischen hunderten patrouillierenden Polizisten und tausenden Überwachungskameras begutachte, rechne ich fest damit, dass mir bald jemand unmissverständlich verdeutlicht, was er von der Idee des Fotografierens an dieser Stelle hält.
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Doch das Erstaunliche: Nichts dergleichen passiert.

Endlich finde ich den Eingang. Dieser U-Bahnhof ist wirklich auf sehr große Menschenmengen ausgelegt. Wieder einmal wird deutlich, welch gute Organisation hinter dem öffentlichen Verkehrssystem in China steckt.
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Das Mittagessen nehmen wir in einem eher günstigen Imbiss ein, der dennoch überzeugt.
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Beitrag von Entenfang »

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Kurzer Besuch in einem Laden voller Süßigkeiten, die geschmacklich trotz der vielen bunten Farben nicht so abwechslungsreich sind, wie sie aussehen. Ein Großteil davon besteht aus vielen Nüssen und ist sehr süß.
Den Rest-Nachmittag verbringen wir mit Siedler von Catan.


Zum Abendessen steht Hotpot auf dem Plan. Wir nehmen den Obus.

Aufgrund der sehr kurzen Haltezeiten empfiehlt es sich sehr, an der korrekten Halteposition bereitzustehen, sonst sind die Türen nach fünf Sekunden wieder zu und der Bus weg…
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Ein Neoplan in den Hutongs, rechts ein aussichtsloser Versuch, kaputte Ofos abzutransportieren.
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Die St.-Joseph-Kirche, eine von vier in Peking.
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Hotpot ist ein wahrhaft spektakuläres Essen und das Restaurant rappelvoll, obwohl es für deutsche Verhältnisse riesig ist und gefühlt das halbe Stockwerk der Shopping Mall einnimmt. Es ist auf jeden Fall in meinen Top 3 der leckersten kulinarischen Eindrücke unserer Reise.
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Wie funktioniert das Ganze?
Der große Suppentopf in der Mitte wird von unten beheizt. Wir haben uns für zwei unterschiedliche Suppen entschieden, links Tomatensuppe und rechts eine scharfe Variante.
Dazu bestellt man nach Herzenslust (und aus Alex Erfahrung immer zu viele) Zutaten, die roh serviert werden. Diese schmeißt man nach und nach in die kochende Suppe, um sie zu garen und fischt sie irgendwann mit den eigenen Stäbchen wieder heraus.
Der Schinken würde sich durchaus auch zum Rohverzehr eignen – in China wird aber generell nichts roh gegessen, weil das als ungesund gilt und einfach nicht üblich ist. Möchte man einen Chinesen richtig schocken, schnappt man sich einen Schinken und befördert ihn direkt in den Mund.

Ganz oben sind Glasnudeln zu sehen, rechts oben (das weiße, das aussieht wie Feta) ist Tofu, unten Wachteleier. Und für euch das Rätsel*, um was es sich bei den dunkelbraunen Würfeln links im Bild handelt – hier nochmal in Groß:
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* Muffo ist von der Teilnahme am Gewinnspiel ausgeschlossen.


Wir haben eine supernette Bedienung erwischt, die Frau hat sichtlich Freude daran, die drei Europäer und zwei Chinesinnen zu bedienen. Die beiden Chinesinnen sind allerdings in Deutschland geboren und aufgewachsen und eine der beiden spricht kaum Chinesisch – eine sehr sonderbare Erfahrung für die Bedienung.
Überhaupt besteht in China die ernsthafte Gefahr, sehr eitel zu werden. An den Eingängen zu den Malls hält immer jemand die Türe auf (Schiebetüren sind weitgehend unbekannt), die Mädels laufen hinterher, um ein Selfie zu bekommen und die Bedienung schält sogar das Obst und fischt gelegentlich die Zutaten aus der Suppe, um sie in unsere Reisschälchen zu verteilen.

Nachdem wir die Frau gebeten haben, ein Foto von uns allen zu machen, bittet sie uns darum, auch ein Bild machen zu dürfen.

Nach einem langen Abend bringt uns ein Taxi durch die ausgestorbenen nächtlichen Straßen zurück zum Hostel.
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Beitrag von Lobedan »

Entenfang @ 22 Jun 2018, 13:33 hat geschrieben:Stellt euch ein maximal klischeehaftes chinesisches Restaurant vor.

Sieht das Bild vielleicht so aus?
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Ich habe immer gedacht, rote Lampions sind nur ein Merkmal billiger chinesischer Restaurants in Deutschland – und wurde eines Besseren belehrt.
Soll heißen, viele Restaurants sahen so aus? Oder nur die in bester touristischer Lage?
Entenfang @ 23 Jun 2018, 14:03 hat geschrieben:Bild
Das Gebäude rechts sieht zwar aus wie ein Regierungsgebäude, ist aber ein Hotel.
Das in dieser Form auch als Kasino-Hotel in Las Vegas stehen könnte. Also auch hier die Frage: Baut China das nach, was die westliche Welt dort klischeehaft sehen will oder hat der Westen echtes China nachempfunden?
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Beitrag von Entenfang »

Lobedan @ 24 Jun 2018, 10:46 hat geschrieben:Soll heißen, viele Restaurants sahen so aus? Oder nur die in bester touristischer Lage?
Nicht alle, aber einige und nicht nur in touristischer (und damit ist stets Inlandstourismus gemeint, Ausländer haben ganz anders als bei uns einen verschwindend geringen Anteil) Lage sehen tatsächlich so aus.
Das in dieser Form auch als Kasino-Hotel in Las Vegas stehen könnte. Also auch hier die Frage: Baut China das nach, was die westliche Welt dort klischeehaft sehen will oder hat der Westen echtes China nachempfunden?
In dem Fall würde ich ganz klar sagen: Letzteres.

Was nicht heißt, dass die Chinesen das Spielchen nicht auch umgekehrt treiben können...

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Es ist ein ganz normaler Sonntagnachmittag, als ich den Münchner Hbf erreiche. Der ICE 1726 nach Berlin wird gerade bereitgestellt. Eine Gruppe von zehn Chinesen unterschiedlichen Alters zwischen 20 und 60 wartet am Bahnsteig. Der Zug hält, eine Tür kommt direkt vor ihnen zum Stehen. Sie reden aufgeregt durcheinander und deuten wild fuchtelnd in alle möglichen Richtungen.
Ich öffne mal die Tür und sie strömen direkt hinter mir in den Wagen. Immer noch lautstark herumplärrend werden riesige Koffer hin- und hergeschoben. Einer wird vorübergehend auf einem Tisch platziert, dessen Plätze sie reserviert haben. Zwei kleine Koffer verstauen sie auf der Über-Kopf-Ablage, zwei große Koffer passen zwischen die Schiebetür und die erste Sitzreihe. Bleiben noch drei übrig und allmählich wollen andere Fahrgäste durch. Sie versuchen, zwei Koffer übereinander zu stapeln, was jedoch misslingt. Hmm, vielleicht im Vorraum an der Tür?
Sie überlegen es sich anders und die Koffer werden ordnungsgemäß am anderen Wagenende verstaut. Immerhin kommt keiner von ihnen auf die Idee, den Gang zu blockieren.
Und für das perfekte Klischee tragen alle Jogginghosen und starren werden der Fahrt unentwegt in ihre iPhones. Ich fühle mich ein paar Monate zurückversetzt…

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Tag 7 Chinesische Mauer

Auflösung von gestern: Die braunen Würfel sind gestocktes Lammblut. Es schmeckt nicht besonders intensiv und macht wenig Freude, will man es mit Stäbchen essen, weil es sehr glitschig ist. Drückt man zu fest, zerteilt man es in der Mitte.


Aber heute gibt es keine Ausrede – als der Wecker um 8:00 Uhr klingelt, stehen wir auch auf.
Wie geplant starten wir nach dem Frühstück um 9:00 Uhr mit der Obuslinie 107 zum Verkehrsknoten Dongzhimen.
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Bevor ein 107er auftaucht, fahren natürlich erst alle anderen Linien, manche sogar mehrfach, vorbei. So schlimm finde ich das wiederum nicht, denn so bekomme ich die seltene Gelegenheit, einen Gelenker abzulichten.
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Der Verkehr ist nicht allzu schlimm und gegen halb zehn erreichen wir den Regionalbusbahnhof. Wir erwischen den Seiteneingang und erleben Tiefgaragenatmosphäre vom Feinsten.
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Das ändert sich auch nicht, als wir den richtigen Bussteig finden. Man beachte die mögliche Länge der Warteschlange!
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Kurz nach unserer Ankunft ist bereits ein 916er abgefahren, sodass er wohl mindestens alle 10 Min. fährt. Obwohl schon einige Fahrgäste anstehen, kommen wir problemlos in den nächsten Bus rein. Es dürfen übrigens nur so viele Fahrgäste zusteigen, dass noch einige Sitzplätze freibleiben. Auf diese Weise wird sichergestellt, dass auch Zusteiger an späteren Haltestellen noch einsteigen können.
3+2-Bestuhlung habe ich noch nie in einem Bus gesehen.
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Wie immer läuft nebenher der Fernseher. Es entbehrt nicht einer gewissen Ironie, das Chinas wichtigster Fernsehsender CCTV heißt. :D

Durch zähflüssigen Verkehr geht es Richtung Nordosten.
Elektrische Paketlieferwägen
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Auf der Autobahn geht es zügiger voran. Wie viele Menschen in dieser Stadt leben, wird deutlich, wenn man bedenkt, dass die ersten 10 Kilometer beim Blick aus dem Fenster so aussehen:
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In der Mitte zwischen den beiden Richtungsfahrbahnen (nicht hier im Bild) fährt übrigens die Metrolinie 13 – da eröffnet sich bestimmt das eine oder andere Fotomotiv.

In Anbetracht der immer noch tiefen Minusgrade sind wir sehr warm angezogen und bald trotz aller Versuche, zumindest ein paar Schichten abzulegen, völlig durchgeschwitzt. Unsere Sitzplätze sind direkt an der Heizung, die auf Grillstufe läuft.
Wären da nicht die hart gefrorenen Gewässer, könnte es sich auch um einen angenehmen Frühlingstag handeln…

In Huairou verlassen wir die Autobahn und der Busbegleiter kommt zu uns. „Where are you going?“ Mutianyu.
Laut App müssen wir ein paar Haltestellen später in den Bus H18 umsteigen, der allerdings mit irgendeinem Ausrufezeichen versehen ist. Im Reiseführer steht, dass die Linie im Winter nicht fährt.
Wir deuten auf den Hinweis in der App. Der Busbegleiter kann uns auch nicht weiterhelfen und fordert uns auf, an der nächsten Haltestelle auszusteigen. Eigentlich wollen wir das aber noch gar nicht, denn der Alternativplan mangels H18 sieht vor, an der Sammeltaxistelle auszusteigen und die Weiterfahrt auf diese Weise anzugehen. Der Busbegleiter meint jedoch nachdrücklich, wir müssten hier aussteigen und nach einer kurzen Diskussion geben wir nach. Zwei Chinesinnen hat er auch zum Aussteigen aufgefordert.

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Kaum ist der Bus abgefahren, bemerken wir unseren Fehler, denn wir werden direkt zu einem Taxifahrer weitergeleitet, welcher uns für „nur“ 100 Yuan an die Mauer fahren kann. Laut Reiseführer kostet die Fahrt 20 pro Person. Auch die beiden Chinesinnen sind vom Lockangebot des falschen Busbegleiters gar nicht begeistert. Trotz entsprechender Uniform ist er gar kein echter und spätestens bei den Englischkenntnissen hätten wir stutzig werden müssen. Alex handelt den Preis auf 15 p.P. runter und zusammen mit den Chinesinnen steigen wir ein.
Der Fahrer ist absolut nicht begeistert, uns für 4€ mehr als 20 km weit zu kutschieren. Ob wir denn wüssten, dass 15 p.P. sehr wenig sei? Aber auf solche Diskussionen lassen wir uns gar nicht erst ein, nachdem wir so hinterlistig aus dem Bus gelockt wurden.

An der Kasse kaufen wir Eintrittskarten.
Mist, hätte ich doch mehr Wasser mitgenommen. Der halbe Liter in der Thermoskanne ist fast aufgebraucht.
Die übliche Souvenirmeile samt der üblichen westlichen Fastfoodläden muss zwangsläufig überwunden werden, um zum Shuttlebus zur Mauer zu gelangen.
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In einem der Läden kaufe ich einen halben Liter Wasser. Die Flasche im Kühlschrank ist wärmer als die draußen gelagerte. Uff, 10 Yuan, ganz schön happig. Einen Laden weiter hätte es nur 3 gekostet…

Der im Eintrittspreis inbegriffene Shuttlebus bringt uns in die Nähe des Aufstiegs. Für 15€ könnte man auch die Seilbahn nehmen, aber so lange ist der Weg nicht und wir gehen zu Fuß.

Chinesen sind im Allgemeinen unglaublich lauffaul – wem die 300 m ansteigenden Weges bis zur Talstation der Seilbahn zu anstrengend sind, kann sich auch ziehen lassen.
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