Hot Doc @ 5 Aug 2018, 13:26 hat geschrieben:Es wird Strecken geben, auf denen sich der Draht nicht lohnt.
Nein, vielmehr dürfte es eine kritische Masse an elektrifizierten Strecken geben, wo sich dann irgendwann nicht mehr lohnt, die anderen nicht zu elektrifizieren und Dieselinseln zu belassen. Den Güterverkehr und Touristikbahnen jetzt mal ausgenommen. Dadurch dass man immer mehr Strecken elektrifiziert, wird es immer öfter die Situation geben, dass das wegen vorhandener Durchläufe oder der Bildung von Netzen wieder Auswirkungen auf andere Strecken hat. Die Elektrifizierung der Oberlandstrecken steht ja u.a. auch deswegen im Raum, weil München - Holzkirchen (- Rosenheim) schon elektrisch gefahren werden kann und man so unter Draht dieselt bzw. die BOB mit dem Meridian sowohl ET wie VT unterhält. In früheren Zeiten kamen Elektrifizierungen zu Stande, weil man gewisse Bw aus Kostengründen auf E-Betrieb umgestellt hat. So hat man im Einzugsbereich des Bw Ingolstadt (Donau-Wasserkraft!) alles elektrifiziert, was nicht auf der Abschussliste stand (Nebenbahnen Rennertshofen, Altmannstein, Geisenfeld, Mainburg sowie die Paartalbahn!), sodass man die parallele Unterhaltung u.a. von V100 ab den 70ern sparen konnte, während man in Mühldorf gar nichts elektrifiziert hat, sondern reinen Dieselbetrieb veranstaltet. Einzeln betrachtet wäre es sonst nicht schlüssig, warum Ingolstadt - Donauwörth elektrifiziert wurde, aber z.B. Landshut - Mühldorf nicht. Im bayerischen Donautal würde sich keiner wundern, wenn der Bahnbetrieb so aussähe wie im baden-württembergischen Teil.
Der Wasserstoff-LINT scheint in der Tat recht schwachbrüstig zu sein. Die Dauerleistung der Brennstoffzelle ist recht gering, zum Anfahen braucht der den Energievorrat aus dem Akku. Längere Bergfahrten oder häufiges Anfahren dürfte der iLINT also nicht mögen. Der ist in Niedersachsen besser aufgehoben. Ähnliches galt auch für die ETA zu Bundesbahnzeiten. Die waren nicht zufällig weitgehend auf Flachlandstrecken im Bummelverkehr unterwegs. Für die BOB gibt's einfach nur zwei Alternativen: Diesel oder Fahrdraht. Es gibt aus meiner Sicht auch keine Zwischenlösung, egal wie oft das hier noch kommt. Bei der BOB werden einfach Leistungen abgerufen, die für solche Lösungen ein paar Nummern zu groß sind. Der iLINT54 hat eine maximale Leistung von 544 kW, die Brennstoffzelle hat 200 kW. Das heißt, die Dauerleistung ist im schlimmsten Fall maximal 200 kW. Nur mal zum Vergleich, der 628.4 (mit einer Maschinenanlage) hat 485 kW. Rechnet man die Klimaanlagen ein, ist der Unterschied 628.4 vs. iLINT54 ein paar kW. Und wie gesagt, ruft man in einem Zeitraum mehr Leistung ab als die Brennstoffzelle fortwährend bereitstellt, kriecht das Teil wie ein 628.4, bei dem man nicht mal mehr die halbe Leistung aufschalten kann. Sorry, das ist schon mit vollen Akkus nicht die Liga eine Integral mit 945 kW. Welche Version des LINT54 hat die BRB eigentlich, die mit zwei (2x 390 kW = 780 kW) oder die mit drei Motoren (3x 390 kW = 1.170 kW)? Für's dauerhafte Hauptbahnbolzen ist der iLINT jedenfalls nicht gebaut. Da der iLINT eigentlich im Grunde ein Akkutriebwagen mit hybridem Energiespeicher ist, gilt für die das gleiche. Ich hab schonmal die Frage gestellt, warum man eigentlich die die Rangiermodule von E-Loks mit eigentlich unpraktischen (mit der E-Lok zum Tanken fahren ist doof...) Dieselmotoren realisiert und nicht mit Akkus, obwohl das eigentlich mit ca. 200 kW eine ähnliche Leistungsklasse wäre. Und wenn ich es mir erneut selbst beantworten darf: Weil Akkufahrzeuge keine hohe Dauerleistungsabgabe mögen oder viele Spitzenleistungen hintereinander.
Jeder Fahrer eines Tesla S sollte mitbekommen haben, dass das Auto es nicht mitmacht, wenn man zwei Stunden Vollgas fahren will oder den klassischen Motor-/Bremsentest mit wiederholt hintereinander maximale Beschleunigung von 0 auf 100 km/h und sofort Vollbremsen von 100 auf 0. Das geht mit einem Audi A7 TDI beides besser, ganz besonders ersteres. Für Lkw oder hohe Dauergeschwindigkeiten gibt es auf der Straße derzeit nichts wirtschaftlicheres und zuverlässigeres als ausreichend große Dieselmotoren. E-Motoren wären freilich besser, das sieht man bei der Eisenbahn, aber eben auch nur, wo man einen Fahrdraht hat. Das ändert sich nicht, nur weil gerade medial das Akkuzeitalter herbeigehyped wird.
Für kleine leichte Kurzstrecken-Stop-and-Go-Fahrzeuge vom E-Bike über Zoe bis zum kleinen Stadtbus ist der Akku prima, vielleicht auf für Pendel-Schienenbusse auf kurzen Nebenbahnen, lass uns über Prien - Aschau oder Traunstein - Waging reden, aber nicht um in irgendeiner Weise als gleichwertiger Ersatz für die Integrale bei der BOB zu fungieren. Die Strecke gehört elektrifiziert, aber bis dahin wird der Diesel bleiben.