Tag 1 Dresden -> Stettin -> Swinoujscie
Der sommerliche Frühling sollte am verlängerten Wochenende nicht ungenutzt bleiben. Folgendes Reiseprogramm steht für die Fahrt ans Meer samt Fahrrad an:
Dresden Hbf..........RE 18406......ab 08:50
Senftenberg...............................an 10:09
............................RB 18355......ab 10:14
Eberswalde Hbf...........................an 12:48
............................RE 3310.........ab 13:09
Angermünde...............................an 13:29
............................RB 5810.........ab 13:40
Szczecin Gl.................................an 14:39
............................IC 3810.........ab 18:55
Swinoujscie................................an 20:21
Als ich nach dem Aufstehen den Vorhang beiseiteschiebe, regnet es. Doch ehe ich mich auf den Sattel schwinge, um zum Hbf zu fahren, scheint bereits wieder die Sonne.
Ohne nennenswerte Verspätung startet der Hamster in Dresden. Als mein Semesterticket kontrolliert wird, tue ich meine Absicht kund, ab Ruhland weiter nach Stettin fahren zu wollen. Meine 30-minütige Recherche am Vorabend hat keine Klarheit geschafft, welche Fahrkartenvariante am günstigsten ist. Klar ist jedenfalls, dass das Berlin-Brandenburg-Ticket für 29€ eine brauchbare Option ist und auch im Stadtverkehr Stettin gilt. Wenig hilfreich ist es, dass der elektronische VBB-Tarifberater wohl selbst nicht weiß, welche Fahrkarte nun gilt. Auf die Anfrage Ruhland – Stettin gibt es jedenfalls kein Ergebnis.
„Nach Stettin? Hmm, da muss ich selbst nachschauen. Das haben wir nicht so oft…“ Die Zub kommt zum Ergebnis, dass die VBB-Tageskarte für 21€ eigentlich auch gehen müsste. Es gelingt ihr aber nicht, das MT zum Verkauf eines solchen Tickets für die Strecke zu bringen. Gilt wohl doch nur bis Tantow…
Nach 20 Minuten herumrätseln meint sie, erstmal jemanden anrufen zu müssen. Doch derjenige geht nicht ans Telefon und sie kehrt zehn Minuten später zurück. Also verkauft sie mir ein Berlin-Brandenburg-Ticket. Wie ich bei der späteren Diskussion mit JeDi erfahre, habe ich zu viel gezahlt. Die Stückelung Einzelfahrt mit BC-Rabatt Ruhland – Tantow für 17,70€ und Tantow – Stettin für 2,00€ wäre deutlich günstiger gewesen. Die Fahrrad-Tageskarte NV gilt auch bis Stettin.
In Senftenberg hieve ich mein Fahrrad in die Unterführung, denn der Aufzug ist außer Betrieb. Als ich gerade die Stufen zum Hamster Richtung Eberswalde erklimmen will, stürmt ein Mann in die Unterführung. „Wo fährt der nach Cottbus?“, fragt er schnaufend. Der hat sich eine halbe Minute zuvor verabschiedet…
Fünf Minuten später startet der zweite Hamster des Tages. Bei der Kontrolle meines Berlin-Brandenburg-Tickets erkundigt sich der Zub, ob ich alleine unterwegs bin.
Ja.
Ob ich auch alleine wieder zurückfahren würde? Tue ich gar nicht.
Dann streicht er die vier Linien durch, auf denen weitere Namen eingetragen werden können. „Das muss ich leider machen“, entschuldigt er sich.
Sonne, Wolken und Regen wechseln sich im Spreewald ab. Berlin wird pünktlich erreicht und wieder zurückgelassen, nach zweieinhalb Stunden ist Eberswalde erreicht.

Glücklicherweise bahnsteiggleich erfolgt der Umstieg zum RE Richtung Stralsund, der ebenfalls pünktlich eintrifft. Der nächste Umstieg wird 20 Minuten später in Angermünde in einen 646 fällig.
Ich bin mal wieder gezwungen, auf das ordnungsgemäße Verstauen von Gepäck hinzuweisen, um mir einen Sitzplatz zu verschaffen. Die Frau, die einen ganzen Vierer für sich blockiert hat, ist darüber nur mäßig begeistert.
Obwohl die Strecke schnurgerade ist, geht es im Schneckentempo voran. Störche und Reiher staken durch die Pfützen, die sich auf den Feldern gebildet haben. Rehe liegen im Gras am Bahndamm und beäugen neugierig den träge dahinrollenden Stahlkoloss. Ein Greifvogel sitzt auf einem Zaun und hält nach Beute Ausschau. Natur pur – hier gibt es kaum menschliche Behausungen.
Irgendwann geht es wieder schneller durch die menschenleeren Weiten Brandenburgs.
Nach 5h 49 min habe ich pünktlich die 350 km überwunden – mit 60 km/h Reisegeschwindigkeit keine Paradestrecke der Eisenbahn. Mit dem EC nach Berlin zu fahren wäre übrigens ganze 5 Minuten schneller gegangen, denn die Umsteigezeiten sind äußerst bescheiden.
Ich verstaue mein Gepäck im Schließfach. Oh weh, man braucht 12 Zloty in Münzen. Ein Glück, dass hier Kartenzahlung möglich ist…
Dann suche ich den nächsten Fahrkartenschalter auf.
Do you speak English?
Kopfschütteln.
Deutsch?
Kopfschütteln.
Intercity Swinoujscie.
Die Mitarbeiterin murmelt irgendwas von Regio. Ich schreibe 18:55 Uhr auf. Aha, gibt also doch einen IC. Die Verständigungsprobleme erwartend habe ich bereits das polnische Wort für Fahrrad nachgeschaut und siehe da, auf rower erhalte ich auch meine Fahrradkarte für etwa 2€.
Und die wichtigste Information der nächsten Abfahrten darf nicht fehlen – hier fährt schließlich nicht irgendein stinknormaler Regionalzug, hier fährt immerhin die Stadttore-Linie! Wir erinnern uns...

Mein Fahrrad wird vor dem Bahnhof geparkt. An den fünf Fahrradständern steht genau ein Schrottfahrrad. Hoffentlich wird meines nicht geklaut…
Fokus des Besuchs liegt auf dem Straßenbahnnetz, welches durch den regen Einsatz von Ex-Berliner Tatra-Bahnen geprägt wird. Diese sind größtenteils noch im BVG-Gelb unterwegs.
Das Wetter verspricht einen Wolkenkrimi, sodass ich den Moment des Lichtes gleich vor dem Bahnhof für 239 nutze.

Da die Linie 6 Richtung Goclaw wenige Augenblicke später einfährt und ich ohnehin vorhatte, diesen Ast unter die Lupe zu nehmen, steige ich gleich mal ein und schaue, was mich erwartet.
Zufällig führt die Strecke an der bekannten Hakenterrasse vorbei, an der ich den ersten Fotostop einlege.



Die erste Trambahn kommt im Schatten, doch mit dem Folgekurs, der zu meiner Freude auch noch ein Berliner Wagen ist, klappt es perfekt.

Die unternehmenseigene Lackierung finde ich ohnehin eher langweilig, hier eine Dotra Moderus Alfa-Wagen, die aus Konstal-Wagen entstanden.

Im Hintergrund das Stadtentwicklungsgebiet Stettin 2050. Die vorhandenen Gebäude erinnern mich doch stark an die Speicherstadt in Hamburg.
Zufällig fährt mir ein Konstal N ins Bild. Während die Insassen etwas zur Geschichte der Hakenterrasse erfahren dürften, spielen Kinder im noch trockenen Brunnen.

Ein Beispiel für interessante Verkehrsführung sei an dieser Stelle auch gezeigt. Der Fluch der polnischen Radwege sind die ständigen Verziehungen an Kreuzungen, um dem abbiegenden MIV Stauraum zu geben.

Aufgrund des abseits des Zentrums sehr holprigen Gleiszustandes sowie der bescheidenen Radverkehrsinfrastruktur ist die Zahl der Radfahrer in Stettin sehr überschaubar.