…zur Metro Sportivnaja…
…ein eher düsterer Bahnhof.
Wieder an der Oberfläche, stellt man schon bald fest, welch hoffnungslose Betonwüste die Stadt an vielen Stellen ist.
Für unseren nächsten Termin sind wir im sehr edlen
Café Kinoplov verabredet.
Wie in Russland üblich, läuft ein Musiksender auf voller Lautstärke und sogar mit Bildübertragung auf Leinwand. Nur die kotzenden Personen im Film sind wenig appetitlich…
Die Initiative Hochgeschwindigkeitsverkehr (HGV) der deutschen Außenhandelskammer ist ein Zusammenschluss von 13 Unternehmen und Großkonzernen vor allem aus Deutschland, aber auch Österreich. Es geht vorwiegend um eine Kooperation mit Russland, da der HGV dort noch ganz an Anfang steht und sich gerade Siemens einen neuen Markt erschließen möchte. Die Zusammenarbeit erfolgt vollumfassend, das heißt von Beratung über Planung, Engineering, Bau bis zum Betrieb und Instandhaltung. Russland wiederum möchte auf europäische Technik setzen und begegnet China in dieser Hinsicht eher mit Misstrauen.
„Echter“ HGV findet in Russland bis dato nur zwischen Moskau und St. Petersburg statt. Die 640 km lange Strecke wurde für bis zu 250 km/h ertüchtigt (ABS) und kann ohne Zwischenhalte in gut dreieinhalb Stunden zurückgelegt werden. Es verkehren bis zu 15 Zugpaare täglich, die meisten brauchen aufgrund einiger Zwischenhalte jedoch etwa vier Stunden. Ein Zugpaar in Tagesrandlage wird von Moskau via Vladimir nach Nižnij Novgorod durchgebunden.
Die 250 Meter langen 10-Wagen-Züge fahren in der Regel als Einfachtraktion mit etwa 600 Sitzplätzen, Doppeltraktion ist aber möglich. Es werden fünf verschiedene Klassen angeboten, die Economy Class bietet trotz Breitspur 2+2-Bestuhlung (Fahrkarten ab ca. 30€). Wer sich die Conference Cabin hinter dem Führerstand mieten will, muss für die 4 Sitzplätze mindestens 450€ bezahlen.
Hier gibt es Innenraumbilder:
https://www.sapsantrains.com/seat-classes.html
Die Strecke Moskau-St. Petersburg ist für die RŽD hochprofitabel und ein großer Erfolg. Ausgangslage war, dass rund 90% aller russischen Konzerne ihren Hauptsitz oder zumindest eine große Vertretung in Moskau haben. Alle Entscheidungen werden in der Hauptstadt getroffen – Kremlnähe ist daher entscheidend. St. Petersburg ist zwar die schönere Stadt zum Leben, aber nicht so wirtschaftsstark wie Moskau. Außerdem wurden einige Behörden und Hauptsitze (z.B. Gazprom) per Dekret nach St. Petersburg verlegt. Infolgedessen ist das Verkehrsaufkommen zwischen den beiden Städten enorm gestiegen.
Doch der Sapsan hat auch Schattenseiten. Um die erforderlichen Trassen zu bekommen, wurde der SPNV reduziert und die Reisezeiten der normalen Züge haben sich durch Betriebshalte verlängert. Der Sapsan hat stets Vorrang, weil er von Geschäftsleuten und anderen „wichtigen“ Personen genutzt wird, während das Fußvolk warten muss. Auch hier ist die Klassentrennung Russlands deutlich zu erkennen.
Das aktuell größte Projekt ist die NBS Jekaterinburg – Tscheljabinsk. Obwohl es sich um zwei Millionenstädte handelt, ist die Bahnverbindung zwischen den rund 250 km entfernten Städten extrem langsam und dauert fast fünf Stunden. Doch es gibt politische Hürden zu überwinden (Darf wirklich die erste russische Hochgeschwindigkeitstrecke nicht in Moskau starten?) und immer wieder stellt sich heraus, dass die RŽD ebenfalls kein allzu großes Interesse am HGV hat. Man müsste ja neue Züge beschaffen und überhaupt, das haben wir ja noch nie gemacht… Daher versucht die Vereinigung, das Projekt ohne RŽD umzusetzen und einen privaten Betreiber zu finden. Die wesentliche Bedingung dafür ist jedoch der Wirtschaftlichkeitsnachweis, die Strecke soll sich also ohne staatliche Zuschüsse rechnen.
Abschließend stelle ich noch den Vergleich zu China in den Raum – warum wird dort trotz ähnlicher Voraussetzungen eines sehr zentralistischen Staates der Ausbau des HGV wesentlich nachdrücklicher und erfolgreicher verfolgt als in Russland?
Zwei Hauptgründe kristallisieren sich heraus. Erstens ist Russland deutlich kapitalistischer als China und HGV-Projekte müssen wirtschaftlich sein. (Anm.: Es ist zwar richtig, dass der HGV in China extrem hoch staatlich subventioniert ist. Ich würde allerdings ein Fragezeichen dahinter stellen, ob Russland wirklich so viel kapitalistischer ist als China – ich erinnere an das Gespräch auf der Fahrt von Shenzhen nach Shanghai, bei dem ein Regierungsangestellter mir gegenüber offen gesagt hat, dass sich China zwar sozialistisch nennt, in Wirklichkeit aber kapitalistisch ist). Zweitens kann Russland mit der chinesischen Wirtschaftskraft bei weitem nicht mithalten.
Wir spazieren zum Platz der drei Bahnhöfe, links im Bild der Leningrader, rechts der Jaroslawler Bahnhof.
Streng genommen müsste der Name eigentlich Platz der vier Bahnhöfe lauten, denn abgesehen vom Kasaner Bahnhof gibt es auch noch einen S-Bahnhof,
hier im Vordergrund zu sehen.
An der Gepäckaufbewahrung gibt es eine böse Überraschung. Offensichtlich wurden die meisten kräftig abgezockt, denn jeder hat einen anderen Preis gezahlt und der normale Preis wäre eigentlich 230 Rubel pro Gepäckstück. Manche haben mehr als das Dreifache geblecht.
Ich finde den Bahnhof etwas unübersichtlich, hier die Einkaufsmeile…
…und der Querbahnsteig.
Auf uns wartet ein Dosto-Nachtzug.
Dieses Mal sind wir im letzten Wagen, sodass uns ein Fußmarsch erspart bleibt. Die Coupé sind durchaus bequem, hier ein Blick in die Luxusklasse.
![Bild](https://farm2.staticflickr.com/1908/45541730574_d66e343d06_b.jpg)
Sie unterscheidet sich nur durch die zwei fehlenden oberen Betten und die Ausstattung mit zwei Fernsehern.
Endlich haben wir mal ein eigenes Abteil, in dem wir selbst entscheiden können, wann das Licht ausgeschaltet wird und eine Liege, auf der man sich ausstrecken kann, ohne dass jemand über die Füße stolpert.
Nur der Stauraum für Gepäck ist verglichen mit dem Platzkartny sehr knapp. Problemlos verstauen lässt sich gerade mal ein größeres Gepäckstück pro Person und ein Abteil weiter sorgt irgendein Technikkasten für Verdruss, weil dadurch der Stauraum stark reduziert wird.
Kleiner Rundgang durch den Zug:
Blick Richtung WC (müssten 3 pro Wagen sein), Einstiegstür und Wagenübergang
![Bild](https://farm2.staticflickr.com/1908/46214853892_ec8aaccc64_b.jpg)