Alles nichts oder? In den anderthalb Wochen seit Feststellung ist gleichzitig viel passiert wie sich auch hat sich wenig geändert. Das Prinzip der zu kurzen Decke, zu bewundern im (bald) weißgelb bewämmsten Nahverkehr.Jogi @ 11 Jan 2020, 12:57 hat geschrieben:Go Ahead scheint Schwierigkeiten zu haben, die bestellten Zugfahrten wie auch ihre geforderte Kapazität disponieren zu können. Bis auf den RE90 sind davon alle Linien ab Stuttgart betroffen, doch die neue RB16 im Filstal tritt deutlich hervor. [...]
Auf der Filstalbahn lief es derart schlecht, dass sich sogar VM Hermann Mitte Januar aus der Deckung gewagt hat und sich zitieren ließ, er mahne die "kurzfristige Behebung der Qualitätsprobleme" an und "eine unverzügliche Besserung" werde von irgendeinem Wir erwartet. Passenderweise konnte in der gleichen Mitteilung auch die Zusage Go Aheads untergebracht werden, einem kurzfristigen "Konzept für ausreichend Kapazitäten bei Pendlerzügen" sei zugesagt worden.
Hmmm, wie das wohl aussehen kann, wenn erklärtermaßen drei weitere Züge erst in den nächsten sechs Wochen geliefert werden können und erkennbar die Personale nicht ausreichen, alle Schichten zu besetzen?
Drei Tage später, nach einem weiteren, seit den Übergangsverträgen bekannten Krisentreffen mit den EVU, konnte das Verkehrsministerium eine weitere Positivmeldung herausgeben: Um im morgendlichen Berufsverkehr eine RB16-Fahrt zu entlasten, "die in den vergangenen Wochen oftmals nicht in voller Länge verkehrte", kann seit heute der IC 2368 zwischen Geislingen und Stuttgart mit NV-Fahrascheinen und -Zeittickets genutzt werden. Finanziert wird diese bis zum 10. April geltende und durchaus sinnvolle Maßnahme aus Pönälen, die Go Ahead wegen nicht vertragsgemäßer Leistungen zahlen musste.
Was durchaus auch ausdrücklich positiv gesagt werden muss: Go Ahead setzt sein zugesagtes Konzept um und legt mit einer gewissen Transparenz darüber Zeugnis ab. Nach jedem Werktag unter der Woche wird eine Pressemitteilung veröffentlicht, ob und welche Züge ausgefallen oder mit verringerter Kapazität gefahren sind. Die Fälle lassen sich seitdem buchstäblich an einer Hand abzählen. Einzelne Fälle mit gravierenden Kapazitätsproblemen treten aber weiterhin auf, wie die SWP zum Wochenstart berichtete: Wegen eines vorangegangen Ausfalls konnte bei einer Zugfahrt Richtung Stuttgart morgens in Uhingen, zwei Stationen nach Göppingen, nicht mehr zugestiegen werden.
Jetzt zur Frage, wie Go Ahead es schafft, das Filstal mehr oder weniger planmäßig zu bedienen? Es ist die erwartbare Antwort: Die Ressourcen dafür kommen von den anderen Linien.
Letzte Mittwoch konnte ich auf der RB13 zwischen Crailsheim/Ellwangen, Aalen und Stuttgart einen Ausfall nachvollziehen, der zuvor gerne im Filstal praktiziert wurde und auf nicht besetzte Schicht hindeutet: Fahrt 19464 fiel zwischen Aalen und Stuttgart aus, ebenso ihre Folgeleistung nach Ellwangen komplett und deren Folgeleistung teilweise bis Aalen, wo der Zug dann wieder in seinen regulären Umlauf eingeschert wurde. Auch sonst treten hie und da Ausfälle auf dieser auf.
Die "Waiblinger Zeitung" hat, kurz vor Beginn der kurzfristigen Konzepts, einen wunderbaren Artikel veröffentlicht, in dem die auf der Remstalbahn gefahrenen Kapazitäten überprüft wurden: Nach dem Erklären, was überhaupt ein Triebzug und wie einteilig und fünfteilig überhaupt zu (miss-)verstehen ist, werden einige Morgenfahrten auf die tatsächliche Kapazität hin geprüft und mit den beim Land erfragten, bestellten Kapazitäten abgeglichen. Ergebnis dieser Stichprobe, auch auf der RB13 werden oft kürzere Züge eingesetzt als eigentlich bestellt.
Zwischen Aalen und Stuttgart wiegt das sogar noch etwas schwerer, weil seit dem Fahrplanwechsel noch, so zumindest die bisherigen Ankündigungen, bis Anfang Februar die IRE1-Züge zwischen Schwäbisch Gmünd und dem regionalen Schienenknoten Aalen entfallen und so die längeren Züge einigermaßen sinnbefreit, weil deutlich geringerer nachgefragt nur zwischen Gmünd und Stuttgart/Karlsruhe verkehren. Am Samstag gab es dann einen Worst Case, zu dem sich die Ausfälle auf IRE1 und RB13 überlagern konnten: Zur Stunde 14 fielen ab Gmünd die Fahrten des IRE1 und der nachfolgenden RB13 Richtung Stuttgart aus, erst der RB-Folgetakt verkehrte. Statt drei Fahrtmöglichkeiten in dieser Stunde konnte nur eine durchgeführt werden.
Deutlich härter hat es den RE8 zwischen Stuttgart und Würzburg getroffen. Seit Beginn dieser Woche zwar erkennbar stabilisiert, waren unter der Woche nach Bekanntgabe des kurzfristigen Konzepts und vor allem am Wochenende teilweise Ausfälle auf verschiedenen Abschnitten (Bietigheim<>Stuttgart, Lauda<>Stuttgart, Lauda<>Geroldshausen/Würzburg) oder Komplettausfälle an der Tagesordnung - und auch an der Abends- und Nachtordnung: Wie sich auf dem Twitterkanal von Go Ahead nachvollziehen lässt, fuhr gestern - erst mit 25, dann 24, dann 23, dann wieder 26 Minuten Verspätung - zum ersten Mal seit mindestens dem Wochenende die letzte RB8-Fahrt 19099 von Würzburg nach Lauda. Am Donnerstag, Freitag und das ganze Wochenende fielen über mehrere Stunden mindestens zwei der fünf Umläufe auf der Frankenbahn aus. Hier trat zur Verschärfung noch hinzu, dass nur jede zweite RE8-Fahrt bis Würzburg reichte, die andere Hälfte endete in Geroldshausen, von wo ein SEV in die Mainstadt verkehrte. So kam es auch vor, dass für vier Zeitstunden keine direkte Fahrt zwischen Stuttgart und Würzburg angeboten werden konnte. Am Sonntag Vormittag wurde zudem eine einzelne SEV-Fahrt Würzburg-Heilbron-Würzburg im RIS angezeigt.
A propos RIS, da ist die Informationspolitik von Go Ahead wenig konsistent: Bei einigen Ausfällen steht der Hinweis des Personalausfalls, bei einigen die Wortreihenhülse der Verzögerungen im Betriebsablauf und bei wiederum einigen steht gar nichts dabei.
Auch gestern und vorgestern kam es auf dem RE8 zu einzelnen Ausfällen, aber bei weitem nicht so stark wie die Tage zuvor.
Auf dem IRE1 kommt es auch zu Ausfällen. Im Vergleich zu den anderen Linien jedoch deutlich seltener und sie sind meinem Eindruck nach auch relativ häufiger auf technische Störungen zurückzuführen. Heute Vormittag sind zwei Fahrten zwischen Stuttgart und Schwäbisch Gmünd ausgefallen, bei der ersten auch die Folgeleistung zwischen Gmünd und Stuttgart, bei der zweiten, komplett ab Karlsruhe ausgefallenen Fahrt dürfte in Gmünd ein Fahrzeug wieder eingeschert worden sein, wo doch gut 20 Kilometer weiter das Betriebswerk Essingen liegt.
Viel Go Ahead, wie sieht's beim anderen Betreiber der Stuttgarter Netze aus? Abellio schafft einen weitgehend stabilen Betrieb, einzelne Fahrtausfälle auf jeder Linie treten aber auch hier auf. Kritik kommt auch hier in den letzten Tagen vor allem an den gefahrenen Kapazitäten auf, die SWP bebildert einen Artikel dazu mit einem Schnappschuss des eher mutigen Versuchs, eine morgendliche RB18-Fahrt nach Stuttgart mit einem einzelnen Bonsai-Quietschie durchzuführen. Die Heilbronner "Stimme" berichtet über Klagen von Pendlern, über von ihnen gehörten Anpassungsreaktionen, also wieder mit dem Auto zu fahren, und über die Einschätzung des EVU und des Landes, es fehlen die bestellten Fahrzeuge, es werde das gefahren, was bestellt wird und nur in Einzelfällen reicht die Kapazität nicht, vor allem wenn statt des vorgesehenen 425ers ein einzelner 426er angequietscht kommt. "[N]ur dann dürfte es [...] zu Engpässen kommen."
Beim verkehrsroten Platzhirsch sieht's nicht wirklich besser aus, auch ihn plagen Personalausfälle. Der RAB macht gleich mal Nägel mit richtig dicken Köpfen und hat gestern angekündigt, an Wochenenden zwischen dem 8. Februar und 5. April das RB-Angebot auf der Ammertal- und Neckar-Alb-Bahn zu reduzieren: Zwischen Tübingen und Herrenberg soll dann nur ein Stundentakt angeboten werden, zwischen Tübingen und Wendlingen/Plochingen entfallen die regulären RB-Fahrten und werden durch RB-Pendel Tübingen<>Metzingen ersetzt. Oberboihingen wird dann durch die Stuttgarter RE bedient, Bempflingen erhält einen SEV nach Nürtingen.
Bei der Breisgau-S-Bahn scheint sich nichts Wesentliches verändert und die Sache wenigstens eingespielt zu haben. Erfahrungsberichte darüber sind bei der "Badischen Zeitung" meist hinter der Paywall, aber ein lesenswerter Artikel hat's vor sie geschafft, der die Auswirkungen am Beispiel des Klinkums (nicht mehr planbare Schichtwechsel des Personals), die gute Grundidee der West-Ost-Linie und die möglichen Ursachen zusammenfasst. Da scheinen zwei Punkte interessant: Zum einen sind danach für das Flügeln nur vier statt der sonst üblichen sieben Minuten vorgesehen (bezogen auf die Standzeit des zweiten Flügelzüges), zum anderen ist danach die Fahrgastwechselzeit sehr knapp kalkuliert. Auch die Fahrgastinformation wird kritisiert, falsche bzw. irreführende Angaben auf den Zügen, fehlerhafte Abfahrtszeiten im Internet.
Da hat meiner Beobachtung nach auch Go Ahead noch deutlich Luft nach oben. Ein Fahrzeug konnte in Essingen doch nicht aufgetrieben werden, eine gute halbe Stunde vor Abfahrt wurde die Meldung getwittert, die zweite IRE1-Fahrt ab Gmünd zur Stunde 12 fällt jetzt auch aus. Natürlich auf dem kompletten Laufweg. Ob um halb drei ab Karlsruhe was fährt?
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Da kann man gespannt sein, was ab Juni passiert, wenn die Neckar-Alb-Bahn Stuttgart-Tübingen in die Stuttgarter Netze integriert und am Oberrhein das neue Konzepte aus stündlichem RE Offenburg-Basel, stündlicher RB Offenburg-Freiburg und stündlicher RB Freiburg-Basel umgesetzt werden soll.
Gerade bei letzterem sind auch Fahr-Pläne drin, die lassen einen den Kopf schütteln: Sofern es keine überschlagene Wende gibt, hat die RB aus Offenburg in Freiburg eine sechsminütige Bahnsteigwende zu absolvieren. In Richtung Offenburg ist sie dann auf einen pünktlichen ICE11/43 angewiesen, dem sie mit fünf Minuten Abstand folgen soll.
Während mit der "Breisgau-S-Bahn 2020" ein Umsteigezwang in West-Ost-Richtung in Freiburg Hbf beseitigt wurden, wird mit der RB-Neukonzeption ein neuer geschaffen: Heute noch ergänzen RE und RB sich zwischen Offenburg und Basel in etwa zu halbstündlichen Fahrtmöglichkeiten (wobei die RB Taktlücken aufweist), zum neuen Fahrplan wird die Offenburger RB in den Freiburger Nullknoten eingebunden, die Basler RB dagegen in den 30er-Knoten mit Anschluss an den stündlichen RE. Bis auf ein paar Fahrten morgens und deutlich nach 22 Uhr gibt's keine durchgehenden RB-Fahrten mehr.