Sehr geehrte Leser, wir können den Reisebericht nun fortsetzen. Bitte beachten Sie, dass während der Fahrt die Pflicht zur Mund-Nase-Bedeckung auf diesem Forum besteht.
Ich danke für die lobenden Worte und freue mich über das große Interesse.
karhu @ 26 Aug 2020, 21:11 hat geschrieben:Danke für deinen interessanten Bericht
Ab 2021 könntest du auch mit dem Bus ohne umzusteigen (!) nach Indien reisen:
The Mirror 
Ich glaube, das wäre nichts für mich. Ich habe auch mal in der Zeit von einer Busreise um die Welt gelesen, aber abgesehen vom Preis passt diese Art der Reise irgendwie nicht zu mir. Ohne es ernsthaft zu erwägen, habe ich aber durchaus mal grob recherchiert, ob man denn auf dem Landweg, noch besser auf dem Schienenweg

, nach Indien reisen kann. Angeblich ist das sogar möglich, wenn auch zumindest in der Grenzregion Iran/Pakistan als sehr sicherheitskritisch zu bewerten...
Oliver-BergamLaim @ 31 Aug 2020, 13:43 hat geschrieben:Ich bin absolut begeistert und hingerissen von diesem Reisebericht!

Es macht ganz ganz großen Spaß mitzufahren und ich freue mich mit Dir, dass Deine Reise vor Corona noch so geklappt hat!
Tja, und so endet vorerst die Reisefreiheit ganz anders, als ich mir das je hätte vorstellen können...
Oliver-BergamLaim @ 31 Aug 2020, 13:43 hat geschrieben:Eine Frage nochmal zum Essen

sind Dir denn zwischen den einzelnen Regionen Indiens signifikante Unterschiede in der Küche aufgefallen? Oder gibt es letztlich doch im ganzen Land dieselben Gerichte, die dann auch gleich schmecken? Falls es Unterschiede zwischen den Regionen gibt: wo schmeckt es (für unseren Geschmack als Touristen, die indisches Essen lieben) dann am Besten?
Ich würde schon sagen, dass die Unterschiede sehr deutlich sind. Grundsätzlich unterscheidet man in Punjab-Küche (=Nordindisch) und South Indian. Ich würde sagen, dass bei uns ganz klar Punjab-Küche überwiegt. Dazu gehören eigentlich alle Gerichte, die jeder, der schon zweimal beim Inder essen war, kennt: Dal, Paneer, Gemüsecurrys. Südindisch dagegen war für mich komplett neu - vor meinem Besuch hatte ich noch nie etwas von Idli, Dosa und Mendu Vada gehört und die findet man bei uns auch eher selten. Punjab-Küche bekommt man in Indien eigentlich überall, ich würde sagen, diese Standardgerichte schmecken dann tatsächlich irgendwann alle irgendwie gleich. Südindisch ist (zumindest im Norden, wo ich ja unterwegs war), nicht so gängig und unterschiedet sich deutlich. In Ahmedabad habe ich auf Empfehlung gezielt Restaurants ausgewählt, um südindische Spezialitäten zu verkosten. Wie es in Südindien selbst ist, kann ich mangels Erfahrung nicht beurteilen.
Was am besten schmeckt, kann ich natürlich für dich nicht beurteilen. Jeder hat da ja andere Präferenzen. Ich finde, die Mischung machts. Mein Lieblingsgericht waren Panipuri, die ich bereits zu
Beginn gezeigt habe. Gleichzeitig sind die tückisch, weil die Koriandersoße nicht gekocht ist...
Oliver-BergamLaim @ 31 Aug 2020, 13:43 hat geschrieben:Dann noch eine Frage zum Schärfegrad der Gerichte. Wenn ich in Deutschland indisch essen gehe, gibt es ja sowohl sehr scharfe Soßenmischungen bzw. Gerichte auf der Speisekarte, z.B. ein Chicken Vindaloo (das ich in meinem Leben genau einmal bestellt habe und aufgrund der Schärfe kaum essen konnte). Aber es gibt eben auch sehr milde Gerichte, die fast gar keine wahrnehmbare Schärfe haben, z.B. ein Butter Chicken, Chicken Korma oder ein Chicken Jaipuri. Ist das denn in Indien ähnlich, dass es auch völlig milde und gefühlt "nicht scharfe" Gerichte gibt, oder ist dort dann auch ein in Deutschland sehr mildes Chicken Korma sehr scharf gewürzt?
Schärfe allgemeingültig einzuordnen fällt mir sehr schwer. Die Wahrnehmung hängt nach meiner Erfahrung einfach zu sehr davon ab, wie sehr man daran gewöhnt ist. Ich kenne durchaus Menschen, denen ist Essen schon zu scharf, da fällt es mir noch gar nicht richtig auf...

Ich würde sagen, Gerichte ganz ohne Schärfe wird man in Indien so gut wie gar nicht finden, außer vielleicht auf speziellen Wunsch hin. Wer also Schärfe gar nicht gewöhnt ist und damit überhaupt nicht klarkommt, dem muss ich von Indien als Reiseland abraten. Ansonsten ist die Bandbreite natürlich sehr weit, teilweise haben wir auch dasselbe Gericht in unterschiedlichen Restaurants unterschiedlich scharf bekommen. Inwiefern die Schärfe automatisch angepasst wird, wenn Ausländer bestellten, kann ich nicht sicher sagen. Ich gehe aber stark davon aus, dass die Einheimischen teilweise deutlich schärfer essen, als wir es bekommen haben. Und viele Gerichte brauchen sehr lange in der Zubereitung, sind also mit Sicherheit schon fertig gekocht und daher auch gewürzt. Naja, und "medium spicy" wird auch überall anders interpretiert... Bis auf das eine Buffet in Allahabad konnten wir alles problemlos essen, haben aber auch immer irgendwas nicht Scharfes wie Reis, Naan oder Raita dazugenommen, um die Schärfe abzumildern.
Tag 25 Ahmedabad
Ich starte den Tag mit einer kleinen Fahrradtour entlang der Bahnstrecke. Nach ein paar Minuten komme ich zu einem BÜ, den ich sogleich dokumentiere.

Praktischerweise gibt es auch eine Unterführung zum Viehtrieb.
Dann warte ich im Schatten auf einen Zug. 15 Minuten vergehen. Plötzlich winkt mir jemand aus dem Wärter-Kabuff zu. Ich nähere mich und zwei Männer bedeuten mir, reinzukommen.
Besonders stark unterscheidet sich der Posten eigentlich nicht von einem deutschen Pendent.
Zugmeldebuch, Telefon, Uhr...
...Drucktastenstellwerk für die Bksig...
...und die Einrichtung zum Heben und Senken der Schranken, inzwischen auf Knopfdruck und nicht mehr per Kurbel.
Anscheinend ist der BÜ Hp-gesichert, denn erst nachdem der Wärter die Schranken geschlossen hat, stellt er das Signal auf Fahrt.
Und dann kommt pfeifend der Zug angerattert.
Alle Güterzüge in Indien führen am Zugschluss einen Bremserwagen mit.

Diese sind auch stets besetzt, doch für Betriebsbremsungen ist ihr Eingreifen nicht erforderlich. Angesichts der verhältnismäßig kurzen Zuglängen erscheint mir das auch nicht nötig. Der Bremser dient quasi als Zugschluss und kann im Notfall eine Bremsung einleiten.
Im Kabuff halten sich drei Männer auf, von denen offenbar zwei betriebliche Aufgaben erfüllen. Einer der drei spricht halbwegs passables Englisch und nutzt die Gelegenheit für ein Schwätzchen. Wie denn ein BÜ in Deutschland aussehen würde? Ob ich davon zufällig ein Foto hätte? Ich erkläre, dass die Unterschiede gering sind, bei uns aber zugbewirkt automatisch schaltende BÜ überwiegen und kein Wärter vor Ort arbeitet. Ich google ein passendes Bild. Interessiert schaut er und die beiden Kollegen auf eine Schranke mit Blinklicht.
Dringdring. Dringdring. Das Telefon unterbricht meine Erläuterungen. Der nächste Zug wird gemeldet und kommt aus lichtgünstiger Richtung.
Ahrrrg! Woher kommt der Typ denn plötzlich angelatscht?
Und da kommt schon wieder einer westwärts
Zwischen den Zügen stellt der Wärter weitere Fragen und übersetzt für die beiden Kollegen, wenn nötig. Was mein Beruf wäre? Warum ich nach Indien gekommen sei? Ob ich in einem Hotel wohne? Wie viel man in Deutschland verdiene? Wie viel dort eine Flasche Wasser koste? Wie viel PS eine deutsche Lok habe? Ob ich verheiratet wäre? Ob ich in Indien Reis essen würde und ob wir in Deutschland dasselbe Essen wie in Indien essen würden?
Dringdring. Dringdring.
Dööööö. Dööööö! DÖÖÖÖÖÖÖ! DÖÖÖÖÖÖÖÜÜÜÜÜÜÜÜÜ!
Und so vergeht eine Dreiviertelstunde, ehe ich mich wieder auf den Sattel schwinge. Ein Tempel in der Nähe
