Ich führe
diese Diskussion mal hier weiter:
Entenfang hat geschrieben: ↑04 Nov 2023, 12:02(Keine) Ausnahmeregelungen mehr, keine Fußnote x mit Ausnahme Samstagabend bei Vollmond (außer wenn er auf einen Feiertag fällt, dann siehe Fußnote y).
Das ist ja "nur" ein Angebotsproblem, kein tarifliches. Wenn's blöd läuft, hängt das aber zusammen.
Entenfang hat geschrieben: ↑04 Nov 2023, 12:02
Und um das ganze ein bisschen weiter zu spinnen - 49€ pro Monat als Jahresabo, 59€ pro Monat beim Kauf ohne Abo an jeder beliebigen Verkaufsstelle und für den Gelegenheitsnutzer einen einzigen Tarif deutschlandweit. Das würde so enorm viel Aufwand sparen, allein die 1000 verschiedenen Aushänge überall, jährliche Überarbeitung der Pläne, Infos und Webseiten und ganz nebenbei wäre es auch noch extrem kundenfreundlich. Endlich keine Zonen, Ringe (...) mehr
Im Grunde wünschenswert, aber dazu bräuchte es eine grundlegende Änderung bei der ÖPNV-Finanzierung. Schon das aktuelle Deutschlandticket gibt derzeit von oben einen Preis vor und drückt jedes weitere Einnahmenrisiko nach unten durch, sagt aber nicht, welches Angebot gefahren werden soll und wo die Landkreise, Verbünde und Länder das restliche Geld holen sollen. Das ist ja derzeit der Hauptstreitpunkt zwischen Bund und Ländern. Das ist quasi der gleiche Fehler wie zu Bundesbahnzeiten, nur andersrum. Damals hatte die DB Betriebspflicht und über Bundestag und Landtag wurde durchaus mitgeredet, was die DB auf gar keinen Fall stilllegen soll oder wo unbedingt ein Eilzug mehr fahren soll, aber finanzieren musste die DB es selber. Deswegen kam ja mit der Bahnreform auch der heutige Ansatz, wer haben will, soll auch zahlen.
Jetzt ist es so, der Bund macht per Deutschlandticket de facto einen Einnahmedeckel (inkl. der kalkulierten Mehrkunden), sagt den Ländern und Landkreisen aber nicht wie sie's Angebot finanzieren sollen. Wird das nicht gelöst, könnte das mittelfristig dazu führen, dass wieder am Angebot rumgestrichen wird und die Fußnoten im Fahrplan sogar mehr werden. Denn wenn mir als Kreis das Geld ausgeht, ich aber am Tarif selbst nichts machen kann und auch die Nachfrage schlecht per Ratsbeschluss erhöhen kann, bleibt mir nur der Fahrplan. Nicht dass am Ende die Lösung ist, okay, das Deutschlandticket bleibt wie es ist, die Länder übernehmen die Kosten, die der Bund nicht tragen will, aber dann fährt halt der Bus nur noch halb so oft und nach Mondkalender. Wir haben eh zu wenig und durch Verrentung absehbar noch weniger Fahrer, dann könnte das Angebot u.U. das schwächste Glied in der Kette sein, das als erstes reißt.
Auch früher gab es keinen einheitlichen Tarif bei den Bahn- und Postbussen, weil man den Produktionsaufwand im Verhältnis zur Nachfrage nicht von Flensburg bis Oberstdorf über einen Kamm scheren konnte. Gerade der regionale Busbetrieb ist vom Kostenniveau her eben sehr regional. Beispiel: Selbst der Schotterplatz dürfte in München teurer sein als in Magdeburg. Auf der anderen Seite ist auch die Kaufkraft eine andere. Eine Einzelfahrt für 3,90 Euro ist im MVV-Bereich de facto über die Kaufkraft gesehen billiger als 3,90 Euro in Niederbayern. Woran misst man den Einheitspreis dann? Selbst Verwaltungsgebühren sind ja oft von/bis definiert und kosten nicht bundesweit gleich, weil das Bürgerbüro in Hintertupfing den selben Vorgang unter anderen Rahmenumständen erledigen muss als das KVR in München.
Das Deutschlandticket macht so gesehen auch viele ungelöste Strukturprobleme in Deutschland sichtbar und dass wir uns seit den 90er Jahren von "gleichwertigen Lebensverhältnissen" weit entfernt haben. Wir haben in den 90ern alles und jeden regionalisiert und liberalisiert, jetzt soll aber auf der gleichen dezentralen Struktur plötzlich ein einheitliches Ticket finanziell nachhaltig funktionieren?
Mh ... weiß ich nich ...
Lazarus hat geschrieben: ↑04 Nov 2023, 10:37
Bisher gibt es jedenfalls keine Zusage für eine Weiterfinanzierung durch den Bund...
Grundsätzlich gilt: Wer zuerst zuckt, hat verloren. Umso näher es an den 1. Januar geht, umso eher wird sich einer finden, für den ein Scheitern des Tickets das größere Debakel wäre. Oder es findet sich jemand, nennen wir ihn Söder, der sich denkt, okay, einen Großteil müssen wir ggf. eh zahlen, wir lassen es scheitern, dann blamiert sich vor allem diese "Berliner Chaosampel" und wir machen in Bayern ein eigenes, viel besseres Ticket, das mit 149 Euro (in der 9-Uhr-Variante) auch viel vernünftiger ist. (Wird Söder dann sagen.) Die ganzen Strukturen für's Eintages-Bayernticket gibt's ja schon seit über 25 Jahren, als Wochen- und Monatsvariante mit einem Preis, wo's auch Fahrgeld dann zu verteilen gibt, müsste das eigentlich relativ schnell machbar sein. Die Mehrheit in Bayern, die nie ein öffentliches Verkehrsmittel von innen sieht, wird applaudieren, dass Bayern sogar das Deutschlandticket besser kann.
