Und das bewegte 2023 die Menschen in Bus und Bahn:
Bus 139 Richtung Messestadt West, München, Do, 23:35
Ich steige an der ersten Tür ein und murmle ein „n’Abend“, doch der Busfahrer beachtet mich gar nicht und blickt starr geradeaus. Vielleicht hat er mich auch nicht gehört. Dann geht die Fahrt los, er hat offensichtlich Mühe, die Spur zu halten. Und dass in der Bajuwarenstraße neuerdings 30 gelten, scheint bei ihm noch nicht angekommen zu sein, denn er fährt viel zu schnell.
ECE Richtung Zürich, Mo, 18:50
As ich den Bahnsteig erreiche, läuft auf dem ZZA die folgende Information durch: +++ Verspätung ca. 45 min +++ Im DB Navigator wird als Grund Verspätung aus vorheriger Fahrt genannt, was nicht so ganz plausibel ist, denn der Zug steht ja da. Allerdings steht auf den Zieldisplays nichts und Zugpersonal kann ich keines entdecken – da liegt die Vermutung nahe, dass auch keines vorhanden ist. Dafür spricht auch, dass diverse Züge wegen eines Notarzteinsatzes massiv verspätet sind. Es gibt selbstverständlich keinerlei Infos, die Servicewüste Deutschland bleibt sich treu. Nach einer Dreiviertelstunde läuft dann tatsächlich Personal über den Bahnsteig. Didong. Didong. „Sehr geehrte Fahrgäste, wir begrüßen Sie im Eurocity nach Zürich. Wir werden München mit einer Verspätung von etwa 45 Minuten verlassen, Grund hierfür ist die verspätete Ankunft des Personals.“
Wir kommen überhaupt nicht durch, müssen ständig vor Signalen halten. Und anstatt Verspätung abzubauen, wird sie stetig mehr. Aus +48 werden bald +60, dann +70 und schließlich +80. Als wir uns langsam Zürich nähern, gehen die Zugbegleiter durch. In meinem Wagen sitzt eine Frau, die nach Lugano wollte. Sie bieten ihr einen Hotelgutschein an, aber sie wirkt mit der Situation überfordert. „Und wann kann ich morgen weiterfahren?“ „Der erste Zug fährt um sechs, jede halbe Stunde. Im Hotel können Sie in der Regel bis zehn bleiben.“ „Ja und wer kümmert sich morgen um meine Arbeit?“ „Das können wir nicht für Sie organisieren. Wir können Ihnen einen Hotelgutschein ausstellen.“ „Und wie komme ich von Lugano nach Hause? Der Transfer und alles war ja organisiert…“ „Was steht denn auf Ihrer Fahrkarte?“ „Lugano.“ „Also haben Sie einen Vertrag nach Lugano abgeschlossen. Wir kümmern uns um diesen Teil. Den privaten Teil müssen Sie selbst regeln, das können wir nicht für Sie übernehmen.“ Es folgt eine lange Pause. „Und der Zug kann nicht warten?“ „Der ist schon abgefahren. Wegen drei Umsteigern kann der nicht eine Stunde warten, dort sitzen ja noch hundert andere Leute drin.“ Wieder folgt eine Pause. „Und mit dem Taxi können wir nicht fahren?“ „Das haben wir anscheinend nicht organisiert bekommen.“ Erneut eine lange Pause. „Wollen Sie nun einen Hotelgutschein oder nicht? Wir haben noch ein paar andere Fahrgäste im Zug, um die wir uns kümmern müssen.“ Die Frau bleibt offenbar unschlüssig und die Schaffner bieten ihr an, später nochmal wiederzukommen.
Das tun sie einige Minuten später. „Ja und wer macht meine Arbeit morgen? Ich muss um fünf anfangen. Und was ist mit Essen? Ich habe nichts mehr zu essen.“ „Sie haben nichts mehr zu essen“, wiederholt der Schaffner leicht genervt, „und sie wollten morgen um fünf anfangen zu arbeiten? Sie wären doch erst um eins in Lugano gewesen.“
Kurz bevor wir Zürich HB erreichen, überreicht der Schaffner der Frau den Hotelgutschein. Sie ist gerade dabei, ihre Kinder zu wecken. „Das Hotel ist informiert, geben Sie einfach den Zettel ab.“ Es braucht mehrere Anläufe, um die Kinder zu wecken. Als der Zug schließlich hält, schiebt die Frau einen zehnjährigen Jungen vor sich zur Tür, die elfjährige Tochter trottet schlaftrunken hinterher. Der mit +86 angekommene EC wird spontan zum letzten IR nach Basel, also kann ich gleich drinbleiben.
Ein älterer Mann steigt ein und beginnt in einer Lautstärke zu telefonieren, dass ich jedes Wort problemlos verstehen kann.
„Hallo? Hallo????“ … „Schwach.“
…
„Wie war die Party von der Linda?“
…
„War die Party gut?“
…
„Dann müssen wir uns mal sehen. Ich bin morgen den ganzen Tag unterwegs.“
…
„Hallo?“
Eine Pause folgt.
„Ja, grüß dich! Ich bin gerade unterwegs. Ich kann dich nur schwach hören.“
…
„Ich habe ich schlecht verstanden. Auf was für einer Party?“
…
„Was gibt´s Neues?“
…
„Was??? Wie???“ Dabei bleibt unklar, ob er das Gesagte nicht glauben kann oder es akustisch nicht versteht.
„Ich bin morgen unterwegs und dann um Mitternacht in München.“
…
„Ist der morgen in München?“
…
„Ja, ich bin schon in Zürich. Ich bin da bis morgen Abend. Ich fahre dann morgen Abend wieder zurück und bin dann um elf in München.“
…
„Ja gut, dann verbleiben wir so. Servus.“
ICE Richtung Hamburg, Do, 19:14
„Boah, diese Verbindung ist echt der letzte Scheiß“, beschwert sich ein Fahrgast bei der Fahrkartenkontrolle. Der ICE fährt via Heidelberg nach Frankfurt Süd und zudem gibt es anschließend eine Zweistundenlücke – inzwischen fällt mir sowas schwer zu begreifen, bin ich doch auf Hauptstrecken einen Halbstundentakt bis Mitternacht gewohnt… „Ja, da gewöhnen Sie sich besser dran, wir haben sehr viele Baustellen und das geht noch bis 2025. Am besten schauen Sie immer wieder mal, wie wir genau fahren. Das geht noch bis Ende März und dann geht’s im Norden weiter.“ „Na das interessiert mich weniger, da muss ich nicht hin.“ „Und 2024 geht’s erst richtig los, dann ist Mannheim – Frankfurt für sechs Monate gesperrt.“
Wir kommen pünktlich bis Heidelberg. „Verehrte Fahrgäste, die Weiterfahrt verzögert sich noch etwas aufgrund einer polizeilichen Maßnahme.“ „Ich habs dir doch gesagt, dass der Verspätung kriegt“, meint ein junger Mann zu einem anderen, während sie durch den Gang laufen.
„Das ist schlecht. Sechs Minuten Umsteigezeit, das können wir vergessen“, brummt ein älterer Mann vor sich hin. „Immer gibt es irgendwelche Probleme“, antwortet seine Frau.
Doch alles halb so wild, mit +2 geht es weiter.
S1 nach Hochheim, Do, 21:47
„Guten Abend, die Fahrkarten bitte.“ Neben mir haben zwei Mädels um die 20 platzgenommen und sie zeigen ihre vor. Ich suche im DB Navigator nach meiner schönen Fahrkarte Basel – Frankfurt Griesheim via Frankfurt Süd, Ostendstraße, Offenbach Ost und zurück nach Griesheim, doch der Kontrolleur winkt schon ab. „Du kannst da mitfahren.“ Komplette Verwirrung bei mir und den Mädels. „Ah, ihr kennt euch gar nicht?“ Offenbar hat eine der beiden eine Fahrkarte, auf der am Wochenende jemand kostenlos mitfahren kann. „Hmm, aber ist doch nicht Wochenende?“, wundert sich die Fahrkarteninhaberin etwas später. Für mich eigentlich schon…
„Boah, ich fühl mich voll attacked, wenn 20 Leute zusagen und dann nur fünf kommen.“ „Ja, verstehe ich voll, ich meine, klar, es war Fasching, aber dann stimmt halt anders ab oder sagt wenigstens vorher ab.“ „Ja, stell dir vor, wir hätten für 20 Leute einen Tisch reserviert. Dann bekommen wir so einen riesigen Tisch und sitzen dann nur zu fünft da. Das wäre echt mega unangenehm.“
U1 Richtung Südbahnhof, Frankfurt, Fr, 13:35
Ein etwa 10-jähriger Junge kommt im letzten Moment angerannt und blockiert die schließende Tür. „Los, komm schnell“, schreit er Richtung Treppe. Er blockiert die Tür weiter, bis ein kräftiger Mann auftaucht und ihn anbrüllt: „GEHST DU WOHL SOFORT AUS DER TÜR RAUS?!“ Der Junge schreckt zurück, stammelt ein „Es tut mir leid“ und die Tür läuft genau in dem Moment zu, in dem sein Kumpel mit Sandwich in der Hand auftaucht. Beide verabschieden sich mit dem ausgestreckten Mittelfinger, während die Bahn wieder Fahrt aufnimmt.
U7 Richtung Enkheim, Frankfurt, Fr, 14:29
Ein sechs Jahre alter Junge ist mit seiner Mutter unterwegs, Er drückt sich die Nase an der Scheibe zum Führerstand platt. Plötzlich bremst der Fahrer kräftig unter Dauerpfeifen ab. „Der hat fast die alte Oma überfahren“, meint der Junge zu seiner Mutter. „Halb so wild, die wollte wohl von links nach rechts und musste sich dann beeilen, weil die U-Bahn gekommen ist. Deswegen sollte man nicht bei Rot über die Gleise laufen.“
IRE 3 Richtung Friedrichshafen Stadt, Fr, 12:16
„Darf ich mal fragen – hat jemand von Ihnen vor, am Montag mit der Bahn zu fahren?“, erkundigt sich die Zub bei der Fahrkartenkontrolle, „mein Rat an Sie wäre: Verkneifen Sie sich es. Da streiken übrigens die Fahrdienstleiter, nicht die Lokführer. Das sind die, die die Weichen und Signale stellen. Also selbst wenn Zug und Zugpersonal da sind – wenn da vorne rot bleibt, fährt der trotzdem nicht.“
MEX 19 Richtung Heilbronn, Fr, 15:37
Ein junger Mann packt eine Tupperdose aus dem Rucksack, kurz nachdem wir in Tübingen abgefahren sind. Darin sind Maultaschen. Willkommen im Schwabenland!
Tram 21 Richtung Westfriedhof, München, Sa, 12:40
Die Tram hält am Nationaltheater. Plötzlich geht die Tür vom Führerstand auf, hinter der ich gestanden habe. Der Fahrer springt raus und schreit einem vorbeirasenden Auto im schönsten Bayerisch hinterher: „Ja bist noch ganz sauba? Ich mach doch extra den Warnblinker an, wenn da einer aussteigt unds den bei dem Tempo erwischt, dann ist der hii!“ Undefinierte Flüche brummelnd, setzt sich der Fahrer wieder rein und weiter geht’s. Ein paar Fahrgäste unterhalten sich leise. „Ja, mich hat hier mal fast ein Radler erwischt!“ „Gut, dass der was gsagt hat, normalerweise macht ja keiner was.“
IRE Richtung Basel Bad Bf, Fr, 22:14
In Erzingen gibt es dann Verwirrung, ein Mann ist sich nicht sicher, ob der wohl in Dogern hält und jemand im Zug ist der Meinung nein, was aber nicht stimmt, denn in der SVZ halten die IRE häufiger. Der Tf streckt wohl seinen Kopf aus dem Fenster, um zu schauen, warum die Tür nicht zugeht. „Ja, wir halten auch in Dogern!“, ruft er nach draußen.
„Aha, abends ist das wohl anders“, bemerkt der Mann, der erst der Meinung war, dass der Zug nicht in Dogern halten würde. „Ja, und von der Bahn, da hilft nie jemand! Die Lokführer wollen nie Auskunft geben, die wollen nur immer mehr Geld! Ja aber dann fahrt halt auch mal pünktlich!“ „Ach, sagen Sie mir nichts… Ich wollte heute Mittag von Säckingen nach Laufenburg fahren und war zehn Minuten vor der Abfahrt am Bahnsteig. Dann ist der Zug nicht gekommen und dann hieß es auf einmal, der fällt aus. Da fragt man sich ja schon, was machen die eigentlich mit dem ganzen Geld…“ „Ja, mit den ganzen Fahrpreisen…“ „Und mit den Steuergeldern. Naja, haben wohl kein Personal. Als ich zur Schule gegangen bin, bin ich von der 5. bis zur 13. Klasse von Säckingen nach Laufenburg gefahren und ich kann mich nicht erinnern, dass der Zug ein einziges Mal ausgefallen wäre. Ja, vielleicht mal verspätet, aber das war etwas Außergewöhnliches!“
Theater, Basel, Sa, 13:05
Ich bin auf dem Fahrrad unterwegs und halte hinter der Tram in der Haltestelle. In der Lounge ganz hinten sitzen zwei kleine Kinder und strecken mir die Zunge raus, was mir ein Grinsen entlockt. Mit sichtlich viel Spaß schneiden sie weiter Grimassen, während sich die Tram wieder in Bewegung setzt und ich hinterherfahre. Bald muss ich nochmal hinter der Tram halten, erst danach trennen sich unsere Wege.
IC Richtung Stuttgart Hbf, Do, 20:03
Verkehrt heute in geänderter Wagenreihung, verkündet der ZZA, als ich auf den Bahnsteig komme. Normale IC-mod-Wagen, hinten 2. Klasse, vorne 1. Klasse und davor wird nochmal 2. Klasse angezeigt. Das ist gut, denn ich muss in Stuttgart ja vorne umsteigen. Und der erste Blick hat mich nicht getäuscht, der Steuerwagen vorne hat Drehfalttüren und Übersatzfenster. Da der Wagen so weit von den Bahnsteigzugängen entfernt ist, habe ich ihn fast für mich allein. Es ist ein schwülheißer Sommertag und für den Abend gibt es Unwetterwarnungen vor heftigen Gewittern. Die müssen ein Stück östlich unterwegs sein, denn dort ist der Himmel pechschwarz, während über mir noch die Sonne scheint, als der Zug Karlsruhe verlässt und mir der Fahrtwind ins Gesicht weht, ohne wirklich für Abkühlung zu sorgen. Ein Regenbogen erscheint am Himmel. Nach dem Halt in Bruchsal geht es dann auf die SFS, auja, 200 am offenen Fenster im Tunnel, das wird lustig! Tatsächlich wird es bald so laut und die Luftwirbel so unangenehm stark, dass ich das Fenster bis auf einen Spalt schließen muss. Der Druck auf meinen Ohren fühlt sich bei jeder Tunneldurchfahrt so an, als wäre ich 2000 m mit der Seilbahn runter- und anschließend wieder hochgefahren. Dank meiner Pole-Position klappt der Umstieg in Stuttgart trotz der paar Minuten Verspätung reibungslos und ich komme mit +3 am Ziel an. Damit habe ich verdammt großes Glück gehabt – ein Kollege wollte mit dem ICE eine Stunde nach mir aus Basel Richtung Karlsruhe fahren und seine Reise auf den nächsten Tag verschoben. Aufgrund des Unwetters war der Bahnhof komplett gesperrt und der ICE schließlich drei Stunden verspätet.
RB Richtung Freiburg, Fr, 16:13
Ein paar Jungs huschen am Zub vorbei. „Hmm, habt ihr keine Fahrkarte, oder warum lauft ihr weg?“, ruft er ihnen hinterher. Sie bleiben stehen, einer flüstert seinem Kumpel etwas ins Ohr. Dann kommen sie zurück und einer gesteht, dass er sein Abo daheim vergessen hat.
Der Zug ist bereits ein paar Minuten verspätet in Basel gestartet und hält vor der Einfahrt in Freiburg nochmal an. „Sehr geehrte Fahrgäste, unsere Weiterfahrt verzögert sich noch etwas, da unser Gleis durch einen ICE belegt ist – wir stehen also vor einer roten Ampel.“ „Boah, kann der Zug einmal pünktlich sein?“, stöhnt eine Jugendliche.
Mein Fahrrad muss ich die Treppe hochschleppen, denn vor dem Aufzug hat sich erstens eine unendlich lange Schlange gebildet und zweitens ist er ohnehin zu klein für Fahrräder. Ach herrje, heute schon zum zweiten Mal, am Badischen Bahnhof gibt es ja auch zu einigen Bahnsteigen nur Treppen.
S1 Richtung Seebrugg, Fr, 16:43
Bitte Plätze bei Bedarf freigeben. Tja, offenbar sehe ich mit meinem Fahrrad mitten im Gang nicht so aus, als hätte ich Bedarf. Alle tun auffällig beschäftigt, so als würden sie nichts bemerken. Aber ich kann es den Fahrgästen auf den Klappsitzen eigentlich nicht verübeln, denn in der Nähe sind wirklich so gut wie keine Sitzplätze mehr frei. Ich habe keine große Lust, herumzudiskutieren und bleibe einfach mitten im Gang stehen, halte dabei mein Fahrrad fest. Mehrere Studenten sitzen über ihre Tablets und Zettel gebeugt und „lernen“. Eine Studentin schaut mich an, dann rutschen sie irgendwie einen Sitz weiter, was natürlich immer noch keinen Platz für mein Fahrrad schafft. Stattdessen setzt sich noch ein anderer Fahrgast hin, der bisher gestanden hat. „Ach, das war so eine geile Story. Die war sich ja sicher, dass sie nicht bestanden hat. Und plötzlich springt sie im Ruhebereich der Unibibliothek auf und schreit: „Ich habe bestanden!!!!“ Nach ein paar Minuten spricht mich eine der Studentinnen an: „Bis wohin fahren Sie denn?“ Seebrugg. „Seebrugg? Hmm, äh,…“ „Das ist die Endstation“, kommt ihr eine Kommilitonin zu Hilfe. „Ok, wollen Sie sich hinsetzen und das Fahrrad dann halten?“ „Das hat doch einen Ständer – ist halt Rush hour“, mischt sich ein Mann ein, der wohl keine Lust hat, seinen Klappsitz aufzugeben. Ich winke ab – vermutlich werden ohnehin bald einige Fahrgäste aussteigen, sodass dann mehr Plätze frei werden. Also stehe ich eine Viertelstunde, dann leert sich der Zug schnell. Die Studenten verreisen offenbar gemeinsam und haben alle Instrumente dabei. Von einer kleinen, rundlichen Verpackung bis zu einem riesigen Kontrabass ist alles dabei. Ein Kartenset wird ausgepackt. „Spielen wir Skat? Oder Doppelkopf?“ Nach einer kurzen Diskussion einigen sie sich auf Doppelkopf und zwei setzen sich auf den Boden, die restlichen sechs sitzen verteilt auf den Klappsitzen auf beiden Seiten. Die Tablets werden eingepackt und die Karten gemischt. Dann entbrennt erstmal eine ausgiebige Diskussion über die Regeln – auf mich wirkt es so, als würde jeder der Beteiligten andere Regeln kennen. „Boah, das ist ja mit Neuner. Das kann ich gar nicht!“ „Ich kenn das so und so.“ „Hmm, wie war das nochmal mit den Stichen, wenn blablabla…?“ „Boah, ich hab das vor vielleicht fünf Jahren zum letzten Mal gespielt.“ Dazu kommt noch ein Mädel, das offenbar noch keinen blassen Schimmer vom Spiel hat, so wie ich. Es dauert fast eine Viertelstunde, bis man sich offenbar auf eine Regelvariante einigen kann. „Spielst du auch?“ Während sich die meisten in der Gruppe offenbar schon mehr oder weniger gut kennen, verfolgt ein Mädel die Diskussion sehr konzentriert, hält sich aber zurück. Wahrscheinlich kennt sie noch niemanden. „Joa, ich würd‘ schon…“, meint sie und man merkt, dass sie eigentlich total gern mitspielen würde – trotzdem bekommt der Junge neben ihr die Karten in die Hand gedrückt. Da die Gruppe ohnehin viel zu groß ist, müssen mehrere Personen zusammen spielen. Das Mädchen, das noch gar keine Ahnung vom Spiel hat, wird von ihrer Nebensitzerin gut beraten. „Und wenn du das spielst, das ist dann ganz gut…“ Der Spielverlauf ist recht zäh, denn abgesehen von der unerfahrenen Spielerin tauchen noch weitere Uneinigkeiten über die Regeln auf. Es wird über ein Krauderwelsch aus Fehlfarben, Solos und Hochzeiten diskutiert, von dem ich kein Wort verstehe. „Und die beiden, die die Kreuz-Damen haben, spielen dann zusammen.“ Schließlich werden Karten abgelegt und Stiche einkassiert und nach gefühlt einer Minute ist das Spiel schon vorbei. Wir haben inzwischen das Himmelreich passiert und Titisee erreicht, wo der vordere Zugteil nach Donaueschingen abgehängt wird. Weiter geht’s durch die Höhen des Schwarzwalds am Titisee entlang. Plötzlich verkündet einer der Jungs: „Ich glaub, ich muss aufs Klo.“ „Hä was? Jetzt mitten im Spiel? Was ist denn mit dir los? Außerdem sind wir gleich da.“ Dann stellt er fest, dass das WC leider einen Wagen weiter ist und nicht durch ein Wunder direkt neben ihm auftaucht. Und ich habe ja so eine Vermutung, warum er sich nicht mehr so richtig auf das Spiel konzentrieren mag.
Der Zub kommt durch den Wagen und kontrolliert die Fahrkarten. Der Junge, der eben noch plötzlich dringend aufs Klo musste, muss jetzt plötzlich ganz dringend was an seinem Handy machen. Bald stehen sie zu dritt nebeneinander und beraten über seinem Handy. Und bald darauf ist der Schaffner da. Na so eine Überraschung, dass der Student keine gültige Fahrkarte vorweisen kann… „Das tut mir wirklich so leid…“, meint er kleinlaut, während sie weiterhin fieberhaft zu dritt irgendwas am Handy machen. Haben noch kurz zuvor alle fröhlich wild durcheinandergeredet, sind jetzt alle ganz still geworden. Der Zug hält, der Schaffner kommt nochmal. „Und, erfolgreich gewesen?“ „Nein, das lädt irgendwie nicht…“ „Ja, vielleicht, weil der Zug schon abgefahren ist.“ Oder weil es keinen oder nur miserablen Empfang gibt, es ist doch jedes Mal dasselbe, wenn ich nach Deutschland fahre. Mein Regenradar lädt nämlich auch nicht. Der Schaffner bietet schließlich an, eine Fahrkarte zu verkaufen. „Wie zahlt ihr? Kreditkarte, ec-Karte, Google Pay, Apple Pay?“ Sichtlich stolz präsentiert er die ganze Palette an Zahlungsmöglichkeiten und ich frage mich einen Augenblick, ob das nur ein Witz ist.
Nun geht es gemächlich am Schluchsee entlang, endlich gelingt mir beim dritten Versuch die Befahrung dieser Stichstrecke. In Schluchsee steigen fast alle Fahrgäste aus, auch die Studentengruppe mit ihren Instrumenten. In Seebrugg warten unzählige Autos, Hoteltransfers und Taxis auf die Fahrgäste, sodass der Bus gar nicht mehr durchkommt. Nieselregen setzt sein, vor mir liegen 50 km auf dem Fahrrad, ebenso viele Kilometer wie vor der Grinsekatze, die nach wenigen Minuten bereits die Rückfahrt nach Freiburg antritt.
S3 nach Münstertal, So, 17:19
„Endlich mal raus aus der Stadt“, meint eine Frau um die 30 zu ihrem Freund und tätschelt dessen Bein. „Aber du freust dich ja gar nicht, warum eigentlich?“ „Doch, doch“, entgegnet dieser ohne Enthusiasmus. „Lüg nicht.“
IC 3 nach Chur, Do, 18:34
„Oh, wir fahren ja in die Richtung“, meint eine alte Frau zu ihrem Mann erstaunt, nachdem der Zug in Basel abgefahren ist. „Warte mal, ich setze mich rüber. Auf der letzten Fahrt ist mir rückwärtsfahren nicht so gut bekommen. Willst du nicht auch rüberkommen?“ „Nene“, brummt der Mann, „so herum ist sicherer bei einem Crash.“
Tram 11 Richtung Aesch, Basel, So, 15:03
„Hey, what is there in your hand?“, meint eine Frau zu ihrer zweijährigen Tochter. „Don´t pick up anything from the ground, it´s dirty!“ Die Kleine scheint sich aber nicht mal ansatzweise zu ekeln. „Don´t put your hand into your mouth!!!“ Die Frau zieht ein Flasche Desinfektionsmittel heraus und sprüht ihre Hände sowie die ihrer Tochter ein. Ihr Mann murmelt etwas Unverständliches. „Just trying to prevent you from getting sick“, rechtfertigt sich die Frau.
Reiseerlebnisse mit der Bahn
Re: Reiseerlebnisse mit der Bahn
Mein Bahnjahr 2024
Zurückgelegte Strecke: 30.060 km - Planmäßige Gesamtreisezeit: 16,1 Tage - Gesamtverspätung (analog FGR): 626 min - Planmäßige Reisegeschwindigkeit: 78 km/h - Durchschnittliche Fahrzeitverlängerung aufgrund von Verspätung: 2,7% - Fahrtkosten: 10,6 Cent/km - Anschlussquote (alle Anschlüsse einer Verbindung mit min. 1 Umstieg erreicht): 87,5%
Zurückgelegte Strecke: 30.060 km - Planmäßige Gesamtreisezeit: 16,1 Tage - Gesamtverspätung (analog FGR): 626 min - Planmäßige Reisegeschwindigkeit: 78 km/h - Durchschnittliche Fahrzeitverlängerung aufgrund von Verspätung: 2,7% - Fahrtkosten: 10,6 Cent/km - Anschlussquote (alle Anschlüsse einer Verbindung mit min. 1 Umstieg erreicht): 87,5%
Re: Reiseerlebnisse mit der Bahn
Hatten wir nicht mal ein Thema namens "Das Verhalten der Fahrgäste"? Ich finde es nicht mehr.
Jedenfalls bin ich heute mit der S8 von Neuaubing nach Germering gefahren. Am Bahnsteig waren zwei junge Männer, von denen einer erst einmal im Vorbeigehen einen Aufkleber auf ein Täfelchen klebte. (Ich konnte Täfelchen und Aufkleber nur von hinten sehen.)
Der Typ bekam einen Anruf und die S-Bahn fuhr ein. Auf dem ersten Wagen war ein großer Graffiti-Schriftzug gesprüht. Der Typ las dem am anderen Ende der Leitung den Schriftzug vor, kommentierte die unscharfe Linienführung des Graffito und mutmaßte von wem es stammte.
Jedenfalls bin ich heute mit der S8 von Neuaubing nach Germering gefahren. Am Bahnsteig waren zwei junge Männer, von denen einer erst einmal im Vorbeigehen einen Aufkleber auf ein Täfelchen klebte. (Ich konnte Täfelchen und Aufkleber nur von hinten sehen.)
Der Typ bekam einen Anruf und die S-Bahn fuhr ein. Auf dem ersten Wagen war ein großer Graffiti-Schriftzug gesprüht. Der Typ las dem am anderen Ende der Leitung den Schriftzug vor, kommentierte die unscharfe Linienführung des Graffito und mutmaßte von wem es stammte.
Re: Reiseerlebnisse mit der Bahn
Aus meiner persönlichen Fortsetzungsserie "Reisen zwischen NRW und The Länd", heutige Ausgabe:
Gut, den ersten Fehler habe ich schon zu Hause in Duisburg Hbf begangen. Ich habe nicht mehr extra nochmals vorher online geschaut, ob der anvisierte Zug auch so verkehrt wie er soll. Nein, ich bin einfach die paar Minuten zur Bushaltestelle gelaufen (die südlichere von den Zweien in meiner Nähe) und in den Bus 934 eingestiegen. Entgegen aller Vorurteile über die DVG war der mitten in der Früh-HVZ auch mit +2 sehr pünktlich unterwegs und ich rechtzeitig am Hbf.
Auf dem Bahnsteig dezent die erste Ernüchterung: der eingeplante ICE der Linie 42 ist seit Hamburg von einer Störung an der Leit- und Sicherungstechnik zur nächsten unterwegs und hat zu diesem Zeitpunkt schon fluffige +60. Gut, was solls, der zeitlich kurz vorher fahrende und ab Dortmund einsetzende ICE der Linie 41 hat "nur" +13 und sollte damit gleich nach dem verspäteten RE 42 kommen. Tut er auch, es fahren 2x 407, und die werden mich zumindest bis Frankfurt (Main) bringen.
Unterwegs dann so das übliche, Alltagsgeschäft bei DB Schnell & Später aka DB Fernverkehr: Reservierungen werden nicht angezeigt, aber diesem speziellen Fetisch deutscher Handtuchwerfer hänge ich ja eh nicht nach. Verlängerte Standzeit in Köln-Messe/Deutz im Tiefgleis, Betriebshalt gleich nach der Ausfahrt von dort und dann - warum auch immer - noch die Umleitung über Köln/Bonn Flughafen, so sind es dann schon +35, als der Zug den Großraum Köln gen Süden verlässt. Auf der KRM natürlich kein strammes Durchfahren mit 300 km/h, das gibt es außer in feuchten Fantasien der Sprinterfetischisten eh schon lange nicht mehr, es ist mehr ein Wechselspiel wo von 200 km/h bis 290 km/h alles mal dabei ist, je nach Abschnitt. Durchgängig 300 km/h würde vermutlich für den klammen Laden DB Fernverkehr zu viel Energie kosten, die Infrastruktur würde das auf Dauer nicht mehr mitmachen, und an beiden Ende, sowohl rund um Köln als auch rund um Frankfurt kann man wegen diverser Engpässe ja ohnehin die so gewonnenen Minuten ja gleich wieder aufaddieren. Also macht man es erst gar nicht, und in Frankfurt Flughafen Fernbahn stehen die +35 immer noch auf der Uhr. Schon seit Düsseldorf ist der Zug übrigens spürbar voller als die 46% Auslastung, an denen DB Fernverkehr angeblich als Durchschnitt leidet. Gut, der Taktzug der L41 eine Stunde davor ist ausgefallen wegen nö und isso.
Hier liebäugele ich kurz mit dem SEV-Direktbus nach Mannheim, der in 10 Minuten (und dann nonstop, man steigt in den Mannheimer Hbf ein, in 10 Minuten, die man sonst...ja, Stoiber aus, ist ja gut...) abfahren würde. Aber eine Stunde Bus fahren? - nö, denke ich so bei mir und bleibe sitzen. Frankfurt (Main) Hbf ist ja dann auch gleich, und ich werfe einen Blick ins RIS für die nächsten Anschlüsse. Ok, der ICE aus Berlin nach Karlsruhe wird es nicht werden, weil hat auch schon mehr als +60, und ist demzufolge noch weit weg...läuft bei euch, DB Fernverkehr...
Den nächsten Fehler begehe ich dann live und in Farbe in der Halle des Frankfurter Hbf, und zwar auf dem Bahnsteig 12/13. Hier hätte ich jetzt die Wahl, vom Prellbock aus gesehen links der lange Twindexx (4+3) der DB Regio Mitte als RE 68 nach Heidelberg Hbf, oder rechts 2x 622 (LINT 54) der VIAS als RB 82 nach Eberbach. Letzterer reizt für einen Moment lang, weil Wetter schön, und durch den Odenwald bin ich schon lange genug nicht mehr gefahren...aber es dauert halt auch, und die Anschlüsse sind in Eberbach auch eher nur semi-optimal. Also lasse ich den Diesel rechts liegen und suche mir einen Platz vorne im Twindexx, der RE fährt dann auch pünktlich in Frankfurt Hbf ab. Auch in Darmstadt Hbf. Prima.
Der mit 4+3 recht lange RE hat auch seine Berechtigung, zumindest in meinem Umfeld bleibt die Fahrgastfrequenz durchgehend hoch. Und bis Bensheim bleibt der Zug pünktlich. Und dann: aus. Da stehen wir nun und können nicht anders. Nein, der Twindexx kann nix für, das Personal auch nicht. Im Gegenteil, Tf + Zub bemühen sich redlich und abwechselnd, alles an Info weiterzugeben, wo sie nur dran kommen können. Der Zub sogar zusätzlich in tadellosem Englisch, mancher Kollege vom Fernverkehr könnte sich da eine Scheibe abschneiden. Problem bleibt aber: die Strecke südlich von uns ist voll gesperrt, Störung im Stellwerk Weinheim ist die Ansage. Könnte länger dauern.
Nachdem die erste halbe Stunde ohne Aussicht auf Besserung vorbei ist, klemme ich mich doch mal in den Online-Fahrplan und schaue mal, was so an Alternativen besteht. Die erste Idee war die Nibelungenbahn nach Worms - nö, heute kein Zugverkehr. Dann ein Bus? Ah, die VGG (Verkehrsgesellschaft Gersprenztal) setzt zwar im Bensheimer Stadtverkehr schon elektrische VDL Citea ein, aber weit ins Umland hinausfahren? Nach Lindenfels im Odenwald käme ich, aber von da nicht sinnvoll weiter. Hier fehlt irgendwie ein Regiobus, der die B47 zügig übern Berg nach Michelstadt oder Erbach/Odw. befährt, aber wir sind nunmal in Hessen, und da ist das überflüssiger Luxus, gibts nicht.
Letzte Rettung SEV. Denn aus dem Riedbahn-SEV-Paket gibt es auch zwei Linien, die Bensheim bedienen, da auf der Main-Neckar-Bahn keine RB unterwegs sind, um Platz für Fernverkehr und Güterzüge zu haben. Und während die Uhr auf eine Stunde Standzeit in Bensheim vorrückt, das Zugsteam des RE jetzt weiß, dass sie noch eine Station weiter bis Heppenheim fahren werden und dort zurück nach Frankfurt wenden, suche ich mir die Kante vom SEV 67S. Ausschilderung ist gut, der "SEV-Einsatzleiter" vor Ort geduldig und freundlich, auch als nach mir nicht unerheblich wenige andere Fahrgäste auf dieselbe Idee kommen. Der Bus ist ein MAN LionsIntercity aus der DB-SEV-Flotte, abgefahren wird gut befüllt und pünktlich.
Wo unterwegs Streckensicht besteht, fallen stehende Züge auf. Güterzüge, in Laudenbach am Hp aber auch ein ICE 4. Der Bus rollt von Ort zu Ort, und kaum 45 Minuten später, und pünktlich laut Plan bin ich "schon" in Weinheim Hbf. Hier spiele ich den Reiseleiter für eine Norddeutsche, eine in Israel lebende Französin und einen Kanadier, die alle in Richtung Heidelberg weiter wollen. Klar, "Follow me!" - einmal vom Busbahnhof aus die Treppe hoch und über die Ampel, und schon stehen wir alle am Bahnsteig. Ja, aber es fahren doch - außer dem VT-Pendel ins Weschnitztal, der rollt - noch immer keine Züge in "Woinem"?! Doch, denn der Zug, auf den wir jetzt warten, der fährt elektrisch und auf Meterspur.
Die RNV darf Nothelfer spielen und mithilfe der Linie 5 gestrandete Reisende von Weinheim aus weiter verteilen in Richtung Mannheim und Heidelberg. Nach kurzer Wartezeit kommt das Tram auch schon, also - yes, to Heidelberg! - rein da, und im schönsten Sonnenschein durch die Ortskerne an der Bergstraße gerollt. Frei nach der RNV: #hiekumme #häämkumme - es funktioniert, auch die Baustelle in Handschuhsheim, wo auf einem Gleis knapp an der Baugrube entlang gefahren wird, kann uns nicht aufhalten. Heidelberg Hbf wird schon 50 Minuten nach Abfahrt in Weinheim Hbf erreicht. Zuviel für den Alltag, aber wenn nix fährt, verdammt schnell.
Der Rest ist schnell erzählt. Eine Viertelstunde später fährt die SWEG wie selbstverständlich pünktlich ab, es ist ein RE 10b, also via Sinsheim Hbf durch den Kraichgau, und natürlich - die SWEG fährt für bwegt! - wird auch Heilbronn Hbf pünktlich erreicht. 2x3-Teiler 8442 war es heute, auch eher eine unglückliche Kombi für die Fahrgastmengen auf dieser Route. Aber angekommen sein ist heute irgendwie mehr wert, und als ich mich durch das Baufeld vor dem Heilbronner Hbf manövriert habe, ist der Anschlussbus der SWHN-VB auch schon nicht mehr weit. Na geht doch. Eigentlich.
Fazit: ok, ich hatte heute Zeit. Wetter war schön, Sonne, um 20°C - da ist alles gleich halb so schlimm. Aber vor internationalem Publikum hat sich Deutschland da mal wieder mächtig blamiert. Das beste Fazit kam von der in Israel lebenden Französin: "In Israel, we have bitter enemies destroying things for us. Seems that in Germany you've found a way to do it equally effective without them." - was will man da noch sagen..?
Gut, den ersten Fehler habe ich schon zu Hause in Duisburg Hbf begangen. Ich habe nicht mehr extra nochmals vorher online geschaut, ob der anvisierte Zug auch so verkehrt wie er soll. Nein, ich bin einfach die paar Minuten zur Bushaltestelle gelaufen (die südlichere von den Zweien in meiner Nähe) und in den Bus 934 eingestiegen. Entgegen aller Vorurteile über die DVG war der mitten in der Früh-HVZ auch mit +2 sehr pünktlich unterwegs und ich rechtzeitig am Hbf.
Auf dem Bahnsteig dezent die erste Ernüchterung: der eingeplante ICE der Linie 42 ist seit Hamburg von einer Störung an der Leit- und Sicherungstechnik zur nächsten unterwegs und hat zu diesem Zeitpunkt schon fluffige +60. Gut, was solls, der zeitlich kurz vorher fahrende und ab Dortmund einsetzende ICE der Linie 41 hat "nur" +13 und sollte damit gleich nach dem verspäteten RE 42 kommen. Tut er auch, es fahren 2x 407, und die werden mich zumindest bis Frankfurt (Main) bringen.
Unterwegs dann so das übliche, Alltagsgeschäft bei DB Schnell & Später aka DB Fernverkehr: Reservierungen werden nicht angezeigt, aber diesem speziellen Fetisch deutscher Handtuchwerfer hänge ich ja eh nicht nach. Verlängerte Standzeit in Köln-Messe/Deutz im Tiefgleis, Betriebshalt gleich nach der Ausfahrt von dort und dann - warum auch immer - noch die Umleitung über Köln/Bonn Flughafen, so sind es dann schon +35, als der Zug den Großraum Köln gen Süden verlässt. Auf der KRM natürlich kein strammes Durchfahren mit 300 km/h, das gibt es außer in feuchten Fantasien der Sprinterfetischisten eh schon lange nicht mehr, es ist mehr ein Wechselspiel wo von 200 km/h bis 290 km/h alles mal dabei ist, je nach Abschnitt. Durchgängig 300 km/h würde vermutlich für den klammen Laden DB Fernverkehr zu viel Energie kosten, die Infrastruktur würde das auf Dauer nicht mehr mitmachen, und an beiden Ende, sowohl rund um Köln als auch rund um Frankfurt kann man wegen diverser Engpässe ja ohnehin die so gewonnenen Minuten ja gleich wieder aufaddieren. Also macht man es erst gar nicht, und in Frankfurt Flughafen Fernbahn stehen die +35 immer noch auf der Uhr. Schon seit Düsseldorf ist der Zug übrigens spürbar voller als die 46% Auslastung, an denen DB Fernverkehr angeblich als Durchschnitt leidet. Gut, der Taktzug der L41 eine Stunde davor ist ausgefallen wegen nö und isso.
Hier liebäugele ich kurz mit dem SEV-Direktbus nach Mannheim, der in 10 Minuten (und dann nonstop, man steigt in den Mannheimer Hbf ein, in 10 Minuten, die man sonst...ja, Stoiber aus, ist ja gut...) abfahren würde. Aber eine Stunde Bus fahren? - nö, denke ich so bei mir und bleibe sitzen. Frankfurt (Main) Hbf ist ja dann auch gleich, und ich werfe einen Blick ins RIS für die nächsten Anschlüsse. Ok, der ICE aus Berlin nach Karlsruhe wird es nicht werden, weil hat auch schon mehr als +60, und ist demzufolge noch weit weg...läuft bei euch, DB Fernverkehr...
Den nächsten Fehler begehe ich dann live und in Farbe in der Halle des Frankfurter Hbf, und zwar auf dem Bahnsteig 12/13. Hier hätte ich jetzt die Wahl, vom Prellbock aus gesehen links der lange Twindexx (4+3) der DB Regio Mitte als RE 68 nach Heidelberg Hbf, oder rechts 2x 622 (LINT 54) der VIAS als RB 82 nach Eberbach. Letzterer reizt für einen Moment lang, weil Wetter schön, und durch den Odenwald bin ich schon lange genug nicht mehr gefahren...aber es dauert halt auch, und die Anschlüsse sind in Eberbach auch eher nur semi-optimal. Also lasse ich den Diesel rechts liegen und suche mir einen Platz vorne im Twindexx, der RE fährt dann auch pünktlich in Frankfurt Hbf ab. Auch in Darmstadt Hbf. Prima.
Der mit 4+3 recht lange RE hat auch seine Berechtigung, zumindest in meinem Umfeld bleibt die Fahrgastfrequenz durchgehend hoch. Und bis Bensheim bleibt der Zug pünktlich. Und dann: aus. Da stehen wir nun und können nicht anders. Nein, der Twindexx kann nix für, das Personal auch nicht. Im Gegenteil, Tf + Zub bemühen sich redlich und abwechselnd, alles an Info weiterzugeben, wo sie nur dran kommen können. Der Zub sogar zusätzlich in tadellosem Englisch, mancher Kollege vom Fernverkehr könnte sich da eine Scheibe abschneiden. Problem bleibt aber: die Strecke südlich von uns ist voll gesperrt, Störung im Stellwerk Weinheim ist die Ansage. Könnte länger dauern.
Nachdem die erste halbe Stunde ohne Aussicht auf Besserung vorbei ist, klemme ich mich doch mal in den Online-Fahrplan und schaue mal, was so an Alternativen besteht. Die erste Idee war die Nibelungenbahn nach Worms - nö, heute kein Zugverkehr. Dann ein Bus? Ah, die VGG (Verkehrsgesellschaft Gersprenztal) setzt zwar im Bensheimer Stadtverkehr schon elektrische VDL Citea ein, aber weit ins Umland hinausfahren? Nach Lindenfels im Odenwald käme ich, aber von da nicht sinnvoll weiter. Hier fehlt irgendwie ein Regiobus, der die B47 zügig übern Berg nach Michelstadt oder Erbach/Odw. befährt, aber wir sind nunmal in Hessen, und da ist das überflüssiger Luxus, gibts nicht.
Letzte Rettung SEV. Denn aus dem Riedbahn-SEV-Paket gibt es auch zwei Linien, die Bensheim bedienen, da auf der Main-Neckar-Bahn keine RB unterwegs sind, um Platz für Fernverkehr und Güterzüge zu haben. Und während die Uhr auf eine Stunde Standzeit in Bensheim vorrückt, das Zugsteam des RE jetzt weiß, dass sie noch eine Station weiter bis Heppenheim fahren werden und dort zurück nach Frankfurt wenden, suche ich mir die Kante vom SEV 67S. Ausschilderung ist gut, der "SEV-Einsatzleiter" vor Ort geduldig und freundlich, auch als nach mir nicht unerheblich wenige andere Fahrgäste auf dieselbe Idee kommen. Der Bus ist ein MAN LionsIntercity aus der DB-SEV-Flotte, abgefahren wird gut befüllt und pünktlich.
Wo unterwegs Streckensicht besteht, fallen stehende Züge auf. Güterzüge, in Laudenbach am Hp aber auch ein ICE 4. Der Bus rollt von Ort zu Ort, und kaum 45 Minuten später, und pünktlich laut Plan bin ich "schon" in Weinheim Hbf. Hier spiele ich den Reiseleiter für eine Norddeutsche, eine in Israel lebende Französin und einen Kanadier, die alle in Richtung Heidelberg weiter wollen. Klar, "Follow me!" - einmal vom Busbahnhof aus die Treppe hoch und über die Ampel, und schon stehen wir alle am Bahnsteig. Ja, aber es fahren doch - außer dem VT-Pendel ins Weschnitztal, der rollt - noch immer keine Züge in "Woinem"?! Doch, denn der Zug, auf den wir jetzt warten, der fährt elektrisch und auf Meterspur.
Die RNV darf Nothelfer spielen und mithilfe der Linie 5 gestrandete Reisende von Weinheim aus weiter verteilen in Richtung Mannheim und Heidelberg. Nach kurzer Wartezeit kommt das Tram auch schon, also - yes, to Heidelberg! - rein da, und im schönsten Sonnenschein durch die Ortskerne an der Bergstraße gerollt. Frei nach der RNV: #hiekumme #häämkumme - es funktioniert, auch die Baustelle in Handschuhsheim, wo auf einem Gleis knapp an der Baugrube entlang gefahren wird, kann uns nicht aufhalten. Heidelberg Hbf wird schon 50 Minuten nach Abfahrt in Weinheim Hbf erreicht. Zuviel für den Alltag, aber wenn nix fährt, verdammt schnell.
Der Rest ist schnell erzählt. Eine Viertelstunde später fährt die SWEG wie selbstverständlich pünktlich ab, es ist ein RE 10b, also via Sinsheim Hbf durch den Kraichgau, und natürlich - die SWEG fährt für bwegt! - wird auch Heilbronn Hbf pünktlich erreicht. 2x3-Teiler 8442 war es heute, auch eher eine unglückliche Kombi für die Fahrgastmengen auf dieser Route. Aber angekommen sein ist heute irgendwie mehr wert, und als ich mich durch das Baufeld vor dem Heilbronner Hbf manövriert habe, ist der Anschlussbus der SWHN-VB auch schon nicht mehr weit. Na geht doch. Eigentlich.
Fazit: ok, ich hatte heute Zeit. Wetter war schön, Sonne, um 20°C - da ist alles gleich halb so schlimm. Aber vor internationalem Publikum hat sich Deutschland da mal wieder mächtig blamiert. Das beste Fazit kam von der in Israel lebenden Französin: "In Israel, we have bitter enemies destroying things for us. Seems that in Germany you've found a way to do it equally effective without them." - was will man da noch sagen..?
München kann jeder. Duisburg muss man wollen!
Re: Reiseerlebnisse mit der Bahn
Vielen Dank für diese anschauliche Momentaufnahme aus dem Verkehrs-Notstandsgebiet Deutschland!
Re: Reiseerlebnisse mit der Bahn
Und das war 2024 in Bus und Bahn:
IC 21 nach Basel, So, 18:40
Eine mittelalte Frau im Vierer gegenüber telefoniert auf Schwiizerdütsch, ich gebe das Gespräch der Einfachheit halber auf Hochdeutsch wieder. „Ja, wir sind bald in Basel.“ … „Warte mal schnell, ich habe dich nicht verstanden, die Verbindung ist gerade etwas schlecht. Wir sind gerade im Tunnel.“ … „Nein, du kannst doch einfach aufs Tram gehen (ein bisschen schwiizerdütscher Satzbau muss dann doch sein) und zu mir fahren, oder? Das ist doch jetzt egal.“ … „Was?“ … „Ja, die Verbindung ist nicht so gut. Wir sind bald da und gehen dann auf den Zweier zum Wettsteinplatz.“
Der Tonfall der Frau wird zunehmend genervt, nach ein paar Minuten beendet sie das Gespräch. Dann beklagt sie sich bei ihrem Begleiter, einem mittelalten Mann: „Boah, die Jacqueline, die geht mir sowas von auf die Eierstöcke. Die muss doch nicht wissen, auf welchem Gleis wir ankommen. Die soll doch einfach aufs Tram gehen und zu mir fahren. Wo ist das Problem?“ Sie gibt dem Mann gar keine Gelegenheit, überhaupt etwas zu erwidern, bevor sie sich ihren Frust weiter von der Seele redet, in für die Schweiz ungewöhnlich lauten Tonfall. „Warum ist das jetzt so wichtig, dass sie am Bankverein ins selbe Tram einsteigt wie wir? Sie kann doch mit ihrem Bruder zusammen zu mir fahren. Sie weiß doch, wo sie hinfahren muss. Und dieser Tonfall, das geht mir so auf die Eierstöcke!“ Sie spielt dem Mann irgendeine Sprachnachricht vor, die ich aber nicht verstehe. „Siehst du? Und so geht das die ganze Zeit. Sie hat sehr genaue Vorstellungen, wie alles laufen muss. Und wenn das dann mal nicht nach ihrem Willen läuft, dann kommt sie in so einem Tonfall, furchtbar! Sie soll sich halt mit ihrem Bruder abstimmen, auf welches Tram er am Bankverein geht und dann gemeinsam mit ihm zu mir fahren.“ In diesem Stil geht ihre Schimpftirade fast eine Viertelstunde, dann kommt der Zug in Basel an. Selbst beim Aussteigen führt sie ihren Schimpf-Monolog weiter, der Mann folgt ihr schweigend auf den Bahnsteig.
IC 51 nach Biel, Fr, 11:12
Eine Familie ist unterwegs, der Vater stellt die Vorstellungskraft der 11-jährigen Tochter und des etwas jüngeren Sohns auf die Probe, ich gebe das Gespräch aus Gründen der Einfachheit auf hochdeutsch wieder. „Wir machen jetzt mal ein kleines Gedankenexperiment. Könnt ihr euch vorstellen, der Becher wäre nicht da?“ Dabei deutet er auf einen Becher auf dem Tisch. „Ja!“, lautet die Antwort der Kinder unisono. „Ok, könnt ihr euch vorstellen, der Zug wäre nicht da?“ „Aber dann würden wir ja über den Gleisen schweben, das geht ja nicht“, wirft die Tochter ein. „Tja, da seht ihr es. Es ist gar nicht so einfach, etwas wegzudenken, das um einen herum ist.“ „Ja, das wäre schon sehr komisch, wenn der Zug nicht da wäre und wir einfach über die Gleise fliegen würden…“ „Könnt ihr euch vorstellen, das Universum wäre nicht da?“ „Aber dann wären wir doch auch nicht da“, meint die Tochter.
Bus 36 Richtung Schifflände, Basel, Mo, 16:38
Ein junger Mann, vielleicht Anfang zwanzig, telefoniert in normaler Gesprächslautstärke. Alle umstehenden Personen können problemlos mithören. Auch dieses Gespräch gebe ich auf Hochdeutsch wieder. „Ja, aber verstehst du denn nicht? Ich habe gerade andere Probleme. Ich bin gerade gekündigt worden.“ … „Ich hatte kein schriftliches Arztzeugnis vorliegen. Vorher habe ich bei der Krankenversicherung angerufen und das ist nie verschickt worden…“ … „Verstehst du denn nicht, dass ich gerade andere Probleme habe? Es geht doch nicht darum, dass ich nicht mit dir reden will. Aber mir ist gerade gekündigt worden!!! Was soll ich jetzt bloß machen? Ich stehe unter Schock. Ich muss doch arbeiten gehen! Ich brauche Geld. Wovon soll ich denn alles bezahlen? Ich brauche 600 Franken im Monat, um alles Mögliche zu bezahlen…“ … „Du verstehst nicht, dass ich jetzt andere Probleme habe?“ … „Ja, gut, bis später.“
IC 61 nach Interlaken Ost, Fr, 11:32
Zwei Frauen um die 30 unterhalten sich, ich gebe das Gespräch auf Hochdeutsch wieder.
„Wir waren letztes Wochenende im Tessin. Aber das Wetter war echt grausig, es hat die ganze Zeit geregnet. Also sind wir ins Wellness gegangen. Am Sonntag sind wir dann noch bis Locarno ins Schwimmbad gefahren, aber wir hatten unsere Badesachen vergessen.“ „Oh nein, hättet ihr nicht welche kaufen können?“ „Naja, das wollten wir nicht. Ich hatte vorgeschlagen, welche zu mieten, aber die Kathrin wollte das auf keinen Fall – wäre ja voll eklig und so. Ich denke, die werden das schon vorher waschen.“ „Ja, bestimmt!“ „Und dann ist da ja so viel Chemie, das wäre sicher gegangen.“
…
„Irgendwie bin ich mit unserer Wohnung nie so richtig warm geworden. Wir haben nur Ausblick auf die Straße und sehen in keine anderen Wohnungen rein. Ich muss aber irgendwie andere Menschen sehen… Und eigentlich wollte ich immer einen Wintergarten, aber jetzt, wo ich einen habe, finde ich ihn gar nicht so toll. Jetzt ist eine andere Wohnung im Haus freigeworden und ich habe mal angefragt, ob wir die theoretisch bekommen könnten. Die Verwaltung ist damit grundsätzlich einverstanden.“ „Und was sagt dein Mann dazu?“ „Ach, ihn stört das nicht, wo wir gerade sind. Und er mag nicht so gerne Veränderungen in seinem Leben, aber ich glaube, das wäre für ihn schon in Ordnung, umzuziehen.“ „Ist ja irgendwie meistens so, dass sich die Frauen um die Einrichtung kümmern und bei den Partnern geht es dann hauptsächlich darum, wenn etwas gar nicht geht, ansonsten ist es ihnen egal.“ „Ja, stimmt schon.“
RB nach Bad Griesbach, Sa, 13:27
Eine Gruppe Kinder singt lauthals irgendwo am anderen Ende des Triebwagens: „Ei-nig-keit und Recht und Freeeeei-heit für das deutsche Vaaa-teeeer-laaand…“ Ein Erwachsener unterbricht sie. „Übt lieber mal die Lieder, die ihr nachher braucht. Und singen, nicht grölen!“
IC nach Stuttgart Hbf, Do, 20:49
Wir fahren mit +6 in Horb ein, die Umsteigezeit nach Tübingen beträgt planmäßig 8 Minuten. „Heute langts euch gerade“, meint der Zugbegleiter. „Ja, zum Glück. Ich war schon kurz davor, aufzugeben“, meint ein Mann. „Ja, verständlich, ich glaube, letztes Jahr haben wir hier an über 300 Tagen im Jahr gebaut“, entgegnet der Zugbegleiter. „Immerhin sieht man jetzt was von dem zweiten Gleis hier. Das hat man schon mal vor 15 Jahren gesagt, dass man das mal schnell bauen könnte…“ „Ja, diese Strecke ist echt schlimm“, bestätigt der Zugbegleiter. Dann öffnen die Türen und die Umsteiger eilen davon.
IC 3 nach Chur, Do, 18:32
Auch Schweizer Fahrgäste können geballte Inkompetenz beim Zugfahren beweisen. Ich gebe das Gespräch auf Hochdeutsch wieder.
„Ja, schnell! Komm, sprinte die Treppe runter und rein in den Zug! Schnell!!!“, plärrt jemand, nachdem er kurz vor der Abfahrt mit zwei weiteren Personen in den Zug gesprungen ist. Keine Minute später setzt er sich auch schon in Bewegung. Die drei Personen kommen in den Wagen und einer beginnt, lautstark zu telefonieren, ganz offensichtlich mit der Person, die er zuvor zur Eile aufgerufen hat. „So, wir sind im Zug. Wo genau bist du jetzt?“ … „Wir sind da, beim WC.“ … „Hmm, steh mal auf, damit wir dich einfacher sehen können.“ Niemand im Wagen erhebt sich und wenn jemand im nächsten Wagen aufgestanden wäre, hätte es wohl niemand von uns gesehen. „Aber bist du eher vorn oder eher hinten im Zug?“ … „Aber das kann ja nicht sein, bist du schneller gelaufen als wir? Wo bist du denn jetzt? Im Zug?“ … „Also fährt der Zug?“ … „Ok, was siehst du gerade?“ … „Bist du schon beim coop vorbei?“ … „Also wir sehen jetzt gerade einen Güterbahnhof.“ … „Egal, wir steigen einfach am nächsten Halt aus. Ah, Moment, wir sind ja im IC3, der nächste Halt ist ja schon Zürich.“ … „Hä, wo bist du denn jetzt? Steht bei dir auch IC3, also da neben der Tür? Über der Tür, meine ich.“ … „Also bist du in den Zug auf Gleis 5 eingestiegen?“ … „Fährt dein Zug gerade???“ … „Ach Mist, du bist in den Zug auf Gleis 6 eingestiegen. Zum Glück habe ich dir die Fahrkarte geschickt. Also dann sehen wir uns in Zürich.“
Applaus, hat bloß fünf Minuten gebraucht, um herauszufinden, ob man sich wohl im selben Zug befindet. Dass dem nicht so ist, weiß jetzt zweifelsohne der ganze Wagen.
ECE nach München, Do, 21:17
Eine junge Frau telefoniert. „Ich hab vor einer Weile mit ihr gesprochen. Sie möchte unbedingt an der Trauerfeier teilnehmen, aber sie hat an dem Tag einen Termin in der Botschaft in Kanada, den sie nicht verschieben kann. Sie hat gefragt, ob man die Trauerfeier nicht hybrid machen kann. Viel mehr als ein Livestream mit dem Handy kann ich halt nicht machen. Ich hab schon nachgefragt, auf dem Friedhof gibt’s WLAN. Ich hab ihr das jetzt mal so angeboten.“
Olten, Sa, 12:32
Der ICE nach Interlaken war in Basel mit +25 angekündigt und als Alternative nach Bern wurde empfohlen, den IR 26 bis Olten zu nutzen. Dort soll der IC 8 einen Zusatzhalt einlegen und die Fahrgäste somit planmäßig nach Bern bringen.
„Gleis 9: Einfahrt des IC 8 nach Brig, Abfahrt 12:32 Uhr“, verkündet die automatische Ansage. Das Signal steht schon auf Fahrt und wenig später kommt der IC 8. Der fährt aber ganz schön schnell ein, denke ich noch. Und dafür bremst der echt schwach. Bremst der überhaupt? Tja, und wenige Sekunden später sehen die verwirrt dreinblickenden Fahrgäste nur noch die Schlusslichter. Olten ist zu Wolfsburg geworden…
Busbahnhof Trudering, München, Do, 18:52
"Wissen Sie, welcher Bus zum Gymnasium fährt?", spricht mich ein gehetzt wirkender älterer Herr an. Zu welchem Gymnasium, hier gibt es mehrere... "Na zu dem Gymnasium mit der Veranstaltung." Sie müssen schon deutlicher werden, sonst kann ich leider nicht helfen. Er kramt einen Zettel heraus, die Adresse ist Friedenspromenade, also Truderinger Gymnasium. Linie 192, fährt gerade ein. Ich steige in den 139er, wenig später der Mann hinterher. "Ähm, ist das hier richtig?" Oh Mann...
ICE 266 Richtung Basel SBB, So, 16:50
"Sehr geehrte Fahrgäste, aufgrund eines defekten Stellwerks wird unser Zug heute umgeleitet. Der Halt in München-Pasing entfällt. Wir erwarten dadurch eine Verspätung von 45 Minuten. Wir bitten um Entschuldigung."
Ich rechne mit einer Umleitung via Geltendorf - Paartalbahn, doch dann fahren wir am Heimeranplatz vorbei. "Verehrte Fahrgäste, hier nochmals die Info - Sie bekommen heute eine Stadtrundfahrt durch München, wir fahren über den Südring und Nordring nach Olching. Auch das Zugteam ist davon nicht begeistert, das bedeutet nämlich, dass sich unser Feierabend verspätet. Wir hoffen, dass Sie auch Verständnis dafür haben."
Bis kurz vor Augsburg bleibt die Verspätungsprognose bei +45, aber bereits in Olching ist mir klar, dass wir wohl deutlich weniger Verspätung haben werden. Davon werden offenbar auch die wartenden Fahrgäste überrascht. "Ja, da stand bis zuletzt Verspätung 45 Minuten, aber dann waren es auf einmal nur noch 25 und der Zug ist auch schon eingefahren..."
Mir gegenüber sitzt eine junge Frau vor ihrem Laptop. Der Zugbegleiter kommt zur Fahrkartenkontrolle. "Und noch die Bahncard, bitte." "Hmm, die wird irgendwie nicht angezeigt. Normalerweise ist da doch ein QR-Code, oder?", meint die Frau. Der Zugbegleiter versucht die hinterlegte Bahncard zu aktualisieren, doch sie wird weiterhin nicht angezeigt. "Macht nichts, ich habe auch die Karte dabei." Sie sucht in ihrem Rucksack und zieht die Karte hervor. "Hmm, die ist im September abgelaufen." "Oh, Mist, das habe ich total übersehen..." "Ok, ist nicht schlimm." Die Frau bekommt eine Fahrpreisnacherhebung. "Also, hier steht jetzt ein höherer Betrag, aber Sie können dort eine nette Mail hinschreiben. Vielleicht kann man was auf Kulanz machen."
Ein paar Minuten später telefoniert sie. "Ja, ich wollte nur sagen, heute war ein ganz toller Tag... Nachdem ich vorhin schon das mit Oma und Opa vermasselt habe, ist jetzt auch noch meine Bahncard abgelaufen. Ich habe das echt total übersehen, dass die schon im September abläuft. Ich dachte immer, das wäre ein Abo... Naja, der Zugbegleiter war zwar ganz nett und meinte, ich soll es mit Kulanz probieren, aber ich glaube ja, ich werde die 95€ bezahlen müssen..."
Wir holen Verspätung auf. In Karlsruhe schließen die Türen, dann plötzlich die Durchsage: "Achtung Zugbegleiter, neues Abfertigungsverfahren!" Wir bleiben noch ein paar Minuten stehen, ehe es weitergeht. "Herzlich Willkommen im ICE nach Basel. Warum wir Karlsruhe jetzt wieder mit einer Verspätung von 22 Minuten verlassen haben, fragen Sie am besten den dortigen Fahrdienstleiter."
Tram 17 Richtung St. Emmeram, München, Fr, 13:37
Ein vierjähriger Junge steigt mit seiner Mutter ein. Ein Reisebus fährt vobei. „Guck mal, der Opa fährt sooo einen großen Bus“, bemerkt der Kleine. „Wie viele Stationen U-Bahn müssen wir eigentlich nachher fahren? Drei?“ Die Mutter überlegt kurz. „Nein, es sind sechs. Oder wir fahren mit der S-Bahn.“ „Jaaa, S-Bahn ist besser!!!“ Die Tram hält. In einer Seitenstraße lädt eine ältere Frau etwas aus dem Kofferraum. Der Junge formt seine Finger zu einer Pistole. „Piupiu! Piupiupiupiu! Oma! Kind! Piupiu! Ich schieße die ab!“ „Lass das mal lieber“, meint seine Mutter. „Piupiu! Piupiupiu!“ Dann fährt die Tram weiter und die auserkorenen Ziele kommen außer Schussweite.
IC 21 nach Basel, So, 18:40
Eine mittelalte Frau im Vierer gegenüber telefoniert auf Schwiizerdütsch, ich gebe das Gespräch der Einfachheit halber auf Hochdeutsch wieder. „Ja, wir sind bald in Basel.“ … „Warte mal schnell, ich habe dich nicht verstanden, die Verbindung ist gerade etwas schlecht. Wir sind gerade im Tunnel.“ … „Nein, du kannst doch einfach aufs Tram gehen (ein bisschen schwiizerdütscher Satzbau muss dann doch sein) und zu mir fahren, oder? Das ist doch jetzt egal.“ … „Was?“ … „Ja, die Verbindung ist nicht so gut. Wir sind bald da und gehen dann auf den Zweier zum Wettsteinplatz.“
Der Tonfall der Frau wird zunehmend genervt, nach ein paar Minuten beendet sie das Gespräch. Dann beklagt sie sich bei ihrem Begleiter, einem mittelalten Mann: „Boah, die Jacqueline, die geht mir sowas von auf die Eierstöcke. Die muss doch nicht wissen, auf welchem Gleis wir ankommen. Die soll doch einfach aufs Tram gehen und zu mir fahren. Wo ist das Problem?“ Sie gibt dem Mann gar keine Gelegenheit, überhaupt etwas zu erwidern, bevor sie sich ihren Frust weiter von der Seele redet, in für die Schweiz ungewöhnlich lauten Tonfall. „Warum ist das jetzt so wichtig, dass sie am Bankverein ins selbe Tram einsteigt wie wir? Sie kann doch mit ihrem Bruder zusammen zu mir fahren. Sie weiß doch, wo sie hinfahren muss. Und dieser Tonfall, das geht mir so auf die Eierstöcke!“ Sie spielt dem Mann irgendeine Sprachnachricht vor, die ich aber nicht verstehe. „Siehst du? Und so geht das die ganze Zeit. Sie hat sehr genaue Vorstellungen, wie alles laufen muss. Und wenn das dann mal nicht nach ihrem Willen läuft, dann kommt sie in so einem Tonfall, furchtbar! Sie soll sich halt mit ihrem Bruder abstimmen, auf welches Tram er am Bankverein geht und dann gemeinsam mit ihm zu mir fahren.“ In diesem Stil geht ihre Schimpftirade fast eine Viertelstunde, dann kommt der Zug in Basel an. Selbst beim Aussteigen führt sie ihren Schimpf-Monolog weiter, der Mann folgt ihr schweigend auf den Bahnsteig.
IC 51 nach Biel, Fr, 11:12
Eine Familie ist unterwegs, der Vater stellt die Vorstellungskraft der 11-jährigen Tochter und des etwas jüngeren Sohns auf die Probe, ich gebe das Gespräch aus Gründen der Einfachheit auf hochdeutsch wieder. „Wir machen jetzt mal ein kleines Gedankenexperiment. Könnt ihr euch vorstellen, der Becher wäre nicht da?“ Dabei deutet er auf einen Becher auf dem Tisch. „Ja!“, lautet die Antwort der Kinder unisono. „Ok, könnt ihr euch vorstellen, der Zug wäre nicht da?“ „Aber dann würden wir ja über den Gleisen schweben, das geht ja nicht“, wirft die Tochter ein. „Tja, da seht ihr es. Es ist gar nicht so einfach, etwas wegzudenken, das um einen herum ist.“ „Ja, das wäre schon sehr komisch, wenn der Zug nicht da wäre und wir einfach über die Gleise fliegen würden…“ „Könnt ihr euch vorstellen, das Universum wäre nicht da?“ „Aber dann wären wir doch auch nicht da“, meint die Tochter.
Bus 36 Richtung Schifflände, Basel, Mo, 16:38
Ein junger Mann, vielleicht Anfang zwanzig, telefoniert in normaler Gesprächslautstärke. Alle umstehenden Personen können problemlos mithören. Auch dieses Gespräch gebe ich auf Hochdeutsch wieder. „Ja, aber verstehst du denn nicht? Ich habe gerade andere Probleme. Ich bin gerade gekündigt worden.“ … „Ich hatte kein schriftliches Arztzeugnis vorliegen. Vorher habe ich bei der Krankenversicherung angerufen und das ist nie verschickt worden…“ … „Verstehst du denn nicht, dass ich gerade andere Probleme habe? Es geht doch nicht darum, dass ich nicht mit dir reden will. Aber mir ist gerade gekündigt worden!!! Was soll ich jetzt bloß machen? Ich stehe unter Schock. Ich muss doch arbeiten gehen! Ich brauche Geld. Wovon soll ich denn alles bezahlen? Ich brauche 600 Franken im Monat, um alles Mögliche zu bezahlen…“ … „Du verstehst nicht, dass ich jetzt andere Probleme habe?“ … „Ja, gut, bis später.“
IC 61 nach Interlaken Ost, Fr, 11:32
Zwei Frauen um die 30 unterhalten sich, ich gebe das Gespräch auf Hochdeutsch wieder.
„Wir waren letztes Wochenende im Tessin. Aber das Wetter war echt grausig, es hat die ganze Zeit geregnet. Also sind wir ins Wellness gegangen. Am Sonntag sind wir dann noch bis Locarno ins Schwimmbad gefahren, aber wir hatten unsere Badesachen vergessen.“ „Oh nein, hättet ihr nicht welche kaufen können?“ „Naja, das wollten wir nicht. Ich hatte vorgeschlagen, welche zu mieten, aber die Kathrin wollte das auf keinen Fall – wäre ja voll eklig und so. Ich denke, die werden das schon vorher waschen.“ „Ja, bestimmt!“ „Und dann ist da ja so viel Chemie, das wäre sicher gegangen.“
…
„Irgendwie bin ich mit unserer Wohnung nie so richtig warm geworden. Wir haben nur Ausblick auf die Straße und sehen in keine anderen Wohnungen rein. Ich muss aber irgendwie andere Menschen sehen… Und eigentlich wollte ich immer einen Wintergarten, aber jetzt, wo ich einen habe, finde ich ihn gar nicht so toll. Jetzt ist eine andere Wohnung im Haus freigeworden und ich habe mal angefragt, ob wir die theoretisch bekommen könnten. Die Verwaltung ist damit grundsätzlich einverstanden.“ „Und was sagt dein Mann dazu?“ „Ach, ihn stört das nicht, wo wir gerade sind. Und er mag nicht so gerne Veränderungen in seinem Leben, aber ich glaube, das wäre für ihn schon in Ordnung, umzuziehen.“ „Ist ja irgendwie meistens so, dass sich die Frauen um die Einrichtung kümmern und bei den Partnern geht es dann hauptsächlich darum, wenn etwas gar nicht geht, ansonsten ist es ihnen egal.“ „Ja, stimmt schon.“
RB nach Bad Griesbach, Sa, 13:27
Eine Gruppe Kinder singt lauthals irgendwo am anderen Ende des Triebwagens: „Ei-nig-keit und Recht und Freeeeei-heit für das deutsche Vaaa-teeeer-laaand…“ Ein Erwachsener unterbricht sie. „Übt lieber mal die Lieder, die ihr nachher braucht. Und singen, nicht grölen!“
IC nach Stuttgart Hbf, Do, 20:49
Wir fahren mit +6 in Horb ein, die Umsteigezeit nach Tübingen beträgt planmäßig 8 Minuten. „Heute langts euch gerade“, meint der Zugbegleiter. „Ja, zum Glück. Ich war schon kurz davor, aufzugeben“, meint ein Mann. „Ja, verständlich, ich glaube, letztes Jahr haben wir hier an über 300 Tagen im Jahr gebaut“, entgegnet der Zugbegleiter. „Immerhin sieht man jetzt was von dem zweiten Gleis hier. Das hat man schon mal vor 15 Jahren gesagt, dass man das mal schnell bauen könnte…“ „Ja, diese Strecke ist echt schlimm“, bestätigt der Zugbegleiter. Dann öffnen die Türen und die Umsteiger eilen davon.
IC 3 nach Chur, Do, 18:32
Auch Schweizer Fahrgäste können geballte Inkompetenz beim Zugfahren beweisen. Ich gebe das Gespräch auf Hochdeutsch wieder.
„Ja, schnell! Komm, sprinte die Treppe runter und rein in den Zug! Schnell!!!“, plärrt jemand, nachdem er kurz vor der Abfahrt mit zwei weiteren Personen in den Zug gesprungen ist. Keine Minute später setzt er sich auch schon in Bewegung. Die drei Personen kommen in den Wagen und einer beginnt, lautstark zu telefonieren, ganz offensichtlich mit der Person, die er zuvor zur Eile aufgerufen hat. „So, wir sind im Zug. Wo genau bist du jetzt?“ … „Wir sind da, beim WC.“ … „Hmm, steh mal auf, damit wir dich einfacher sehen können.“ Niemand im Wagen erhebt sich und wenn jemand im nächsten Wagen aufgestanden wäre, hätte es wohl niemand von uns gesehen. „Aber bist du eher vorn oder eher hinten im Zug?“ … „Aber das kann ja nicht sein, bist du schneller gelaufen als wir? Wo bist du denn jetzt? Im Zug?“ … „Also fährt der Zug?“ … „Ok, was siehst du gerade?“ … „Bist du schon beim coop vorbei?“ … „Also wir sehen jetzt gerade einen Güterbahnhof.“ … „Egal, wir steigen einfach am nächsten Halt aus. Ah, Moment, wir sind ja im IC3, der nächste Halt ist ja schon Zürich.“ … „Hä, wo bist du denn jetzt? Steht bei dir auch IC3, also da neben der Tür? Über der Tür, meine ich.“ … „Also bist du in den Zug auf Gleis 5 eingestiegen?“ … „Fährt dein Zug gerade???“ … „Ach Mist, du bist in den Zug auf Gleis 6 eingestiegen. Zum Glück habe ich dir die Fahrkarte geschickt. Also dann sehen wir uns in Zürich.“
Applaus, hat bloß fünf Minuten gebraucht, um herauszufinden, ob man sich wohl im selben Zug befindet. Dass dem nicht so ist, weiß jetzt zweifelsohne der ganze Wagen.
ECE nach München, Do, 21:17
Eine junge Frau telefoniert. „Ich hab vor einer Weile mit ihr gesprochen. Sie möchte unbedingt an der Trauerfeier teilnehmen, aber sie hat an dem Tag einen Termin in der Botschaft in Kanada, den sie nicht verschieben kann. Sie hat gefragt, ob man die Trauerfeier nicht hybrid machen kann. Viel mehr als ein Livestream mit dem Handy kann ich halt nicht machen. Ich hab schon nachgefragt, auf dem Friedhof gibt’s WLAN. Ich hab ihr das jetzt mal so angeboten.“
Olten, Sa, 12:32
Der ICE nach Interlaken war in Basel mit +25 angekündigt und als Alternative nach Bern wurde empfohlen, den IR 26 bis Olten zu nutzen. Dort soll der IC 8 einen Zusatzhalt einlegen und die Fahrgäste somit planmäßig nach Bern bringen.
„Gleis 9: Einfahrt des IC 8 nach Brig, Abfahrt 12:32 Uhr“, verkündet die automatische Ansage. Das Signal steht schon auf Fahrt und wenig später kommt der IC 8. Der fährt aber ganz schön schnell ein, denke ich noch. Und dafür bremst der echt schwach. Bremst der überhaupt? Tja, und wenige Sekunden später sehen die verwirrt dreinblickenden Fahrgäste nur noch die Schlusslichter. Olten ist zu Wolfsburg geworden…
Busbahnhof Trudering, München, Do, 18:52
"Wissen Sie, welcher Bus zum Gymnasium fährt?", spricht mich ein gehetzt wirkender älterer Herr an. Zu welchem Gymnasium, hier gibt es mehrere... "Na zu dem Gymnasium mit der Veranstaltung." Sie müssen schon deutlicher werden, sonst kann ich leider nicht helfen. Er kramt einen Zettel heraus, die Adresse ist Friedenspromenade, also Truderinger Gymnasium. Linie 192, fährt gerade ein. Ich steige in den 139er, wenig später der Mann hinterher. "Ähm, ist das hier richtig?" Oh Mann...
ICE 266 Richtung Basel SBB, So, 16:50
"Sehr geehrte Fahrgäste, aufgrund eines defekten Stellwerks wird unser Zug heute umgeleitet. Der Halt in München-Pasing entfällt. Wir erwarten dadurch eine Verspätung von 45 Minuten. Wir bitten um Entschuldigung."
Ich rechne mit einer Umleitung via Geltendorf - Paartalbahn, doch dann fahren wir am Heimeranplatz vorbei. "Verehrte Fahrgäste, hier nochmals die Info - Sie bekommen heute eine Stadtrundfahrt durch München, wir fahren über den Südring und Nordring nach Olching. Auch das Zugteam ist davon nicht begeistert, das bedeutet nämlich, dass sich unser Feierabend verspätet. Wir hoffen, dass Sie auch Verständnis dafür haben."
Bis kurz vor Augsburg bleibt die Verspätungsprognose bei +45, aber bereits in Olching ist mir klar, dass wir wohl deutlich weniger Verspätung haben werden. Davon werden offenbar auch die wartenden Fahrgäste überrascht. "Ja, da stand bis zuletzt Verspätung 45 Minuten, aber dann waren es auf einmal nur noch 25 und der Zug ist auch schon eingefahren..."
Mir gegenüber sitzt eine junge Frau vor ihrem Laptop. Der Zugbegleiter kommt zur Fahrkartenkontrolle. "Und noch die Bahncard, bitte." "Hmm, die wird irgendwie nicht angezeigt. Normalerweise ist da doch ein QR-Code, oder?", meint die Frau. Der Zugbegleiter versucht die hinterlegte Bahncard zu aktualisieren, doch sie wird weiterhin nicht angezeigt. "Macht nichts, ich habe auch die Karte dabei." Sie sucht in ihrem Rucksack und zieht die Karte hervor. "Hmm, die ist im September abgelaufen." "Oh, Mist, das habe ich total übersehen..." "Ok, ist nicht schlimm." Die Frau bekommt eine Fahrpreisnacherhebung. "Also, hier steht jetzt ein höherer Betrag, aber Sie können dort eine nette Mail hinschreiben. Vielleicht kann man was auf Kulanz machen."
Ein paar Minuten später telefoniert sie. "Ja, ich wollte nur sagen, heute war ein ganz toller Tag... Nachdem ich vorhin schon das mit Oma und Opa vermasselt habe, ist jetzt auch noch meine Bahncard abgelaufen. Ich habe das echt total übersehen, dass die schon im September abläuft. Ich dachte immer, das wäre ein Abo... Naja, der Zugbegleiter war zwar ganz nett und meinte, ich soll es mit Kulanz probieren, aber ich glaube ja, ich werde die 95€ bezahlen müssen..."
Wir holen Verspätung auf. In Karlsruhe schließen die Türen, dann plötzlich die Durchsage: "Achtung Zugbegleiter, neues Abfertigungsverfahren!" Wir bleiben noch ein paar Minuten stehen, ehe es weitergeht. "Herzlich Willkommen im ICE nach Basel. Warum wir Karlsruhe jetzt wieder mit einer Verspätung von 22 Minuten verlassen haben, fragen Sie am besten den dortigen Fahrdienstleiter."
Tram 17 Richtung St. Emmeram, München, Fr, 13:37
Ein vierjähriger Junge steigt mit seiner Mutter ein. Ein Reisebus fährt vobei. „Guck mal, der Opa fährt sooo einen großen Bus“, bemerkt der Kleine. „Wie viele Stationen U-Bahn müssen wir eigentlich nachher fahren? Drei?“ Die Mutter überlegt kurz. „Nein, es sind sechs. Oder wir fahren mit der S-Bahn.“ „Jaaa, S-Bahn ist besser!!!“ Die Tram hält. In einer Seitenstraße lädt eine ältere Frau etwas aus dem Kofferraum. Der Junge formt seine Finger zu einer Pistole. „Piupiu! Piupiupiupiu! Oma! Kind! Piupiu! Ich schieße die ab!“ „Lass das mal lieber“, meint seine Mutter. „Piupiu! Piupiupiu!“ Dann fährt die Tram weiter und die auserkorenen Ziele kommen außer Schussweite.
Mein Bahnjahr 2024
Zurückgelegte Strecke: 30.060 km - Planmäßige Gesamtreisezeit: 16,1 Tage - Gesamtverspätung (analog FGR): 626 min - Planmäßige Reisegeschwindigkeit: 78 km/h - Durchschnittliche Fahrzeitverlängerung aufgrund von Verspätung: 2,7% - Fahrtkosten: 10,6 Cent/km - Anschlussquote (alle Anschlüsse einer Verbindung mit min. 1 Umstieg erreicht): 87,5%
Zurückgelegte Strecke: 30.060 km - Planmäßige Gesamtreisezeit: 16,1 Tage - Gesamtverspätung (analog FGR): 626 min - Planmäßige Reisegeschwindigkeit: 78 km/h - Durchschnittliche Fahrzeitverlängerung aufgrund von Verspätung: 2,7% - Fahrtkosten: 10,6 Cent/km - Anschlussquote (alle Anschlüsse einer Verbindung mit min. 1 Umstieg erreicht): 87,5%