Lobedan hat geschrieben: ↑24 Apr 2024, 10:22
Der sechsteilige KISS bringt auch nur ca 630 Sitzplätze auf 157 m unter, solange gleichzeitig üppige Mehrzweckabteile für Fahrräder vorhanden sein sollen.
Und nicht zu vergessen, dass meines Wissens bisher kein mitteleuropäischer KISS mit 76 cm Einstiegshöhe rumfährt.
Ich sehe drei Varianten:
1.) Wendezug
So wie ich die Ausschreibung lese: Den gleichen Wendezug z.B. auf Vectrain-Basis nochmal bauen. An den Wagenenden könnte man den Mitteldeckbereich übernehmen und nach dem Drehgestell statt dem Niederflurbereich mit 55er-Einstieg (siehe neue Railjet/Nightjet) einen Einstieg mit 76 cm und Doppelstockbereich einbauen. Die Züge haben standardmäßig ÖBB-WTB, was ja auch die DB z.B. bei den ICE-L verwendet, sodass die Zugsteuerung nicht gar so ein Inselsystem wäre. Und dass Vectrons jetzt nicht so selten und unerprobt sind und sogar den Hersteller (ggf. zur Wartung) direkt an der Strecke haben, brauche ich nicht erwähnen. Ich vermute mal, die BEG sagt mit den 660 Sitzplätzen vor allem, liebe Industrie, versucht es einfach nochmal! Das Konzept Wendezug mit sechs Wagen, das für die Linie seit dem Bau der SFS zu Grunde liegt und vermutlich exakt das ist, was man sich in MIN bei den Signalstandorten gedacht hat, ist nicht das Problem. Skoda hat's wagenbaulich ja hinbekommen. Dass die Steuerung und die Lok ein Problem sind, liegt nicht an uns, warum sollten wir die Anforderungen ändern? Zumal die Kapazität trotz künftig Stundentakt wahrscheinlich bzw. im besten Fall 2028 + 30 Jahre, also bis etwa 2060 (!) reichen können muss.
So ein Vectrain-Derivat wäre für eine ÖBB-Tochter sicherlich nichts ganz neues, wenn man auch mal mögliche Betrieber mit in die Spekulationen einbezieht. Damit könnten speziell DB (bisheriges Betriebs- und Wartungskonzept, nur mit neuen Fahrzeugen) wie auch ÖBB/Go Ahead an den Start gehen, was die Chancen für dieses Fahrzeugkonzept auch erhöhen könnte.
Variante 2: Stadler KISS, "optimierter 7-Teiler"
Angenommen der Stadler KISS wäre ohne allzu arge Verhunzung der Rampen, des Oberstocks und der Kapazität auf 76 cm Einstiegshöhe modifizierbar, dann wäre ggf. auch ein 7-Teiler denkbar. Anders als bei den teils eintöckigen Coradia Stream und Desiro HC wäre beim Stadler-Zug wohl z.B. auch der dann mittlere Mittelwagen antreibbar oder eben der ganze Zug, da ist man wohl bei der Achsformel und ggf. dem Gewicht flexibler, je nachdem wie das dann wieder mit dem Gewicht und dem Seitenwind auf der SFS wäre, z.B. wären Konfigurationen mit dann 12 statt 8 Antriebsachsen möglich:
Bo’Bo’ + 2’2’ + 2’2’ + Bo’Bo’ + 2’2’ + 2’2’ + Bo’Bo’
2’Bo’ + Bo’Bo’ + 2’2’ + 2’2’ + 2’2’ + Bo’Bo’ + Bo’2’
2’Bo’ + Bo’2’ + 2’Bo’+ 2’2’ + Bo’2’ + 2’Bo’ + Bo’2’
Dazu wär's allerdings notwendig, dass man bis 2028 in Ingolstadt Nord ggf. den Bahnsteig zumindest im Bereich des Aufzugs um 10, optimalerweise 25 m verlängern kann und das als verenger Bereich dort dann so zulässig wäre. Ich befürchte aber fast, es hat Gründe, warum das an Gleis 3 und 6 so umgesetzt ist, an 4 und 5 (SFS) aber nicht.
Vielleicht ist es alternativ möglich, den Stadler-Wagenkasten bei gleichem Drehgestellabstand an den Überhängen minimal, also ca. 30 bis 50 cm zu kürzen, sodass ein 7-Teiler statt ca. 177 m (?) dann vielleicht auf 170 m und eine Länge käme, wo alle Türen (schätzungsweise dann 160 von der ersten bis zur letzten) zuverlässig mit ein paar Metern Reserve an den Bahnsteig passen. Zum Vergleich: Der 6-Teiler hat 152 m, der Bahnsteig wohl eine Nutzlänge von 170 m. Allerdings sind die Überhänge beim KISS eh schon recht kurz, da wäre das Drehgestell dann komplett am Wagenende, wohl noch weiter als bei einem SBB-Leichtstahlwagen aus den 40ern. Für die Laufeigenschaften könnte es aber vermutlich nicht so schlecht sein.
Und ob es bei 200 km/h ratsam ist, den Drehgestellabstand und damit auch den doppelstöckigen Bereich um ca. 1,5 Sitzreihen, also rechnerisch 12 Plätz, also eingesamt auf den ganzen Zug gerechnet 84 Sitzplätze zu kürzen? Da rentiert sich dann fast der Aufwand für den siebten Wagen fast schon nicht mehr. In der Mitte kostet's beim Dosto halt doppelt so viel Platz. Aber man könnte ggf. den KISS ggf. über die geforderte Schwelle mit den 660 Plätzen inkl. 1. Klasse plus an die 40 Fahrradstellplätze heben. Jedenfalls, wenn das Anheben den Einstiegsbereichs unfallfrei geht, also ohne dass die Sitzplätze im Oberstock über den Türen im Extremfall wegfallen würden.
Oder man operiert auch den Stadler-Zug komplett um und baut die Wagenkästen mit dem Skoda-Layout, also 76er-Einstiegsbereich und erst dann anschließendem Dosto-Bereich, dafür längeren Mitteldeck-Bereichen.
Variante 3: Schon wieder was ganz neues oder doch Skoda 2.0?
Aber mit einem neuen Wagenkasten würde das sicherlich auch Alstom, Siemens und alle anderen dann hinbekommen. Da sind wir dann aber wieder beim Preis, wo vermutlich Siemens einen antriebslosen Wendezug auf Vectrain-Basis mit Lok von der Stange billiger in dieser Stückzahl herkriegt als in die komplett neukonstruierten Wagenkästen auch noch den ganzen Antrieb einzubauen. Ob Alstom oder Stadler den gleichen Move billiger können als Siemens einen "Railjet 2" mit Dosto- statt Niederflurmittelteil, das müsste man sehen. Die Entwicklung ist bei ganzen 7 Zügen sicherlich im Endeffekt pro Stück teurer als bei größeren Serien, von daher hat vermutlich der hier einen Vorteil, der schon was zugelassenes hat, wo man möglichst wenig zulassungsrelevante Teile ändern muss. Und das sind für die hier geforderte Kapazität m.E. antriebslose Wagen für einen Wendezug, wo der ganze Antrieb in Form eines Vectrons einfach Serie ist.
Innerlich habe ich übrigens eine Wette mit mir mit 1 Euro laufen, dass bei Skoda auch jemand feststellt, Moment mal, genau so einen Wendezug haben wir auch im Portfolio und sogar schonmal nach Bayern geliefert.

Und anders als Privatleuten ist einem Konzern an sich so eine alte Geschichte (Neigetechnikzüge, Pkw-Dieselmotoren mit digitalen Zusatzfunktionen... *hust hust*) nicht peinlich, die schämen sich nicht in Grund und Boden und geben ihr Business auf, da geht's nur um Aufträge und Geld. Ansonsten hätten sich nahzu alle Bahnbetreiber in Bayern längst auflösen müssen. Das ist keine Kategorie, in der da gedacht wird. Wie gesagt, ausschließen würde ich nicht, dass (wenn sich neben der DB überhaupt noch wer bewirbt) irgendwer mit irgendeiner Leasingfirma mit einer "2. Bauserie" der Skoda-Wagen (und ggf. einer separat beschafften Lok) bietet, eben weil auch bei der dritten Vergabe schon wieder kein Zug von der Stange in Frage kommt und ggf. Tschechien wohl weiter einfach ein Preisargeumnt sein kann! Auf dem Papier. Und auf mehr als das Papier kommt's wie bei jeder Bahnausschreibung erstmal nicht an.
Noch ein Thema, das man nicht vergessen darf: Die RB16 mit geschätzt wieder etwa 40 ähnlich großvolumigen Zügen ist ja auch ausgeschrieben und die Betriebskosten eines Twindexx sollen nicht so wahnsinnig viel günstiger sein als die eines 111-Wendezugs. In der Größenordnung ist der kobespannte Zug ja durchaus bei den Kosten noch konkurrenzfähig. Kleine Vierteiler gibt es ja offiziell nur vier Stück, wir reden also ingesamt von mindestens ca. 45 sechsteiligen Zügen. Vielleicht hat auch derjenige einen Kostenvorteil, der die alle mit der selben Fahrzeugplattform fahren kann, also mit 45 Vectrons und ggf. den selben Wendezügen? Die bisher vier Vierteiler, die ja praktisch eigentlich die halbe Zeit als 6+4-Teiler oder 4+4-Teiler fahren sollten lokbepannt zu fahren, wäre wahrscheinlich nicht so mit Kanonen auf Spatzen geschossen als in anderen Netzen wie z.B. dem Augsburger, wo mit mehr Solo-Vierteilern oder/und auch einstöckigen z.B. Mireo gefahren wird.
Ich könnte mir durchaus vorstellen, dass da 45+ SFS-taugliche Vectrains in dann fast schon einer richtigen Serie rauskommen, wo man im Zweifel dann auch nicht so auf Gedeih und Verderb auf eine Hand voll SFS-Züge angewiesen ist. Nachdem die Züge (im Zeitraum bis 2060 betrachtet) sowieso alle "ETCS-ready" sein sollten, könnte ich mir schon vorstellen, dass es mögliche Bieter machen wie "The Länd" und 200 schnelle Züge für den "digitalen Knoten" auch da einsetzen, wo keine 200 km/h und ETCS gebraucht werden oder wir erinnern und an die kurzzeitig von NX gewonnene S-Bahn Nürnberg mit halt einfach einheitlich großen Langzügen. Anders als z.B. im Augsburger Netz, wo ich zur Not einen übervollen Mireo auch da einsetzen kann, wo ich eigentlich einen Desiro HC bräuchte, habe ich die RB-Züge in diesem Netz sonst ja nicht als Rückfallebene und Reserve für die SFS. Und eine Migration von PZB/LZB zu ETCS ist mit auswechselbaren Loks ggf. auch leichter wenn man 2040 deswegen schon wieder den ganzen Spezialmist schon wieder neu bauen müsste.
Und anders bei den anderen ET, die man ja eh überall braucht, weiß ich nicht wie die Auslastung der Fertigungssstraße "Vectrain" bei Siemens in den nächsten Jahren aussieht, wenn die Nightjets und Railjets dann gebaut sind und ja nicht mehr so viel z.B. nach Russland geliefert wird. Der Preis hat ja auch immer mit der Herstellerkapazität zu tun. Und wenn ich die Auslastung der Strecke München-Ingolstadt anschaue, hätte ich mit 200 km/h auch auf der RB16 mit dem bekannten Problem der langsamen Trassen ggf. einen optionalen Zeit- und Fahrdynamikvorteil und auch Züge mit der richtigen Zielbahnsteighöhe. Anders als 2013 sind die Kosten für einen druckertüchtigten 190/200-km/h-Sechsteiler heute vermutlich eh nicht mehr so viel höher als für einen Sechsteiler ohne (p) mit ggf. eh nur wegen der PZB begrenzten 160 km/h. Mit 45+ gleichen Zügen brauche ich in Nürnberg und München auch nicht linienrein wenden, beim de facto Halbstundentakt spar ich mir vielleicht sogar so viel Zeit = Geld, dass es sogar günstiger kommen könnte, wenn ich von RB auf RE und umgekehrt wenden kann und so Verspätungen und Ausfälle = Pönale vermeiden kann.
Fazit: Von dem her würde ich einen analog zum Skoda gebauten Siemens-Wendezug mit Vectron (was ggf. der verklausulierte Wunsch der BEG sein könnte... "Bayern kann's halt einfach besser") auf Platz 1 setzen, einen in der Länge und Einstiegshöhe irgendwie optimierten Stadler KISS auf Platz 2 und alles weitere dahinter. Aber wir wissen ja, dass bei Ausschreibungen immer auch Mist rauskommen kann, wo jeder von Anfang an weiß, dass es Mist sein wird, aber die BEG kann halt erst was machen, wenn nach 12 Jahren der Vertrag für den nächsten Mist ansteht. So geht bekanntlich Ausschreibungsbahn.
