[AM][GE][TR][BG][RO][HU] Der Landweg aus Jerewan

Eure Reportagen und Reiseberichte finden hier ihren Platz, gerne auch Bilder abseits von Gleisen
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Re: [AM][GE][TR][BG][RO][HU] Der Landweg aus Jerewan

Beitrag von Entenfang »

Tag 24 Göreme

Die Sonne scheint hell ins Schlafzimmer, ein Königreich für einen Rollladen. Aber immerhin, sie scheint und meine Erkältung hat nachgelassen, dafür hat es jetzt Joachim erwischt. Unser Ballonflug ist für morgen geplant und die Wettervorhersage sieht recht gut aus – allerdings ist mit etwas Wind zu rechnen, ein kritischer Aspekt. Die letzten Tage inklusive heute konnten die Ballone nicht starten. Ich hoffe inständig, dass es morgen klappt, nicht nur um des Erlebnis willen, sondern auch, weil wir andernfalls auf einem riesigen Bündel ziemlich wertloser Währung sitzen.
Stündlich verkehrt ein Bus in den Nachbarort Çavuşin, er kommt mit +10. Immerhin hängt ein gut sichtbarer Fahrplan aus.
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Man muss hier viel Geduld mitbringen, wenn man den ÖPNV nutzen will. Fünf Minuten später ist die Fahrt für 50 Cent schon wieder vorbei und wir gönnen uns ein Mittagessen.
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Wir bestellen ein paar Vorspeisen und noch Pistazien-Pfannkuchen zum Nachtisch, der aber irgendwie auf der Speisekarte besser aussah, als er schmeckt.

Eine Reisegruppe nähert sich dem Restaurant. Die Reiseleiterin pfeift mit einer Trillerpfeife, plärrt irgendetwas auf Türkisch und alle verteilen sich an den Tischen. Dann gibt es Tee für jeden, nach zehn Minuten steht sie wieder auf, pfeift nochmal und weiter geht’s, der Programmpunkt „Tee in einem traditionellen Restaurant“ ist abgehakt – diese Gruppe erfüllt aber auch wirklich alle Klischees…

Passend dazu gibt es wohl hundert Touristenbüros in Göreme mit mehr oder weniger auffälliger Gestaltung.
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Sie bieten aber alle dasselbe an – es gibt eine Red Tour, eine Green Tour, eine Blue Tour, eine Hot Air Balloon Tour, eine Quad Tour, eine Horseback Tour und eine Private Tour.

Braucht jemand Tongefäße?
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Wir brechen auf eine Wanderung auf und kaum sind wir einen halben Kilometer vom Parkplatz entfernt, sind wir völlig allein unterwegs.
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Blick über die Häuschen am Rand von Çavuşin
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Die Ablagerung verschiedener Gesteinsschichten ist hier gut erkennbar.
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Die Wanderung durch die besondere Landschaft ist sehr kurzweilig – ich könnte alle zwei Minuten stehen bleiben und über die Vielzahl an Formen und Farben staunen, die jetzt im perfekten Nachmittagslicht erstrahlen.
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Schließlich steigen wir ins Red Valley ab, passieren Oasen und mehrere kurze Tunnels.
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Für den Wegweiser hat jemand ganz genau nachgemessen
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Dann erreichen wir riesige Flächen, die vermutlich für Ballonstarts genutzt werden. 50 Quads rasen hupend herum…
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…und wenig später kommt die Horseback Tour mit 20 Pferden vorbei.
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Tja, hättet ihr mal besser die Private Tour gebucht…

Wenige Augenblicke später können wir die Feenkamine wieder ganz in Ruhe allein genießen.
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In der Dämmerung erreichen wir den Aussichtspunkt oberhalb von Göreme, wo natürlich wieder viel los ist.
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Blick zum Burgfelsen von Uçhisar
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Beim Abstieg in die hell beleuchtete Stadt bemerken wir, dass man beim Aufstieg von der Stadt her 50 Cent Eintritt hätte zahlen müssen, der Wanderweg von der abgelegenen Seite dagegen ist frei zugänglich.
Wir bleiben einen Moment zu lange vor einer der Touristenbüros stehen und schon taucht jemand auf. „Can we give some advise how to best get the money from your pocket? We are very good at getting your money.“ Wie wahr, wie wahr und wenigstens ehrlich.

Der Vermieter informiert uns, dass der Ballonflug morgen stattfinden soll – wir haben jedoch keinen Kontakt zum Anbieter erhalten. Ich bin äußerst gespannt, was morgen um 4:45 Uhr passieren wird (die Ballone fliegen nur zum Sonnenaufgang, weil dann am wenigsten Wind herrscht).
Mein Bahnjahr 2023
Zurückgelegte Strecke: 28.430 km - Planmäßige Gesamtreisezeit: 18,3 Tage - Gesamtverspätung (analog FGR): 1436 min - Planmäßige Reisegeschwindigkeit: 65 km/h - Durchschnittliche Fahrzeitverlängerung aufgrund von Verspätung: 5,5% - Fahrtkosten: 8,9 Cent/km - Anschlussquote (alle Anschlüsse einer Verbindung mit min. 1 Umstieg erreicht): 84,1%
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Re: [AM][GE][TR][BG][RO][HU] Der Landweg aus Jerewan

Beitrag von Entenfang »

Tag 25 Göreme

Die Uhrzeit spottet jeder Beschreibung. Um Punkt 4:45 Uhr stehen wir vor dem Haus, auch unser Vermieter ist da. Bereits hier zwischen den Häusern spürt man deutlich den Wind - das ist schlecht. Wir warten ein paar Minuten, dann rangiert ein kleiner Bus rückwärts die schmale Straße hoch. Der Vermieter wechselt ein paar Worte mit dem Fahrer, es ist nicht der richtige. Ein paar Touristen aus dem Hotel nebenan steigen ein, dann verschwindet der Bus wieder. Fünf Minuten später kommt der nächste Kleinbus, dieses Mal ist es der Richtige. Wir steigen ein und fahren zum nächsten Hotel. In den engen Gassen hat sich ein enormes Verkehrschaos gebildet. Kleinbusse fahren vor und zurück und stehen sich gegenseitig im Weg. Irgendwann gibt der Fahrer auf und holt zwei weitere Gäste zu Fuß ab, um sie zum Bus zu bringen. Wir fahren ein kurzes Stück aus der Stadt raus und halten dann auf einer kleinen Nebenstraße an.
Auf der Webseite des meteorologischen Instituts kann nachgeschaut werden, ob die Startfreigabe erteilt wird. https://shmkapadokya.kapadokya.edu.tr/en/ Nur, wenn die Flagge auf grün geschaltet wird, dürfen die Ballone starten. Doch es bleibt zunächst ungewiss, ob der Ballonflug stattfinden wird oder nicht, denn die Flagge wird auf gelb geschaltet. Das bedeutet keine Freigabe, aber auch keinen kategorischen Ausschluss. Der Busfahrer teilt uns mit, dass wir eine halbe Stunde warten müssen.
Im Osten färbt sich der Himmel allmählich rot und die blaue Stunde wird heller und heller. Die Minuten verstreichen. Nachdem die halbe Stunde vorbei ist, bleibt die Flagge weiterhin auf gelb, wir müssen noch eine halbe Stunde warten. Die Sonne erhebt sich über den Horizont und wir steigen aus dem Bus.
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Die ersten Sonnenstrahlen beleuchten den Burgfelsen von Uçhisar
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„Schön, aber ein Sonnenuntergang ist doch genauso schön, oder?“, bemerkt Joachim und ich kann dem einfach nur zustimmen.

Da der Wind weiterhin deutlich spürbar ist, rechne ich nicht mehr damit, dass wir starten können. Das wäre natürlich der Super-GAU – so früh aufgestanden, der Tag im Eimer und nicht mal den Ballonflug gemacht…
Weitere Minuten verstreichen. Ich höre einige Touristenführer diskutieren. „If you ask me – cancelled.“ Sie bemerken mich und laden mich ein, ein Foto von ihnen zu machen.
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Ich setze mich zurück in den Bus und dämmere vor mich hin, während die Sonne höher steigt.
Gespannte Erwartung liegt in der Luft.
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Und plötzlich ruft Joachim: „Die Flagge ist grün!!!“ Wenige Minuten später bricht hektische Betriebsamkeit aus. Alle Busse fahren kreuz und quer über die Wiese, diverse Autos ebenso. Ballonkörbe werden in Stellung gebracht.
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Wenig später steigen wir auf einer Wiese aus, wo der Ballon bereits aufgeblasen wird. Das ist harte Arbeit und dauert eine Weile.

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Zunächst liegt der Korb auf der Seite, die Flamme ist eingeschaltet. Mit den großen Ventilatoren wird die heiße Luft in den Ballon geblasen, der sich langsam aufbläht.

Das wird nicht der einzige Ballon am Himmel sein…
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Wir bekommen ein kleines Frühstückspaket in die Hand gedrückt.

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Die Warnung, fünf Meter Abstand zu halten, wir permanent von aufdringlichen Touristen missachtet, die möglichst nahe an die Flamme wollen, um auch ja das allerbeste Foto schießen zu können. Wohl dem, der eine Kamera mit viel Tele hat…
Etwa zehn Minuten später ist der Ballon mit viel Kraft aufgerichtet.
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Und wer sich so einen Flug irgendwie romantisch vorgestellt hat – er ist es nicht. Man klettert in den Korb und steht dicht gedrängt zu viert in kleinen Abteilen, man kann sich kaum bewegen.
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„Very important – landing position!“, erläutert der Pilot. Wir üben die landing position – alle gehen in die Knie und halten sich an den Halteseilen fest. Und dann schweben wir plötzlich über dem Feld.
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Und das Schweben meine ich wortwörtlich, das Abheben spüre ich ebenso wenig wie die Bewegung im Flug selbst – das Gefühl wie in einem startenden Flugzeug gibt es im Ballon nicht. Außerdem spürt man während des Flugs absolut nichts vom Wind, es ist abgesehen vom Rauschen des Brenners eine absolut stille Fortbewegungsart und fühlt sich wahrhaftig an, als würde man schweben.
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Bei all den tollen Sonnenaufgangsbildern soll auch das Drumherum nicht ungesehen bleiben – ein Verkehrschaos sondergleichen, welches man aus der Luft noch besser überschauen kann.
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Der Wind muss sehr stark sein und treibt uns schnell voran. Es gibt keine Möglichkeit, die Richtung des Ballons zu steuern und es sind ja noch viele andere unterwegs... Der Pilot und Co-Pilot sind gut beschäftigt, man merkt ihnen die Anspannung deutlich an.
Feuer frei!
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Alle recken ihre Arme für die besten Fotos. Der ganze Flug wird auch von einer fest eingebauten 360°-Panoramakamera aufgenommen und es werden auch Gruppen- und Einzelfotos während des Flugs geschossen. „Say cheese!“, fordert der Pilot auf.

Nach dem Steigflug gehen wir plötzlich in einen Sinkflug über und der Boden kommt erschreckend schnell näher, ohne aber, dass man es auch nur im geringsten körperlich spürt. Es ist so, wie vor einem großen Fernseher zu stehen und ein stummes Video vom nahezu senkrechten Landeanflug eines Helikopters anzuschauen. Soll das so? Doch wenige Meter über dem Boden endet der schnelle Sinkflug und wir schweben in Jogginggeschwindigkeit weiter.
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Hmm, und der Baum da? Wir steigen wieder, aber nicht schnell genug, Äste kratzen am Korb entlang. Einige Passagiere greifen sie mit den Händen. Uiuiui, da braucht man echt Nerven…
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Wir treiben weiter Richtung Osten, über den gestrigen Wanderweg…
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…hoch über Göreme…
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…und den gut erkennbaren erodierten Flussläufen.
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Ihr Flug ist wohl schon vorbei
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Wir treiben allmählich aus dem nicht besonders großen Gebiet der Tuffsteinfelsen ab.
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Wieder sinken wir schnell und schweben dann einige Meter über dem Boden. Wir üben nochmal landing position. „Very important! Do you all understand landing position? Strong wind today, hard landing!“
Ein paar Minuten später kündigt der Pilot dann etwas plötzlich die Landung an, eine Frau kann ihr Missfallen darüber kaum verhehlen.

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Diesem Piloten ist eine Traumlandung geglückt, direkt auf dem Anhänger.

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Sie dagegen schrammen durch Gestrüpp…
„Landing position! No photos, very important! Landing position!“, ruft der Pilot und keine halbe Minute später setzen wir auf, der Korb rutscht ein paar Meter über den Boden, ruckelt dabei hin und her. Dann bleiben wir stehen und ein wenig erleichtert bin ich ja schon.

Die Ballone unten zu halten, oder auf den Anhänger zu lenken, fordert bei einigen vereinten Krafteinsatz.
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Wenige Minuten später rast bereits ein Pick-up über das Feld.
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Ein Klapptisch wird aufgebaut und es gibt (alkoholfreien) Sektempfang.
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Es wird sehr ausdrücklich auf die Tip Box „For the pilot!“ hingewiesen. Außerdem werden „Flugzertifikate“ an jeden Teilnehmer verteilt. So, und wir dachten jetzt, die Fotos oder die 360°-Aufnahmen bekommen wir auch dazu. „If you like the 360° panorama video of the flight, it´s directly available for 50€.“ Zwei Japaner schlagen zu, eine Gruppe Italiener überlegt eine Weile und kauft dann auch. Dann steht auch schon der Bus bereit und wir werden zurückgefahren. Eine Frau steigt wenige Minuten später zu, die individuellen Fotos jedes Teilnehmers ausgedruckt, aber natürlich kosten sie auch extra und ich sehe darauf genauso aus, wie ich mich zu dieser Uhrzeit fühle – müde. Es ist wirklich beeindruckend, mit welcher Effizienz hier Geld verdient wird. Doch niemand im Bus kauft ein Foto, sichtlich enttäuscht steigt die Frau wieder aus.
Nur weil wir mit großer Nachdrücklichkeit darauf bestehen, lässt uns der Fahrer an der Straße raus, ohne noch die 200 m rückwärts den schmalen Zufahrtsweg bis vor unsere Haustür zu fahren.

Wieder zurück in der Unterkunft, holen wir das bisher noch nicht ergiebige Frühstück nach. Joachim holt anschließend den fehlenden Schlaf nach, doch ich weiß, dass das bei mir ein aussichtsloses Unterfangen wäre und mache stattdessen einen Spaziergang.
Ich laufe durch einige schmale Gassen wie diese…
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…und wieder gibt es einen gordischen Knoten aus Autos und Kleinbussen, die darin feststecken und der erst nach einem mehrere Minuten dauernden Rückwärtsfahrmanöver gelöst werden kann. Aber Hauptsache, direkt bis vor die Haustür gefahren…
Kleines Auto auf großer Reise
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Blick über Göreme
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Bald erreiche ich eine ruhige Schotterpiste am Stadtrand und setze mich auf einen Stein, um die Erlebnisse der Ballonfahrt festzuhalten.
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Wir kochen uns ein typisch türkisches Essen zum Mittag – Rührei (Menemen). Das erklärt vielleicht, warum es im Supermarkt die Kartons mit 30 Eiern gibt…
Anschließend gehen wir zur Bushaltestelle, auch heute kommt der Bus nach Çavuşin mit +10. Wir steigen sehr zur Verwunderung des Busfahrers bereits nach kurzer Fahrt an einer Landstraßenkreuzung wieder aus, aber von dort ist es nicht weit bis zum Beginn des Wanderwegs durch das Love Valley. Und warum heißt das eigentlich so?
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Vielleicht, weil sich das gut auf Instagram macht?

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Oder aber, weil die Feenkamine auch als Riesenpenis bezeichnet werden…

Picknick im Schatten
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Wir machen bald Rast in einem kleinen Café, damit Joachim seinen dringend benötigten Kaffee bekommt und ich mir einen frisch gepressten Orangensaft gönnen kann.
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Aufmerksam beobachtet die Katze das Geschehen
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Huh, was gibt’s da zu sehen?
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Ein paar Amerikaner, die mit Wanderführer unterwegs sind, kehren auch ein.

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Tatsächlich führen ein paar Trampelpfade in die Irre und wir müssen per GPS nach dem richtigen Weg suchen. Tja, vielleicht hätten wir uns besser für diese außerordentlich schwierige Tour doch einen Wanderführer nehmen sollen…
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Wir folgen dem Pfad aufwärts durch die interessante Landschaft bei perfektem Wetter.
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Schließlich verlassen wir das Tal und in der Ferne erhebt sich der schneebedeckte Erciyes Daği.
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Dieses Mal haben wir Glück und der Bus zurück nach Göreme kommt nach nur wenigen Minuten Wartezeit.

Sonnenuntergang über Göreme
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Nach der Wanderung haben wir jetzt richtig Hunger.
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Wollt ihr noch etwas davon? Darf es noch etwas davon sein? Und vielleicht noch das und das? Man ist leicht geneigt, zu allem „Ja!“ zu sagen, denn es schmeckt alles hervorragend, vor allem das ganz frisch gebackene, luftige Brot. Doch wir müssen lernen, entschiedener „Nein!!!“ zu sagen, denn wir bekommen immer mehr Essen, das wir am Ende alles bezahlen müssen. Mit knapp 30€ p.P. ist es für deutsche Verhältnisse am Ende immer noch ziemlich günstig, wird aber das mit Abstand teuerste Essen in der Türkei sein.
Nach so viel Essen brauchen wir noch einen Verdauungsspaziergang und wir bekommen am Stadtrand eine hervorragende Nachtstimmung.
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Hell erleuchtet ist der Burgfelsen von Uçhisar
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Re: [AM][GE][TR][BG][RO][HU] Der Landweg aus Jerewan

Beitrag von Entenfang »

Tag 26 Göreme → Konya

Zunächst hieß es, wir könnten uns mit dem Check-out Zeit lassen, doch dann hat plötzlich jemand das Apartment gebucht und wir packen eiligst unser Gepäck zusammen. Selbstverständlich könnten wir es noch zurücklassen, meint der Vermieter, wir sollen es einfach im Flur stehen lassen.
Durch die Eile stehen unsere Chancen gut, noch den Bus nach Çavuşin zu erreichen, der laut Aushang um 11:15 Uhr fahren sollte. Um 11:20 Uhr sind wir an der Haltestelle und bisher ist er immer mit +10 gefahren, doch niemand wartet mehr dort, was schon ein schlechtes Zeichen ist. Beim gestrigen Abendessen haben wir unser ganzes Geld ausgegeben, sodass wir jetzt Nachschub holen müssen, da es in Çavuşin keinen Geldautomat gibt. Der der Ziraat Bank ist leider aufgrund von technischen Problemen außer Betrieb und so müssen wir einen anderen mit 10% Gebühr benutzen. Ein Automat hat sogar die Karte eines Mannes einbehalten und wenige Minuten, nachdem der die Hilfenummer angerufen hat, taucht ein Mann auf einem Mofa auf, um das Problem zu lösen. Da immer noch kein Bus in Sicht ist, gehen wir davon aus, dass er heute ausnahmsweise pünktlich gefahren ist.
Um nicht noch mehr Zeit zu verlieren, gehen wir zum Taxistand, um von dort direkt zum Freilichtmuseum Zelve zu fahren und dann nach Çavuşin zurückzulaufen. „How much?“ „Roughly 150 (etwa 7€). Meter, my friend.“ Ah, ganz was Neues… Als wir am Ziel sind, drückt uns der Fahrer seine Karte mit einer Whatsapp-Nummer in die Hand.
Dann erkunden wir die einstige Höhlenstadt Zelve, welche vermutlich aus der byzantinischen Zeit um das Jahr 500 stammt. In den 1950er Jahren wurde sie wegen zunehmender Erosion und Steinschlag aufgegeben und die Menschen in das 2 km weiter nördlich neu errichtete Dorf Aktepe umgesiedelt.
Wie weit ist der Weg? Zum Glück gibt der Wegweiser wieder recht detailliert Auskunft.
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Die zahlreichen Wohnräume und Taubenschläge erinnern an Schweizer Käse im aus Tuffstein…
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Es gab auch mehrere Kirchen in der ursprünglich christlichen Siedlung
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Einige ehemalige Wohnräume kann man erkunden
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Die Decke ist teilweise schwarz vom Ruß der Feuerstellen – hier drin muss ziemlich dicke Luft gewesen sein…
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Immer schön vorsichtig!
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Beim Blick über die kreuz und quer zwischen den Steinen führenden Wege muss ich immer an Wimmelbilder denken, in denen man irgendwelche Sachen suchen muss…
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Die Wohnräume sind über labyrinthartige Gänge miteinander verbunden
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Taubenschläge
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Die kleine Moschee samt Minarett ist das einzige gemauerte Gebäude der Stadt
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Auf jeden Fall ist es ein sehr beeindruckender Ort, in dem man sich viel Zeit für die Erkundung nehmen kann.
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Schließlich suchen wir den Wanderweg nach Çavuşin und finden nur mithilfe des GPS einen unauffälligen Pfad, der zunächst durch Weinreben führt.
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Ich höre es im Gras rascheln. Eine Schildkröte, der unsere neugierigen Blicke offenbar nicht so ganz geheuer sind.
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Eine zweite Schildkröte nimmt in einem Affenzahn Reißaus – ich hätte nie gedacht, dass die so schnell steile Tuffsteinfelsen hochlaufen können…
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Dann lugt die andere ganz vorsichtig unter ihrem Panzer hervor.
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Wir passieren eine weitere Sehenswürdigkeit, das Mushroom Valley. Wir müssten dafür allerdings erst wieder absteigen und zudem noch unverschämt viel Eintritt bezahlen, sodass wir die Pilze nur von oben begutachten.
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Der Weg wird steiler und anspruchsvoller und führt durch einige Kletterstellen.
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Tiefe Schluchten durchziehen das Gelände und an einigen Stellen müssen wir gut aufpassen, auf dem sandigen Gestein nicht abzurutschen.
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Nach fast anderthalb Stunden erreichen wir endlich Çavuşin.
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Jetzt haben wir uns die Mantı aber echt verdient.
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Offenbar werden die „Turkish Ravioli“ gern in viel Soße ertränkt…

Nach dem Essen rufe ich den Taxifahrer an, der daraufhin um den Standort per Whatsapp bittet und fährt uns zurück nach Göreme. Während Joachim noch einen kleinen Einkaufsbummel macht, kümmere ich mich um die Bustickets zur Weiterfahrt. Ich nähere mich dem Kamil Koç-Büro und bevor ich eintreten kann, kommt plötzlich ein Mann um die Ecke. „Yes, please?“ 2 Fahrkarten nach Konya, bitte. „Sorry, I have to go home now. The bus is leaving soon. 15 minutes closed, then my friend will come. Can you wait?“ Es bleibt noch genug Zeit und ich stimme zu. Während ich auf einer Bank warte, fällt mir ein, dass man für den Kauf möglicherweise den Pass jedes Reisenden vorlegen muss und den von Joachim habe ich natürlich nicht. Also probiere ich es online, was problemlos klappt und etwa 10€ p.P. kostet.
Dann holen wir unser Gepäck. Das Free information-Büro ist im Laufe des Tages abgerissen worden.
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Die Vermieterin drückt uns noch mehr Wasser in die Hand, verdursten werden wir mit über 5 Liter auf dieser Fahrt jedenfalls nicht. So bleibt noch Zeit für einen schnellen Kaffee mit Baklava, ehe wir zum Busbahnhof zurückkehren.
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Darf´s eine Red Tour, Green Tour sein?
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Am Schalter heißt es, in zehn Minuten würde der Bus kommen und er ist dann sogar schneller da. Einer unserer gebuchten Plätze ist belegt, doch es sind mehr als genug andere Plätze frei. Wir haben wieder einen Premium-Bus mit sehr großzügigen Sitzabständen erwischt, in dem es allerdings unangenehm warm ist.
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Etwa zehn Minuten hinter Plan geht es los und die traumhafte Landschaft von Göreme bleibt zurück – unser Aufenthalt hatte genau die richtige Länge, um alles anzuschauen, was wir sehen wollten und gleichzeitig die Erkältung auszukurieren.

Bald geht es über eine nahezu schnurgerade Straße nach Westen. In Aksaray gibt es eine Raucherpause.
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Eine Frau und ein Mann streiten heftig, alle Fahrgäste schauen den beiden zu. Irgendwann taucht die Polizei auf und beruhigt die beiden.

Bald fahren wir weiter bis in den Sonnenuntergang, in der Ferne die schneebedeckten 3000er.
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Wir müssen eine Hügelkette überqueren, dann taucht auch schon das Lichtermeer von Konya auf.
Zum Schluss fahren wir merkwürdige Schleichwege durch enge, dunkle Straßen und dann halten wir an einer Tankstelle. Da wir die Tram bereits in der Nähe entdeckt haben, steigen wir mit einigen anderen Fahrgästen bereits hier aus, der Busbegleiter händigt das Gepäck aus. Wir suchen noch den Tankstellenladen auf, wo die beiden Angestellten gerade einen Topf mit köstlich duftendem Fleischeintopf auslöffeln. Wir müssen uns dagegen mit Börek und unserem übrigen Brot zufriedengeben. Ständig kommen neue Kunden, sodass die beiden gar nicht mehr zum Essen kommen.
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Über die bunt beleuchtete Fußgängerbrücke queren wir die Schnellstraße zur Tramhaltestelle. Überall flattern Wimpel der Wahlwerbung im Wind.
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Der Herr im Kabuff zeigt uns zuvorkommend, wie wir mit der Kreditkarte durch das Drehkreuz in die Haltestelle kommen. Meine Debitkarten funktionieren wie auch in Ankara nicht, Joachims Kreditkarte dagegen schon und er kann sie auch hier zum Glück ein zweites Mal auflegen, damit ich auch durchkomme. Es ist inzwischen halb zehn und die Tram ist recht gut gefüllt, doch auffällig ist, dass fast nur Männer unterwegs sind. Die Wartezeiten an den LSA sind groß, es scheint keine Vorrangschaltung zu geben. Die Tram fährt entlang großer Straßen, die wenig Besonderes zu bieten haben. Im Zentrum steigen wir in die andere Tramlinie um und fahren in den Osten. Während noch die ankommenden Fahrgäste aussteigen, drängeln bereits die Zusteiger rein, um sich einen Sitzplatz zu sichern.
Konya bietet zahlreiche breite Straßen, riesige Kreuzungen mit freien Rechtsabbiegern und umständlichen, unattraktiven Fußwegen.
Wir suchen den Zugang zum Wohnblock, in dem unser Airbnb ist, doch eine Baustelle versperrt uns den Weg. Wir müssen einen großen Umweg gehen und statt 200 m sind es dann am Ende eher 1000. Wir haben ein Gästezimmer in einer großzügigen 4-Zimmer-Neubauwohnung, die unser Vermieter offenbar allein bewohnt. Bausubstanz und Ausstattung der Wohnung wirken auf mich recht gut. Ich entdecke die erste Geschirrspülmaschine der Reise und drücke unserem Vermieter gegenüber meine Anerkennung aus, dass er dieses Luxusmerkmal in seiner Küche hat. Später meint Joachim zu mir, dass er wahrscheinlich gar nicht verstanden hat, was ich meine. Vielleicht hat er sich ja schon gefragt, wofür dieses Gerät eigentlich gut ist – es sieht jedenfalls stark danach aus, dass es noch nie benutzt wurde.
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Re: [AM][GE][TR][BG][RO][HU] Der Landweg aus Jerewan

Beitrag von Entenfang »

Tag 27 Konya

Eine Wohnung mit Tramblick ist doch immer etwas Besonderes.
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Nebenan herrscht rege Bautätigkeit
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Wir starten mit der Tram stadtauswärts. Die Strecke nach Adliye hat keine Drehkreuze, man muss im Fahrzeug die elektronische Chipkarte oder die Kreditkarte entwerten. Meine Debitkarten funktionieren natürlich wieder nicht und es ist mehr als fraglich, ob das doppelte Einchecken mit Joachims Kreditkarte funktioniert. Die Strecke führt durch unspektakuläres, locker bebautes Gebiet und endet in einem recht neu wirkenden Stadtteilzentrum am Stadtrand.
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Auf den beiden Tramlinien werden ausschließlich Škoda Forcitys eingesetzt.
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Der Innenraum ist sehr Škoda-typisch, aufgeräumt und bietet über den Radsätzen viele Sitzplätze, während die Türen und Mehrzweckbereiche in den Sänften angeordnet sind.
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Kurz vor Erreichen der Endstation passiert 4272 die Beysehirliler Yapıcı-Moschee.
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Hier möchte ich mir die wiederaufladbare Chipkarte Elkort beschaffen, um endlich das Debitkarten-Problem zu lösen.
Die alte Frau im Kabuff am Drehkreuz deutet wage auf die Häuserzeile und sagt etwas von „Büffet“. Ich frage eine Frau in einem kleinen Geschäft. Do you speak English? „No.“ Elkort? Tramvaj? Sie scheint zu verstehen, deutet nach links und übersetzt mit dem Handy, dass es geldautomatenähnliche Maschinen gibt, wo man die Karte aufladen kann. Ich folge der Häuserzeile eine Weile entlang von Geschäften und Cafés, aber entdecke keine derartige Maschine. Also spreche ich wieder einen Passanten an – hurra, er spricht ein bisschen Englisch, meint „Three thousand metres, to the left, in the supermarket.“ Ich interpretiere das mal als 300 Meter und tatsächlich entdecke ich einen Supermarkt und irgendeinen Zettel, auf dem etwas mit Elkort draufsteht. Ich frage an der Kasse nach. „Elkort no.“ Der Verkäufer deutet wage zurück zur Tramhaltestelle und sagt etwas, das ich nicht verstehe. Hier kann wirklich fast niemand Englisch… Also zurück zur Haltestelle, wo Joachim bereits über eine Viertelstunde auf mich wartet.
Nach weiteren erfolglosen Debitkartenversuchen winkt mich die Aufpasserin einfach durch das Behindertentor.
Wir fahren zurück in die Innenstadt. Dort entdecke ich kleine Kioske, auf denen Elkort steht. Und tatsächlich, hier bin ich erfolgreich und lade auch gleich etwa 7€ Guthaben auf, was für 11 Fahrten reicht. Wie in der Türkei üblich, gibt es keine Tageskarten. Man muss bei jeder Fahrt eine Einzelfahrt entwerten.
Wir erkunden den Alaaddin-Park, um den beide Tramlinien wenden.
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Und warum verkehrt dann nicht einfach eine einzige Durchmesserlinie? Erstens ist die Linie in den Norden viel länger und stärker nachgefragt, weshalb dort Doppeltraktionen eingesetzt werden und zweitens verkehren auf der wesentlich neueren Linie nach Osten andere Fahrzeuge mit Traktionsbatterie für ein Stück oberleitungsfreien Betrieb.
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Wären da nicht die türkischen Flaggen, würde man sich wohl eher wie in den Niederlanden fühlen…
Auf jeden Fall ist es ein sehr hübscher Park, nur leider haben die Tulpen keine sehr lange Lebensdauer, weil immer wieder jemand eine abreißt.

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Generell ist in der Gestaltung durchaus viel Liebe zum Detail erkennbar.
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Springbrunnen
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4269 verlässt den Innenstadtkreisel auf den oberleitungsfreien Abschnitt
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Allmählich knurrt der Magen und wir entdecken eine gute Gelegenheit zum Ausprobieren der bekanntesten Spezialität aus Konya – Etli Ekmek.
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Es handelt sich im Prinzip um sehr langgezogene, unterschiedlich belegte Pide, dazu gibt es Lauchzwiebeln, Zitrone, Tomatensoße und Petersilie. Mir schmeckt es jedenfalls, auch wenn der grünliche Käse etwas gewöhnungsbedürftig ist. Nur richtig satt sind wir danach noch nicht und bestellen noch Nachtisch.
Wir entdecken einen Bäcker aus dem es verführerisch duftet und decken und mit Proviant für später ein, der vermutlich syrische Bäcker lässt seinen Laden gern fotografieren – alles wird hier frisch hergestellt und ist unfassbar günstig.
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Am Rande des Kreisels gibt es auch einige sehr stark frequentierte Bushaltestellen
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Ein bisschen Wahlwerbung – Erdoğan wirbt mit „die richtige Zeit – der richtige Mann“
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Auch die Eisenbahn ist ein beliebtes Thema – hier verspricht er, 52 Provinzen mit dem HGV zu verbinden
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Die Stadt wirbt u.A. mit 98 neuen Bussen und 1379 km neuen Trinkwasserleitungen
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Und hier ist einer der neuen Busse
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4212/4211 sind auf der Linie zur Selçuk-Universität am äußersten nördlichen Stadtrand unterwegs
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Die Haltestelle Kültürpark am Rand der Innenstadt ist dreigleisig
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4252/4251 am Kültürpark
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Ebenfalls im Vorbeigehen fällt mir ein Friseursalon auf. Do you speak English? „No.“ Ich schneide meine Haare und meinen Bart per Geste ab und frage auf Türkisch: Ne kadar? Die Antwort ist „Yüz elli“, ich brauche eine Denksekunde, dann weiß ich, dass das 150 ist, weniger als halb so viel wie in Göreme. Es wird definitiv der professionellste Haarschnitt, den man sich für 7€ je wünschen könnte.

Joachim genießt in der Zwischenzeit einen Kaffee in ganz besonderer Umgebung – einem Düwag.
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Als die erste Linie 1992 eröffnet wurde, kamen dort ausschließlich Ex-Kölner Düwag zum Einsatz, die 2014 durch die Forcitys abgelöst wurden.
Viel zu laute Musik von einem Wahlkampfstand beschallt den Platz. Auf der Suche nach Aladdins Wunderlampe auf dem fliegenden Teppich, oder doch lieber ganz bodenständig mit der Tram?
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Wir befahren die Strecke nach Norden und beschließen, einfach auszusteigen, wenn wir etwas Interessantes entdecken. Wir bleiben ziemlich lange sitzen, denn viel scheint die Stadt nicht zu bieten. Also steigen wir mal am Depot aus, wo mir gestern Abend die Düwags aufgefallen sind.
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Von einer Fußgängerbrücke hat man guten Blick auf die abgestellten Fahrzeuge. Zwei wurden zur Fahrradstraßenbahn umgebaut und sind noch im Einsatz, was ich allerdings erst nach der Reise bei einer Recherche herausgefunden habe.
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Auf der Linie 1 werden in der Regel Doppeltraktionen eingesetzt, die auch sehr gut gefüllt sind. Tagsüber kommt alle 7 bis 8 min eine Tram.
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Wohnblocks reihen sich an Wohnblocks. An der Haltestelle Japanischer Garten steigen wir schließlich aus. Zunächst müssen wir eine breite Straße überwinden.
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Konya in einem Bild – breite Straßen, Wohnblocks, Moscheen, aber auch einige Parks.
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Interessant sind die zulässigen Geschwindigkeiten – 82 km/h für Autos…
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Der Park ist eine kleine Oase in der Betonwüste und wird von den Einheimischen gut genutzt. Eine Schulklasse ist unterwegs und Familien machen Picknick.
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Baum mit Stehfrisur
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Anschleichen nicht erfolgreich
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Hier gibt es Milch und Mais – eine interessante Kombination von Angeboten.
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Wieder zurück an der Haltestelle, müssen wir ziemlich lange auf die nächste Tram warten.
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An der großzügigen Wendeschleife vor dem Unicampus werden wir rausgeschmissen, möglicherweise wegen der hohen Verspätung.
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Mit der nächsten Tram fahren wir dann die Runde über den grünen und baumreichen Campus, auf dem jetzt gegen 19:00 natürlich nichts mehr los ist. Dann werden wir wieder an der Wendeschleife rausgeschmissen und müssen am äußerst großzügigen Abfahrtsbahnsteig neu einchecken – damit dürfte das Guthaben wohl bald aufgebraucht sein.
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Ganz wichtig in fast jedem noch so kleinen Kabuff – die Herdplatte mit Teekanne!

Die Tram steht nicht am Bahnsteiggleis und da nichts angeschrieben ist, zögern wir, einzusteigen.
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Eine Frau ruft aus der Tram: „Foreigners?“ „Come with me, subway runs only in one direction. Where do you want to go? “ Alaaddin. „Oh yes, I will also get off at Alaaddin, I will tell you when to get off. Here you can follow the stops on the screen.“
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Interessant finde ich hier die Fahrernummer, die unter der Wagennummer angezeigt wird.

Und dann geht es auch schon los. Wieder stoppe ich auf 51 min Reisezeit ziemlich genau 10 min LSA-Verlustzeit – mit einer ÖPNV-Bevorzugung könnte man hier tagsüber zwei Fahrzeuge einsparen. Der Gong erinnert mich dann doch sehr an die Metro Prag…
https://youtu.be/V0yhT1bVo7w?si=wIQyiGGv1qzkCzXK&t=279
https://youtu.be/dy2b9uCDqIs?si=emYf3e0zpJZlNLno&t=246

Wieder in der Innenstadt, lade ich die Karte nochmal am Kiosk auf, der zum Glück bis 23:00 Uhr geöffnet ist. Überraschenderweise sind dagegen jetzt um 21:00 Uhr bereits fast alle Geschäfte geschlossen, zum Glück finden wir aber einen kleinen Laden, um noch Wasser zu kaufen. Der Verkäufer fragt sogleich, woher wir kommen. Switzerland. „Hmm, Italy?“ Ich wiederhole auf Türkisch, er nickt und meint, er würde jemanden kennen, der in der Schweiz wohnt. Dann plappert er munter auf Türkisch weiter, ich verstehe kein Wort. Dann zeigt er uns etwas auf seinem Handy, erkundigt sich, ob wir Muslime sind. Dann tippt er etwas bei Google Übersetzer ein und auf Englisch steht dort: „I recommend you to become a muslim.“ Jaja, ist ja gut… Er tippt nochmal etwas ein. „Seriously.“
Ja, die Mentalität ist hier schon anders, mehr Kopftücher, früher Feierabend. Konya gilt als Hochburg der Konservativen und der Erdoğan-Unterstützer.

Beleuchteter Springbrunnen
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Hübsch beleuchtet ist auch die Pilgerstätte Mevlana, die Hauptsehenswürdigkeit der Stadt.
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Die Tram überquert den großen Platz oberleitungsfrei.
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Re: [AM][GE][TR][BG][RO][HU] Der Landweg aus Jerewan

Beitrag von Entenfang »

Tag 28 Konya → Izmir

Heute geht es zuerst mit der Tram zum Mevlana-Museum. Das Schönste an dieser Ausfallstraße sind die hübschen Oberleitungsmasten…
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Im Fahrzeug entwerten kann man nur an der ersten Tür, sodass es Vordereinstieg gibt. Teilweise geben die Fahrer die anderen Türen gar nicht frei, was ziemlich unpraktisch ist, wenn man weiter hinten ist und aussteigen möchte. Einige Male beobachte ich hektisch nach vorne rennende Fahrgäste.

Oberleitungsfrei rollt die Tram an der Pilgerstätte vorbei
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Zugang zum Grab von Jelaleddin Rumi, dem Gründer des Mevlevi-Ordens
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Hier sind nicht nur einige internationale Touristen, sondern vor allem auch viele Einheimische. Auffallend viele sind im Rentenalter, etwas gebrechlich oder im Rollstuhl – solche Menschen sind mir in den letzten Tagen auf der Straße eigentlich nie begegnet und ich habe mich gefragt, ob es in der Türkei keine alten Menschen gibt – jedenfalls scheinen sie so gut wie nicht am öffentlichen Leben teilzunehmen.
So treffen hier sehr starke Gegensätze aufeinander – alte Frauen mit Kopftüchern, Briten in Shorts und Japaner mit Strohhüten und Masken. Eine Kindergartengruppe drängelt lärmend in den Eingang und kann nur mit Mühe von den Erzieherinnen beruhigt werden.

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Auch drinnen bietet sich ein kontrastreiches Bild – eine alte Frau sitzt im Rollstuhl etwas abseits des Trubels und betet still, einige machen Selfies, jemand führt einen Videoanruf. Gerade an solchen Orten ist ja oftmals die oberste Devise, sich zurückhaltend zu benehmen, aber da muss ich wohl nicht befürchten, mit meiner Kamera unangenehm aufzufallen.
Und das ist das Grab:
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4271 passiert das Mevlana-Museum
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Gegenüber der Moschee entsteht gerade ein neues Stadtviertel, das allerdings noch recht unbewohnt und leblos wirkt.
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Zum Mittagessen probieren wir eine weitere Spezialität – Fırın Kebap. Wir setzen uns an einen Tisch in dem simplen Restaurant, welches sehr stark von Einheimischen frequentiert ist. Nach einer Weile kommt eine Bedienung zu unserem Tisch. „You are looking for the menu, I guess? We don´t have a menu, we serve only Fırın Kebap. You can choose between 100 g and 150 g of meat. “
Noch nie war die Auswahl so einfach – das Ergebnis ist simpel, günstig und schmackhaft.
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Anschließend fahren wir mit der Tram zwei Stationen stadtauswärts zum Panorama Konya Museum.
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Wir erfahren ein paar weitere Details zur Mevlevi-Derwischbruderschaft – sie ist zwischen Belgrad und Bagdad verbreitet und es gibt verschiedene Mevlana-Orden in unterschiedlichen Städten. Deren Gebäude sind im Innenhof des Museums detailreich nachgebildet – hier z.B. die markante Seldschukische grüne Kuppel des Mevlana-Museums.
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Anschließend spazieren wir noch durch den schattigen angrenzenden Friedhof, welcher einem deutschen Friedhof sehr ähnlich ist.
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Interessant finde ich beispielsweise, dass Grabsteine offenbar religionsübergreifend verwendet werden. Ein wesentlicher Unterschied ist dagegen, dass der Sarg vermutlich nicht in den Boden eingegraben wird, sondern das Grab oberirdisch herumgebaut wird. Und die Blumen sind nicht so akkurat gepflegt wie auf deutschen Friedhöfen…

Während wir auf die nächste Tram für ein Foto warten, spricht uns ein Mann an. „Where are you from? Poland?“ No. „Oh, which country? I have made a bet with some friends that you are from Poland. They say you are from Germany.“ Tja, Pech für dich, würde ich mal sagen… „Ok, so now I have to pay them one tea. Of course, I will also offer tea to you. Please come to our shops over there and I will invite you to a cup of tea. “ Das ist mal ein kreativer Ansatz, um Touristen in den Laden zu locken, doch wir schlagen die Einladung aus. Erstens bin ich ein bisschen misstrauisch, weil der Mann so gut Englisch spricht, zweitens ist uns eher nach Kaffee und Kuchen. Und hier ist das Bild von der übernächsten Tram, weil der Typ mich abgelenkt hat:
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Das ganz normale Chaos
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Bei der Bildersichtung stelle ich fest, dass ich tatsächlich viermal hintereinander zu unterschiedlichen Zeiten dasselbe Fahrzeug fotografiert habe.

Wir holen unser Gepäck von der Unterkunft – doch wie kommen wir jetzt zum Bahnhof? Es gibt laut Google Maps eine direkte Buslinie von unserer Unterkunft bis zum Bahnhof, doch laut Google Maps fährt sie nur einmal pro Stunde. Eine Alternative wäre, mit der Tram in die Innenstadt zurückzufahren. Von dort sollte es zwei Buslinien zum Bahnhof geben, die jedoch laut Google Maps auch beide nur sehr selten fahren.
Auf dem Weg in die Innenstadt überholt uns ein Bus der Linie 38, die zum Bahnhof fährt. Mist, den erwischen wir nicht mehr. Stattdessen suchen wir die zentrale Bushaltestelle auf und ich versuche möglichst schnell mithilfe von Google Maps herauszufinden, ob die ununterbrochen ankommenden Busse geeignet wären, um uns Richtung Bahnhof zu bringen. Doch das ist aussichtslos, bis ich die richtige Linie gefunden und mir den Linienweg angeschaut habe, ist der Bus längst weg. Also andere Strategie – auf der DFI stehen die nächsten Abfahrten, was zwar bei der Tram nicht immer mit der Realität übereingestimmt hat, doch einen Versuch ist es wert. Laut DFI kommt die Linie 75 in zwei Minuten und sie fährt zum Bahnhof, laut Google Maps sollte sie aber erst in 25 Minuten kommen. Doch bald darauf taucht der Bus auf. Nur wo im Gewusel der Haltestelle hält der jetzt? Baulich ist es eine Dreifachhaltestelle, aber manchmal halten auch Busse vor der eigentlichen Haltestelle außerhalb der Drehkreuze – und ich habe einen 20 kg schweren Koffer dabei, kann also nicht schnell 20 Meter zurückrennen.
Es gelingt uns, reinzuspringen und dann geht die rasante Fahrt auch schon los. Der Busfahrer kennt keine Abstufungen zwischen Vollgas und Vollbremsung und nach nur wenigen Minuten haben wir unser Ziel schon erreicht – schneller, als es auf den elektronischen Tafeln für die Autos angezeigt wurde… Wir warten noch zwei Minuten an der Fußgängerampel, dann sind wir am Ziel. Der Bahnhof ist für eine Millionenstadt sehr klein unscheinbar. Man merkt deutlich, dass die Eisenbahn hier keine große Bedeutung hat.
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Besonders viele Abfahrten gibt es auch nicht.
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Da wir nicht HGV fahren, entgehen wir der Sicherheitskontrolle. Nahezu jede Abfahrt heute Abend hat ein eigenes Gleis zur Verfügung. Während wir die zahlreichen Klebezettel in der Unterführung bewundern, bietet auch schon ein Wachmann seine Hilfe an und schickt uns zu Bahnsteig 3. Wie auch in vielen osteuropäischen Ländern wird zwischen Bahnsteig- und Gleisnummer unterschieden.
Gerade rumpelt ein Schwellentransport vorbei.
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Unsere Lok ist zwar nicht so stromlinienfömig wie der Velaro, wird uns aber hoffentlich trotzdem zuverlässig ans Ziel bringen.
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Da die Abfahrtszeit naht, steigen wir einfach in den ersten Wagen ein – und landen im Dienstabteil, denn etwa ein Drittel der Sitzplätze im ersten Wagen ist durch einen Vorhang vom Rest abgetrennt und als Dienstabteil deklariert. Unter den grimmigen Blicken des Schaffners gehen wir nach hinten durch. In den vier Sitzwagen gibt es noch zahlreiche freie Plätze und abgesehen vom Speisewagen gibt es nur einen Schlafwagen – anscheinend ist diese Art des Reisens hier nicht besonders beliebt.

Wir nutzen den Mavi tren (Blauer Zug), zur Einführung in den 1980er Jahren eine Premiumgattung. Heute haben es noch einige wenige Zugläufe ohne besondere Bedeutung im Namen und zwischen Konya und Izmir gibt es ohnehin nur diesen einen täglichen Nachtzug.
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Andererseits gehört der Schlafwagen definitiv zu den komfortabelsten und geräumigsten, die ich kenne – und das für unglaubliche 21€ p.P.
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Neben bequemen Sitzen gibt es ein Waschbecken…
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…Kleiderbügel sowie einen ausziehbaren Tisch…
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…sowie als absolut außergewöhnliches Ausstattungsmerkmal sogar einen Kühlschrank mit kostenlosen Snacks.
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Um Punkt sieben geht es los, der Mond steht tief über den Wohnblocks, als wir die Stadt verlassen.
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Es folgt ein riesiger Rangierbahnhof, der ähnlich überdimensioniert wirkt wie die zweigleisige SFS nach Ankara, auf der nicht mal ein Zug pro Stunde fährt…
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…dann überraschend flache Landschaft.
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Grüne Kellen und der Vollmond begleiten uns in die Nacht. Bei völliger Dunkelheit passieren wir einen größeren See, der im Mondlicht schimmert.

Mit +10 erreichen wir um kurz vor Mitternacht Afyon, wo spärlicher Fahrgastwechsel stattfindet.
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Bald geht es weiter in die dunkle Nacht. Ich möchte mein Bett herunterklappen, doch dafür benötigt man offenbar einen Vierkant. Ich klopfe an das Schaffnerabteil – nichts. Nochmal, etwas lauter, immer noch keine Reaktion. Auf Rat eines Kollegen habe ich mir vor der Reise einen Vierkant im Baumarkt besorgt und ich krame im Koffer danach. Voilá – Problem gelöst, die Anschaffung hat sich also schon mal gelohnt. Gute Nacht!
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Re: [AM][GE][TR][BG][RO][HU] Der Landweg aus Jerewan

Beitrag von Entenfang »

Tag 29 Izmir

Klopfklopf. „Izmir 20 minutes“, erläutert der Schaffner, während draußen Wohnblocks vorbeiziehen. Wie praktisch, dass wir wieder im letzten Wagen sind.
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In gemächlichem Tempo rollen wir über die Strecke, müssen vermutlich einer S-Bahn hinterherfahren.
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Auf den Straßen ist es um halb acht noch recht ruhig. Es folgt ein längerer Halt, dann rumpeln wir über eine rechtwinklige Gleiskreuzung mit der S-Bahn. „Basmane, finish!“ Mit +6 ist das nächste Etappenziel erreicht.
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Ein ausreichender Vorrat an Zugschlussscheiben und Wagennummern steht selbstverständlich zur Verfügung.
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Der luftige Warteraum
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Da wir so früh am Tag noch nicht in unsere Unterkunft können und Schließfächer am Bahnhof hier völlig unbekannt sind, habe ich gestern online eine Gepäckaufbewahrung in einem nahegelegenen Hotel gebucht. Ein Mann sitzt in einem Klappstuhl vor dem Hotel. „Bagaj? Iptal.“ War wohl nichts und immerhin habe ich dafür 13€ gezahlt, was ich auch sogleich beim Anbieter reklamiere. Man würde sich das anschauen und sich bald wieder melden, bekomme ich wenig später als Antwort per Mail.
Izmir ist eine laute, chaotische Stadt. Die Fußgängerampeln sind ewig rot und irgendwann laufen die meisten einfach los und die Autos müssen unter wütendem Hupen abbremsen. Aber was nun, wir haben immer noch unser Gepäck…? Die spontane Nachfrage im Hotel gegenüber bringt leider keinen Erfolg, ein bisschen googlen führt zu einem anderen Hotel, welches offenbar Gepäckaufbewahrung anbietet. Es ist in der Nähe des anderen Bahnhofs Alsancak und wir müssen erst eine Station U-Bahn, dann eine Station S-Bahn fahren. Zunächst kaufen wir in der U-Bahnstation die wiederaufladbare Izmirim Kart.
Die U-Bahn startet unterirdisch, fährt dann aber aufgeständert ein Stück parallel zur Eisenbahn, hier an der Umsteigehaltestelle Hilal.
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Eingesetzt werden überwiegend 2017 ausgelieferte chinesische Züge von CRRC.

Über recht aufwändige Brückenkonstruktionen werden die Fahrgäste auf die Bahnsteige geführt. Während wir auf die S-Bahn warten, landen wir einen fotografischen Volltreffer – ein Eisenbahner läuft im Gleis herum und man hört es auf der Strecke von Basmane pfeifen. Dann wird der Nachtzug wegrangiert.
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Neben der höhengleichen rechtwinklingen Kreuzung gibt es hier auch alle vier Verbindungskurven.

Wenig später fährt die S-Bahn ein, der Fahrer pfeift zur Begrüßung. Vermutlich bin ich nicht der erste, der hier fotografiert.
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Das S-Bahnsystem hat den einprägsamen Namen Izban, eine Kurzform für Izmir Banliyö Trenleri (Vorortzüge). Es handelt sich de facto nur um eine einzige Linie, die von den nordwestlichen Vororten einmal um die Meeresbucht zum Bahnhof Alsancak und nach einem flotten Richtungswechsel mit Personalwechsel weiter in südliche Vororte fährt. Hier ist mit dem Ausbau bereits bestehender Eisenbahnstrecken ein sehr nützliches und effizientes Verkehrsmittel geschaffen worden. Eingesetzt werden Züge von CAF und HyundaiRotem, im Bild einer der etwas Jüngeren von HyundaiRotem, die ab 2012 beschafft wurden.
Im Wagen ist es schwül wie im Tropenhaus und das Wasser läuft die Scheiben hinab – offenbar funktioniert die Klimaanlage nicht.
Vor dem Bahnhof Alsancak blicken die beiden aussichtsreichsten Kandidaten für die eine Woche später stattfindende Präsidentenwahl von Bannern groß wie ein Wohnblock auf den Trubel der Stadt – Erdoğan und sein Herausforderer Kılıçdaroğlu.
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Wir setzen uns in einen kleinen Park, um das bisher noch nicht stattgefundene Frühstück nachzuholen. Auch wenn es nicht besonders warm ist, schwül ist es jedenfalls und ein paar Regentropfen fallen.
Anschließend gehen wir zum nahegelegenen Hotel. Can we leave our luggage here ? « Ok, 200 Lira. » Das war einfach und vermutlich ein ziemlich gutes Geschäft für den Mann, 10€ dafür, dass wir das Gepäck neben der Rezeption abstellen.
Ein paar mehr oder weniger hübsch sanierte Altbauten prägen die kleinen Seitenstraßen
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Bereits auf dem Weg vom Bahnhof haben wir ein kleines Eisenbahnmuseum entdeckt.
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Wie in Ankara handelt es sich um ein verstaubtes Museum, in dessen Eingangsbereich drei Beamte hinter einem riesigen Schreibtisch aus dunklem Holz sitzen und deren Hauptbeschäftigung Tee trinken und Rauchen ist.
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Wäre das nicht etwas für das heimische Teeservice?
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Als deutlich interessanter entpuppt sich dagegen das Obergeschoss – dort finden sich diverse ältere Pläne, auf denen es viel Interessantes zu entdecken gibt.
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Dieser Plan zeigt die Gleisanlagen des Bahnhof Alsancak (Izmir hieß früher Smyrna). Den Gleisanschluss zum Hafenpier gibt es nicht mehr.

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Hier eine Karte des Eisenbahnnetzes, vermutlich aus der Zeit zwischen den Weltkriegen.

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Ein Streckenplan mit Kilometrierung, Längsneigung und Bogenradien.

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Grafischer Fahrplan der Strecke Izmir – Afyon von 1939. Damals gab es offenbar zwei Zugpaare zwischen den beiden Strecken, die zwischen 13 und 18 Stunden benötigten. Auffällig ist dabei, dass die Dauer von Afyon nach Izmir um bis zu zwei Stunden kürzer ist als umgekehrt – die rund 1000 Meter Höhendifferenz hatten wohl einen maßgeblichen Einfluss auf die Reisegeschwindigkeit der Dampfloks. Bemerkenswert sind außerdem die unzähligen Trassen für Güterzüge (dünne Striche), sodass in nahezu jedem Bahnhof gekreuzt wurde.

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Zugmeldebuch aus 1999 – nahezu identisch zu dem in Deutschland üblichen.

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Noch eine Eisenbahnkarte, vermutlich aus den 1950er Jahren. Man beachte, dass die Strecke Erzincan – Kars hier wohl noch im Bau war – bis zur Fertigstellung dieser Verbindung an das restliche türkische Netz gab es eine breitspurige Verbindung aus Gjumri (heute Armenien). Danach wurde der türkische Teil auf Regelspur umgespurt. 1990 wurde die Strecke nach Armenien aus politischen Gründen geschlossen. Seit 2017 besteht eine Neubaustrecke nach Georgien, über die jedoch lediglich Güterzüge verkehren. Es kursieren widersprüchliche Infos, was eigentlich aus den Stadler-Schlafwagen für die aserbaidschanische Bahn geworden ist, von denen einer 2016 auf der Innotrans stand und die zwischen Ankara und Baku via Tbilisi verkehren sollten. Es ist jedoch auf absehbare Zeit keine Inbetriebnahme im Personenverkehr zu erwarten.

Wir verbringen eine ganze Weile beim Betrachten der zahlreichen Pläne, bis schließlich eine Mitarbeiterin vom Empfang hochkommt und betont unauffällig herumstreifend schaut, was wir hier eigentlich so lange machen – vermutlich hat hier noch nie jemand so viel Zeit verbracht.

Wir kehren zum Bahnhof Alsancak zurück, der einen Museumsteil hat.
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Hier steht Atatürks Zug ausgestellt und man kann ihn sogar von innen besichtigen.
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Ein bequemes Bett hatte er jedenfalls.
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Professioneller Umgang mit Photoshop
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Während wir den Bahnsteig zurücklaufen, erhaschen wir ein paar Blicke in die angrenzenden Büros. Überall sitzen Männer in Anzügen hinter riesigen Schreibtischen und tun wichtig.

Inzwischen meldet sich der Vermieter, dass wir doch früher in die Wohnung können und wir beschließen, einen kurzen Spaziergang am Meer zu machen und dann auf dem Rückweg unser Gepäck zu holen.
Die Stadt wirkt sehr mediterran, ganz anders als das anatolische Hochland, aber auch ziemlich hässlich – irgendwie haben wir es uns malerischer vorgestellt. Und die Promenade ist eine wenig einladende löchrige Betonpiste ohne Schatten, hier geht doch im Sommer niemand freiwillig entlang…
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Am Bahnhof steigen wir in die Tram, die bald sehr voll wird. Gemütlich, selten schneller als 25, rollt sie durch die Straßen. Im Gegensatz zu Konya scheint es hier LSA-Vorrangschaltungen zu geben. Die Haltestellenabstände sind ziemlich groß, bald verlassen wir die Häuserschluchten und die Strecke führt parallel zu einer Schnellstraße am Meer entlang.

Erkundungsspaziergang durch das Viertel Üçyol:
Es gibt unzählige Katzen, die offenbar sehr rege gefüttert werden
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Ladeflächen-Verkauf
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Steile Straßen durchziehen das Wohnviertel
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Zahlreiche kleine Läden säumen eine Straße
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Vor fast jedem Metzger hofft ein Hund auf eine Spende.
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Darfs ein deutsches Gebäck sein?
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Zum Mittagessen suchen wir einen Kebab-Imbiss auf – für gut 3 € gibt es einen Fleischspieß, der mit Gemüse und Salat eingewickelt wird – lecker!
Wo wir schon beim Essen sind, halten wir auf dem Rückweg bei einem der verführerisch duftenden Bäcker an. Für ein Brot, eine kleine Sahnetorte, ein Rosinenbrötchen und ein paar Kekse bezahlen wir gerade mal 3€ - ein absolutes Schnäppchen.

Zeit für Kaffee und Kuchen auf unserem Balkon
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Der Ausblick ist wirklich genial, das Wetter aber eher trüb.
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Später regnet es und als es wieder nachlässt, brechen wir auf.
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Dieser historische Aufzug (genannt Asansör, mal wieder ein eingetürkischtes Wort aus dem Französischen) verbindet seit 1907 das Wohnquartier mit der Küste.

Wir fahren mit der Tram bis zur Endstation Fahrettin Altay.
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Fast alle Fahrzeuge sind in mäßig hübscher Vollwerbung unterwegs, eingesetzt wird ausschließlich ein Fahrzeugtyp von HyundaiRotem.
Runder Linienfahrweg mit ziemlich kleiner Schrift auf dem Infomonitor
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Der Innenraum wirkt irgendwie billig und der Platz über den Radsätzen ist nicht sehr effizient genutzt.
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In der Nähe gibt es einen Park und wir möchten ihn mit dem neu eingerichteten Bikesharing-System erkunden. Doch zunächst müssen wir diese Straße überwinden, was über 4 Minuten dauert und auch nur, weil wir einen Abschnitt bei Rot gehen.
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Die Ausleihe gelingt uns allerdings weder am Terminal noch in der App, jedes Mal bricht der Registrierungsvorgang ab. Also geht es doch zu Fuß weiter.
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Bei besserem Wetter ist der Park vermutlich deutlich mehr genutzt.
Blick über die Bucht
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Dann gehen wir zur Fähre, die auch rege von Fußgängern genutzt wird, auch wenn bei der Gestaltung der Zufahrt nur an Autos gedacht wurde.
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Die Autos fahren auf drei Spuren auf die Fähre, doch für die Fußgänger gibt es nur einen winzigen und völlig überfüllten Warteraum.
Möwen begleiten die Fähre, während es langsam dämmert.
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Bereit zur Ankunft
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Im Kneipenviertel Bostanlı suchen wir nach einer Gelegenheit zum Meze essen und werden erst nach längerer Suche fündig, denn an diesem Freitagabend sind fast alle Restaurants voll.
Das Wasser aus der offensichtlich nicht verschlossenen Wasserflasche mit abgewetztem Etikett traue ich mich nicht zu trinken – die meisten anderen Gäste bevorzugen ohnehin den Schnaps Rakı, der hier in 200 ml-Flaschen verkauft wird und in rauen Mengen fließt – dementsprechend ausgelassen ist die Stimmung hier.
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Jemand will uns Krimskrams verkaufen, dann kommt ein Rosenverkäufer, dann ein Fotograf, dann Musikanten. Eine offensichtlich schon gut angetrunkene Frau singt fröhlich mit.
Für die Meze zahlen wir am Ende 15 € p.P., hier sind die Preise deutlich höher als im Wohnquartier heute Mittag. Gut gestärkt treten wir den Rückweg an.
Krone mit Verkehrspylon
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Atatürk-Denkmal
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Blick über die abendliche Bucht
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Die Fähre zurück kostet 7 Lira, während die Hinfahrt nur den symbolischen Betrag von 1 Lira gekostet hat. Gefühlt wird bei jeder Fahrt etwas anderes abgebucht und ich verstehe das System absolut nicht.
Bald setzt wieder Regen ein, sodass wir nicht draußen auf dem Deck bleiben.

Die Straße zum Asansör wird von Touristen frequentiert und bietet einige Restaurants.
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Der prunkvolle Zugang zum stets gut genutzten Aufzug
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Re: [AM][GE][TR][BG][RO][HU] Der Landweg aus Jerewan

Beitrag von Entenfang »

Tag 30 Ephesos

Mit diesem Blick uns bei bestem Wetter genießen wir unser Frühstück auf dem Balkon.
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Dann starten wir auf den Tagesausflug. Zuerst mit dem Aufzug runter, dann zur Tram.
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Am Bahnhof Alsancak steigen wir in die S-Bahn um. Die Fahrt über mehr als 50 km kostet nur 50 Cent.
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Übersicht des S-Bahn“netzes“
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Alle 24 Minuten wird bis Tepeköy gefahren, dort muss man umsteigen. Die S-Bahn fährt erst durch dicht bebautes Gebiet, zum Schluss durch Olivenhaine und Obstbäume, an denen bereits Kirschen hängen.
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Spalt gibt es dank Schiebetritt quasi keinen
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Nach rund einer Stunde erreichen wir wie geplant Tepeköy und steigen aus.
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Es gibt ein separates Gleis mit Bahnsteig für Güter- und Fernzüge, die keine so hohen Bahnsteige brauchen. Aber wo geht es weiter nach Selçuk? Ein Menschenmeer steht ratlos auf dem Bahnsteig. Die meisten müssen schon früher angekommen sein, denn unser Zug war relativ leer. Interessanterweise werden wir gleich zweimal gefragt, wo denn jetzt der Zug nach Selçuk abfahren würde – offenbar strahlen wir Fachkompetenz aus… Irgendwann klärt ein Wachmann auf, dass er am Gleis gegenüber fahren würde.
Man muss nichts extra bezahlen, um noch weiterzufahren und meine Vermutung bestätigt sich – hier draußen wird nur ein Dreiteiler statt eine Dreifachtraktion eingesetzt und die Taktdichte ist mit 60 bis 90 min viel geringer. Die zahlreichen Menschen passen gerade so rein und stehen dicht gedrängt, nachdem um die wenigen Sitzplätze gekämpft wurde.
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Die Abfahrtszeit verstreicht, der Tf steigt nochmal aus, dann wird irgendwas durchgesagt, die Türen geschlossen, wieder geöffnet, nochmal geschlossen, wieder etwas durchgesagt. Auf dem ZZA am Bahnsteig steht Izmir, die Aufsicht ruft aber „Selçuk, Selçuk!“ Weitere Minuten vergehen, dann setzen wir uns in Bewegung – allerdings in die falsche Richtung. Wir rangieren aus dem Bahnhof, dann wieder zurück auf das Gleis, das die S-Bahn nach Izmir inzwischen geräumt hat. Dann halten wir nochmal, die Türen werden geöffnet, die Aufsicht ruft nochmal „Selçuk, Selçuk!“ und ein paar weitere Fahrgäste steigen ein, dann geht die Fahrt mit +20 endlich in die richtige Richtung los. Warum die ganze Aktion mit Umsteigen und Rangieren, kann ich mir nicht erklären. Die Nachfrage ist ja offenbar vorhanden und die Bahnsteige sind auch ausreichend lang. Nach rund 20 Minuten und weiteren 20 km kommen wir endlich in Selçuk an.
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Im Reiseführer stand, dass es keine Busverbindung zu den Ruinen von Ephesos gibt und wir entdecken auch kein Taxi vor dem Bahnhof. Wir irren ein paar Minuten umher, unzählige Autos verursachen ein Verkehrschaos. Wohin sind denn die ganzen Fahrgäste aus dem Zug verschwunden? Da entdecken wir doch ein Taxi, zwei junge Frauen besprechen gerade etwas mit dem Fahrer. Sie möchten zwar nicht zu den Ruinen, aber das würde auf dem Weg liegen und sie erklären sich bereit, das Taxi zu teilen. Nach einigen Minuten sind wir bereits am Eingang und bezahlen für unseren Teil 5€. Kaum sind wir ausgestiegen, will uns schon jemand Souvenirs und Wasser verkaufen.
Ohne Worte:
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Happige 20€ kostet der Eintritt und ein Rummel herrscht hier – eine Reisegruppe nach der anderen trifft ein, Japaner mit Sonnenschirmen und Masken, einheimische Schülergruppen in Jogginghosen, die plärrend und schubsend zwischen den Steinen herumlaufen.
Der Ort war bereits seit der Steinzeit besiedelt und erlebte unter dem römischen Reich seine Blüte. Vermutlich war es eine der größten Städte jener Zeit und aufgrund der vielen Prachtbauten muss sie auch sehr wohlhabend gewesen sein. Im 3. Jahrhundert begann durch ein schweres Erdbeben der Niedergang
Odeon
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Trinkwasserbrunnen
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Kuretenstraße, die Hauptstraße durch die Stadt
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So ein Gewusel muss hier in der Antike wohl auch gewesen sein – vielleicht ist es so ein authentischeres Erlebnis, als wenn wir ganz allein hier wären…
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Ruhepause auf dem Mosaik
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Die beeindruckenden Relikte der Celsus-Bibliothek
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Fassade im Detail
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Das riesige Theater mit Straße zum Hafen
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Ja Moment mal, wo ist denn hier das Meer? Berechtigte Frage, denn Ephesos war eine Hafenstadt. Allerdings verlandete die Mündung des Kaystros immer stärker, sodass es inzwischen Luftlinie mehr als 5 km bis zur Küste sind.

Huch, was schlängelt sich denn da über den Weg?
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Eine spätere Recherche ergab Scheltopusik, ein größerer Verwandter der Blindschleiche.

Für den Zugang zu einem gut erhaltenen Mietshauskomplex müsste man nochmal 8€ Eintritt bezahlen, das ist uns dann doch zu viel und wir verlassen das Gelände. Noch mehr garantiert echt gefälschte Uhrenläden säumen die Straße zum Parkplatz und eine Flasche Wasser kostet hier das Dreifache wie in der Stadt.
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Jemand bittet mich, ihn mit seinem Handy zu fotografieren. Warum zur Hölle will man ein Foto von sich vor den ganzen Souvenirläden?

Wir möchten den Nachmittag am Strand von Pamucak ausklingen lassen, gut 5 km entfernt von hier. Ein Taxi kommt, der Fahrer will völlig unverschämte 20€. Wir setzen uns auf eine Bank, bis nach einer Weile noch ein Taxi kommt – das leider auch 20€ verlangt. Ich probiere die Taxi-App aus, die jedoch bedauerlicherweise hier keine Fahrt findet. Da vermisse ich bereits die Yandex-App… Ich suche nach einer Möglichkeit, ein Taxi telefonisch zu bestellen und währenddessen meint ein Fahrer zu uns, wir sollten halt mit dem Bus fahren, das wäre much cheaper. Die 20€ wären company price, da könne er leider nichts machen. Soso, aber den Taxameter könnte man benutzen, oder? „Nonono.“ Wahrscheinlich ist das gegen die company rule…
Entgegen meiner vorgängigen Recherche entdecken wir auf der anderen Seite des Parkplatzes doch eine Bushaltestelle und als wir uns nähern, spricht uns bereits ein Mann an. „Selcuk?“ Nein, Pamucak beach. Es warten bereits um die zehn Fahrgäste und der Mann spricht etwas in ein Funkgerät. „Selcuk 10 minutes.“ Zehn Minuten verstreichen, dann beginnt er schon mal, abzukassieren. „Pamucak wait.“ Tatsächlich kommen dann bald die Dolmuş in beide Richtungen fast zeitgleich. Möglicherweise dient der Buskoordinator dazu, sie bei Bedarf von der Hauptstraße hier auf den Parkplatz umzuleiten.
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Keine zehn Minuten später sind wir bereits in Strandnähe und zahlen etwa 1 € pro Person, das hat sich gelohnt. Der Kleinbus brummt weiter.
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Nach einem kurzen Fußweg erreichen wir den Strand.
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Hier bleiben wir eine Weile sitzen und ruhen uns aus. Allmählich wird es durch den Wind etwas frisch, tagsüber ist es eigentlich nur durch die stechende Sonne warm, im Schatten dagegen recht kühl.
Ich entscheide mich für den Grillteller und kaum bekomme ich ihn, kommt auch schon ein Hund betteln.
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Zum Sonnenuntergang entsteht noch ein Kitsch-Foto.
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Der leere Strand im Abendlicht ist aber durchaus ein schöner Anblick.
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Nun müssen wir allmählich an die Rückfahrt denken. Da wir überhaupt keine Ahnung haben, wann und ob abends überhaupt noch Dolmuş verkehren, bitten wir beim Bezahlen darum, ein Taxi für uns zu bestellen. Das scheint keine ganz einfache Aufgabe zu sein, denn erstmal müssen drei Kollegen zurate gezogen werden, doch dann scheint es zu klappen. „10 minutes“, meint die Bedienung und schließlich werden 25 daraus, zum Glück fahren Züge bis spät in die Nacht zurück nach Izmir.
Das Taxameter steht bereits auf 170 Lira, als wir einsteigen und als wir nach der rasanten Fahrt am Bahnhof ankommen, sind es 340. Der Fahrer meint, er würde uns ein special price machen, 300 (15€). Soso, und wieso waren da schon 170 auf dem Zähler, als wir eingestiegen sind? Wenn man ein Taxi ruft, müsse man beide Richtungen bezahlen, klärt uns der Fahrer auf, das müssten auch die Einheimischen. Ich glaube ihm zwar kein Wort – aber was sollen wir auch machen?
Nun bleibt uns rund eine Dreiviertelstunde, bis ein Dieseltriebwagen aus Denizli kommt, der uns ohne Umsteigen und mit weniger Halten nach Izmir bringt. Wir fragen beim train dispatcher nach Fahrkarten und dieser antwortet etwas unwirsch, dass wir diese im Zug kaufen müssten. Herrje, wir müssen ihn bei etwas sehr Wichtigem gestört haben…

So machen wir noch einen kleinen Spaziergang durch den Ort. Großformatige Wahlwerbung scheint hier sehr beliebt zu sein
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Grüner Tunnel
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Wir entdecken eine Bäckerei, die auf Zetteln im Fenster mit „Izmir bomba“ wirbt.
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Das wollen wir gleich ausprobieren, nehmen noch zwei süße Teilchen für das Frühstück und Joachim noch einen Feierabendtee dazu und die erste Bombe, die platzt, ist der Preis. 9€ insgesamt, ein richtiger Touristenpreis. Dann platzt auch die Izmir bomba in meinem Magen, jede Menge üppige Schokocreme, sodass wir wohl nicht befürchten müssen, auf der Rückfahrt Hunger zu leiden…

Handyladenkatze
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Bahnhofskatze
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Immerhin ein paar Fahrgäste haben sich für die abendliche Fahrt nach Izmir versammelt.
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Der Zug kommt pünktlich und bietet freie Platzwahl.
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Vorn ist der Vorhang erkennbar, mit dem das Dienstabteil abgetrennt wird.

Teilweise gibt es nur Einzelsitze, weil der Platz durch irgendeinen Kasten blockiert ist.
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Die Fahrt kostet zwar mehr als doppelt so viel als die S-Bahn, ist aber erstens auch bequemer, zweitens schneller und drittens mit 1,50€ immer noch sehr erschwinglich. Die Fahrt erinnert mich ein bisschen an die Geräuschkulisse der BR 612. Mit den üblichen +5 schaffen wir es dann ans Ziel.
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Weiter geht es mit der U-Bahn, wir erwischen eine ältere Generation der CRRC-Wagen, die aus vier gekuppelten Zweiwagenzügen besteht, welche nicht durchgängig begehbar sind.
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Asansör bei Nacht
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Re: [AM][GE][TR][BG][RO][HU] Der Landweg aus Jerewan

Beitrag von Entenfang »

Tag 31 Izmir

Blick vom Balkon über die Betonwüste Izmir
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Die Tram rollt entlang der Küste
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Steile Treppen führen entlang der Häuser, hier muss man gut zu Fuß sein
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Hier ist der große Höhenunterschied, der durch den Asansör überwunden wird, gut erkennbar
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Minarette stehen zwischen den Wohnblocks
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Städtischer Dschungel
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Joachim verabschiedet sich bereits am Morgen, um nach Hause zurückzukehren. Später erfahre ich, dass die Tram nicht planmäßig gefahren ist und als ich später aufbreche, ist sie immer noch nicht zum Regelbetrieb zurückgekehrt. Die Trams passieren ohne erkennbaren Grund die Haltestelle ohne Halt. Die Straße ist halbseitig gesperrt, anscheinend wegen irgendeinem Laufevent.
Plötzlich kommt mir eine Tram auf dem Gegengleis entgegen
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…und fährt wenig später auf dem Regelgleis zurück.
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Ich folge der gut besuchten Promenade bis in das Zentrumsquartier Konak.
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Fotografen auf dem Mofa
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Die kleine Konak-Moschee
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Uhrturm
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Zahlreiche Händler verkaufen Taubenfutter für 20 Cent und sie verkaufen viel davon, denn die Kinder haben sehr viel Spaß damit.
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Dementsprechend viele Tauben flattern hier herum.

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Eine Maß Bier für unter 5€ ist auch kein schlechter Deal…

Der Verkehr rollt wieder als endlose Blechlawine durch die Stadt
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Wohnblocks, soweit das Auge reicht
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Wie bereits andernorts festgestellt, konzentrieren sich Dienstleistungen eines Typs oft an einem Ort. Ich entdecke eine Straße, in der es fast nur Pizzerien gibt. Das Ergebnis ist ganz ok, interessant finde ich als Beilage Saures. Noch wilder finde ich da die Kombination von Pizza und Pommes und wenn ich es richtig interpretiert habe, könnte man die 1l-Colaflasche gratis (!) dazubekommen, was auch fast jeder der anderen Gäste nutzt.
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Außerdem verteilen die meisten noch viel Ketchup auf der Pizza, was in Rumänien mal vor zehn Jahren sehr in Mode war.

Dann spaziere ich durch die Gassen, zunächst passiere ich dabei einen Basar.
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Keine Ahnung, wofür die werben…
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Fast sieht es danach aus, dass das Abflussrohr direkt zum Stromverteilerkasten führt…

Schließlich gelange ich in ein Wohnquartier, in dem Kinder auf den kleinen Straßen toben und man aus den offenen Fenstern Babygeschrei hört.
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In einigen Bereichen ist die Stadt auf jeden Fall sehr lebendig, aber wirklich schön finde ich sie trotzdem nicht.

Ich fahre mit der U-Bahn weiter, dieses Mal erwische ich einen CRRC-Zug der neuesten Generation.
Der Innenraum mit vergoldeten Haltestangen und Holzoptik wirkt durchaus wertig
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Die Sitzpolster greifen lokale Motive auf
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Die Metro Izmir besteht aktuell nur aus einer einzigen Linie.
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Die zum Zeitpunkt der Reise noch in Bau befindliche Verlängerung nach Westen wurde im Frühjahr 2024 eröffnet. Eine zweite Linie ist ebenfalls in Bau.

603 in Basmane
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609 fährt in Halkapınar ein. Hier fahren U- und S-Bahn nebeneinander.
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Ich fahre ein Stück mit der S-Bahn nach Norden. In Karşıyaka wurde die Bahnstrecke tiefergelegt und oben eine Fußgängerzone eingerichtet.
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Auffallend ist das hier deutlich reichhaltigere Angebot an Obst gegenüber den Orten im Landesinneren
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Auf der Nordseite der Bucht gibt es eine weitere Tramlinie, die jedoch keine Verbindung zur Konak Tram auf der Südseite der Bucht hat. Die Oberleitung wird von Tauben gern zum Ausruhen angenommen.
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Der erste Abschnitt der Strecke führt ebenfalls entlang der Küste, die hier deutlich freundlicher gestaltet ist. Erstens gibt es keine sechsspurige Ausfallstraße und zweitens ist auch die Promenade schöner. 108 wartet an der stadtseitigen Endstation Alaybey die Wendezeit ab
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103 befährt den kurzen eingleisigen Abschnitt zwischen den Haltestellen Karşıyaka und Alaybey
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Blick zu den Wolkenkratzern auf der anderen Uferseite
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216 passiert das Atatürk-Monument
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An diesem Sonntagnachmittag ist am Ufer viel los
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Ich nehme die Fähre zurück nach Konak. Heute kostet sie weniger als vorgestern Abend und nur etwa symbolische 10 Cent. Menschenmassen strömen aus der anlegenden Fähre und sobald die Zugangstüren von der Anlegestelle geöffnet werden, rennen die Leute los, um sich die beste Position auf dem Deck zu sichern. Es herrscht ein unglaubliches Gedränge und ich versuche es gar nicht erst.

Picknick mit Tramblick bei Konak iskele
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Der Blick von einer Fußgängerbrücke bei Güzelyalı zeigt die dichte Bebauung der Stadt
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Abendstimmung vom Balkon
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Asansör
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Dort herrscht ein ziemliches Gedränge und ich habe große Mühe, ein brauchbares Bild zu bekommen. Es scheint sich um einen sehr beliebten Fotopunkt zur blauen Stunde zu handeln.
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Die Nacht bricht über das geschäftige Treiben der Metropole herein
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Re: [AM][GE][TR][BG][RO][HU] Der Landweg aus Jerewan

Beitrag von TramBahnFreak »

In der Türkei ist es problemlos möglich, U-Bahnen, Züge, etc zu fotografieren?
Das finde ich spannend, hätte ich mir nämlich durchaus auch anders vorstellen können, dortzulande.
U-Bahn Gern
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Re: [AM][GE][TR][BG][RO][HU] Der Landweg aus Jerewan

Beitrag von U-Bahn Gern »

TramBahnFreak hat geschrieben: 23 Aug 2024, 01:26 In der Türkei ist es problemlos möglich, U-Bahnen, Züge, etc zu fotografieren?
Das finde ich spannend, hätte ich mir nämlich durchaus auch anders vorstellen können, dortzulande.
Da gibt es selbst von Stadt zu Stadt Unterschiede. In Köln wurde ich z. B. bereits nur beim Zücken meines Smartphones vom Fahrer grimmig angeschaut und kurz darauf hat mir dann auch ein Sicherheitsbeamter gesagt, ich dürfe nur auf öffentlicher Straße und nicht in Bahnhöfen fotografieren. In München dagegen ist mir seit gut 20 Jahren noch nie etwas passiert. Fahrer winken, geben Lichtzeichen, die U-Bahnwache ist schon tausende Male beim Fotografieren und Filmen an mir vorbei gegangen und hat noch nie etwas gesagt. In Istanbul und Ankara (Zumindest als ich dort war) wurden die Regeln, wie hier im Bericht schon in Jerewan gesehen, strengstens durchgesetzt. Überall "No photo" und auch die zahlreichen Wachmänner haben mich sofort bemerkt. Und dann gab's auch gleich eine Maßregelung a la Militär samt Androhung von Raußschmiss und Hausverbot. :roll:
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Re: [AM][GE][TR][BG][RO][HU] Der Landweg aus Jerewan

Beitrag von Entenfang »

Türkei war auf jeden Fall entspannter als Jerewan, aber auch stark unterschiedlich je nach Ort und Laune des Personals. Verbotsschilder habe ich auch nirgendwo gesehen außer an Militärbereichen. Natürlich versuche ich immer, so unauffällig wie möglich zu fotografieren, manchmal kam gleich jemand mit "No photo", in Ankara am Bahnhof wurden wir ausdrücklich darauf hingewiesen, dass Handyfotos ok wären, meine große Kamera war ihnen aber wohl suspekt. In der U-Bahn sind vor allem Handyfotos entstanden, auch allein schon, damit es den anderen Fahrgästen nicht so auffällt, weil im Allgemeinen so viel los war, dass man die Fahrzeuge nie leer ablichten konnte. In Istanbul hieß es auch einmal "No photo" und einen grantigen Schaffner hatte ich dann noch im Zug nach Sofia. Selbst wenn es "No photo" hieß, musste ich aber nie etwas löschen und das ist auch so ein bisschen meine Taktik, Kamera schnell auspacken, das Lieblingsmotiv festhalten, hoffen, dass es niemandem auffällt und wenn doch, naja, dann war ich halt der dumme Tourist und meistens muss ich auch nachträglich nichts löschen. Wenn jemand genauer nachgefragt hat, hat zur Klärung der Situation auch beigetragen, wenn ich erklärt habe, dass ich Ingenieur für öffentlichen Verkehr bin (habe mir das zuvor auf Türkisch rausgesucht).

In Deutschland ist es auch sehr unterschiedlich, wobei ich in München (vor etlichen Jahren) mit Stativ in der U-Bahn ständig Ärger hatte, die U-Bahn-Wache kam eigentlich immer recht schnell, wenn sie in der Nähe war und manchmal haben sich auch die Fahrer beschwert. Offiziell heißt es aktuell, dass man zu privaten Zwecken ohne Stativ überall fotografieren darf, aber in der U-Bahn nützt das halt recht wenig.



Tag 32 Izmir → Eskişehir

Die Morgendämmerung beginnt gerade, als ich aufstehe und ein schnelles Frühstück auf dem Balkon einnehme und anschließend aufbreche. Die Straßen sind noch menschenleer, nur vielstimmiges Vogelgezwitscher begleitet mich auf dem kurzen Fußweg zum Asansör. Kaum zu glauben, dass in dieser Betonwüste überhaupt irgendwelche Vögel außer Tauben leben… Das einzige geöffnete Geschäft auf dem Weg zur Tramhaltestelle ist das für Anglerbedarf und das ist gut besucht. Die erste Tram des Tages fährt gerade ein und ich muss schnell bei Rot über die sechsspurige Straße laufen, was aber zu dieser Zeit überhaupt kein Problem darstellt. Ein paar Fahrgäste sitzen schon drin, doch noch ist es völlig leer auf den Straßen.
Die Tram fährt nicht direkt am Bahnhof Basmane vorbei, doch aufgrund des längeren Umsteigewegs hätte sich der Umstieg zur U-Bahn nicht gelohnt und ich laufe die letzten 500 m zu Fuß.
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Vom Gewusel ist noch nichts zu spüren
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Morgenstimmung am Bahnhof
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Ein paar andere Fahrgäste schießen Familien-Selfies, ehe sie einsteigen.

Nach mehrjährigen Verkürzungen und SEV auf Teilabschnitten verkehrt der Ege Ekspresi nun wieder auf der gesamten Strecke von Izmir nach Eskişehir.
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Die großzügige 2+1-Reihenbestuhlung bietet viel Platz und Beinfreiheit.
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Jede zweite Sitzreihe bietet die deutlich bessere Sicht nach draußen. Vor der Buchung der Fahrkarte habe ich mir die Platznummern im Sitzwagen von Kars nach Ankara angeschaut, um die richtige Reihe zu erwischen – das war erfolgreich, denn soweit ich es gesehen habe, sind die meisten Wagen baugleich.
Um Punkt 6:50 Uhr startet der Zug mit einer überschaubaren Anzahl an Fahrgästen in den sonnigen Tag.
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Etwa eine halbe Stunde rollen wir durch die nicht enden wollenden Wohnblocks, halten noch zweimal und ein paar Fahrgäste steigen zu. Express kann man den Zug wahrlich nicht nennen, denn er hält in allen kleinen Unterwegsbahnhöfen, an denen wir teilweise minutenlang herumstehen und erreicht eine Durchschnittsgeschwindigkeit von nur knapp über 50 km/h.
Es folgen Weinberge…
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…und Olivenhaine voller bunter Frühlingsblumen.
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Die Strecke ist gesäumt von leuchtenden Blüten.
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Der Zug füllt sich recht schnell an den kleinen Halten, bald sind etwa ¾ der Sitzplätze belegt.

Nach einer Kreuzung fahren wir mit +15 weiter. Die Landschaft wird gebirgiger, ist nahezu unbesiedelt.
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Ohne erkennbaren Grund steigt die Verspätung stark an, bald sind wir schon bei +45.

Durch traumhafte Berglandschaft rollt der Zug äußerst gemächlich, wohl kaum schneller als 30, dahin.
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Viele bunt blühende Wiesen und ein paar entgleiste Güterwaggons sorgen für Abwechslung
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Weitere Kreuzungsaufenthalte lassen die Verspätung weiter steigen. Überholung eines Güterzugs
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In der Türkei gibt es zwar nicht viele Eisenbahnstrecken, doch diese hier ist ein weiteres, wenig bekanntes Highlight.
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Wir halten auf freier Strecke, dann geht es ein Stück weiter, dann halten wir erneut. Und warum? Ein LKW hat am BÜ die Schranke aufs Dach bekommen und es hat sich ein langer Stau gebildet.
Weiter geht’s, es folgen wieder mehr Siedlungen.
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Irgendwann erfolgt Personalwechsel, der bisher immer regelmäßig durch den Zug gelaufene Snackverkäufer ist wohl auch ausgestiegen, was ungünstig ist, weil meine Wasservorräte zur Neige gehen. Mein Wagen ist am stärksten gefüllt, während ein anderer fast leer ist.
Wir müssen nochmal ewig auf eine Kreuzung warten, die Verspätung steigt deutlich über eine Stunde. Mehr als zwei Stunden Fahrzeit liegen noch vor mir, es ist ziemlich warm im Wagen geworden und mein Wasser fast leer. Ich gehe einmal durch den 4-Wagen-Zug, doch es gibt keine Möglichkeit mehr, Proviant zu kaufen.
In Kütahya, einer größeren Stadt, halten wir planmäßig 5 min, doch aufgrund der Verspätung gehe ich davon aus, dass wir so schnell wir möglich weiterfahren. Bei der Einfahrt entdecke ich einen kleinen Kiosk direkt am Bahnsteig, springe schnell heraus, kaufe eine Flasche Wasser und bin bereits eine halbe Minute später wieder im Zug. Wenig später fahren wir dann auch schon weiter.
Die Landschaft wirkt hier im Inland viel trockener und karger, die üppig blühenden Wiesen sind verschwunden.
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Nochmal halten wir auf freier Strecke wenige Kilometer vor dem Ziel, nach etwa zehn Minuten geht es dann ohne Kreuzung weiter und bald stehen alle auf und stellen sich mit Gepäck an die Tür, doch wir kommen nochmal auf der Strecke zum Halten.
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Schließlich dürfen wir endlich in den Bahnhof einfahren und die Etappe geht mit +93 zu Ende.

Der Bahnhof von Eskişehir ist modern und großzügig ausgebaut, da er an der HGV-Strecke Ankara – Istanbul liegt.
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Das alte Bahnhofsgebäude hat für Reisende anscheinend keine Funktion mehr, denn der Eingang liegt jetzt 100 m weiter unscheinbar durch einen „Hinterhof“ mit Gepäckscanner zur Unterführung.
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Dampflok vor dem Bahnhof
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Nachdem ich mein Gepäck abgestellt habe, breche ich bald zum Abendessen auf. Die Stadt ist eine große Überraschung – im Reiseführer, den ich mir zuvor beschafft hatte, wird sie nicht mal erwähnt. Dabei handelt es sich um eine lebendige Studentenstadt mit Venedig-Atmosphäre.
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Ich falle mit meinem Stativ natürlich auf und werde bald angesprochen, doch der junge Mann spricht kein Englisch und geht weiter. Als ich etwas beim Bäcker kaufe, werde ich gleich um ein Foto gebeten. Meine neue Strategie ist, die Bilder dann später auf das Handy zu übertragen und per Whatsapp zu versenden.
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Hier gibt es ja wirklich Gondeln wie in Venedig!
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Wieder spricht mich jemand an, als er erfährt, dass ich Deutscher bin, möchte er wissen, wie man auf Deutsch flucht.

Zum Abschluss des Tages widme ich mich noch dem interessanten Trambetrieb – Eskişehir ist die einzige türkische Stadt mit einem richtigen Tramnetz, das seit 2004 in mehreren Etappen ausgebaut wurde. Im Gegensatz zu allen anderen türkischen Tramstädten und eher ungewöhnlich für einen Neubau wird auf Meterspur mit Einrichtungsfahrzeugen gefahren.
Eingesetzt werden Flexity Outlook…
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…sowie die neueren ForCitys.
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Zentrale Streckenabschnitte führen durch die belebte Fußgängerzone.
Wie auch in den bisher besuchten Tramstädten gibt es Drehkreuze am Haltestellenzugang. Damit man aber nicht einfach über das Gleis an der Sperre vorbeigehen kann, gibt es Bahnsteigtüren, die erst öffnen, nachdem die Tram angehalten hat.

„Are you German?“, fragt jemand. Das ging aber schnell… „Are you taking photos of trams?“ Ich bin offenbar leicht zu durchschauen…

Hier gibt es nicht nur Aushänge zu den ersten und letzten Fahrten…
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…sondern sogar minutengenaue Abfahrten sowie einen mehr oder weniger intuitiven Taktfahrplan, ein ungewohnt hoher Informationsstandard in der Türkei.
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Das Tramnetz im Überblick
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An einem Kiosk kann ich eine 2-Fahrtenkarte kaufen und lasse mir eine Probefahrt nicht nehmen. Los geht’s in einem Forcity, welchen ich bisher noch nie in einer Meterspurversion gesehen habe.
Die 30 m langen Fahrzeuge bieten nur sehr wenig Sitzplätze
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Das Design ist ganz unverkennbar Škoda, es gibt starke Ähnlichkeiten zu den Fahrzeugen in Prag, beispielsweise die bunte Verkleidung an den Türen…
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…vor allem aber die Haltestellen-Übersicht.
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Die gelben Sitzpolster sehen leider etwas unappetitlich aus und über den Drehgestellen ist der Platz nicht so effizient genutzt wie in den Regelspurwagen.
An allen Haltestellen ist ebener Einstieg möglich
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An der Endstation Otogar steige ich aus und fahre wieder zurück. Dankenswerterweise wartet dort ein Flexity, sodass ich den auch gleich Probe fahren kann.
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Wieder sprechen mich zwei Personen an, doch sie können kein Englisch.

Er bewacht den Eingang, abgesehen davon gibt es hier keine Wächter an den Haltestellen.
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Wer beim Anblick der Tram sofort an eine andere Stadt denken muss, irrt nicht – die Flexity sind quasi baugleich mit jenen in Linz und sehen sich nicht nur außen…
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…sondern auch innen zum Verwechseln ähnlich.
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Übrigens war ursprünglich sogar die Polsterfarbe der Sitze gleich, nur wurde die in Linz inzwischen geändert.

Die Tram hat fast überall einen abgetrennten Bereich und rauscht weitgehend behinderungsfrei durch die Stadt
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Als ich bei der zu meiner Unterkunft nächstgelegenen Haltestelle aussteige, entdecke ich einen Park, der sich dann als Märtyrer-Friedhof herausstellt.
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Durch einen „richtigen“ Park, benannt nach Erdoğan, trete ich den Rückweg an.
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Dabei sprechen mich gleich wieder zwei Jungs an. Der Jüngere spricht kein Englisch, der Ältere dagegen sehr gut. „What are you doing in this park, man?“ Naja, ich habe halt einfach die nächste Tram genommen und bin irgendwann ausgestiegen… „I understand you…“, sagt er, was ich allerdings bezweifle. Er bittet mich um ein Foto, das sie selbstverständlich bekommen.
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„Ah, we drank too much and we had some smoke… In this city you can do that, normally it´s illegal. Oh man, we really drank too much…“ „Are you Dutch?“ Knapp daneben. Der Jüngere krempelt seinen Ärmel hoch und zeigt mir stolz riesige Blutergüsse. „Close your arm“, meint der Ältere, obwohl der Jüngere ja kein Englisch versteht. „He wants to show that he is a strong man. He is quite young.“ „Most people here cannot speak English, just like him. Man, it´s been a while since I spoke English. Oh man, we drank too much…“ Er bietet mir noch an, ich solle mich doch melden, wenn ich noch irgendwas wissen wolle und ich gehe allmählich weiter.
Der erste Eindruck von der Stadt ist jedenfalls sehr positiv und ich bereue es jetzt schon, dass ich hier nur einen Tag eingeplant habe.
Mein Bahnjahr 2023
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Re: [AM][GE][TR][BG][RO][HU] Der Landweg aus Jerewan

Beitrag von U-Bahn Gern »

Entenfang hat geschrieben: 23 Aug 2024, 19:28 In Deutschland ist es auch sehr unterschiedlich, wobei ich in München (vor etlichen Jahren) mit Stativ in der U-Bahn ständig Ärger hatte, die U-Bahn-Wache kam eigentlich immer recht schnell, wenn sie in der Nähe war und manchmal haben sich auch die Fahrer beschwert. Offiziell heißt es aktuell, dass man zu privaten Zwecken ohne Stativ überall fotografieren darf, aber in der U-Bahn nützt das halt recht wenig.
Hmm. Interessant. Bin vielleicht noch etwas zu jung um das früher zu beurteilen, aber mittlerweile ist es in München m.M.n. super entspannt geworden. Selbst mit Stativ. Das enzige "Ereignis" letztens (Paar Monate her) war ein Fahrer, der mich freundlich darauf hingewiesen hat, ich solle doch Gesichter der Personen auf den Bildern verpixeln (was ich sowieso tue wenn nötig).
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Re: [AM][GE][TR][BG][RO][HU] Der Landweg aus Jerewan

Beitrag von Entenfang »

Tag 33 Eskişehir

Irgendwann am frühen Morgen weckt mich der Muezzin – ist wohl doch besser, mit Ohrstöpseln zu schlafen… Ein Königreich für dicht schließende Fenster und Rollläden – beides in der Türkei leider offenbar unbekannt.
Spaziergang am Canale Grande (Porsuk Çayı)
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Für den heutigen Tag steht die Erkundung des Tramnetzes auf dem Plan. Ich entdecke einen Schalter der Verkehrsbetriebe, dort bekommt man aber nur Monatskarten. Wie in den anderen Städten gibt es auch hier keine Tageskarten. Der Verkauf von Fahrkarten am Kiosk ist auch recht mühselig und so probiere ich einfach meine Debitkarte am Drehkreuz – und siehe da, sie funktioniert. Also beschließe ich, es mit elektronischer Bezahlung zu versuchen.
14 rollt durch die Fußgängerzone
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Es folgt 18 bei Ismet Inönü
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Und immer wieder bleibt die Frage – warum?
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Aber schöner Brunnen…
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Süßes gehört dazu
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Ein paar weitere Venedig-Eindrücke
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Ich starte mit dem längsten Ast, der Überlandlinie 12, die etwa halbstündlich fährt. Auf einem langen gemeinsamen Abschnitt mit der Linie 10 kommt etwa alle zehn Minuten eine Tram.
Die belebte Zentrumshaltestelle Çarşi ist als Doppelhaltestelle ausgeführt
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Ich fahre mit der gut gefüllten Linie 10 stadtauswärts, es sind einige Rentner mit Masken und Einkaufstüten unterwegs. Die Tram bleibt länger gut gefüllt.
Fotostop in einem unspektakulären Wohngebiet bei Tarih Bulvarı
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Weiter geht’s mit der 12 bis zum Ende. Die Strecke führt an kleinen Industriebaracken vorbei, ein Stück über Grasland bis in einen kleinen Ort und wendet dort vor einer großen Moschee.
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Es handelt sich um eine großzügige Wendeschleife mit Ausweichgleis, die sich ein Stück hinter der Haltestelle befinden. Da bereits viele Fahrgäste auf die Rückfahrt warten, vermute ich, dass die Tram gleich zurückfährt und steige wieder ein, um nicht eine halbe Stunde warten zu müssen.
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Interessanterweise gibt es hier draußen fast überall DFI, auch wenig sinnvoll an der vorletzten Haltestelle stadtauswärts, in der Innenstadt dagegen keine. Allerdings zeigen sie ohnehin nichts Sinnvolles an.
Ein älterer Mann spricht mich an, doch ich verstehe natürlich kein Wort. Ich gebe ihm mein Handy mit Google Übersetzer. „Sind Sie Fotojournalist?“ In gewisser Weise ja schon, ich beschränke mich aber darauf, dass ich Tourist und Ingenieur für öffentlichen Verkehr bin. Zwei Stationen später steigt er im Niemandsland aus und verabschiedet sich herzlich.

Ich fahre noch bis auf den Überlandabschnitt zurück, wo auch die Linie 10 verkehrt und lege dort einen Fotostop ein.
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Hier hat man sich die Bahnsteigtüren offenbar gespart
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Der spartanische SEV-Haltepunkt
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Kaum zu glauben, dass in dieser winzigen Ruine offenbar ziemlich viele Menschen wohnen. Der Kontrast zwischen einigen armseligen Behausungen und den Neubauwohnungen im Hintergrund ist hier sehr deutlich erkennbar.
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Viehtrieb über die Tramstrecke
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Im Flirren der Mittagssonne begegnen sich zwei Flexitys vor der Toptancılar Sitesi-Moschee, die sich am Rande eines Industriegebiets befindet.
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Die Temperatur ist allerdings zum Glück recht angenehm und das Abwarten hier erträglich.
Eine alte Frau kommt aus ihrem schiefen, alten Haus und beginnt, Unkraut zu hacken. Ich falle hier mit meiner Kamera natürlich sofort auf und sie spricht mich an. Ich sage einfach mal turist und Almanya und sie nickt zufrieden. Dann möchte sie unbedingt fotografiert werden.
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Ich steige in den nächsten 10er, um noch die kurze Zweigstrecke und die Wendeschleife in der Nähe zu erkunden.

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Die Haltestelle befindet sich ganz in der Nähe eines großen Krankenhauses – aber leider nur in der Nähe, nicht davor. Deswegen gibt es den Shuttle-Bus, welcher offenbar zahlreiche Fahrgäste zur Tram bringt.
Kaum ausgestiegen und ein Foto gemacht, spricht mich schon wieder jemand an. Zwei Männer sitzen vor einem Café und trinken Tee.
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Sie laden mich auf eine Tasse ein und da ich hier wohl nicht befürchten muss, dass das Abzocke ist, stimme ich zu. Natürlich können wir uns nicht verständigen, aber wofür gibt es Google Übersetzer? Der Mann tippt etwas ein und das Ergebnis: „Was machst du hier?“ Tja, berechtigte Frage. Ich versuche, zu erklären, dass ich Stadtbesichtigungen durchführe, indem ich mit der Tram bis zur Endstation fahre. Wir schreiben noch ein bisschen hin und her zu meiner Reise und später folgt noch: „Erdoğan hat das geschaffen“, vermutlich ist dieses Neubaugebiet ein Teil des groß angelegten Wohnungsbauprogramms der türkischen Regierung. Als schließlich die nächste Tram kommt, dränge ich zum Aufbruch und frage, was der Tee kostet, doch sie winken ab und laden mich ein.
Gerade ist der Zubringerbus angekommen und eine Schlange bildet sich vor der Bahnsteigsperre. Bei der Frau vor mir funktioniert die Karte nicht. Zusammen mit dem Wachmann rätselt sie ewig herum und ich muss dahinter warten. Sie wurschteln lange herum, zu lange, denn die Tram fährt vor meiner Nase ab. Kein Wunder, dass sich hier alle vordrängeln, sonst endet das so.
Als die nächste Tram kommt, sind bei der Abfahrt bereits alle Sitzplätze belegt und bald ist sie rappelvoll. Ich entdecke unterwegs noch einige interessante Fotostellen, beschließe aber, sitzen zu bleiben, weil ich sonst wohl die ganze Strecke stehen muss.
Nach 33 min nahezu behinderungsfreier Fahrt bin ich wieder im Zentrum, was einer recht passablen Durchschnittsgeschwindigkeit von rund 19 km/h entspricht. An den wenigen LSA muss die Tram nie warten. Verglichen mit Izmir oder Konya ist hier auch die MIV-Belastung viel geringer, was sicher auch an der geringeren Einwohnerzahl von nur rund 700.000 liegt.
Ich frage mich, wie die Fahrer es eigentlich schaffen, die Tram immer so punktgenau anzuhalten, dass es zu den Bahnsteigtüren passt. Mir ist kein Assistenzsystem aufgefallen und ich habe es bisher nicht einmal erlebt, dass es nicht gepasst hat.
Zum Mittagessen gibt es Çiğbörek, frittierte Teigtaschen mit Hackfleich – sehr fettig und sehr lecker.
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Gut gestärkt breche ich nach Süden auf. Auffällig am Tramnetz ist, dass es drei Zubringerlinien gibt, die nicht weiter in die Innenstadt verkehren. Ich möchte die Linie 7 unter die Lupe nehmen.
Aus der Innenstadt geht es zunächst mit einer überfüllten Tram zur Umsteigehaltestelle OGÜ.
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Sie ist als Doppelhaltestelle ausgelegt, nur das Überholgleis kann nicht genutzt werden, weil man sonst keinen abgesperrten Bahnsteigbereich hätte. Da hier vier Linien wenden, schränkt das die möglichen Wendezeiten stark ein. Da die Linie 7 gerade abfährt, bleibt mir Zeit für einen Rundumblick.
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Hier ein weiteres Beispiel gelungener Trambevorzugung:
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Die Ausfahrt aus der Wendeschleife kommt von rechts aus einer kleinen Seitenstraße, doch der MIV ist wartepflichtig.
Als die nächste Linie 7 kommt, rennt der Fahrer schnell zum WC-Häuschen, da er nach kurzem Aufenthalt wieder abfahren muss und auf der anderen Seite ebenfalls ohne Standzeit in einer Häuserblockschleife gewendet wird.
Dann geht es wieder gut gefüllt los.
Fotostop bei Piri Reis
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Die Strecke führt durch ein Wohngebiet auf einem Hügel
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Grüne Macht im Beton
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Ich entdecke unterwegs einen Park mit Keramik-Skulpturen und schaue mich dort um.
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47 bei Yenikent
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Haltestelle Yenikent
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Hier wurde bewusst Platz für die Tram geschaffen, um eine vernünftige Haltestelle einzurichten. Möglicherweise wurde sogar ein Teil des Hügels weggebaggert, um die Haltestelle möglichst eben anlegen zu können.

Auf der Rückfahrt steigen an der vorletzten Haltestelle zahlreiche Fahrgäste ein und fahren die Wendefahrt über OGÜ mit – vermutlich sind das Umsteiger aus der Innenstadt, die sich auf diese Weise ihren Sitzplatz sichern wollen. Die Tram in die Innenstadt ist jedenfalls auch wieder rappelvoll.
Zum Glück hat meine Debitkarte das ständige Abbuchen von 40 Cent-Tickets mitgemacht…
Abendstimmung über dem Porsuk Çayı
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Ob sie es wohl schaffen, einen der großen Teddybären zu gewinnen?
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Auch um halb neun sind noch viele Bahnen total überfüllt und das, obwohl der Takt auf den meisten Linien von Betriebsbeginn bis Betriebsschluss gleich bleibt.
Blaue Stunde bei Ulus Anıtı
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Das Nationaldenkmal steht leider unzugänglich in der Mitte eines Kreisverkehrs.
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Dennoch sind hier positive städtebauliche Impulse erkennbar – hier führt die Eisenbahnstrecke in einem Tunnel durch die Stadt. Was 2015 noch ein wilder Parkplatz war…
https://maps.app.goo.gl/8uv3bTuTPF7LizVA9
…ist inzwischen eine Flaniermeile geworden.
https://maps.app.goo.gl/7dUN9hbBZosEEaJp9

Abendlicher Verkehr in der Fußgängerzone
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Ich befahre noch die Linie 10 bis Kumlubel im Norden. Ungewöhnlich sind die Mittelmasten auf der Straße und die Trennung durch eine kleine Betonmauer.
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Die Tram wird durch zwei Parallelstraßen geführt, um einen besonderen Bahnkörper sowie MIV in beide Richtungen zu ermöglichen.
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Leuchtspuren bei der Einfahrt in Kumlubel
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Dass man mit Einrichtungsfahrzeugen und Bahnsteigsperren keine Überholgleise nutzen kann, ist aus meiner Sicht der größte Nachteil dieses Systems. Ansonsten konnte mich der Trambetrieb Eskişehir sehr überzeugen und auch die Stadt selbst erscheint mir sehens- und lebenswert. Selbst das Angebot an Lebensmitteln scheint hier vielfältiger zu sein.
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Die Vermieterin lädt mich an den WG-Küchentisch ein. Nur sie spricht halbwegs Englisch und übersetzt für die beiden Mitbewohner. Ich muss allerdings sehr langsam sprechen, damit es mit der Verständigung einigermaßen funktioniert. Sie ist wohl um die 30, arbeitet in einem Café und ist eigentlich studierte Chemikerin. Sie hat ihr ganzes Leben in Eskişehir verbracht und hier studiert – allerdings gäbe es hier keine Jobs für sie, erläutert sie etwas unglücklich. Aber in eine andere Stadt, etwa nach Istanbul ziehen kann sie sich überhaupt nicht vorstellen. Ihre Mitbewohnerin im ähnlichen Alter ist Journalistin und sagt, sie könne ihrer Arbeit aufgrund der politischen Situation nicht nachgehen, weswegen sie ebenfalls in einem Café jobbt. Beide haben riesige Hoffnungen in die anstehenden Wahlen diese Woche und setzen darauf, dass Erdoğan abgewählt wird. Der dritte Mitbewohner ist vermutlich etwas älter und sitzt die meiste Zeit schweigend und rauchend am Küchentisch. Ich drücke ihnen fest die Daumen, werde aber den Eindruck nicht los, dass sie es sich ein wenig zu einfach machen und sich in Selbstmitleid verlieren. Wie wir längst wissen, wird ihr Wunsch nicht in Erfüllung gehen.
Mein Bahnjahr 2023
Zurückgelegte Strecke: 28.430 km - Planmäßige Gesamtreisezeit: 18,3 Tage - Gesamtverspätung (analog FGR): 1436 min - Planmäßige Reisegeschwindigkeit: 65 km/h - Durchschnittliche Fahrzeitverlängerung aufgrund von Verspätung: 5,5% - Fahrtkosten: 8,9 Cent/km - Anschlussquote (alle Anschlüsse einer Verbindung mit min. 1 Umstieg erreicht): 84,1%
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Re: [AM][GE][TR][BG][RO][HU] Der Landweg aus Jerewan

Beitrag von Entenfang »

Tag 34 Eskişehir → Istanbul

Ich laufe zum Bahnhof, lasse die oberflächliche Sicherheitskontrolle über mich ergehen. Am Zugang zum Bahnsteig wird mein Pass kontrolliert, die Mitarbeiterin hakt irgendwas auf einer Liste ab und winkt mich durch.
Einer der HGV-Garnituren der ersten Generation von CAF steht im Bahnhof
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Die Schilder zeigen an, dass der Wagenstand abhängig vom klassischen oder HGV-Zug ist.

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Wählt Erdoğan und ihr bekommt den Süper-Hochgeschwindigkeitszug, der Ankara – Istanbul in 80 min schafft…

Mit einigen Minuten Verspätung kommt mein Zug eingefahren, ich habe eine CAF-Garnitur erwischt und mir aufgrund der geringen Preisdifferenz Business Class gegönnt, was auch nur knapp 12€ kostet.
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Nein, die war nicht komplett leer, das Bild ist beim Aussteigen entstanden.

Darin inbegriffen ist eine Snackbox mit Tee.
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Bald beschleunigt der Zug auf 250 km/h.
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Die Landschaft fliegt in geradezu atemberaubendem Tempo vorbei, das bin ich gar nicht mehr gewohnt. So schnell war ich seit einem Monat nicht mehr unterwegs.
Man beachte die geschlossenen Gepäckfächer wie im Flugzeug, habe ich so noch nie in einem Zug gesehen.
Bald wird es sehr hügelig und das Wetter trüber. Wir halten oft und fahren zeitweise sehr langsam, dann mit 40 über Weichen, ein Stück auf dem Gegengleis und bleiben schließlich auf der Strecke stehen. Die letzten 100 km wird die normale Strecke in gemütlichem Tempo mitbenutzt. Ab Izmit geht es ein Stück am Meeresufer entlang. Die Strecke wird dort drei- bzw. viergleisig ausgebaut.
Schließlich beginnen die Wohnblocks und hören nicht mehr auf – willkommen in der 15 Mio.-Megacity.
Es geht zäh voran, kaum schneller als 50 und immer wieder halten wir an. Irgendwann stehen die meisten auf und stellen sich an die Tür, in der Türkei ist diese Unsitte ja noch schlimmer als in Deutschland… Doch dort müssen sie lange stehen, denn nachdem die Ankunft bereits angesagt wurde, vergehen nochmal zehn Minuten, bis wir mit +16 ankommen. Bis auf wenige Ausnahmen fahren die Fern- und Hochgeschwindigkeitszüge nur bis zum Bahnhof Söğütlüçeşme auf der asiatischen Seite.
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Wer jetzt das klassische Touriprogramm aus Istanbul erwartet, den muss ich enttäuschen - darauf hatte ich nämlich gar keine Lust. Stattdessen liegt der Fokus auf dem abwechslungsreichen ÖPNV sowie einige zufällig entdeckte Bereiche der Stadt gehen.

Nun brauche ich erstmal eine Fahrkarte. Am Automaten scheitere ich, eine wiederaufladbare Istanbulkart zu bekommen. Ich müsse eine Einzelfahrt nehmen, meint ein junger Mann zu mir, „trust me, I know Istanbul.“ Er drückt selbst auf dem Bildschirm herum, während ich meinen Geldbeutel herauskrame. Dann streckt er die Hand aus. Was soll das werden? „You give me the money and I pay.“ Keine Ahnung, was das werden soll, aber ich fühle mich unangenehm bedrängt und bin überzeugt, dass ich es ganz allein schaffen werde, zu bezahlen. Er verschwindet eingeschnappt, vielleicht wollte er wirklich nur helfen, allerdings habe ich auch keine Lust, Istanbul gleich mit einem Scam zu beginnen.

Weiter geht’s mit der Marmaray (ein Kunstname aus Marmarameer und ray, türkisch für Gleis), der S-Bahn, die seit 2013 unter dem Bosporus durchfährt und seit 2019 eine durchgehende Schienenstrecke von Europa nach Asien schafft.
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An meiner Ausstiegshaltestelle versuche ich es nochmal, ein Mann deutet auf einen anderen Automaten. Dort bin ich dann endlich erfolgreich.
Nachdem ich mein Gepäck abgestellt habe, breche ich zu einem späten Mittagessen auf.
Die Katze ist Wächterin über den Gerümpelhaufen
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Die ganze Stadt ist überflutet von Autos…
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…da braucht man auch eine Werkstatt.
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Zwischen den Werkstätten entdecke ich ein einfaches Restaurant. Ich wähle Hähncheneintopf mit Reis, Joghurt und Brot, zahle dafür 7€, vermutlich ein Touristenpreis.
Als nächstes fahre ich mit der Marmaray auf die europäische Seite.

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Endlich mal eine vernünftige Beschilderung, die mich vom Design her sehr stark an London erinnert.
https://flic.kr/p/2ieE1PN

Die Tunnelstationen der Marmaray sind ähnlich unansehnlich wie die der Münchner U-Bahn und an den Zügen gibt es ein starkes Graffitiproblem.
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Ich steige beim alten Bahnhof Sirkeci aus, der seit dem Baubeginn für die Marmaray zuglos ist, von der einstigen Pracht des Endbahnhofs vom Orient-Express ist nichts geblieben.
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Die auf dem Bauzaun beworbene neue S-Bahn auf der alten Bahntrasse ist im Februar 2024 eröffnet worden, wird im Netzplan aber merkwürdigerweise als Tramlinie T6 aufgeführt.
Auch wenn hier keine Fernzüge mehr verkehren, gibt es glücklicherweise einen internationalen Fahrkartenschalter, denn den Nachtzug nach Sofia kann man nicht online buchen.
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Zum Glück bekomme ich problemlos einen Platz im Schlafwagen in drei Tagen. Kurz vor mir hat schon jemand eine Fahrkarte nach Sofia gekauft und hinter mir warten bereits die nächsten, der Zug scheint sich also durchaus einer gewissen Beliebtheit zu erfreuen.

Auch hier gibt es ein kleines Eisenbahnmuseum.
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Die Zeiten sind leider lange vorbei…
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Tee am Bahnhof
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Bahnhof Sirkeci von außen
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Vor dem Bahnhof herrscht ein hupendes Verkehrschaos, die Tram kämpft sich auf abgetrennter Trasse durch, wird aber an den Kreuzungen immer wieder blockiert.
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Die Strecke ist die erste des modernen Tramsystems in Istanbul, deren erstes Teilstück im Jahr 1992 eröffnet wurde.
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Eingesetzt werden auf der T1 Flexity Swift und Alstom Citadis in Doppeltraktionen.
Die Tram verkehrt im dichten Takt um die Altstadt von Istanbul und ist rappelvoll.

Nach nur einer Station steige ich wieder aus. Gar nicht so einfach, in der Unterführung den richtigen Weg zu finden…
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Von hier möchte ich mit der T5 weiterfahren, doch zum Zeitpunkt der Reise war die Verlängerung zum Umsteigeknoten Eminönü noch im Bau, sodass ich erst ein Stück mit dem Bus fahren muss.
Fische, nehmt euch in Acht!
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Neue Moschee
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Nachdem ich mich ein wenig durchs Gewusel gekämpft habe, lande ich auf einem völlig chaotischen Busbahnhof.
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Nur mit Mühe kann ich nach zwei Stationen wieder aus dem ziemlich vollen Bus aussteigen.

Von hier geht es mit der T5 weiter, deren erster Abschnitt 2021 eröffnet wurde und die ausschließlich mit APS-Stromschiene verkehrt, wobei die Fahrzeuge von Durmazlar stammen. Die Haltestellen würden den Einsatz von Doppeltraktionen erlauben, zum Zeitpunkt der Reise waren jedoch nur einzelne 30 m-Bahnen im Einsatz, die sehr voll sind – Megacity eben…
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Die Linie folgt auf einem langen Abschnitt dem Küstenverlauf des Goldenen Horns und wird verkehrt auf Teilstrecken über zwei Brücken.
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Das ständige Umsteigen ist auf Dauer echt teuer, jedes Mal werden etwa 50 Cent abgebucht.

Bald muss ich schon wieder umsteigen und zwar zur Seilbahn auf den Pierre-Loti-Hügel. Ich muss ein paar Minuten anstehen.
Die Seilbahnkatze überwacht das korrekte Einchecken der Fahrgäste
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Hier werden sogar rund 75 Cent abgebucht.
Die Gondel setzt sich mit offener Tür in Bewegung und schließt dann bei der Ausfahrt aus der Station. „Türkei…“, meint ein junger Mann neben mir, „sowas würde bei uns nicht gehen.“ Bei den meisten Gondelbahnen, die ich in den letzten Jahren genutzt habe, war das Prinzip genau gleich und man steigt sogar während der Fahrt ein…
Es handelt sich um eine Pendelbahn mit zwei kleinen Gondeln je Seite und die Beförderungskapazität ist ziemlich gering.
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Der Ausblick von oben ist jedenfalls sehr schön.
Blick über das Goldene Horn, der einzige „Park“ im Häusermeer ist ein Friedhof.
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Blick über die Haliç-Brücke Richtung Zentrum, rechts unten die T5
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Mit etwas mehr Tele erkennt man gut die neue Brücke, die für die Tram entlang der Straße angelegt wurde. Leider ist die Trasse komplett zubetoniert und städtebaulich wenig attraktiv.
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Zahlreiche Moscheen prägen die Skyline
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Auf dem Hügel entdecke ich ein nettes Café, aber ich staune nicht schlecht, als ich die Preise sehe – 10€ für einen Crêpe und über 4€ für ein abgepacktes Croissant, da verzichte ich doch lieber darauf.

Also steige ich über einen ruhigen Weg entlang eines Friedhofs ab.
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Unten lande ich in einem belebten Viertel neben der Eyüp-Sultan-Moschee und finde bald einen Bäcker, wo ich mich für 3€ mit einem üppigen Vorrat frisch gebackener Kekse versorge.
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Bisschen Nationalstolz muss sein
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Zeit für einen Blick in die Moschee, die sich als sehr sehenswert herausstellt.
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Ein beißender Kontrast zeigt sich zwischen den leise vor sich hin betenden Menschen, dem Wachmann, der still in einem Buch liest und den selfieschießenden Einheimischen.

Der großzügige Platz vor der Moschee
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Teestube
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Darfs ein Eis sein?
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Der Himmel klart auf, also ist es Zeit für eine Sunset Cruise auf dem Goldenen Horn. Ich gehe zum Fähranleger, bezahle wieder 75 Cent und setze mich aufs Deck. Zum Glück habe ich meine Winterjacke an und Handschuhe dabei, denn die 15° fühlen sich auf dem Schiff natürlich viel kälter an – damit hätte ich Mitte Mai in Istanbul wirklich nicht gerechnet…
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Auf der Fahrt ziehen nicht nur zahlreiche Moscheen vorbei, sondern auch gleich zwei Kirchen in einem Bild – die St.-Stefan-Kirche, die hauptsächlich aus Gusseisen errichtet wurde und darüber die Marienkirche, welche jedoch in ein Schulgebäude umgewandelt wurde.
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Auf der Fahrt gibt es viel zu entdecken, auch wenn die Sonne sich wieder verabschiedet.
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Allmählich gehen die Lichter an, während ich wieder an der Neuen Moschee vorbeikomme
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Viel Verkehr auf dem Bosporus
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Re: [AM][GE][TR][BG][RO][HU] Der Landweg aus Jerewan

Beitrag von Entenfang »

Tag 35 Istanbul

Bevor ich die Unterkunft verlasse, suche ich noch nach Zügen für einen Ausflug nach Izmit morgen. Autsch, es ist Freitag und fast alle Züge ausgebucht, nur um 13:55 Uhr finde ich noch ein Ticket zur Hinfahrt.
Dann gehe ich zur U-Bahn, fahre eine Station mit einem CAF-Zug, der auf maximale Kapazität ausgelegt ist. Die M4 ist die erste Metrolinie auf der asiatischen Seite, eröffnet 2012.
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Dann steige ich in die T3 um, eine historische Linie, die aber zum normalen ÖPNV-Tarif nutzbar und wie alle Verkehrsmittel in Istanbul bald bis auf den letzten Platz gefüllt ist. Viele Rentner bringen ihre Einkäufe nach Hause.
Tatsächlich ist die Strecke ein Neubau von 2003 auf einer alten Route, denn die Straßenbahn verschwand 1966 komplett aus dem Istanbuler Stadtbild und kehrte erst 1992 wieder mit dem ersten Teilstück der T1 zurück.
Die Ringlinie ist zwar nicht besonders lang, bietet aber einen schönen Einblick in das untouristische Kadıköy und führt auf abwechslungsreicher Strecke zunächst entlang einer stark befahrenen Hauptstraße…
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…und anschließend durch eine quirlige Einkaufsstraße. Eingesetzt werden modernisierte Gotha-Wagen, die bereits mehr als 60 Jahre auf dem Buckel haben.
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Der Herr im Hintergrund verteilt Türkei-Flaggen als Wahlwerbung.

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Ein Relikt aus einer anderen Zeit
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Es gibt wohl keinen anderen Grund, dieses Café aufzusuchen, als um sich selbst in Szene zu setzen…
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Allmählich geht es weiter in ein ruhigeres Wohnquartier
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Katzenfütterung
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Auf einem kurzen Stück gibt es Linksverkehr, weil der Bogenradius sonst für die Tram wohl zu klein wäre.
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Weiter geht es durch eine enge Gasse
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Für den hippen Großstädter gibt es hier kleine Beete
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Dichte Wohnbebauung prägt das Bild, dennoch ist es hier vergleichsweise grün
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Immer wieder beobachte ich junge Männer, teils fast noch Kinder, die eine sehr fragwürdige Art der Mülltrennung vornehmen – sie wühlen in den Abfallcontainern nach unterschiedlichen Wertstoffen, teils nach Glas, teils nach Plastik, teils nach Papier und werfen sie dann in einen riesigen Sack auf Rollen, mit dem sie durch die Straßen ziehen. Ansonsten scheint mir Mülltrennung in der Türkei eher unbekannt zu sein.

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Da das Leitungswasser in der Türkei in der Regel keine Trinkwasserqualität hat, beschaffen sich viele Haushalte ihr Trinkwasser in riesigen Kanistern. Vermutlich handelt es sich bei diesen Mofas um einen entsprechenden Lieferdienst, wobei das schon wirklich eine grenzwertige Beladung ist…

Beim Spaziergang durch die Straßen gibt es immer etwas zu Entdecken, hier esse ich zum ersten Mal seit Beginn der Reise ein simples Pastagericht.
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Der Waffelladen scheint beliebt zu sein…

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Ich folge der Uferpromenade ein Stück, aufgrund des kühlen Wetters ist recht wenig los.

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Im Gegensatz zu Izmir hat man hier an schattenspendende Bäume gedacht und ich finde sie deutlich einladender.

Schließlich fahre ich mit der Tram zurück zur U-Bahn.
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Das Logo der Metro Istanbul gefällt mir sehr gut.

Endspurt im Wahlkampf
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Weiter geht’s auf dem Wasserweg nach Karaköy.
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Im Hintergrund der eingerüstete Bahnhof Haydarpaşa, ehemaliger Endbahnhof der asiatischen Seite.
Er muss ein prunkvolles Tor zur Stadt gewesen sein und seine Zukunft ist mehr als ungewiss, seit er den Zugverkehr 2014 verloren hat.
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Irgendwie sehen die Schwimmwesten nicht so vertrauenserweckend aus.

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Blick zum Galata-Turm
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Von der Schiffanlegestelle geht es durch Gewusel an fliegenden Händlern vorbei…
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…weiter an festen Händlern…
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…und über einen Parkplatz.
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Ein junger Mann spricht mich an, bittet um ein Foto. Dem Wunsch komme ich doch gern nach und biete an, das Foto später über Whatsapp zu schicken. „Hmm, but no money?!“ Tja, selbst die Einheimischen haben wohl auch schon Erfahrung mit den Scammern gemacht…
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Istanbul liegt in erdbebengefährdetem Gebiet – hätte ein ähnlich starkes Erdbeben nicht den Südosten des Landes, sondern die Megacity erwischt, wären die Auswirkungen wohl noch sehr viel katastrophaler gewesen. Zumindest scheint man sich der Gefahr zumindest bewusst zu sein und hat beispielsweise tsunamigefährdete Gebiete sowie Evakuierungsrouten ausgewiesen.

Ich passiere einen Wahlkampfstand…
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…und bekomme prompt auch eine türkische Flagge in die Hand gedrückt – eigentlich ja ein sehr ungewöhnliches Souvenir, welches die besondere Stimmung des engagiert geführten Wahlkampfs einfängt.

In dieser Gasse gibt es alles für den Seemannsbedarf
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Stillleben mit Handschuhen und Überwachungskamera
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So, und wie komme ich jetzt zur Tram?
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Die Treppe führt in diese Unterführung, in der ich mich auf dem Weg zur Tram auch mit einem Rasenmäher ausstatten könnte.
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Die Tram kommt formschlüssig gefüllt und kämpft sich bimmelnd und hupend voran, weil an fast allen Kreuzungen nicht abgeflossener Querverkehr die Gleise blockiert.
Lediglich an der Endstation bekomme ich einen kurzen Moment, um die kuriose Bestuhlung zwischen den Wagenübergängen festzuhalten, bevor schon wieder die Einsteiger für die Rückfahrt hereindrängen.
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Ein grüner Pfeil zeigt an, welche Tram zuerst abfährt
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Die zweigleisige Endstation ist angesichts des dichten Takts knapp dimensioniert, bald kommt schon ein drittes Fahrzeug, welches vor der Haltestelle warten muss.
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Und so wird der Umsteigeknoten Kabataş einmal aussehen, wenn die U-Bahn M7 hierhin fertig ist. Ich vermute stark, dass die Tram erhalten bleibt, auch wenn es im Modell nur für Busse in Straßenmitte gereicht hat ;)
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Weiter geht es mit der Standseilbahn hoch zum Taksim. Sie verkehrt vollständig unterirdisch.
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Vorbildliche Fahrgastinformation mit Umgebungsplan, hier ist Istanbul den anderen türkischen Städten weit voraus.
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Woran bemerkt man, dass man sich einem touristischen Ort nähert?
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Ich finde den Taksim-Platz eine wenig attraktive betonierte Fläche.

Ein einsamer Maisverkäufer, ich bin überrascht, wie wenig fliegende Händler hier unterwegs sind.
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Denkmal
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T2, die historische Tram, die durch die Touristenmeile Istiklal bummelt
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Ich suche den Zugang zur Metro und lande erstmal in einem riesigen Straßentunnel
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Hier halten auch zahlreiche Busse
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Und hier geht es zur Metro
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Einfach ein bisschen Farbe von Stella und schon sieht die Küche aus wie neu.

Die großzügige U-Bahnstation
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Die M2 ist ebenfalls komplett voll. Zumindest sind die Fahrgäste in Istanbul vergleichsweise diszipliniert, lassen die Aussteiger zuerst durch und gehen auch in die Gänge rein.
Schließlich steige ich in die M6 um, eine 2015 eröffnete Zubringerlinie mit nur vier Stationen, auf denen ältere Wagen von Alstom als Kurzzüge eingesetzt werden.
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In diesen Zügen gibt es sogar noch teilweise Querbestuhlung.
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Ein sehr fotogener Verbindungstunnel verkürzt den Zugangsweg, der an vielen Stationen wie auch die Umsteigewege sehr lang ist und über viele Rolltreppen führt.
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Dann meckert ein Wachmann wegen der Fotos herum und ich verlasse die Station.

Auch an der Oberfläche ist das Regenbogendesign aufgegriffen worden.
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Ich bin direkt an einer Uni gelandet und stärke mich in einem Café. Auch hier kann niemand Englisch.
In der Nähe gibt es einen kleinen Park, leider ohne gute Aussicht und einen Buswendeplatz.
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Ich beschließe, von hier mit dem Bus zurückzufahren und der große Vorteil vom Zustieg am Linienanfang ist, dass ich endlich mal einen Sitzplatz bekomme und nicht die ganze Zeit stehen muss, was auf Dauer sehr kräftezehrend ist.

Es geht zäh voran, weil ständig Falschparker die Straße blockieren. Beim Bus gilt außerdem Vordereinstieg, was weitere Verzögerungen zur Folge hat. Jeder muss seine Karte beim Einsteigen scannen und je nach Fahrkartentyp erklingt ein anderer Ton. Dii-döö. Dii-döö. Didedö. Didedö.
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Lebensmüde Lieferdienste schlängeln sich links, rechts und über den Fußweg durch den dichten Verkehr. Jemand kommt angerannt, da wird die Tür nochmal während der Fahrt aufgemacht, um den Fahrgast reinspringen zu lassen.
Die Ampel wird Grün, doch nichts geht voran, denn der Querverkehr blockiert noch die Kreuzung. Bis die Kreuzung halbwegs geräumt ist, ist schon wieder Rot, trotzdem fahren noch fünf Autos weiter und blockieren ihrerseits die Kreuzung. Nächste Grünphase, selbes Problem. Ein Mofa rast bei Rot drüber, bis zur nächsten Grünphase ist der Querverkehr endlich abgeflossen und es geht weiter.
Wir kommen auf eine breite Schnellstraße, auf den rechten drei Spuren staut es sich, während es auf den linken beiden einigermaßen vorangeht, also fährt der Busfahrer auch links. Plötzlich laufen mehrere Fußgänger zwischen den Autos auf den rechten Spuren durch. Wo wollen die denn hin? Achso, in den Bus einsteigen… Ein weiterer Bus lässt auf der äußersten linken Spur seine Fahrgäste aussteigen, die sich daraufhin durch die stehenden Autos auf vier Spuren schlängeln. Busfahren in Istanbul ist echt ein Abenteuer… Wenn schon drei Busse in der Haltestelle stehen, wird halt 50 m vor der Haltestelle angehalten oder auf der linken Spur daneben. An einigen Haltestellen gibt es durchaus schöne Haltekanten, die aber nie anständig angefahren werden, weil sie entweder zugeparkt sind oder die wartenden Fahrgäste schon auf der Fahrbahn stehen oder weil es praktischer erscheint, mitten auf der Fahrbahn zu halten.
Jetzt geht es schneller voran, wir halten an einer Ampel. Jemand kommt nach vorn und möchte aussteigen, der Busfahrer öffnet die Tür, der Mann steigt mitten in den Verkehr aus und läuft über 3 Spuren quer durch die Autos.
Als wir uns Kabataş nähern, stehen bereits mehrere Busse auf der rechten Spur und da die linke Spur nicht breit genug für einen Bus ist, werden diese halb im Gegenverkehr fahrend überholt. Die Durchschnittsgeschwindigkeit beträgt über die gesamte Strecke ca. 13 km/h.

Die blaue Stunde bricht an, als ich auf die Fähre steige. Kaum jemand sitzt bei dem frischen Wind draußen, ich habe wieder Winterjacke und Handschuhe an.
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Eine junge Katze spielt mit Plastikmüll, springt ihn an und dann auf einen Karton, rennt wild zwischen den Passanten herum, bis eine Frau sie einfängt und streichelt.

Als ich die Flagge in den Koffer packen will, tritt das ein, was ich befürchtet habe – sie passt nicht rein. Also werde ich sie kopfüber im Rucksack nach Hause transportieren müssen.
Seit meiner Ankunft habe ich in Istanbul etwa 12 € für ÖPNV ausgegeben, gar nicht mal so viel, wenn man bedenkt, wie viel ich gefahren bin und wie groß die Stadt ist.
Mein Bahnjahr 2023
Zurückgelegte Strecke: 28.430 km - Planmäßige Gesamtreisezeit: 18,3 Tage - Gesamtverspätung (analog FGR): 1436 min - Planmäßige Reisegeschwindigkeit: 65 km/h - Durchschnittliche Fahrzeitverlängerung aufgrund von Verspätung: 5,5% - Fahrtkosten: 8,9 Cent/km - Anschlussquote (alle Anschlüsse einer Verbindung mit min. 1 Umstieg erreicht): 84,1%
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Jean
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Re: [AM][GE][TR][BG][RO][HU] Der Landweg aus Jerewan

Beitrag von Jean »

Sehr sehr schöne Bilder. Man merkt, dass du dich da richtig bemühst. Nicht zu vergleichen mit so manch einer der sein "Müll" hier im Forum ablädt.
Für den ÖPNV Ausbau Gegen Experimente und Träuereien. Eine Trambahn braucht einen eigenen Fahrweg, unabhängig vom MIV!
Fahrradwege auf Kosten des ÖPNV braucht keiner!
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Re: [AM][GE][TR][BG][RO][HU] Der Landweg aus Jerewan

Beitrag von Entenfang »

Danke! :)

Tag 36 Izmit

Der Nachbar füttert gerade seine Hühner, als ich das Gebäude verlasse. Die laufen aber nicht frei im Garten herum, sondern sind gut geschützt in einem Käfig.
Da ich noch reichlich Zeit bis zur Zugabfahrt habe, möchte ich noch das Stadtviertel Üsküdar ein wenig erkunden. Die Marmaray ist ausnahmsweise nicht überfüllt und ich steige dann in den Bus um. Dii-döö. Dii-döö. Didedö. Didedö. Nach zwei langen Haltestellen steige ich wieder aus und laufe durch einen Park aufwärts.
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Aufgrund des dichten Waldes gibt es leider keine guten Aussichtspunkte, erst am anderen Ende des Parks werde ich fündig. Hier stehen kleine Häuschen mit Garten und Hähne krähen.
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Im Hintergrund der Küçük Çamlıca, der 2021 fertiggestellte 369 m hohe Fernsehturm und höchstes Gebäude der Türkei.

Senioren stützen sich auf ihre Gehstöcke, nur das Rauschen des Verkehrs von der Brücke stört die Idylle.
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Ein Pärchen schießt ebenfalls hier Fotos, während ich der steilen Straße bergab folge.
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Auch unten ist das Quartier nicht weniger hübsch, große Bäume verdunkeln die Straße geradezu und ein nettes Café reiht sich ans Nächste. Hierhin muss ich nochmal zurückkommen.
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Ich versorge mich mit Proviant, der Junge an der Bäckertheke spricht ein paar Worte Englisch. „Meat, cheese, potato.“ Ich wähle drei aus, bezahle dafür 1,30€. Dann nehme ich den nächsten Bus und steige bald in den Metrobüs um. Wobei umsteigen eigentlich nicht das richtige Wort ist – erst einen halben Kilometer die Straße entlang laufen, dann nach der richtigen Treppe suchen und wenig später kommen zwei Busse hintereinander.
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Der Metrobüs ist ein über 50 km langes BRT-System, welches auf eigener Trasse einer Autobahn folgt.
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Eingesetzt werden normale Gelenkbusse, überlange 21 m-Gelenkbusse von Mercedes und Otokar sowie Doppelgelenkbusse von Phileas.
Selbst der hintere der beiden Busse ist so voll, dass ich kaum einsteigen kann. Dann geht die rasante Fahrt auch schon los, vorbei am zähflüssigen Verkehr auf der Schnellstraße und bald komme ich auch schon in Söğütlüçeşme an.
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Die riesige Wendefläche für den Metrobüs, im Hintergrund der Bahnhof.

In der HVZ gibt es abschnittsweise rechnerische Taktdichten von 15 Sekunden. Insgesamt werden dafür über 400 (!) Busse vorgehalten – das sollte man immer im Blick behalten, wenn man die scheinbar geringeren Kosten gegenüber einer U-Bahn als Vorteil nennt.

Ich passiere schnell die pro-forma-Sicherheitskontrolle, anschließend wird noch flott mein Pass kontrolliert und keine zehn Minuten später stehe ich bereits auf dem Bahnsteig. Das funktioniert schon sehr effizient, nervig ist es aber trotzdem und ich bin froh, dass es das bei uns nicht gibt.
Heute werde ich noch den Velaro Türk Probe fahren.
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Die insgesamt 19 Fahrzeuge aus 2 Serien ab 2015 ergänzen den YHT-Fuhrpark der 12 CAF-Garnituren aus 2007.
Innen sieht er dem ICE wirklich zum Verwechseln ähnlich.
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Der Zug ist nahezu bis auf den letzten Platz gefüllt.
Nach gemächlicher Fahrt erreiche ich mit +5 Izmit, häufig auch Kocaeli genannt.
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Als erstes Ziel habe ich mir das technische Museum ausgesucht, wohin ich eine Station Tram vom Bahnhof fahren muss. Das Museum ist in einem ehemaligen Industriekomplex untergebracht.
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Das Museum bietet freien Eintritt und lädt zum Experimentieren mit allen Sinnen ein und die Zeit vergeht schnell.

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Unnötig zu erwähnen, dass die Linien alle parallel sind…

Die Tram fährt ein Stück parallel zur Bahnstrecke.
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Eingesetzt werden im 2017 eröffneten Betrieb ausschließlich Panorama-Wagen von Durmazlar.
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Die Sitzanordnung über den Radsätzen finde ich furchtbar.

Die Strecke im Überblick.
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Ich übersehe, dass der Plan nicht stimmt und im Westen bereits eine Streckenverlängerung in Betrieb gegangen ist. Aber diese Brücke sieht auch wirklich nicht betriebsfertig aus…
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Tatsächlich bemerke ich dann, dass sie eingleisig genutzt wird.

Zeit für einen Kaffee im ausgestorbenen Hafen
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Anschließend setze ich mich in die Tram, um einmal quer durch die Stadt bis ans andere Ende zu fahren. Die Tram füllt sich schnell und sie bleibt bis zum Ende voll. Der Haltestellenabstand ist riesig, wie oft in der Türkei.
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Am östlichen Ende ist der Busbahnhof und zahlreiche junge Menschen steigen hier aus. Meine Vermutung ist, dass Schüler und Studenten am Freitagabend in ihre Heimat zurückkehren. Auf jeden Fall ist die Strecke mit viel Bedacht ausgewählt und folgt hoher Fahrgastnachfrage.

Izmit ist eine sehr neue Stadt, da sie bei einem Erdbeben 1999 sehr stark zerstört wurde.
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An der Haltestelle Yahyakaptan gibt es eine Bauvorleistung.
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Vorläufig ist eine Nutzung allerdings nicht zu erwarten. Stattdessen wird die Strecke ab Otogar nach Osten verlängert. Außerdem ging im März 2024 ein Abzweig zum Krankenhaus in Betrieb.

Ich steige an einem Park in Innenstadtnähe aus, der angesichts des einsetzen Nieselregens leer ist.
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Leider gibt es viele Gitter entlang der Tramstrecke, welche für Fotos hinderlich sind.
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In der Innenstadt schlängelt sich die Tram durch eine Fußgängerzone
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Nun gibt es ein üppiges Abendessen.
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Gut gestärkt, kann ich mich auf die lange Rückfahrt begeben. Der obligatorische Selfie-Schriftzug
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Grüne Allee
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Blaue Unterführung
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Da Richtung Istanbul keine Fahrkarten mehr für den YHT nach Söğütlüçeşme verfügbar waren, habe ich stattdessen eine Fahrkarte für einen Expresszug gekauft, der nur bis Gebze fährt. Dort kann ich dann in die Marmaray umsteigen.
Ich schicke meinen Rucksack durch den Scanner, jemand wirft einen kurzen Blick in meinen Pass und schon bin ich auf dem Bahnsteig.
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Der Zug kommt ein paar Minuten hinter Plan und ist deutlich voller, als er es gestern bei der Buchung war.
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Angenehm finde ich die gedimmte Beleuchtung, sodass ich auch nach draußen blicken kann.

Mit +7 geht die Fahrt zu Ende und nahezu alle Fahrgäste steigen in die Marmaray um.
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Eine der wenigen Gelegenheiten, den Marmaray-Zug mal leer zu fotografieren
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Es liegt wohl eher an den fehlenden Trassen als am fehlenden Bedarf, dass die Expresszüge weit draußen enden.

Laut Google Maps soll die Marmaray-Fahrt von hier bis Kadıköy fast anderthalb Stunden dauern. Und weil das noch nicht lange genug ist, beschließe ich, in Pendik in den Bus 16D umzusteigen, den ich gestern gesichtet habe und auf dem Doppeldecker eingesetzt werden.
Die Marmaray-Abfahrt in Gebze stimmt mit den Angaben auf Google Maps überein, doch die Fahrt bis Pendik dauert drei Minuten länger und ich habe laut Plan nur fünf Minuten. Wenig später stehe ich an der richtigen Haltestelle. Laut DFI sollte der Bus in 5 min kommen. Ein Hund schläft in der Haltestelle und schreckt bellend auf, als irgendwo in der Nähe Reifen quietschen. Ich muss nicht lange warten, bis der Bus kommt. Neben mir geht ein weiterer Mann direkt zur ersten Reihe im Oberdeck, in dem es ziemlich dunkel ist und keine weiteren Fahrgäste sitzen – umso besser, um nach draußen zu blicken.
Es geht über eine sechsstreifige Ausfallstraße stadteinwärts. Wir müssen nur selten halten und kommen flott voran, sodass wir zeitweise fünf Minuten vor dem Plan aus Google Maps sind. Die rechte Spur kann bald nicht mehr genutzt werden, weil sie komplett zugeparkt ist.
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Wir durchqueren eine belebte Kneipenmeile, in der sich kaum jemand die Mühe macht, zum Queren bis zur nächsten Ampel zu laufen, sondern alle quer rüberrennen.
Der Verkehr wird dichter, wir kommen langsamer voran und müssen fast immer anhalten. Dii-döö. Lölö. Didädö. Lölö.
Auf der dreispurigen Fahrbahn gibt es abschnittsweise links einen Radfahrstreifen, dessen Gestaltung aber nicht wirklich überzeugen kann. Denn die Plastiktrennung ist an vielen Stellen löchrig oder fehlt komplett, sodass man dann komplett ungeschützt im Gegenverkehr unterwegs ist. Man sieht einige E-Roller darauf, meistens von zwei Personen gleichzeitig genutzt.
Nach 58 min Fahrzeit steige ich in Söğütlüçeşme aus, was nahezu exakt dem auf Google Maps angegebenen Wert und einer Durchschnittsgeschwindigkeit von knapp 24 km/h entspricht.
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Menschenmassen schieben sich zum Metrobüs und der Marmaray. Der Umsteigeweg beträgt mehrere hundert Meter, dann lade ich erstmal meine Karte auf, die schon wieder ziemlich leer ist, fahre eine Station Marmaray und falle dann erschöpft ins wohlverdiente Bett.
Mein Bahnjahr 2023
Zurückgelegte Strecke: 28.430 km - Planmäßige Gesamtreisezeit: 18,3 Tage - Gesamtverspätung (analog FGR): 1436 min - Planmäßige Reisegeschwindigkeit: 65 km/h - Durchschnittliche Fahrzeitverlängerung aufgrund von Verspätung: 5,5% - Fahrtkosten: 8,9 Cent/km - Anschlussquote (alle Anschlüsse einer Verbindung mit min. 1 Umstieg erreicht): 84,1%
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Re: [AM][GE][TR][BG][RO][HU] Der Landweg aus Jerewan

Beitrag von Entenfang »

Tag 37 Istanbul → Sofia

Es ist der letzte Tag vor der Präsidentenwahl in der Türkei, auch meine Vermieterin fiebert auf den morgigen Tag zu und hofft, dass alles besser wird, wenn Erdoğan abgewählt wird. Man spürt vor allem bei jungen Menschen die große Bedeutung, die der Wahl zugeschrieben wird.
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Erdoğan wirbt mit ÖPNV-Ausbau
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Ich fahre mit der Marmaray bis Yenikapı und steige dort in die recht leere M2 um. Dieser 2014 eröffnete Bahnhof ist sehr hübsch gestaltet.
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Ein besonderes Highlight ist die Station Haliç, die mitten auf einer Brücke über das goldene Horn liegt und wohl eine der schönstgelegenen U-Bahnstationen darstellt, die mir bekannt ist.
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Es gibt nicht nur parallele Fußgängerbrücken, sondern sogar Aussichtsplattformen, auf denen man die U-Bahn besonders gut fotografieren kann, was jegliches Fotoverbot ad absurdum führt. Immerhin beschwert sich hier niemand.
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Ein Inder filmt mit seinem Handy und kommentiert dabei etwas von „metro trains“. Eingesetzt werden auf der M2 neben den älteren Alstom-Zügen auch Züge von Hyundai-Rotem.
Aber auch der Blick über die Stadt ist nicht zu verachten.
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Sehr kurios finde ich ja die Wendeschleife es Radwegs am Ende der Promenade…

Was von oben filigran wirkt, ist von unten durchaus massiv.
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Ich hätte durchaus noch länger auf der Brücke verweilen können, nur gibt es leider keine Bänke, um den grandiosen Ausblick in Ruhe genießen zu können. Mit dem Bus fahre ich weiter zur Eisenkirche.
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Nachdem die hier zuvor errichtete Holzkirche abgebrannt war, wurde 1892 aufgrund des wenig tragfähigen Untergrunds statt einer gemauerten Kirche eine deutlich leichtere Konstruktion aus Eisen gebaut.
Innen ist sie sehr prächtig
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623 bei Fener
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Blick über das Goldene Horn
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Anschließend gehe ich weiter zur Georgskathedrale, wo gerade eine Gruppe von einem Kreuzfahrtschiff angekommen ist und den kompletten Zugangsweg blockiert. Mit etwas Mühe kann ich mich durchkämpfen.
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Der Blumenschmuck wird gerade hergerichtet
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Rund um die Kathedrale sind viele Touristen unterwegs und es gibt zahlreiche Cafés.
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Ich folge einer kleinen Straße bergauf.
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Bald weichen die Cafés schnörkellosen Wohnblocks, an denen die Wäsche hängt.
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Kinder spielen Fußball in der Gasse und man hört aus den offenen Fenstern Babygeschrei.
Immer mehr vollverschleierte Frauen kommen mir entgegen.

Nach weniger als zehn Minuten erreiche ich die Yavuz Sultan Selim-Moschee, welche auf einer Anhöhe mit wunderbarer Aussicht über das Goldene Horn steht und eine völlig andere Welt darstellt. Über 80% der Frauen hier tragen ein Kopftuch, selbst die Hälfte der Männer ist in traditionelle Gewänder gekleidet, teils schon Kinder ab zehn Jahren. Ich bin der einzige Tourist hier und werfe einen Blick in die Moschee. Ein Mann spricht mich an, versucht es dann auf meinen ratlosen Blick hin auf Englisch. „Hello, I´m from Syria, 2 children, money please.“ Es ist der zweite Bettelversuch, seit ich in der Türkei bin, so ganz anders als in Georgien.
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2-Türme-Blick
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Im Park herrscht an diesem Samstagnachmittag Hochbetrieb, zahlreiche Jungs spielen Fußball. Welch außerordentlich unterschiedliche Bilder ich von Istanbul innerhalb von einer Stunde entdeckt habe…
Ich gehe in ein kleines Restaurant zum Mittagessen und immerhin einer der 15 Bedienungen spricht gut Englisch und empfiehlt mir die Spezialität des Hauses. Auch hier sind einige in traditionellen Gewändern unterwegs und im ganzen Restaurant arbeiten ausschließlich Männer – in der Küche wie als Bedienung. Der Preis für ein Lahmacun ist hier nur unwesentlich höher als in Kars.
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Kein Tourist begegnet mir, als ich der belebten Straße folge, auf der Chaos und Gehupe herrschen.

Eine Möwe und eine Katze streiten sich um die Überreste eines weggeworfenen Essens.
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Am Ende entscheidet die Möwe das Duell eindeutig für sich und die Katze schaut nur noch zu, wie sich diese hastig den Magen füllt.

Ich folge Seitenstraßen…
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…bis zur nächsten Bushaltestelle.
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Eine Menschentraube wartet bereits und nach wenigen Minuten kommen zwei Busse hintereinander, doch beide sind so voll, dass ich nicht einsteigen kann. In Gegenrichtung kommen nicht weniger als fünf Busse direkt hintereinander.
Bald kommt noch ein Bus in meine Richtung und ich passe noch rein, doch schon bald werden wieder Fahrgäste stehen gelassen.
Nach einer kurzen Fahrt steige ich an einer Tramhaltestelle aus – doch wo ist hier die Tram? Ich sehe nur einen Friedhof.
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Ah, eine Etage tiefer.
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Die T4 ist eine klassische Stadtbahn mit vollständig eigenständigem Bahnkörper, Hochbahnsteigen und kurzen Tunnelabschnitten, aber auch einigen Straßenkreuzungen. Eingesetzt werden drei Fahrzeugtypen, Düwag KTA (2007 von der Stadtbahn Köln übernommen)…
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…Hyundai Rotem LRV34 aus 2008…
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…sowie Marke Eigenbau des Verkehrsbetriebs, RTE 2014 (seit 2014).
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Unten führt die Autobahn über das Goldene Horn, in deren Mitte der Metrobüs verkehrt. Obwohl sich hier beide Verkehrsmittel kreuzen und es sich den enormen Menschenströmen nach um eine wichtige Umsteigebeziehung handelt, ist der Umsteigeweg ziemlich lang.

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Von der Brücke hat man einen hervorragenden Blick über die recht hügelige Stadt. Man beachte auch die Führung des Metrobüs im Linksverkehr, um Standardbusse verwenden und gleichzeitig platzsparende Mittelbahnsteige verbauen zu können.
In den ersten Bus kann ich nicht einsteigen, es folgt ein Doppelgelenkbus, in den ich reinpasse, aber auch dieser ist bald formschlüssig gefüllt. Die Klimaanlage ist auf Gefrierstufe eingestellt und ich muss meine Jacke herauskramen. Der Bus rast mit 100 über die Trasse in der Autobahnmitte, nur auf der Brücke der Märtyrer des 15. Julis, die über den Bosporus führt, muss er sich kurzzeitig in den restlichen Verkehr einordnen, was auch gleich einige Minuten Zeitverlust bringt. Als ich aussteige, kommen gleich sechs Busse direkt hintereinander, der Füllungsgrad immer weiter abnehmend – ein klarer Nachteil des BRT-Systems.
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Ich bin inzwischen ziemlich erschöpft von den vielen Menschen und ruhe mich ein bisschen in einem kleinen Park aus.
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Hier am Brückenkopf gibt es eine Gedenkstätte mit Museum zum gescheiterten Putsch gegen die türkische Regierung im Juli 2016, als Panzer durch Istanbul rollten.
https://de.wikipedia.org/wiki/Putschver ... Crkei_2016
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Die Märtyrer, welche sich den Panzern entgegenstellten, werden gefeiert. Erklärungen auf Englisch gibt es nicht, ich übersetze ein paar Texte mithilfe meines Handys und die Kernaussage ist schnell klar – Schuld tragen ausländische Mächte, insbesondere die USA und das soll eine Warnung an künftige Generationen sein. Bei dem Putschversuch kamen über 200 Menschen ums Leben und es folgten tiefgreifende Maßnahmen der Regierung, u. A. Massenentlassungen.
Blick über Üsküdar…
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…und den Bosporus
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Ich laufe weiter bis in die Caféstraße, die ich gestern entdeckt habe.
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Völlig erschöpft lasse ich mich an einem Tisch nieder, ich brauche wirklich ganz dringend einen Kaffee…

Etwas gestärkt gehe ich zur nächsten Bushaltestelle. Eigentlich ist es nicht weit von hier zurück zur Unterkunft, um meinen Koffer zu holen – bloß 3 Stationen mit dem Bus und eine mit der Marmaray, das sollte in 15, maximal 20 Minuten machbar sein. Der Bus steht gerade da, ich springe rein. Diidöö. Doch ich habe die Rechnung ohne den Stau gemacht. Wir sprechen über richtigen Stau, in 15 Minuten kommen wir 500 Meter weit, dann geht es minutenlang keinen Meter vorwärts. Wenn das so weitergeht, verpasse ich meinen Zug, also bitte ich den Fahrer, mich aussteigen zu lassen, um den knappen Kilometer bis zur Marmaray zu Fuß zurückzulegen. Doch auch das erweist sich als mühselig, denn der Fußweg ist derart voller Menschen, dass ich nicht einfach zügig gehen kann. An diesem sonnigen Samstagnachmittag scheint ganz Istanbul auf den Beinen zu sein. Ursächlich für den Stau sind auch die vielen Teilnehmer einer Wahlkampfveranstaltung.
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Selbst an der Bahnsteigsperre muss ich anstehen, so viele Menschen wollen gleichzeitig durch…
Ich sammle meinen Koffer ein, decke mich noch mit Proviant ein und kehre zur Marmaray zurück. An der Sperre leuchtet es Rot, aber ich bin mir sicher, dass noch ausreichend Guthaben auf meiner Karte ist. Eine türkische Fehlermeldung steht auf dem kleinen Bildschirm, etwas mit „30 Minuten“. Eine Wache kommt, sagt: „wait 10 minutes“. Ernsthaft jetzt? Er sieht wohl meine Entrüstung und deutet auf eine „refund machine“, doch dort bekomme ich auch eine Fehlermeldung. Ich gehe schon zum Automaten, um mir notgedrungen eine neue Fahrkarte zu kaufen, doch dann deutet der Wachmann auf das WC. Dort kann man die Karte auch am Drehkreuz benutzen, es wird eine symbolische Lira abgebucht und siehe da – jetzt komme ich durch die Bahnsteigsperre. Solche Fälle bestätigen immer wieder meine Skepsis gegenüber elektronischen Tickets – kann mir bitte jemand erklären, wo genau da jetzt das Problem war?

Nach Halkalı fährt nur jeder zweite Zug (15 min-Takt). Nach ein paar Minuten kommt die Marmaray mäßig gefüllt, an der nächsten Haltestelle steigt jemand aus und ich sichere mir schnell den Sitzplatz. Eine Haltestelle später füllt sich der Zug bis auf den letzten Platz und das bleibt auch so. Zum Glück konnte ich einen Sitzplatz ergattern, wieder spüre ich die Müdigkeit mit voller Wucht. Die Megacity hat meine Kräfte aufgezehrt, das Gedränge, die langen Wege und dass man immer im ÖPNV stehen muss. Fast eine Dreiviertelstunde dauert die Fahrt und erst an den letzten drei Haltestellen leert sich der Zug schließlich. Es ist wirklich verrückt, wie überfüllt der ÖPNV in Istanbul ist, da erscheinen die ambitionierten Ausbaupläne vor allem für die Metro gar nicht mehr so spektakulär…
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Ich rätsele, wo denn jetzt der Zug nach Sofia abfährt, doch da ruft gerade ein Wachmann „Sofia, Sofia!“, der Scanner wird eingeschaltet, wieder eine pro-forma-Kontrolle, dann Ticket und Pass und schon geht es zum Zug.
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Am Nachbargleis steht der Nachtzug nach Ankara, der durch den Bosporus-Tunnel verkehrt.
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Der Zug besteht aus vier Wagen und einer E-Lok. Ich teile mir das 2er-Abteil mit einem schweigsamen Koreaner. Ich bin im vorletzten Wagen und zahlreiche Abteile sind leer. Um Punkt acht fährt der Zug in den letzten Sonnenstrahlen ab und ich breche zum Zugschluss auf. Dabei laufe ich in den Zugchef, der wissen will, wohin ich gehen würde. Zum Ende, ein Foto machen. „No photo, problem!!!“, raunzt er mich an. Mist, ich hätte einfach sagen sollen, ich suche die Toilette, denn in weiser Voraussicht habe ich einfach den ganzen Rucksack mitgenommen und mir nicht nur die Kamera um den Hals gehängt. Und ich habe den Verdacht, dass die miese Laune des Zugchefs hier das größte Problem ist… So müsst ihr mir einfach glauben, dass es eine Fahrt in eine wunderbare Abendstimmung ist. Zwei Meeresbuchten schimmern golden, der Koreaner hat aber nur Blicke für sein Handy.
Allmählich komme ich runter, spüre Hunger und mache Brotzeit in der Dämmerung. Schließlich bricht die Nacht herein, während der Zug gemächlich weiterfährt und auch mal einen längeren Kreuzungsaufenthalt einlegt.
Irgendwann will sich der Koreaner hinlegen, trotz Schlafwagen muss man das Bett selbst überziehen, was er mit geübten Griffen erledigt. Leider habe ich die obere Liege und kann nicht mehr rausschauen, fühle mich aber noch nicht wirklich schläfrig und möchte bis zur Grenze tief in der Nacht wach bleiben, da man den Zug zur Passkontrolle verlassen muss. So höre ich Musik, während der Zug sanft schaukelnd durch die Dunkelheit fährt.
Kurz nach eins halten wir in Kapıkule und steigen in die kühle Nacht aus. Verschlafen tapsen die Fahrgäste über den Bahnsteig. Nichts ist vom übellaunigen Zugchef zu sehen, also schnell die Kamera raus:
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Fünf Personen sitzen im Büro des Fahrdienstleiters und überwachen die Rotausleuchtung der Gleise auf dem Bildschirm. Der Gegenzug ist auch eingefahren und die Loks werden ausgetauscht.
An der Passkontrolle sitzen zwei Beamte, doch nur einer der beiden kontrolliert Pässe, während sich der andere hochkonzentriert mit etwas anderem beschäftigt. Der übellaunige Zugchef überwacht den Prozess und schaut mehrmals genervt auf die Uhr. Dann muss auch der zweite Beamte telefonieren und nach zehn Minuten sind dann tatsächlich schon fünf Pässe kontrolliert, ich kann zurück in den Zug und lege mich gleich hin. Irgendwann klopft es am Abteil, ich höre irgendwas von „kontrola, passport“, reiche das Dokument, bekomme meinen Pass zurück und spüre bald, dass sich der Zug wieder in Bewegung setzt. Das ruhige Rollen weicht nach kurzer Zeit einem unruhigen Hüpfen und kadongkadong. Im Dämmerschlaf höre ich wieder „kontrola passport“, dann „Do you chave something to declare“, nochmal „kontrola passport“, und dann stört nichts mehr meinen Schlaf.
Mit der Rückkehr in die EU nähert sich die Reise nun unweigerlich dem Ende.
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Re: [AM][GE][TR][BG][RO][HU] Der Landweg aus Jerewan

Beitrag von Entenfang »

Tag 38 Sofia

Als ich aufwache, ist es schon nach halb zehn. Planmäßig sollten wir um 9:20 Uhr in Sofia ankommen. Ich überprüfe den Standort, wir sind noch fast 100 km von Sofia entfernt. Was hat der Zug denn die ganze Nacht gemacht? Ich schlafe weiter, wache erst um elf wieder auf, da sind es immer noch 20 km und die dauern ewig. Kadongkadong. Halten, weiter. Kadongkadong. Mit +142 geht die Etappe schließlich zu Ende, als Grund wird eine defekte Lok genannt.
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Fast alle Züge fahren nach Sofia, da kann man sich das Zuglaufschild sparen.
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Der Bahnhof ist ziemlich groß, modern, aber auch irgendwie seltsam leer.

Auf dem Vorplatz gibt es Imbissbuden, die teils leerstehen.
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Einfach zur Tramhaltestelle kommt man nicht…
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…sondern muss durch eine verwinkelte Unterführung.
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Durch eine Seitenstraße ziehe ich meinen Koffer über holprige Fußwege zum Hotel. Der Zustand ist wirklich katastrophal, gehört zu den schlechtesten der Reise und ist ein klarer Rückschritt zur Türkei.
Hier treffe ich Igor, mit dem ich den spannenden ÖPNV in Sofia erkunden werde.

Es regnet und auf den Straßen ist nicht besonders viel los, als wir aufbrechen.
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2335 als Vertreter der einzigen Neufahrzeuge in Sofia, die Swing wurden ab 2013 in zwei Serien beschafft.

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Das Highlight für Basler Tramfans sind natürlich die Guggummere, von denen Sofia 2017 26 Exemplare erhielt und die alle in Originallackierung unterwegs sind.

676 am Pl. Sveta Nedelya
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Auch wenn es eine hilfreiche Webseite mit Fahrplanauskunft auch auf Englisch gibt, sind Kyrillisch-Kenntnisse sowie mein ausgedruckter Netzplan sehr hilfreich.
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Mitten in der Innenstadt gibt es Ausgrabungen der antiken Siedlung, teils im Zwischengeschoss zur U-Bahn
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Die Umgebung ist geprägt durch sowjetische Pracht-Architektur
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681 bei Centralni hali
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665 und 676
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Auch wenn es in der Innenstadt nur wenig besonderen Bahnkörper gibt, scheinen mir die Behinderungen durch den MIV nicht allzu groß zu sein.
Das Tramnetz in Sofia hat zwei verschiedene Spurweiten, das „alte“ Netz mit ungewöhnlichen 1009 mm. Der Neubau einer Innenstadtquerung Ende der 1980er Jahre sowie spätere Erweiterungen in den Südosten wurden in Regelspur ausgeführt. Ursprünglich war die Umspurung des gesamten Netzes vorgesehen, was aufgrund der knappen Mittel insbesondere in den 1990er Jahren aber nicht weiterverfolgt wurde. Hier kreuzen sich die beiden Spurweiten:
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Das Regelspurnetz ist fest in der Hand der Tatras
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Ein älterer Herr spricht mich an, probiert es mit einen überschaubaren Englischkenntnissen. „Which country?“ Switzerland. Er überlegt einen Moment, meint dann: „Ahh, rich country.“ Zum ersten Mal auf dieser Reise erfolgt diese Assoziation, es war ein Experiment, um zu sehen, ob Menschen anders reagieren, wenn man als Herkunft Schweiz nennt. Das Fazit ist – viele wissen gar nicht, wo genau die Schweiz ist und wenn, haben sie keine besondere Meinung dazu. Deutschland hingegen kennt absolut jeder, egal wo und jeder hat eine Assoziation mit Deutschland – nice country, Bayern München und Hitler sind aus Erfahrung die häufigsten.
Die Kernaussage des alten Mannes ist: Hier 200 pensia, Politik klepcija und Cigani attention, auch klepcija und attention money, passport! No talk cigani!“
Wir fahren zum Mittagessen. In der Tram spricht mich wieder jemand an. „Where are you from?“ Switzerland. Dann legt er gleich los und labert mich voll. Oh wie schade, dass wir aussteigen müssen…
Im Restaurant ist der Service sowjetisch-zurückhaltend und langsam, ganz anders als in der Türkei.
Banja-Baschi-Moschee
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Im ehemaligen Zentralen Mineralbad ist das Stadtmuseum untergebracht
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Als ich drinnen ein Foto mache, kommt gleich eine Aufseherin, meint, dass man dafür eine Erlaubnis bräuchte (=zusätzlich bezahlen), Handyfotos wären aber ok.
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Bisschen Nationalstolz gehört dazu
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In Bulgarien hat das Leitungswasser keine Trinkwasserqualität. Hier füllen Menschen ihre Behälter an einem öffentlichen Brunnen
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676 überquert die hübsch gestaltete Lavov Most
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Es folgt 665
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Es ist alles so ungewohnt leer, man steigt einfach in eine Tram ein und es gibt so viele freie Sitzplätze. Gut, heute ist auch Sonntag. Die Menschen hier können so gut Englisch und es gibt weder Straßenhunde noch -katzen.

Später brechen wir bei leichten Nieselregen zu einer Nachtfototour auf.
Auch auf dem Schmalspurnetz werden Tatras eingesetzt, 3016 hält in der Kneipenmeile am Pl. Garibaldi
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Wie in Budapest ist der Fahrzeugeinsatz linienrein, man kann also gezielt einzelne Linien aufsuchen, wenn man mit einem bestimmten Fahrzeugtyp fahren möchte.

Eingemauert von sowjetischer Architektur ist die Rotunde des heiligen Georg
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Abendverkehr vor dem Largo-Komplex
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Abends findet das Festival of Lights statt, bei dem einige Gebäude in der Innenstadt in aufwändigen Lichtshows erstrahlen.
Nationaltheater
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Zentrales Mineralbad
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Oh heilige Sofia, Beschützerin der Stadt, behüte uns vor dem roten Konzern…
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Als wir gegen 22:30 Uhr mit der letzten Tram zurückfahren, sind noch 3 Fahrgäste drin, davon zwei besoffen und einer kurz davor, sich zu übergeben.
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Re: [AM][GE][TR][BG][RO][HU] Der Landweg aus Jerewan

Beitrag von Entenfang »

Tag 39 Sofia

Die Türkei geht nach einer langen Wahlnacht in die Stichwahl, Erdoğan hat deutlich mehr Simmen bekommen, als die letzten Umfragen prognostiziert haben. Ausschreitungen gibt es allerdings keine, wovor ich Befürchtungen hatte, weshalb ich meine Ausreise vor der Wahl geplant habe.

Zeit für einen Fototag – los geht’s durch eine Seitenstraße zur Tram.
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An der Centralni hali ist der Ex-Prager 4174 auf dem Normalspurnetz unterwegs
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Teilweise sieht man noch die Reste der umgespurten Strecke
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670 fährt auf den Ploschtad Vazrazhdane
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3030 folgt
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Der Gleiszustand ist sehr unterschiedlich – von sehr gut bis sehr holprig ist alles dabei
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Manchmal ist der Name „Swing“ im wahrsten Sinne des Wortes zu verstehen…
https://youtu.be/l8d-ZUCFCnY

Der Ausstieg erfolgt an einigen Haltestellen direkt in den fließenden Verkehr
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Ziemlich eingängige Warnung vor dem Rasen
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4106 befährt die Häuserblockschleife Opalchenska. Ich könnte mir gut vorstellen, dass hier oft Falschparker die Tram blockieren
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4174 an der ul. San Stefano
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Es folgt 4188
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Am Saimow-Park fahren Trolleybus und Tram parallel – die endlos eingezäunte Straße ist kein gutes Beispiel für Fußgängerfreundlichkeit…
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Kabelsalat
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Zaghafte Ansätze einer Fahrradinfrastruktur
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Bodenwellen sollen den Autoverkehr etwas abbremsen, damit man hier überhaupt queren kann
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Auch der Busfuhrpark weist einen sehr mannigfaltigen Bestand auf - 2166 an der Lavov Most
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Dieses Fahrzeug dürfte wohl noch älter sein
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Ungenutzte Fahrradständer in der U-Bahn
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Werbung für Werbung
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Wir nehmen ein schnelles Mittagessen am Imbiss ein.
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Für 3,50€ gibt’s Gegrilltes mit lätschigen Pommes, keine gute Wahl.
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Kurzer Abstecher auf den Markt
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Hier finden wir schöne Erdbeeren, aber nachdem die Verkäuferin sie lieblos aus einem Eimer in eine Tüte geschüttet hat, sind sie schon halb zu Marmelade verarbeitet…

Nachmittags bekommen wir eine Führung durch das Tramdepot Banishora, die ich über einen Kontakt organisieren konnte.
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Wir werden herzlich begrüßt und der Depotchef überreicht uns gleich eine Liste mit Ersatzteilen, die sie dringend für die Guggummere bräuchten. Ob wir die wohl organisieren könnten? Ersatzteilmangel ist ein großes Problem, da sie nicht mehr verfügbar sind. Mit den zur Verfügung stehenden Mitteln versucht man, das Beste herauszuholen und die Schweizer Fahrzeuge würden durchaus geschätzt, betont der Kollege. Dass man die Fahrzeuge in Originallackierung weiterfahren lässt, hat übrigens nicht unbedingt nostalgische, sondern vor allem praktische Gründe – der alte Schweizer Lack wäre qualitatitv hochwertiger als neuer bulgarischer. Eine große Herausforderung sind die knappen finanziellen Mittel, weil seit Jahren Milliarden in die U-Bahn geflossen sind (und die kräftig ausgebaut wurde), während es bei der Tram seitdem keine Neubaustrecken gegeben hat. Außerdem werden EU-Fördergelder vorzugsweise zur Anschaffung von Neufahrzeugen (Swing) ausgegeben, weil das öffentlichkeitswirksamer als Streckensanierung, Depotsanierung oder Erneuerung von Unterwerken und Energieversorgung ist. Dementsprechend in die Jahre gekommen wirkt das Depot. Eigentlich werden die Neufahrzeuge aber nur auf sanierten Strecken eingesetzt, da sie sonst keine lange Lebensdauer haben…
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Trinkwasserbrunnen
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Die in Bulgarien gebauten T6M-Wagen sind recht selten geworden, einige wurden um ein Niederflur-Mittelteil ergänzt
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Führerstand des Tramcar-Wagens
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Früher fungierten alle Trambahnen auch als Briefkasten
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Die Guggummere waren in Basel nicht sehr beliebt, weil das Niederflurmittelteil für starke Vibrationen sorgte.
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International sind Gebrauchtwagen aus der Schweiz wegen der hohen Wartungsstandards allerdings sehr beliebt, auch im Jahr 2024 wird es wieder entsprechende Zusammenarbeit geben. Schindler-Wagen der BLT werden nach Belgrad abgegeben und Vevey-Trams aus Bern nach Lviv.

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Im Gegensatz zu Belgrad sind an den Basler Fahrzeugen wenig Originalanschriften zu finden.

Die Fahrschule macht Pause
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Wendezeiten an den Endstationen werden in der Regel als Arbeitspause angerechnet (in Deutschland ist das auch möglich, in der Schweiz dagegen nicht). Zur Ablösung rückt das Fahrzeug meistens ins Depot ein. Während meines Aufenthalts sind mir zahlreiche Dienstfahrten aufgefallen, die sich damit erklären lassen.

Die Einrichtung eines Trammuseums ist geplant, doch man sucht noch nach Mitteln zur Sanierung und Herrichtung eines historischen Depots.
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Auf jeden Fall ist es ein sehr interessanter Austausch und wir verlassen das Depot nicht nur um viele Infos reicher, sondern auch um ein Guggummere-Modell.

Gasbusse vom türkischen Hersteller BMC gehören auch zum Fahrzeugpark
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504 und 511 treffen sich bei Nadlez Nadezhda
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Mit der Tram kehren wir zum Bahnhof zurück. Dort herrscht dichter Tramverkehr.
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Großzügige Vorsortierung
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Es gibt zwar keine Vorrangschaltung für die Tram, doch da die LSA-Umlaufzeiten relativ kurz sind, halten sich die Behinderungen in Grenzen.

2051 vor der Kulisse des Vitosha-Gebirges
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Wo wir schon mal am Bahnhof sind, können wir ja mal die Fahrkarten zur Weiterfahrt nach Craiova kaufen. Wenig attraktiv ist der Zugang durch die Unterführung
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Igor meint noch, das wäre ein typisch osteuropäischer Schalter – alles mit irgendwelchen Zetteln vollgeklebt… Der internationale Schalter hat jedenfalls nicht allzu viel zu tun, denn sehr viele internationale Züge gibt es ja nicht gerade – nichts nach Griechenland, meistens nichts nach Serbien, ein tägliches Zugpaar nach Istanbul und zwei Grenzübergänge nach Rumänien mit je einem Zugpaar täglich.
Wir wollen die wenig bekannte Route via Craiova nutzen und der Fahrkartenkauf geht problemlos vonstatten.

Ein sowjetisches Mosaik muss natürlich auch sein…
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…genauso wie ein Dampfzug.
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Der schöne Netzplan des bulgarischen Eisenbahnnetzes lädt zu einer weiteren Reise ein.
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Wir fahren mit der U-Bahn weiter. Sie ist in Sofia noch ein recht neues Verkehrsmittel und wurde nach mehreren gescheiterten Anläufen in Ostblockzeiten erst 1998 eröffnet. Seit dem EU-Beitritt ist viel Geld in den Ausbau geflossen, der zügig vonstattenging.
https://www.urbanrail.net/eu/bg/sofia/sofia.htm
Seit 2020 gibt es ein „sowjetisches U-Bahn-Dreieck“ mit zwei Besonderheiten – Die Linien M2 und M4 sind im Nordwesten verknüpft und es gibt eine Zweigstrecke zum Flughafen. Die M3 ist die neueste Linie, betrieblich unabhängig und eine Verlängerung im Nordosten sowie ein Abzweig nach Südosten befinden sich im Bau.
Der Takt ist eher dünn, vor allem am Wochenende.
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Im Gegensatz zu den Fußgängerunterführungen sind die Metrostationen hell und sauber.
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Die neueren Stationen sind sehr individuell und architektonisch ansprechend gestaltet, hier die Station NDK (Nationaler Kulturpalast) auf der M2. Eingesetzt werden auf dem Linienbündel M1/M2/M4 ausschließlich modernisierte Metrowaggonmasch-Züge.
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An diesem Montagnachmittag sind die Züge sehr gut gefüllt.

Über der M2 gibt es eine Fußgängerzone, die hier verlaufende Tramstrecke wurde mit der Eröffnung eingestellt.
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Kleiner Spaziergang durch Seitenstraßen
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Am NDK verkehren zahlreiche Trolleybuslinien, aufgrund der Einbahnstraßen in unterschiedlichen Parallelstraßen. Trollinos unterschiedlicher Generationen in Solo- und Gelenkversion bilden das Rückgrat der großen Flotte.
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Ein Highlight sind die nachgerüsteten Bahnsteigtore (sic) auf der M1/M2/M4.
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Der Zug fährt ein…
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…dann öffnen die Tore für den Fahrgastwechsel.
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Das Ganze einmal in Aktion sehen? Hier entlang:
https://youtu.be/5CPYgv5fzB8
https://youtu.be/cYZn0jKoMIA

In meinen Augen ein absolut geniales System, welches drei große Nachteile der üblichen Glastüren nicht aufweist:
Es ist kein exaktes Anhalten erforderlich, funktioniert also auch bei manuellem Betrieb sehr gut.
Es können verschiedene Zugtypen mit unterschiedlichen Türpositionen eingesetzt werden.
Die Haltezeit verlängert sich nicht, da die Tore bereits kurz vor Halt und erst kurz nach Abfahrt schließen.
Ein Nachteil ist dagegen, dass es nicht gegen Zugluft und Staub schützt und keine klimatisierten Stationen ermöglicht, wie z.B. in Dubai. Und so hat man mehr vom Sound der Metrowaggonmaschzüge 😉
Für mich ist es definitiv die ÖPNV-Entdeckung der Reise.

Weiter geht es an der Oberfläche mit den Guggummere, die zum Zeitpunkt der Reise auf den Linien 8 und 12 eingesetzt wurden.
Hier müsste man mal nachstopfen…
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Die Linie 8 fährt in das Plattenbauviertel Lyulin im Nordwesten der Stadt. Den Umsteigeweg zwischen Tram und U-Bahn nutzen einige Händler.
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Wir fahren bis zur Endstation Lyulin-5.
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Bisschen abgefahren…
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Ja, natürlich die Gleise, aber auch das Basler Reisegefühl in Sofia zu erleben…

Blick zum Vitosha
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Bereit für die Rückfahrt
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Wir bleiben bis zur Endstation Sadebna Palata sitzen, die mitten in der Innenstadt liegt.
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Hier hat man mitgedacht und die kritischen Stellen mit Pollern abgesichert, damit keine Falschparker die Tram blockieren.

Noch ein Nachtfoto zum Abschluss des Tages – 3037 an der pl. Slaveykov
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Ich ziehe bis jetzt ein sehr positives Fazit aus Sofia – ich finde die Stadt hat eine angenehme, auch ein bisschen wilde Atmosphäre, niemand hat sich an uns Fotografen gestört, ganz im Gegenteil – immer wieder grüßen uns Tramfahrer. Wir sind wohl nicht die ersten Fans hier und werden auch nicht die letzten sein. Der ÖPNV ist sehr interessant, vielfältig und relativ zuverlässig (ganz anders als beispielsweise in Belgrad). Ein großer Nachteil ist die Vielfalt an Takten bei den Tramlinien, sodass dann auf gemeinsamen Strecken erst zwei hintereinander und dann länger nichts kommt. Doch im Allgemeinen funktioniert der ÖPNV und der Takt ist dicht genug, dass man immer mal spontan aussteigen, sich umschauen und fotografieren und dann weiterfahren kann, ohne jedes Mal ewig zu warten.
Mein Bahnjahr 2023
Zurückgelegte Strecke: 28.430 km - Planmäßige Gesamtreisezeit: 18,3 Tage - Gesamtverspätung (analog FGR): 1436 min - Planmäßige Reisegeschwindigkeit: 65 km/h - Durchschnittliche Fahrzeitverlängerung aufgrund von Verspätung: 5,5% - Fahrtkosten: 8,9 Cent/km - Anschlussquote (alle Anschlüsse einer Verbindung mit min. 1 Umstieg erreicht): 84,1%
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Re: [AM][GE][TR][BG][RO][HU] Der Landweg aus Jerewan

Beitrag von Entenfang »

Tag 40 Sofia

Der heutige Tag soll für die weitere Erkundung des ÖPNV genutzt werden.
2314 an der ul. Kozloduy
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2351 an der pl. Slaveykov
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Orthodoxe Kirche der sieben Heiligen
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Sie war bis 1903 eine Moschee.

3019 rollt vorüber
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Tram mit Blumenschmuck
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Oberleitungsinspektionswagen
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681 rollt durch die Einkaufsstraße
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Fotostop am pl. Zhurnalist
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Die Linien 12 und 18 wenden hier, während die Linie 10 durchfährt. Daher wird nur ein kurzer Aufenthalt eingelegt, ehe die Rückfahrt angetreten wird.
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Lieferdienst Eskimos bringt Eis
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Im Hinblick auf Barrierefreiheit bleibt noch viel zu tun
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Es folgt ein steigungsreicher Abschnitt durch einen Wald.
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Es ist zu schade, dass hier keine Basler Fahrzeuge verkehren, denn das wäre eine nahezu perfekte Kopie der Wolfschlucht.
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Die Strecke nach Darvenitsa musste der U-Bahn weichen, obwohl lange Abschnitte gar nicht in U-Bahnnähe sind.

3038 verlässt den Wald bei Seminariyata
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Tatra-Wagen sind oft stehplatzoptimiert
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Entlang einer stark befahrenen Straße verkehrt die Linie 10 bis zur Endstation Vitosha.
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Von hier fahren wir mit der U-Bahn zurück.
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Am NDK steigen wir in die M3 um, deren erster Abschnitt 2020 eröffnet wurde.
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Sie verkehrt mit Deckenstromschiene und die Stationen sind mit halbhohen Bahnsteigtüren ausgestattet. Eingesetzt werden Siemens Inspiro.

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Offenbar wird ETCS als Zugsicherung verwendet.

Ohne Unterführungen kann man manche Straße nicht queren
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Gulasch zur Stärkung
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Stadtpark Prince´s garden
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Wie U-Boote stehen die U-Bahnlüftungen aus dem Boden hervor
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2683 überquert die Orlov most (Adlerbrücke)
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Nationalbibliothek
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Hier herrscht dichter Trolleybusverkehr
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Metrozugang
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Noch mehr Nationalstolz
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Alexander-Newski-Kathedrale
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Auf dem wenig attraktiven, gepflasterten Platz geht es etwas chaotisch zu. Anscheinend feiern Studenten ihren Abschluss.
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Pause auf dem Baum
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Russische Kirche Sveti Nikolay Mirlikiiski
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Blick durch eine Seitenstraße
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Es beginnt zu regnen und wir legen eine Pause ein. Später brechen wir zu einer Nachtfototour auf.
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Dabei fährt ein Ikarus-Trolleybus vorüber. Diese prägten einst den Betrieb in Sofia, doch inzwischen sind nur noch wenige Fahrzeuge im Einsatz. Ich überprüfe den Netzplan, er wendet ganz in der Nähe. Auf der DFI wird ein nicht behindertengerechtes Fahrzeug in sechs Minuten angezeigt und tatsächlich kommt er wenig später wieder. Ahh, welch ein Sound…
https://youtu.be/czxSAiwrVBU?si=KOCzYwik_1QbY3XD&t=428

Wir fahren bis zur Endstation im Plattenbauviertel Lyulin-3, ganz in der Nähe der Tram, was etwa eine halbe Stunde dauert und einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 16 km/h entspricht.
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Zwei Jungs bitten um ein Foto mit Trolleybus, als sie uns bemerken.

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Zugegebenermaßen, es gibt wohl Stellen mit besserem Licht als hier…

Anschließend fahren wir mit dem ziemlich leeren Trolleybus wieder zurück in die Innenstadt.
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Bus und Tram am Boulevard Slivnitsa
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Weiterer Versuch bei nur minimal besseren Lichtverhältnissen…
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Wir widmen uns noch der Normalspur-Tramstrecke für ein paar Nachtaufnahmen.
4155 bei Tsentralni hali
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4106
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2418 auf dem Schmalspurnetz
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682 in Gegenrichtung
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So, damit hätten wir alle vier Richtungen der Kreuzung abgedeckt…

4103 am Zhenski Pazar
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…der jetzt ausgestorben ist.
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4144 bei ul. Pirotska/ Boulevard Hristo Botev
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Mit der vorletzten Tram fahren wir zurück. Dem Geruch nach zu urteilen, ist es heute nicht dabei geblieben, dass ein Fahrgast kurz vor dem Erbrechen war.
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Re: [AM][GE][TR][BG][RO][HU] Der Landweg aus Jerewan

Beitrag von Entenfang »

Tag 41 Sofia

Beginnen wir doch den Tag mit einer Aufnahme des U-Bahnhofs Lavov Most, der eine gemütliche Atmosphäre besitzt.
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Die Station Serdika zeigt archäologische Funde aus der Antike
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674 an der Pl. Sveta Nedelya
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Der Platz wurde durch das Aufstellen von Blumenkübeln autofrei, nur die Umgestaltung lässt noch auf sich warten.
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Nachdem ich meinen Bedarf an Trockenfrüchten gedeckt habe, kann es weitergehen.

3020 überquert den verkehrsreichen Pl. Makedoniya
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Die Haltestelle ist allerdings sehr großzügig und attraktiv gestaltet
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Hier steigen wir zur Linie 6 um, auf der noch die bulgarischen T6M-Wagen verkehren.
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Die Fahrerin schüttelt nur lachend den Kopf, als sie uns mit der Kamera sieht.

811 an der Endstation ZH.K. Ivan Vazov
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Wendemanöver im Grünen
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Inmitten der Wohnblocks gibt es ein paar Verkaufsbuden
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Immer diese weißen Lieferwagen…
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Schwingend fahren wir ein Stück zurück.
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Der um ein Niederflur-Mittelteil ergänzte 3414 folgt
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3410 und 3414 am NDK
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Der Nationale Kulturpalast ist ein Sowjetbau aus dem Bilderbuch
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In der Nähe gibt es den einzigen eingleisigen Abschnitt im Tramnetz. Er führt eng eingequetscht zwischen Häusern und einer Unterführung durch.
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Die Tramstrecke durch den Straßentunnel wurde ebenfalls mit dem U-Bahnbau aufgegeben und wird nur noch durch den Trolleybus bedient.

Man mag es gar nicht glauben, dass es trotz des dichten Takts fast unmöglich ist, Tram und Trolleybus auf ein Bild zu bekommen…
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Das Motiv Tram vor dem Kulturpalast gelingt trotz mehrerer Versuche nicht, weil ständig Falschparker kurz vor der Tram auftauchen und das Bild ruinieren.

Zeit für eine Stärkung – Eintöpfe aller Art findet man hier zahlreich auf der Speisekarte.
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Hübsche Buchhandlung
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676 passiert einen Kunsthändler
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2343 bei UASG
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Weiter geht’s mit der U-Bahn. Auch hier am Vasil Levski-Stadion gibt es die Bahnsteigtore
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Das nächste Ziel für heute ist die Normalspur-Tramlinie 23, welche im Südosten verkehrt. Zwei Ex-Bonner Düwag pendeln dort als einzige Zweirichtungswagen im Halbstundentakt.

4405 am Boulevard Krast'o Pastuhov
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Die beiden Fahrzeuge wirken äußerst heruntergewirtschaftet
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Die Zweigstrecke führt größtenteils durch Brachland…
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Im Hintergrund gibt es noch eine zweigleisige Wendeschleife, sodass die Zweigstrecke auch ohne Verbindung zur Linie 20 bedient werden könnte.
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…und endet dann an einer sehr unmotiviert wirkenden provisorischen Endstelle mit Gleiswechsel in der Nähe von Plattenbauten.
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Der geplante Weiterbau bis zur 2 km entfernten U-Bahnstation Mladost-3 lässt weiter auf sich warten. So ist das Fahrgastpotenzial äußerst gering, da Fahrgäste von hier entweder mit dem Trolleybus zur nächsten U-Bahnstation oder gleich bis ins Zentrum fahren können.

Sandvorrat
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Da der angekündigte Regen weiter auf sich warten lässt, machen wir noch ein paar weitere Aufnahmen an der Abzweigung.

4120 nähert sich der Haltestelle 28-MI Poshtenski Klon. Das Gleis nach links in den Wald führt durch Gestrüpp ebenfalls zur Strecke der Linie 23, warum auch immer.
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4411 folgt
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Üppige Vegetation sprießt an der Strecke
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Die Linie 23 endet auf halbem Weg zurück zur Innenstadt an der Wendeschleife zh. k. Geo Milev
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Hier gibt es auch eine Ladestation für Elektrobusse
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Ich finde es schon erstaunlich, welch mannigfaltigen Fuhrpark Sofia aufweist – die Infrastruktur und das Know-How für Tram auf zwei Spurweiten, Trolleybusse, Elektrobusse, Gasbusse und Dieselbusse unterschiedlichen Alters muss man erstmal haben…

Als wir dann in die Linie 20 zur Rückfahrt in die Stadt steigen, setzt doch Regen ein. Sturmklingelnd bahnt sich die Tram ihren Weg. Überall stehen die Straßen unter Wasser, obwohl es nicht wahnsinnig stark regnet.
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Trotz andauernden Regens brechen wir zu einer Nachtfototour auf. Als wir am Pl. Makedoniya aus der Tram steigen, wird mein Unterschenkel plötzlich nass.
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Da hat jemand die Bewässerung für das Rasengleis so eingestellt, dass sie auch aussteigende Fahrgäste abspritzt.
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Tramverkehr am pl. Ruski Pametnik
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Die vielen Pfützen sorgen für schöne Spiegelungen…
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…und für das besondere Rafting-Erlebnis in der Tram.
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662 am Pl. Vazrazhdane
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Monument to National Revolutionaries from Macedonia and Thrace
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4142 und 4111 am Zhenski Pazar
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Antike Ruinen von Serdika
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Ein regnerischer Abend
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Das Packen für morgen können wir erstmal vergessen, denn unsere Sachen sind klitschnass und wir verteilen sie im Hotelzimmer zum Trocknen.
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Re: [AM][GE][TR][BG][RO][HU] Der Landweg aus Jerewan

Beitrag von Entenfang »

Tag 42 Sofia → Craiova

Als wir aufstehen, sind die Fenster komplett beschlagen. Alles fühlt sich noch immer leicht feucht an. Als ich ein Abschiedsfoto machen möchte, stelle ich fest, dass meine Kamera streikt und ich keine Bilder mehr machen kann. Ich kann das Problem auf die Schnelle nicht lösen und auch weitere Versuche werden erfolglos bleiben. Daher muss ich euch bedauerlicherweise für die verbleibenden Tage der Reise mit Handyfotos quälen.
Der 4-Wagen-Zug startet pünktlich und gut gefüllt. Bald schlängelt sich der Zug durch tiefe Täler entlang bewaldeter Hügel.
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Gemütliche Polstersessel
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Moderne Technik im Abteil
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Schöne Drehfalttüren
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Die 1. Klasse ist ganz zweifelsohne ein Interregio-Wagen
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Es ist ein kühler und feuchter Morgen und immer wieder fallen ein paar Regentropfen.
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Obwohl die Strecke zweigleisig ist, müssen wir den Gegenzug abwarten und bekommen ein paar Minuten Verspätung.
Das Handy einer Frau klingelt ein paar Mal mit schönster Balkan-Musik und man möchte am liebsten gleich dazu tanzen.
Leider sind alle Züge graffitiverunstaltet
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Qualm zieht durch den Gang, denn mal wieder missachtet jemand das Rauchverbot. Eine Weile fahren wir mit einer offenen Tür, weil sich offenbar niemand die Mühe gemacht hat, sie vor der Abfahrt zu schließen.
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Schließlich verlassen wir die dicht bewaldeten Hügel und die Landschaft wird flacher. Gemächlich rollt der Zug weiter nach Norden.
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Es ist wärmer geworden und wir verbringen die Fahrt am offenen Fenster. Der Duft nach frisch gemähtem Gras und nach Nussbäumen zieht herein. Dass es hier wärmer ist, merkt man auch an der weiter fortgeschrittenen Kastanienblüte. Mit wenigen Minuten Verspätung erreichen wir Vidin.
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An einem abgetrennten Bahnsteig wartet ein CFR-Desiro zur Weiterfahrt nach Craiova. Wir haben noch ein paar Minuten, um uns umzuschauen.
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Vermutlich hat es ein Schweizer Postauto hierhin verschlagen
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Am Bahnsteigzugang werden unsere Pässe eingesammelt und wir erhalten sie kurz vor der Abfahrt wieder.
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Wir steigen in den abgeranzten Desiro ein. Zwei Scheiben sind gesprungen und aus den meisten anderen sieht man aufgrund des Graffitis auch nicht heraus.
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Dieses Plakat erinnert mich an meine erste Rumänienreise 2011:
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Der Zug ist für Reisende MIT FAHRKARTE!
Reisen ohne gültigen Fahrschein ist asozial.

Der Zustand des Plakats spiegelt den generellen Zustand des Desiros wider.

Im Zug ist es heiß und stickig, weil die Heizung viel zu warm eingestellt ist. Pünktlich geht es los, außer uns sind noch 8 Fahrgäste im Zug, davon 6 Backpacker. Da es nur ein Zugpaar am Tag gibt, verwundert es nicht, dass die Bedeutung im lokalen Verkehr quasi nicht existiert.
Mit hoher Geschwindigkeit saust der Desiro über die 2012 eröffnete Donaubrücke 2, die zweite feste Donauquerung zwischen Rumänien und Bulgarien. Neben der eingleisigen Eisenbahnstrecke führt auch eine Autobahn sowie ein Fußweg drüber, wobei man wirklich gut zu Fuß sein muss, wenn man die kilometerlange Strecke wirklich laufen will.
Herzlich Willkommen in Rumänien!
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Die Neubaustrecke mit perfekter Gleislage und Elektrifizierung endet abrupt und es geht mit 30 über holpriges Stoßlückengleis schnurgerade durch brettflache Landschaft.
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Die Backpacker versammeln sich um ein Tablet und schauen einen Film, eine hat sich in einer unangenehm wirkenden Position zum Schlafen hingelegt. Toller Dienst für den Tf, einfach 2h mit 30 km/h geradeaus fahren… Immer wieder schrecken Ziegen und Hühner durch das Pfeifen des Zuges auf. Ab und zu steigt an den Halten in den einsamen Dörfern jemand ein und wird persönlich durch den Schaffner begrüßt. Der Triebwagen ist wirklich in einem absolut erbärmlichen Zustand. Die Türen der Sicherungskästen im Führerstand öffnen sich bei jedem Schienenstoß und nur ein davor abgestellter Feuerlöscher verhindert, dass sie ganz herausfallen. Irgendwann übernimmt ein anderer Tf den Zug. Zum Schluss geht es etwas zügiger durch einige niedrige Hügel, ehe wir wenige Minuten hinter Plan Craiova erreichen.
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Der Zug wird sogleich gestürmt, denn wenig später wird er schon nach Piatra-Olt weiterfahren.

Reservebremsklötze stehen auf dem praktischen Karren bereit
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Bloß nicht zu viel Graffiti entfernen…
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Und tschüss!
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Das geräumige Bahnhofsgebäude
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Auf den ersten Blick wirkt die Stadt wirklich sehr klischeehaft – sie ist als „Zigeuner-Zentrale“ verschrien und gilt als ziemlich hässlich. Das kompensiert man mit Elektrobussen.
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Wir suchen den Fahrkartenschalter auf, um eine Tageskarte zu beschaffen. Igor probiert es auf Rumänisch, versteht aber die Antwort nicht richtig und entlockt der Verkäuferin ein Lachen. „Where are you from?“ Switzerland. „What are you doing in our town?“ Berechtigte Frage… Jedenfalls gibt es eine hübsche Fahrkarte vom Block. Dann steigen wir in den nagelneuen Elektrobus.
Die Batterie benötigt im Heck viel Platz
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Rumänientypisch gibt es eine vollständig geschlossene Fahrerkabine
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Statt Aushangfahrplänen kann man an den Haltestellen einen QR-Code für die nächsten Abfahrten scannen.
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Dass die Stadt sehr autogerecht angelegt ist, bemerken wir an den ewig langen Wartezeiten zur Querung einer breiten Straße.
Inmitten von grauen Wohnblocks fährt auch die einzige Tramlinie. Zum Zeitpunkt unseres Besuchs waren die beiden Überlandstrecken im Nordwesten und Südosten wegen Sanierung geschlossen und nur der zentrale Abschnitt der Linie 100 in Betrieb. Wer meinen Reisebericht der Rumänienreise im Oktober 2023 aufmerksam gelesen hat, erinnert sich vielleicht, dass die Liniennummer auf einen spät eröffneten Betrieb hindeutet, Craiova erhielt erst 1987 eine Straßenbahn. Der Fuhrpark ist kurz vor unserem Besuch komplett erneuert worden und es kommen ausschließlich PESA Twist zum Einsatz.
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Nachdem wir unser Gepäck im Airbnb bei einem amerikanischen Pärchen abgestellt haben, erkunden wir die Innenstadt. Hier ist von sozialistischem Grau weniger zu sehen.
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...wobei die Shopping Mall schon recht nahe rankommt...

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Bitte was?
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Google Übersetzer meint, man solle den Kaugummi bitte im Mülleimer entsorgen.

Und noch was? Ja, Kaffee!
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Wir werfen noch einen Blick auf die Tram. Diesen Kreisverkehr überquert sie auf dem Viadukt, endlich mal eine echte ÖPNV-Bevorzugung.
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Blumenmarkt
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Die Tram verkehrt fast ausschließlich auf abgetrenntem Bahnkörper, in Rumänien eher selten.
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Wir fahren bis Han Craioviţa in Betriebshofnähe.
Gleich 3 Trambahnen verbringen hier in der Schleife ihre Wendezeit
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Beim Blick über den Zaun entdecken wir dann auch noch den bunten Altwagenpark aus Wiener E1 sowie Dresdner und Berliner Tatras.
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Sogar ein alter Timiş-Wagen rostet noch vor sich hin
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Dann fahren wir zurück bis ans andere Ende. Die Fahrt kommt mir ewig vor, weil wir mehr stehen als fahren. Am Ende ergibt sich eine Durchschnittsgeschwindigkeit von knapp 15 km/h, was für den großen Haltestellenabstand und nur geradeaus fahren sehr wenig ist. Doch die Hauptstraße hat eine grüne Welle für den MIV und es ist in diesem Fall sehr empfehlenswert, zwischen zwei LSA entweder 0 oder 2 Haltestellen einzurichten. In Craiova ist es dagegen fast immer eine und bis die Tram angehalten hat und der Fahrgastwechsel abgeschlossen ist, müssen wir an der nächsten Kreuzung häufig einen kompletten Umlauf abwarten, weil es gerade Rot geworden ist. Nur durch eine geschickte Verschiebung der Haltepositionen könnte man sicher ein Fahrzeug einsparen und den Betrieb erheblich beschleunigen, aber vor den Kreuzungen ist ja kein Platz für eine Haltestelle – oder wo soll dann die Linksabbiegespur hin?
Den Innenraum finde ich grundsätzlich gut genutzt.
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An der ersten Tür ist es allerdings ziemlich eng.
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Im Heck gibt es dagegen mehr Platz.
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Eine Vollkatastrophe ist dagegen der Piepton beim Öffnen und Schließen der Türen. Erstens ist er falsch (Di-di-di-di-di beim Öffnen und Dä-dö-dä-dö beim Schließen) und zweitens ist er derart laut eingestellt, dass mir an jeder Haltestelle die Ohren schmerzen. Dass so etwas nach über 2 Monaten Einsatz der neuen Fahrzeuge noch nicht behoben ist, spricht nicht unbedingt für die Professionalität des Betriebs. Die Fahrgastinfo auch nicht unbedingt…
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Wir schauen uns nochmal ein bisschen in der Innenstadt um und gönnen uns dann ein üppiges Abendessen.
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Um 21 Uhr weicht dann doch das Leben aus den Straßen, dennoch ziehen wir beide ein sehr positives Fazit von der Stadt – mit dem bunten Altwagenpark auf den Überlandstrecken hätte sich ein weiterer Tag sicher gelohnt, aber so war es die richtige Entscheidung, noch einen Tag länger in Sofia als ursprünglich geplant zu bleiben.
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Re: [AM][GE][TR][BG][RO][HU] Der Landweg aus Jerewan

Beitrag von Entenfang »

Tag 43 Craiova → Budapest

Wir gehen zur Bushaltestelle, die leider nicht symmetrisch angelegt und ziemlich weit von der Innenstadt entfernt ist. Wir haben Glück und wenige Momente später kommt auch schon ein Bus eingefahren. Mangels Abfahrtsplan bleibt einem in Rumänien oft nichts anderes übrig, als einfach an die Haltestelle zu gehen und zu warten, bis der nächste Bus oder die nächste Tram kommt.
Wenige Minuten später sind wir bereits am Bahnhof.
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Der Zug ist mit +5 angekündigt und ein japanisches Pärchen fotografiert die Einfahrt wenig später.
Auf unseren reservierten Plätzen sitzt schon jemand, also setzen wir uns in den freien Vierer gegenüber, was für den Donaublick ohnehin besser ist. Zunächst geht es zügig voran, dann schlängelt sich der Zug mit 30 entlang der Donau entlang. Kurzer Halt in Dobreta Turnu-Severin
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Die Fahrt entlang dem Donau-Stausee aus den 1970er Jahren wollte ich auch schon länger mal im Hellen machen und heute passt es perfekt zur Etappe nach Budapest.
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Als die Berge zurückbleiben, setzt Regen ein. Dann folgen die Weiten des Banats. Der Zug ist etwa zu 50% gefüllt, aber es steigen immer mehr Fahrgäste ein als aus und zeitweise erreichen wir 75%. In Timişoara steigen fast alle aus und ziemlich leer geht es weiter bis an die ungarische Grenze. Der rumänische Grenzpolizist nimmt es recht genau und fragt Igor, ob er zu touristischen Zwecken in Rumänien gewesen wäre (ja) und ob zum ersten Mal (nein). Mich schaut er dreimal an und dann wieder den Pass. Habe ich mich so stark verändert?
Die Ungarn fragen dann, was das für eine Flagge wäre, die da kopfüber in meinem Rucksack steckt… Ich habe damit gerechnet, dass das früher oder später passieren wird. Ich zeige die türkische Flagge und sie sind zufrieden.
In Békéscsaba hat der Zug planmäßig 17 min Aufenthalt und bekommt noch vier ungarische Wagen angehängt, davon drei mit Übersatzfenster.
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Wir ziehen um, tauschen den stickigen Großraumwagen gegen ein Abteil und bald geht die Fahrt zügig am offenen Fenster weiter nach Westen.
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Verglichen mit dem meistens gemächlichen Tempo auf rumänischer Seite fliegt die Landschaft geradezu vorüber. Die Frau in unserem Abteil steigt bald aus und wir genießen den Rest der Fahrt im Privatabteil. Die Sonne nähert sich dem Horizont, taucht Abstellbahnhöfe und Felder in goldenes Licht.
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Halt in Szolnok
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Zwei Fotografen sind auf einen Baum geklettert und knipsen den vorbeifahrenden Zug. Die Pollen der Platanen leuchten in der Abendsonne wie Schneeflocken. Wir bremsen ab, passieren einen geöffneten BÜ pfeifend im Schritttempo. Weitere BÜ folgen, an denen teilweise mehrere Autos brav vor der offenen Schranke warten.
Irgendwann funktionieren die BÜ dann wieder und mit hoher Geschwindigkeit legen wir die restliche Strecke nach Budapest zurück, wo die Etappe zur blauen Stunde mit +9 zu Ende geht.
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Die Reise war nicht nur eine Reise aus Jerewan zurück nach Mitteleuropa, sondern auch eine vom Winter durch den Frühling bis in den nun angebrochenen Frühsommer.
Hungrig wie Bären gönnen wir uns Langós zum Abendessen und machen dann noch eine kleine Spritztour mit der Tram entlang der Donau.
Dann überprüfen wir unsere Verbindungen übermorgen, Igor ist von einem Streckenunterbruch am Arlberg aufgrund von Unwetterschäden betroffen, bei mir heißt es eingleisiger Betrieb zwischen Rosenheim und München mit Umleitung ohne Halt und Verspätung bis 20 min, außerdem sind Bauarbeiten in Österreich und die Railjet fahren in Budapest früher ab und nur ab Kelenföld.
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Re: [AM][GE][TR][BG][RO][HU] Der Landweg aus Jerewan

Beitrag von Entenfang »

Tag 44 Budapest

Ich halte mich zurück, euch mit Handyfotos zu quälen, da ich bereits einiges aus Budapest in früheren Reiseberichten gezeigt habe.
viewtopic.php?t=18000
viewtopic.php?t=17982

Nachdem wir uns ein wenig in der Stadt umgesehen haben, fahren wir am Nachmittag nach Szentendre.
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Was wäre ein Besuch in Ungarn ohne ein Stück Dobos-Torte?
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Wieder zurück in Budapest, bricht bereits die blaue Stunde an.
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Ich bin echt überrascht, wie gut das Handyfoto geworden ist…

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Hüte dich vor den Euronet-Geldautomaten!

Am Abend wird beim Metroeingang zum ersten Mal unsere Fahrkarte in Budapest kontrolliert, die Kontrolldichte ist gegenüber früheren Budapest-Besuchen viel niedriger, was auch Igors Eindruck ist.
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Re: [AM][GE][TR][BG][RO][HU] Der Landweg aus Jerewan

Beitrag von Entenfang »

Tag 45 Budapest → München

Wieder strahlender Sonnenschein, Igor ist bereits am Morgen in den Zug Richtung Schweiz gestiegen, während ich noch ein paar Stunden Zeit habe. Ich schwanke zwischen einer schattigen Bank irgendwo an der Donau oder auf dem Gellert-Hügel und dem Eisenbahnmuseum. Schließlich entscheide ich mich für Letzteres und nehme erst den Bus zum Keleti pályaudvar, um dort in die Buslinie 30 umzusteigen, die in die Nähe des Eisenbahnmuseums fährt. Wie auf fast allen Bus- und Trolleybuslinien gilt dort Vordereinstieg. Ich setze mich in die erste Reihe und schaue dem Fahrer über die Schulter. Er ist aus der Wendeschleife mit 1,5 min Verspätung angekommen und dabei bleibt es auch, obwohl er zügig fährt. An einer Haltestelle gehen diverse Einsteiger am Fahrer vorbei, ohne eine Fahrkarte vorzuzeigen. Er klopft an die Scheibe der Fahrerkabine und fordert zum Entwerten der halbherzig vorgezeigten Einzelfahrkarten auf, was der Mann dann auch für die ganze Familie tut. Tja, man kanns ja mal probieren, doch dieser Busfahrer scheint wirklich genau hinzuschauen. Wir müssen an einer Ampel halten und schon steigt die Verspätung auf 2,5 min. Eine Frau steigt ein, zeigt irgendeinen Pass vor. Wieder klopft der Busfahrer an die Scheibe, daraufhin zeigt sie noch irgendeinen anderen Pass vor, der Busfahrer grummelt irgendwas vor sich hin und fährt schließlich schulterzuckend weiter, offenbar unzufrieden mit den vorgezeigten Dokumenten. Wir biegen ab, die Straße ist frei und mit einem beherzten Tritt aufs Gaspedal wird die Verspätung wieder auf 1,5 min reduziert, bis ich in einem unspektakulären Wohngebiet aussteige. Der Fahrplan ist auf jeden Fall sportlich, zumal wir auch an einigen Haltestellen durchgefahren sind.
Ich gehe zum Museumseingang, aber dort steht ein Wachmann und erklärt mir, dass heute ein privates Event stattfinden würde und das Museum deshalb geschlossen ist. Grmpf, ich gehe zurück zur Bushaltestelle, fahre zum Hösök tere, steige dort in die M1 um und schließlich in die Tram. Nach 10 Minuten Fußweg finde ich ein schattiges Mäuerchen mit Ausblick, wo ich die verbleibende Zeit verbringe, was nicht mehr viel ist.
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Bereits nach einer halben Stunde fahre ich zum Mittagessen und hole meinen Koffer in der Unterkunft ab. Da ich noch ausreichend Zeit habe, fahre ich mit der Tram nach Kelenföld. Mein Koffer ist inzwischen unfassbar schwer, nur mit größter Mühe kann ich ihn in den Ganz-Wagen hieven. Je wärmer das Wetter, desto schwerer der Koffer… In der Tram sind zahlreiche weitere Personen mit großen Gepäckstücken. Die Tram rumpelt über eine Gleiskreuzung und das Metallgehäuse einer der Lochentwerter klappt plötzlich auf und einem jungen Mann auf die Schulter. „Aua, das hat wehgetan“, beschwert er sich bei seinem Kumpel und reibt sich die Schulter. Nach gut 15 Minuten ist bereits der Bahnhof Kelenföld erreicht.
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Eine Menschenmenge steht um die Abfahrtsmonitore und schnell wird mir klar, dass alle auf die Bekanntgabe des Abfahrtsgleises warten. In der MÁV-App steht Gleis 15 drin, versehen mit dem Hinweis, dass das nur informativ ist und man es bitte vor Ort überprüfen soll. Auf Gleis 15 wird noch der 20 Minuten verspätete EC Transilvania aus Cluj nach Wien angezeigt. Die planmäßige Abfahrtszeit des Railjets rückt näher und näher und kein Gleis wird angezeigt. Kurz vor der Abfahrt wechselt die Anzeige auf einen roten Schriftzug auf Ungarisch. Google Übersetzer macht daraus „nicht kommuniziert“. Ich habe schon ein ungutes Gefühl und gehe mal auf den Bahnsteig 15. Er ist so voller Menschen, dass ich von der Rolltreppe kaum noch weitergehen kann. „Immer weitergehen, geh weiter, geh weiter“, ruft ein Mann seinem Sohn zu, die mit dem Fahrrad unterwegs sind. „Ja ich kann nicht…“ Und dann fährt der Transilvania ein. Er ist gefüllt bis auf den letzten Platz, einige Fahrgäste versuchen, auszusteigen, was angesichts des völlig überfüllten Bahnsteigs äußerst schwierig ist. Ein völlig überforderter Zugbegleiter wird von allen Seiten mit Fragen bombardiert. Menschen rennen über den Bahnsteig zu weiter hinten stehenden Wagen. In Nullkommanichts sind alle Wagen bis auf den letzten Platz gefüllt, die Menschen stehen wie Sardinen in den Einstiegsbereichen und der Bahnsteig ist immer noch voll. Keine Chance, da einzusteigen.
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„They said another train will come“, höre ich irgendwo. Ich konsultiere nochmal die MÁV-App zum Railjet. Dort steht ein ungarischer Text, etwas von Tatabánya, und S-Bahn. Der Text ist nicht kopierbar, Mist. Ich habe aber so eine Vermutung, was das bedeuten könnte. Ich stelle mich auf einen längeren Abend ein. So ein Chaos und keinerlei brauchbare Informationen… Einen Bahnsteig weiter sammeln sich immer mehr Menschen, ich suche die nächste Verbindung nach Tatabánya, eine S-Bahn fährt tatsächlich in 3 Minuten von dort ab. Flugs den Koffer in die Hand, die nächste Treppe in die Unterführung, oh, Mist. Es ist nicht die Hauptunterführung und die hat nicht zu jedem Bahnsteig einen Aufgang. Also am übernächsten Bahnsteig wieder hoch, ächz, 50 m vor, in die Hauptunterführung, wieder einen Bahnsteig zurück und wieder hoch. Die S-Bahn fährt gerade ein und schnell bilden sich an den Türen Menschentrauben. An allen Türen? Nein, an der letzten, am weitesten vom Aufgang entfernten steigt nur eine Handvoll Fahrgäste ein und genau dort gehe ich hin, bitte um das Entfernen eines Gepäckstücks vom Sitz und setze mich hin. Das ältere Ehepaar hatte es sich in dem Vierer doch arg bequem gemacht, mit den Füßen auf den Sitzen und jeweils ein Gepäckstück auf dem Nebensitz. Der Mann blockiert immer noch zwei Sitze, aber die bald stehenden Fahrgäste scheint das nicht allzu sehr zu stören und bleiben einfach stehen. Es dauert noch ein paar Minuten, bis es mit +6 schließlich losgeht. Der Transilvania steht immer noch mit ratlosen Menschen an den Türen am Bahnsteig. Am nächsten Halt überholt uns der Transilvania schließlich. Eine Zugbegleiterin steht im Türbereich in meiner Nähe. „Do you speak English?“, fragt sie jemand. Sie winkt ab, erklärt kurz etwas von „Tatabánya change Railjet München“, was eigentlich alles ist, was ich wissen muss. Ein paar Fahrgäste steigen an den kleinen Haltepunkten aus und der eine oder andere stehende Fahrgast findet seinen Platz. Schließlich hat der Mann in meinem Vierer doch ein Einsehen, setzt sich normal hin und bietet einem anderen Fahrgast den Sitzplatz an.
Nach etwa 40 Minuten erreichen wir Tatabánya, am Gleis gegenüber steht der vorzeitig verendete Railjet aus München und alle steigen um. Die 3 € (bei der ÖBB) für den reservierten Sitzplatz waren definitiv gut investiert, ich finde im vordersten Wagen meinen Platz. Neben und hinter mir sitzen drei Frauen aus Freilassing. In der Nähe sitzen außerdem mehrere Ehepaare um die 60 aus Österreich, am Tisch gegenüber ein mittelaltes Paar mit zwei Töchtern im Alter von zehn und zwölf Jahren. Es vergehen noch einige Minuten und dann setzen wir uns tatsächlich mit +45 in Bewegung. Einer der Herren versorgt bald den ganzen Freundeskreis mit Wein und Bier aus dem Speisewagen. „Ich hab gefragt, ob wir zum Wein einen Becher dazubekommen können und da hat mir die Frau gleich welche gegeben. Die Kollegin hat die dann gleich angeschnauzt, die wären ja nur für Kaffee! Außerdem darf man angeblich keine Flaschen in den Zug mitnehmen, nur Dosen. Ich hab einfach nicht lang gefragt und bin einfach zurückgekommen.“
„Ja, wir haben uns gedacht, wollen wir irgendwohin fahren über den Feiertag? Am Dienstag haben wir uns das überlegt, am Mittwoch haben wir gebucht und am Donnerstag sind wir gefahren.“ Es war echt nicht so schlau von mir, meine Rückfahrt ohne Not ausgerechnet an den Sonntagnachmittag nach Christi Himmelfahrt zu legen…

Der Zug bremst auf langsames Tempo ab, im anderen Gleis steht ein leerer Zug der Raaberbahn mitten auf der Strecke, die Schaffnerin lässt ihre Beine bei der offenen Tür rausbaumeln. Nanu, merkwürdig. Und was sind denn das für Fleischstücke da im Gleis? Und dann sehe ich die Kleiderfetzen, die Markierungen auf dem BÜ und die Polizeiwagen. Dann beschleunigt der Zug wieder auf 160, die Felder fliegen vorbei und mit fast +60 bleibt Ungarn zurück.
„Ich habe mich schon gefragt, wo Sie herkommen“, beginnt ein Gespräch zwischen einer der älteren Frauen und dem Ehepaar mit den beiden Töchtern. In etwas unsicherem Deutsch die Antwort: „Aus Russland, wir stammen aus dem Ural und leben seit zwei Jahren in Linz.“ „Ural, ist das nicht an der Grenze zwischen Europa und Asien?“ „Ja, neben unserem Haus stand ein Schild, hier ist Europa, hier ist Asien.“ Die zehnjährige Tochter schaltet sich auch ins Gespräch ein und ist auf Deutsch sicherer als ihre Eltern.

Nächster Halt next stop: Hegyeshalom.
Die Fahrgastinfo ist über die gesamte Fahrt falsch, zeigt immer die Abfahrten des vorherigen Bahnhofs an.
Bis Wien muss viel Reserve im Fahrplan sein, wir kommen dort mit +37 an. Die paar Plätze, die freigeworden sind, werden sofort wieder besetzt, einige Fahrgäste müssen auch stehen. Mit einigen Gleiswechseln und Gegengleisfahrten geht es Richtung Westen, wenn ich es richtig gesehen habe, fahren wir sogar ein Stück auf der konventionellen Strecke. Kurz vor Linz geht die Sonne unter. Ich suche ein WC. Vor dem in meinem Wagen hat sich eine kleine Schlange gebildet. Eine Person rein und wieder raus, dann die nächste rein. Minuten vergehen. 5 Minuten, 10 Minuten. Es wird mir ein ewiges Mysterium bleiben, was manche Menschen so lange auf Zugtoiletten machen. Andere Vielfahrer haben mir auch schon bestätigt, dass sie ebenfalls das Gefühl haben, dass es immer wieder vorkommt, dass Zugtoiletten ungewöhnlich lange besetzt sind. Dann gehe ich halt einen Wagen weiter. Beide Toiletten defekt. Noch ein Wagen weiter. Beide Toiletten defekt. Noch ein Wagen weiter. Eine Toilette für Personal, die andere defekt. Durch den Speisewagen in die 1. Klasse. 5 Personen stehen in der Schlange vor der Toilette. Ja ist denn das eine Möglichkeit? Unsere Gesellschaft ist in der Lage, Eisenbahnen mit 230 km/h durchs Land rasen zu lassen, aber funktionierende Toiletten sind wohl unmöglich bereitzustellen… Ich gehe wieder zu meinem Wagen zurück, in dem dann die Toilette tatsächlich frei wird, nur Seife gibt es keine mehr und naja, das Rinnsaal am Waschbecken hilft sicher beim Wassersparen, taugt aber kaum zum Händewaschen. In der Türkei habe ich nur ein einziges Mal eine nicht funktionierende Zugtoilette gesehen und ein weiteres Mal gab es kein Wasser im Waschbecken. Vielleicht sollte man die mal consulten, dafür gibt’s sicher eine Prämie.

Die Verspätung wächst stetig, bis Salzburg ist die Stunde schon fast wieder voll. Auch hier reger Fahrgastwechsel, außerdem steigen offenbar viele aus dem in Wien angehängten Zugteil um, der ab hier nach Innsbruck fährt. Auf dem Infobildschirm stehen Fantasiezeiten, in einer halben Stunde sollten wir in Rosenheim, nochmal 25 Minuten später in München sein. Im Vierer gegenüber nehmen vier Studenten Platz, die erstmal eine Runde das Kartenspiel Bohnanza spielen. „Hat jemand eine Feuerbohne?“ „Ja, würdest du mit dafür eine Sojabohne geben?“ … „Weißt du was, ich schenke dir eine blaue Bohne!“ … „Hmm, ich spiele irgendwie die ganze Zeit so, als ob das Spiel die nächste Runde vorbei wäre. Aber jetzt geht es doch immer weiter…“

„Sehr geehrte Fahrgäste, in Kürze erreichen wir Freilassing. Dort finden Pass- und Zollkontrollen statt. Bitte halten Sie ihre Ausweise bereit.“

Vier Polizisten warten auf dem Bahnsteig, wenn die jetzt wirklich den ganzen Zug durchkontrollieren, stehen wir hier eine Stunde.
„This is not enough. You have to take your passport with you when you leave the country. Next time you have to pay a fine. »
« Sie wissen, dass Ihr Ausweis im Januar abgelaufen ist? Nach sechs Monaten kostet es Geld.“

Zum Glück fahren wir schon nach sieben Minuten weiter, ob die anderen Wagen während der Fahrt kontrolliert werden, entzieht sich meiner Kenntnis.

Als das Bohnanza-Spiel durch ist, hat eine der Runde ihre literarische Phase. Ob es einen speziellen Grund dafür gibt, dass sie gemeinsam ein Gedicht schreiben, wird mir nicht klar. Ein paar Verse bekomme ich aber durchaus mit und sie werden zum Teil recht intensiv diskutiert.

Elisabeth vergaß ihren Rucksack im Zug,
da rannten wir schnell zurück und vorbei war der Spuk.

Die Stadt war voller Kutschen,
da mussten wir aufpassen, nicht auf Pferdescheiße auszurutschen.


Es folgt viel Gelächter, später wird der letzte Satz noch etwas entschärft.

Wir hatten keinen so guten Führer wie in Rom,
trotzdem fanden wir alles, auch den Dom.

Auf den Spuren Sissis waren wir in Schönbrunn,
nur dank Eis kippten wir in der Hitze nicht um.

Wien war ja echt hip,
wir freuen und schon auf den nächsten Trip.

Du darfst uns gern begleitern (sic),
das würde uns sehr erheitern.


Wieder viel Gelächter.

Abermals dauert die Fahrt bis Rosenheim viel länger als auf dem Infobildschirm angekündigt und die Stunde Verspätung wird übertroffen. „Sehr geehrte Fahrgäste, aufgrund von Bauarbeiten wird unser Zug über Holzkirchen umgeleitet, wodurch sich die Ankunft in München nochmals um 30 bis 40 Minuten verzögert. Wir erreichen München dann zwischen 0:15 und 0:30 Uhr.“ „Oh nein, ich höre gar nicht hin…“, kommentiert jemand.

„Sehr geehrte Fahrgäste, wir fahren jetzt doch den normalen Weg und werden gegen 23:45 Uhr in München ankommen.“

Und so zieht bald das Werksviertel vorbei, wir überqueren die Isar. Alle sammeln ihr Gepäck ein und stellen sich in den Gang. Ein Mann telefoniert. „Ich habe gerade noch für das Flüchtlingsprojekt in Uganda recherchiert. Ich hatte da noch Fragen zu Pilzen und ChatGPT hat mir die Antwort geliefert. Dann habe ich noch eine sehr spezielle Frage gehabt und auch die hat ChatGPT beantwortet. Das ist wirklich unglaublich, was dieses Programm kann…“

Und mit +73 endet die Fahrt unter dem Grundig-Schriftzug, dort, wo sie vor 44 Tagen, 11 Stunden und 59 Minuten begonnen hat. So ganz kann ich es noch nicht glauben, dass diese Reise wirklich so funktioniert hat, wie ich sie geplant habe. Und man könnte fast schon sagen – sie hat funktioniert wie ein Uhrwerk.

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Why… why can´t this moment last for evermore…?


Fazit

Auch wenn ich auf der Reise keinen besonders ausgeprägten Kulturschock erlebt habe, unterscheiden sich die besuchten Länder doch in einigen Aspekten.
Zuerst zu Armenien, einem Land, dass zunächst mal eines ist: unbekannt. Auf die Frage, wohin denn meine Reise gehen würde, habe ich etliche Male nur Schulterzucken und fragende Blicke erhalten. „Von Jerewan aus? Wo ist denn das?“ Armenien. „Aha, irgendwo da im Osten…“ Und letztlich muss ich zugeben, vor meinem Besuch war Armenien für mich auch irgendein Land da im Osten, in dem 2020 mal wieder der Konflikt mit Aserbaidschan um Berg-Karabach ausgebrochen ist. Der Krieg endete zwar wenige Monate später mit einem Sieg Aserbaidschans und einen Verlust von etwa einem Drittel des Territoriums von Berg-Karabach, doch der Konflikt bleibt ungelöst und es gibt immer wieder Scharmützel in der Grenzregion zwischen Armenien und Aserbaidschan, bevor Aserbaidschan die Region nun endgültig unter Kontrolle gebracht hat.
Möglicherweise ist das ein Grund, warum Armenien so untouristisch ist – ein weiterer ist sicher die völlig abgelegene, isolierte Lage. Die Grenze zu Aserbaidschan – geschlossen. Die Grenze zur Türkei – geschlossen, denn der von der Türkei nicht anerkannte Völkermord an den Armeniern im 1. Weltkrieg steht einer Normalisierung der Beziehungen im Weg. Der Weg in den Iran ist zwar grundsätzlich passierbar, führt aber durch die Konfliktregion. Daher bleibt mangels Meerzugang nur der Weg nach Georgien im Norden.
Die Meeresferne macht sich in der Vegetation deutlich bemerkbar. Neben der generell hohen Lage sind weite Teile des Landes sehr trocken und karg, im Winter ziemlich kalt und im Sommer sehr heiß. In den Bergen nähert sich die Vegetation der Mitteleuropas an, dort gibt es auch zusammenhängende Wälder.
Man spürt im Land schnell die Nähe zu Russland, das sich als Vermittler im Berg-Karabach-Konflikt eingeschaltet hat und auch Waffen geliefert hat. Außerdem gab es zwei Wellen von russischen Einwanderern seit dem Beginn des Ukraine-Kriegs, zuerst die Regimekritiker, dann die Kriegsdienstverweigerer. Dadurch ist das Preisniveau in Armenien gestiegen, insbesondere für Wohnraum und daher war und ist dieser Prozess nicht konfliktfrei. Das Stadtbild ist sehr sowjetisch geprägt mit breiten Straßen, Ampeln im russischen Design mit Countdown, aber in der Innenstadt sind die Fußwege immerhin in sehr gutem Zustand.
Aserbaidschan dagegen steht traditionell der Türkei nahe (beide Länder sind mehrheitlich muslimisch, die Türkei allerdings sunnitisch, während Aserbaidschan schiitisch ist und die Sprachen sind sehr ähnlich). Ein Konfliktpunkt zwischen Armenien und Georgien waren die Waffenlieferungen aus der Türkei über Georgien nach Aserbaidschan, doch Armenien kann es sich eigentlich gar nicht leisten, die Beziehungen zu Georgien ebenfalls abzubrechen.
Auch ein gewisser Nationalismus ist allgegenwärtig, Fahnen mit „We stand with Artsakh“ (= armenische Bezeichnung für Berg-Karabach) oder Karten von Groß-Armenien aus der Zeit vor dem 1. Weltkrieg (ein Großteil gehört heute zur Türkei) sieht man immer wieder – dieser Teil der Geschichte scheint bis heute nicht aufgearbeitet und überwunden zu sein.
Fast schon konträr dazu wirkt die Mentalität und Art der Menschen – die Armenier haben auf mich nämlich als sehr liebes, ruhiges, zuvorkommnendes, aber auch etwas zurückhaltendes Volk gewirkt und stehen damit völlig im Kontrast z.B. zu Russland aber auch zur Türkei. Die Englischkenntnisse sind eher mäßig, in Dilijan und Garni überraschenderweise besser als in Jerewan, Russischkenntnisse sicher sehr hilfreich, aber nicht unbedingt notwendig. Englisch und ein paar russische Phrasen, die ich vorab gelernt habe (und gelegentlich Google Übersetzer) haben zu den gewünschten Ergebnissen geführt. Nur eine spontane Konversation auf der Straße ist so nicht zustande gekommen.
Von den besuchten Ländern wirkt Armenien klar am ärmsten – dort habe ich die meisten hüttenartigen Wohngebäude gesehen, die ältesten Lastwagen und die klapprigsten Autos. Anhand der deutschen Anschriften ist es unschwer zu erkennen, woher die Nutzfahrzeuge ursprünglich stammen. Auffällig ist außerdem die hohe Anzahl an Fahrzeugen mit dem Lenkrad auf der rechten Seite und fehlenden Teilen.
Jerewan ist eine junge Stadt, die sich im Aufbruch befindet. Innerhalb Jerewans sind die Kontraste am stärksten sichtbar – klapprige Ladas neben Teslas, die hüttenartigen, ärmlichen Behausungen weichen allmählich riesigen Wohnblocks.
Lange Öffnungszeiten sind üblich, im Restaurant waren wir mehrmals die einzigen Gäste, während mindestens fünf Bedienungen am Handy gedaddelt haben und nicht zu tun hatten. Wer gerne deftig isst, Fleisch und Koriander mag, wird das Essen genießen. Positiv ist jedenfalls die deutlich größere Vielfalt verglichen mit Russland oder Belarus.

Der Verkehr verläuft überraschend geordnet und gemäßigt und meine Vermutung ist, dass das an der außerordentlich hohen Dichte an Polizeistreifen und Blitzern liegt, sicher aber auch an der Mentalität. Selbstverständlich hält man am Fußgängerüberweg an und lässt die Fußgänger rüber oder jemanden aus der Seitenstraße auf die Hauptstraße, wenn der nur schwer rauskommt.
Das Straßennetz ist nicht besonders gut ausgebaut, aber außerhalb der Hauptstadt sind ohnehin nur sehr wenige Fahrzeuge unterwegs. Der Straßenzustand schwankt sehr stark – zwischen üblen Holperpisten mit tiefen Schlaglöchern und gut ausgebauten Abschnitten war alles dabei. In Jerewan dagegen gibt es viele Staus auf den Hauptstraßen, denn der ÖPNV ist sehr schlecht ausgebaut. Neben der nur 12 km langen Metro gibt es Trolleybusse, die alle Schaltjahr einmal fahren, ziemlich kleine Busse und unzählige Marschrutkas, die häufig völlig überfüllt sind. Die Metro befindet sich in schlechtem Zustand und holpert recht langsam über das Stoßlückengleis. Eingesetzt werden nur 2- oder 3-Wagenzüge aus unterschiedlich modernisierten Metrowaggonmasch, viele mit Graffiti, die viel kürzer sind als die Bahnsteiglänge und für das eher überschaubare Fahrgastaufkommen ausreichend sind. Die Trolleybusse sind ebenfalls in schlechtem Zustand und fahren so selten, dass man ein äußerst geduldiger Mensch sein muss, um sie zu nutzen. Außerdem stehen sie ebenso im Stau wie die Busse und Marschrutkas, denn es gibt keine Busspuren oder andere ÖPNV-Bevorzugungsmaßnahmen, geschweige denn einen öffentlich einsehbaren Fahrplan. Um die richtige Linie zu finden, hilft die Yandex Transport App, aber die dort hinterlegten Abfahrtszeiten sind reine Fantasiezeiten. Ein großer Nachteil ist außerdem, dass das Stadtzentrum nicht von Bussen oder Marschrutkas angefahren wird, sondern dieses großzügig umfahren wird und die Straßen rund um den Platz der Republik den Autos vorbehalten bleiben. Fahrten aus dem Umland oder weiter entfernten Orten enden außerdem oft am Stadtrand und man muss nochmal in eine andere Marschrutka umsteigen.
Außerdem gibt es keinen gemeinsamen Tarif, eine Fahrt kostet etwa 30 Cent, die man beim Aussteigen dem Marschrutkafahrer gibt, während man beim Bus schon beim Einsteigen zahlt. Der Trolleybus kostet sogar nur die Hälfte und wird ebenfalls beim Aussteigen bezahlt. Wenn es zu voll ist, kann man auch hinten aussteigen und von draußen durch die erste Tür das Geld zum Fahrer durchreichen. Diese Bezahlmethode deutet für mich auf eine sehr große Ehrlichkeit der Menschen hin – denn man kauft ja keine Fahrkarte, sondern fährt einfach mit und könnte einfach aussteigen und abhauen, ohne zu bezahlen. Soweit ich gesehen habe, ist das aber nie passiert.
Eine Taxifahrt ist die deutlich schnellere und einfachere Art, sich in der Stadt fortzubewegen und kostet nur wenige Euro.

Armenien ist klein, unberührt, karg und ziemlich unspektakulär – das in Kombination mit den schroffen Bergen und den lieben Menschen hat für mich den Reiz dieses Landes ausgemacht.


Verglichen mit Armenien wirkt Tbilisi sehr modern und westlich. Die Strassen sind in besserem Zustand und die Busse und Autos viel moderner. Die Orientierung Richtung EU und der starke Wunsch, dieser beizutreten, ist überdeutlich an den unzähligen EU-Flaggen erkennbar. Die Abneigung, ja fast schon Hass gegenüber Russland, ist in Tbilisi allgegenwärtig – interessanterweise aber nur in Tbilisi, in Kutaissi ist davon kaum noch etwas und in Batumi gar nichts zu spüren. Dort sind die russischen Touristen offenbar sehr willkommen, denn sie bringen Geld mit. In Georgien ist ein deutlicher Unterschied zwischen dem modernen und alternativen Tbilisi und den ländlichen Regionen erkennbar, der mir in Armenien nicht in diesem Umfang aufgefallen ist. Ähnlich wie in Armenien gibt es die Hauptstadt als wichtigstes Zentrum und abgesehen davon nur wenige Orte von Bedeutung und weite, völlig menschenleere Landstriche. Tatsächlich ist das BIP pro Kopf in Georgien aber nur unwesentlich höher als in Armenien, obwohl sich auf den ersten Blick ein deutlich anderes Bild zeigt.
Prägend für Georgien war für mich außerdem die sehr hohe Zahl an Bettlern, vor allem alte Menschen, aber generell Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen wie Eintrittskartenkontrolleure, Verkäufer diverser Dinge, Servicekräfte und – mein persönlicher Favorit – Gemüseabwieger im Supermarkt. Und wenn es dann gerade keine zusätzliche Person gab, musste doch jemand von der Kasse kommen, das Gemüse abwiegen, um es mir in die Hand zu drücken, damit ich es zur Kasse bringen kann, wo dann der Barcode gescannt wird.
Tbilisi ist in meinen Augen deutlich sehenswerter und lebenswerter als Jerewan, bietet neben der Hügelkette mit der Burg auch ein sehr schönes und abwechslungsreiches Altstadtquartier, das sich zwischen schiefen Holzhäusern und perfekt sanierten Altbauten im Umbruch befindet. Wenn man die Stadt in fünf Jahren nochmal besucht, wird von den unsanierten Gebäuden vermutlich nichts mehr übrig sein. Die sowjetischen Relikte sind sehr viel weniger prägend als in Armenien und es gibt fast keine kyrillischen Anschriften mehr, außer in Batumi. In Georgien muss die Kirche eine sehr große Bedeutung haben, wie die überall im Land aufgestellten Kreuze zeigen. Auf den ersten Blick sieht man ausserdem, dass Georgien und insbesondere Tbilisi viel touristischer als Armenien ist, es gibt zahlreiche Souvenirgeschäfte, die jungen Menschen sprechen sehr gut Englisch und Doppeldeckerbusse bieten Stadtrundfahrten an – die Stadt ist definitiv kein Geheimtipp mehr. Mein Eindruck ist außerdem, dass man in Georgien Touristen eher gewohnt ist und mit ihnen umzugehen weiß, mit all den positiven und negativen Folgen. Das Preisniveau würde ich als etwa vergleichbar mit Armenien ansehen. Kleine Cafés und nette Parks laden zum Verweilen ein. Man merkt der Stadt ausserdem das feuchtere und wärmere Klima an – aus dem Winter im armenischen Bergland sind wir direkt in einen warmen Frühlingstag im grünen Tbilisi katapultiert worden.
Die Mentalität unterscheidet sich in einigen Aspekten recht deutlich von der in Armenien. Der Servicegedanke ist typisch Russisch und das bedeutet – es gibt keinen. In einem Reiseführer habe ich gelesen, dass im Restaurant in Georgien kein Trinkgeld erwartet wird und dass es dafür meistens auch keinen Anlass gibt – dem kann ich nur zustimmen und zwar nicht im Bezug auf die Qualität des Essens, denn die ist mit Armenien gut vergleichbar und auch ähnlich deftig und preislich ähnlich. Außerdem haben die Menschen auf mich unruhiger und ungeduldiger gewirkt.
Besonders krass aber finde ich in Georgien das völlig fehlende Bewusstsein zur Gefahrenvermeidung oder -minimierung. Alle Treppen Georgiens haben eins gemeinsam – jede Stufe hat eine andere Höhe und das macht das Begehen von Treppen sehr mühsam, insbesondere wenn dann noch die schwache Beleuchtung durch teilweise ausgefallene Strassenlaternen dazukommt. Die Fusswege sind voller Stolperfallen, irgendwelche Rohre, Kabel, Schächte und Stufen sind immer im Weg und ich bin auch mehrmals über irgendwas gestolpert, obwohl ich besonders darauf geachtet habe. Wanderwege sind nicht markiert, Skilifte fahren falsch herum https://www.youtube.com/watch?v=0-qboPA_9AE , der Weg auf die Festung in Tbilisi wird zur Kletterpartie und auf der Mauer gibt es keinerlei Absturzsicherungen. Dieser Punkt setzt sich im Strassenverkehr nahtlos fort – das exorbitante Rasen kombiniert mit viel zu geringen Sicherheitsabständen, Ablenkung durch Handynutzung und absurde Überholmanöver ergeben zusammen mit abenteuerlicher Strassengestaltung (immer wieder Kurven hinter Kuppen, die man nicht erwartet und nicht einsehen kann) eine äusserst gefährliche Mischung, sodass Georgien wenig überraschend zu den europäischen Ländern mit der höchsten Zahl an Unfalltoten bezogen auf die Verkehrsleistung gehört. Ganz besonders ironisch finde ich in diesem Zusammenhang, dass immer noch eine kleine, aber deutlich sichtbare Minderheit mit Masken im Alltag unterwegs war, während das in Armenien so gut wie nie der Fall war.

Das Metronetz in Tbilisi ist zwar auch nur 27 km lang, aber auf dem gut doppelt so langen Netz wie in Jerewan werden etwa achtmal so viele Fahrgäste transportiert (bei etwa vergleichbarer Einwohnerzahl). Mit zwei Linien, die den dicht besiedelten Tälern folgen, scheint das Netz eine gewisse Mindestgrösse erreicht zu haben, die in Jerewan fehlt. Die Erkenntnis, dass eine einzige Metrolinie ohne sinnvolle Ergänzung nicht wirklich nützt, hat sich bereits auf meiner Indienreise in Jaipur gezeigt, wo die Fahrgastzahlen weit hinter den Erwartungen zurückgeblieben sind. Zudem gibt es in Tbilisi ein brauchbares ergänzendes Busnetz, das auf die Metrostationen ausgerichtet ist, mit modernen Fahrzeugen bedient wird, durch Busspuren nicht so hoffnungslos verkehrsabhängig ist und einen gemeinsamen Tarif. Die modernen Marschrutkas sind von der EU finanziert, Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass der ÖPNV in Tbilisi dem aus Jerewan weit überlegen ist und daher auch deutlich besser angenommen wird.
Auch in Kutaissi und Batumi sind brauchbare städtische ÖPNV-Netze vorhanden, es werden relativ neue Busse eingesetzt, während die Marschrutkas in der Regel in deutlich schlechterem Zustand sind. Man braucht allerdings auch hier viel Geduld, denn es gibt keinen öffentlichen Fahrplan. Im städtischen Verkehr zahlt man mit Kreditkarte an den an jeder Tür vorhandenen Automaten, während man bei den Marschrutkas noch bar beim Fahrer beim Ausstieg zahlen muss.
Die Eisenbahn ist in ziemlich rustikalen Zustand, aber immerhin gibt es ein paar Strecken, auf denen ein paar Züge am Tag fahren, sodass man einige Teile des Landes immerhin mit der Eisenbahn erreichen kann, während in Armenien außer dem Nachtzug nach Tbilisi und ein paar Zugpaaren zwischen Jerewan und Gjumri kaum Personenverkehr stattfindet. Man sollte allerdings viel Zeit mitbringen, denn abgesehen von den Stadler KISS zwischen Tbilisi und Batumi sind die Reisegeschwindigkeiten extrem niedrig. Die Gebirgsdurchfahrt auf dieser Strecke ist bereits teilweise begradigt worden und ein weiterer Tunnel ist im Bau.

Georgien, das Land der Draufgänger, Lost Places und der unterschiedlichen Klimazonen von Halbwüste bis zum dichten Wald ist ein tolles Reiseziel für Abenteurer.


Fast die Hälfte der Reise habe ich in der Türkei verbracht. Zunächst gab es einen Bruch nach der Grenzüberquerung aus Georgien, alles auf einmal anders, denn auch wenn sich Armenien und Georgien in einigen Punkten unterschieden haben, war die Türkei dann der eindeutige Kulturwechsel. Faszinierend waren für mich nicht nur die Landschaften - fast könnte man meinen, das Land besteht nur aus spektakulären Landschaften, sondern die Unterschiede in der Kultur, Mentalität und auch in den Preisen. Vom abgelegenen Kars ins moderne Ankara, weiter ins touristische Göreme, ins konservative Konya, dann ins feucht-fröhliche Izmir, in die gemütliche Studentenstadt Eskişehir und zuletzt das erschlagende Istanbul, immer begleitet von den bunten Fahnen und dem Geplärre der Wahlkampfautos.
Zunächst zu den Gemeinsamkeiten der Orte – als erster Unterschied zu Georgien fallen natürlich die Minarette statt Kreuze auf, klar. Doch bereits am Morgen in Hopa bemerke ich, wie viel stärker das Leben in der Türkei draußen stattfindet. Die älteren Herren sitzen zahlreich beim Tee im Café – in Armenien und Georgien waren wir beim Mittagessen oft die einzigen Gäste. Auch sonst sitzen überall Menschen auf Plastikstühlen vor ihrem Geschäft oder Verkaufsstand. Das Angebot von Obst und Gemüse ist viel größer als in Georgien und vor allem Armenien und wird immer vielfältiger, je weiter es nach Westen geht, was keine allzu große Überraschung ist. Die Menschen sind lebhafter, viel weniger zurückhaltend und halten keine Distanz, woran ich mich zunächst erst gewöhnen musste. Überall wird permanent gequalmt, in der Teestube, im Warteraum am Busbahnhof oder einfach auf der Straße und auch wenn Armenien und Georgien nicht gerade Länder sind, in denen viel Wert auf Nichtraucherschutz gelegt wird, ist die Türkei in dieser Hinsicht nochmal eine völlig andere Dimension. Vom nicht existenten Service Georgiens ist in der Türkei nichts zu spüren – man gibt sich Mühe, versucht zu helfen oder auch mal noch was Zusätzliches zu verkaufen. Ein krasser Gegensatz zu Georgien waren die nicht vorhandenen Bettler – während der drei Wochen hatte ich eine Begegnung nur zweimal.
Die Städte sind voller neuer Wohnblocks, es gibt so gut wie keine Hütten wie in Armenien und keine Lost places wie in Georgien. Es gibt ein umfangreiches staatliches Wohnungsbauprogramm, um Menschen mit niedrigem Einkommen eine Wohnung zur Verfügung zu stellen. Tatsächlich ist der Druck auf den Wohnungsmarkt sehr groß – in den letzten Jahren ist die Bevölkerung der Türkei um mehr als eine halbe Million Menschen pro Jahr gestiegen und liegt jetzt bei etwa 85 Millionen, also vergleichbar mit Deutschland. Bei älteren Gebäuden wirkt die Bausubstanz allerdings ziemlich schlecht und es wundert mich nicht, dass beim Erdbeben so viele Häuser eingestürzt sind.
Auf mich hat die Türkei verglichen mit Georgien und Armenien sehr vermüllt gewirkt, Joachim dagegen fand es in der Türkei eher sauber verglichen mit Süditalien. Jedenfalls fliegt überall Plastik in der Landschaft herum und man bekommt es leider ständig und viel zu viel – allein die vielen Flaschen für Trinkwasser ergeben einen riesigen Müllberg… Ob das Leitungswasser trinkbar ist oder nicht, darüber scheiden sich die Geister. Ich habe es jedenfalls nicht getan und die meisten Einheimischen tun es auch nicht.
Kulinarisch gibt es keine großen Unterschiede innerhalb der Türkei, auch wenn es einige besondere regionale Spezialitäten wie Konya Etli Ekmek oder Fırın Kebap gibt, die man jedoch oft auch in anderen Orten findet. Die (Restaurant-)Küche wird durch viel gegrilltes Fleisch, oft vom Lamm, geprägt, dazu gibt es Brot. Auch Lahmacun oder Pide haben als Basis Teig und sind mit Fleisch bzw. Käse belegt. Üppige Beilagen wie Gemüse oder Kartoffeln gibt es eher selten, Gemüse findet man eher in den Vorspeisen (Meze). Außerdem fand ich die Portionen eher klein, sodass es durchaus Vorspeisen braucht, wenn man richtig Hunger hat. Die schrecklich süße Baklava ist eine gute Ergänzung zum Kaffee. Auffällig ist außerdem, dass es viele sehr spezialisierte Restaurants gibt, die nur ein einziges Gericht anbieten. Das passt irgendwie dazu, dass in einer Straße fünf Schmuckgeschäfte mit nahezu identischem Angebot nebeneinander sind, dann drei Läden mit Haustierbedarf und schließlich noch vier Läden für den Heimwerkerbedarf. Positiv für den Reisenden ist außerdem die Auswahl an gefüllten Teigtaschen in verschiedenen Varianten, oft wahlweise mit Fleisch oder Käse, manchmal auch mit Spinat oder Aubergine. Sie lassen sich gut mitnehmen und unterwegs essen und sind in vielen Bäckereien zum günstigen Preis verfügbar. Nur in Göreme haben wir weitgehend erfolglos danach gesucht, dort gibt es nur überteuerte Restaurants und keine Möglichkeit, gute Snacks zu kaufen.

In diversen Aspekten haben sich die besuchten Orte voneinander unterschieden. Da wäre erstens der Preis. Zwischen dem günstigen Kars und dem touristischen Göreme lag oft der Faktor 5 bis 10.
Von den besuchten Großstädten hat für mich Eskişehir herausgestochen, die als einzige mehr bietet als Wohnblocks und Schnellstraßen und mit ihren kleinen Parks und dem Kanal lebenswert erscheint. Izmir und Eskişehir wirken kulturell deutlich anders als das konservative Konya, wo es quasi kein Nachtleben gibt und Alkohol auch eher keinen Platz im Alltag hat, während im Westen ausgiebig gefeiert und getrunken wird. Istanbul als Megacity hat mich dann vollends erschlagen, ein Ameisenhaufen, der niemals schläft und die kulturellen Kontraste der Türkei nochmal in einer einzigen Stadt zusammenfasst.
Eine der größten Überraschungen für mich waren die an den meisten Orten quasi nicht vorhandenen Englischkenntnisse, ich hatte damit gerechnet, dass die Verständigung in Armenien am schwierigsten würde – tatsächlich war das eindeutig in der Türkei der Fall, mit Ausnahme von touristischen Orten wie Göreme und teilweise Istanbul sprechen viele Menschen kein Wort Englisch.
Ein weiterer interessanter Aspekt war das Verhalten von Fahrgästen beim Einsteigen. In den meisten Orten geht es recht ungeordnet mit Rempeln und Drängeln vonstatten, während es in Istanbul äußerst gesittet und effizient abläuft. Wer einen Sitzplatz ergattern will, muss allerdings schnell sein, denn die Einheimischen sind es auch. Stehen ist in der Türkei offenbar äußerst unbeliebt und es werden tatsächlich erst nahezu alle Sitzplätze belegt, ehe jemand steht.

Auch wenn die Großstädte mit Autos überflutet sind, sind in den letzten 20 Jahren sehr große Fortschritte beim Aufbau von städtischen Schienenverkehrssystemen erzielt worden. Die neuen Trambetriebe, zunächst teilweise mit Gebrauchtfahrzeugen aus Deutschland betrieben, haben inzwischen alle Neufahrzeuge unterschiedlicher Hersteller erhalten und zeigen vorbildlich, wie man mit relativ wenig Investitionsaufwand den ÖPNV von chaotischem Busverkehr zu einer zuverlässigen Tram weiterentwickeln kann. Auch wenn man abgesehen von der Tram in Eskişehir und der U-Bahn in Istanbul noch nicht wirklich von einem „Netz“ sprechen kann, wurden die Strecken eindeutig mit Bedacht gewählt, verbinden die wichtigsten Orte einer Stadt miteinander und werden daher auch entsprechend gut angenommen – es handelt sich also definitiv nicht um irgendwelche Prestigeprojekte, die keinen verkehrlichen Nutzen bringen. Der weitere Ausbau sowohl von Tram- als auch U-Bahnstrecken ist in diversen Städten im Gange. S-Bahnsysteme gibt es nur in Istanbul (Marmaray), Izmir und Ankara. Die Eisenbahn spielt im städtischen Verkehr sonst keine Rolle, da die Taktdichte viel zu gering ist und nur ein bis zwei Fahrten am Tag angeboten werden.
Nichtsdestotrotz sind Busse und Taxis immer noch wichtige Standpfeiler des städtischen Nahverkehrs, die die wenigen Schienenstrecken ergänzen. Die eingesetzten Busse sind sehr unterschiedlichen Alters, von uralten Hochflurfahrzeugen bis zu modernen Niederflurfahrzeugen ist alles dabei. Die Servicequalität ist oft unterirdisch, es ist außerordentlich schwierig, die richtige Linie zu finden und noch schwieriger herauszufinden, wie oft und wann sie abfährt. In der Türkei fehlt eine App vergleichbar mit Yandex Transport für Armenien und Georgien, die zwar keine Abfahrtszeiten kennt, aber zumindest zuverlässig die richtigen Linien herausgesucht hat. Google Maps hat manchmal zum Erfolg geführt, doch die Abfahrtszeiten hatten nichts mit der Realität gemeinsam. Es ist sehr schwierig, mit Stadtbussen und den Minibussen im Regionalverkehr (Dolmuş) zum Ziel zu kommen, wenn man nicht ortskundig ist – grundsätzlich kommt man aber so ziemlich überall hin – wüsste man nur, wie…
Aus meiner Sicht ist die größte Hürde bei der ÖPNV-Nutzung in der Türkei die fehlenden Informationen. Selbst für die Tram gibt es oft keinen öffentlichen Fahrplan, keinen Netzplan, keine Information zu Betriebsbeginn und Betriebsschluss. Es ist recht mühsam, sich zurechtzufinden und dann steht man plötzlich vor dem Drehkreuz und die Debitkarte wird nicht akzeptiert. Grundsätzlich ist es ja zu begrüßen, dass man direkt an den Drehkreuzen kontaktlos bezahlen kann, aber nach den gemachten Erfahrungen würde ich immer empfehlen, möglichst eine wiederaufladbare Chipkarte zu beschaffen und diese mit ausreichend Guthaben auszustatten, sofern man eine auftreiben kann (was mir beispielsweise in Eskişehir nicht gelungen ist). Man kommt in der Türkei – vermutlich sogar deutlich besser und häufiger als in Armenien oder Georgien – mit Bussen und Dolmuş günstig überall hin, sollte aber stets eine großzügige Reserve einplanen, wenn man zum Bahnhof fährt. So gab es auf der Reise doch immer wieder Überraschungen und unerwartete Hürden, die böse Folgen haben, wenn man auf dem letzten Drücker dran ist.

Wenn man nicht besonders große Freude an endlosen Busfahrten hat, ist die Eisenbahn in der Türkei ein gutes Verkehrsmittel für längere Strecken. Die Fahrpreise sind außerordentlich niedrig für den Komfort, den man geboten bekommt, in den Fernverkehrszügen gibt es ausschließlich großzügige 2+1-Bestuhlung im Großraumwagen, für Nachtfahrten ist aber natürlich ein Liegewagen oder – noch besser – der Schlafwagen zu empfehlen. Diese sollte man aber rechtzeitig buchen, da es nur einen oder zwei entsprechende Wagen im Zug gibt und das Platzangebot daher sehr begrenzt ist. Die Reisegeschwindigkeit ist nicht sehr hoch, viel mehr als 50 km/h schafft man im konventionellen Verkehr nicht. Der Zustand ist aber um Welten besser als in Armenien oder Georgien und auch spürbar besser als in Bulgarien. Das HGV-Netz wird aber sukzessive erweitert und mit der Eröffnung der Strecke Ankara – Sivas ist die Reisezeit von etwa 9h auf 2,5h (!) gesunken – die Werte sprechen für sich. Die Millionenstadt Bursa bekommt außerdem nach der Fertigstellung der HGV-Strecke erstmalig einen Anschluss an das Eisenbahnnetz. Es gibt große Pläne für den Ausbau des Eisenbahnnetzes, es bleibt abzuwarten, ob dessen Umsetzung tatsächlich erfolgen wird oder nur leere Versprechen sind. Die bisher fertiggestellten Strecken und Bahnhöfe bieten jedenfalls noch unendlich viel freie Kapazitäten für Angebotsausbauten, so fahren zwischen Ankara und Sivas derzeit gerade einmal 3 Zugpaare pro Tag auf einer zweigleisigen Strecke. Die Zuverlässigkeit der Eisenbahn ist durchwachsen – größere Verspätungen kommen immer mal wieder vor, kleinere sollte man einkalkulieren, aber insgesamt funktioniert der Betrieb. Deswegen muss ich eine Lanze für die TCDD brechen, die allen Reiseführern, in denen ich gestöbert habe, allenfalls eine Randbemerkung wert war und das völlig zu Unrecht.

Die Türkei, ein riesiges Land mit fantastischen Landschaften, schönen Eisenbahnstrecken und überraschenden menschlichen Begegnungen. Der Reiz liegt für mich eher in der Natur als in den oft tristen Großstädten.


Und zuletzt dann die Rückkehr in die EU – Bulgarien, aber auch Rumänien, ein überraschend deutlicher Rückschritt gegenüber der Türkei, zumindest aus infrastruktureller Sicht. Sofia besticht mit einem interessanten Tramnetz und einem inzwischen recht gut ausgebauten U-Bahnnetz, man merkt die Auswirkungen der EU-Hilfen. Auch finden sich immer wieder lohnenswerte, interessante Orte, die zum spontanen Aussteigen und Entdecken einladen und günstige Cafés mit leckerem Gebäck. Der türkische Einfluss ist unübersehbar, man findet neben Balkan-Grills selbstverständlich auch Pide, Börek und Baklava.
Schließlich der Zwischenstop in Craiova, verrufen als „Zigeunermetropole“, von dem wir dann doch recht positiv überrascht waren, ehe es weiter ins deutlich fortschrittlichere Ungarn ging. Sicher waren die Startvoraussetzungen andere, Ungarn schon vor dem EU-Beitritt nicht so arm wie Rumänien oder Bulgarien, dennoch finde ich den Unterschied immer wieder erstaunlich. Wie sich Polen, Tschechien und Ungarn in den knapp 20 Jahren in der EU entwickelt haben, ist wirklich erstaunlich und erfreulich und Rumänien und Bulgarien liegen weit zurück.

Auch wenn die Reise etwas chaotisch zu Ende gegangen ist, ziehe ich ein äußerst positives Fazit zum Reiseverlauf. Es gab keine größeren Pannen, wenig unangenehme Situationen – zusammengefasst hat alles deutlich besser funktioniert als erwartet.
Es war keine Reise der Superlative, keine mit starkem Kulturschock und krassen Erlebnissen. Und dennoch war es eine sehr schöne Reise, die ein paar weiße Flecken auf meiner persönlichen Landkarte aufgedeckt hat und die mir in sehr positiver Erinnerung bleiben wird.




Statistik
Gefahrene Bahnkilometer: 6770
Planmäßige Gesamtfahrzeit Bahn: 5d 6h 14min
Reisegeschwindigkeit Bahn: 54 km/h
Gesamtverspätung (analog FGR): 398 min
Kosten pro Bahnkm: 4,2 Cent

Fahrzeit Fernbusse und Marschrutkas: ca. 16h

Gesamtfahrstrecke Jerewan – München (ohne Tagesausflüge und Armenien-Rundfahrt): 7260 km
Davon 88% Eisenbahn, 12% Bus/Marschrutka
Gesamtfahrzeit (ohne Tagesausflüge): 5d 11h
Gesamtreisegeschwindigkeit der Etappen: 57 km/h
Langsamste Etappe: Kutaissi - Batumi (33 km/h)

Kosten Fahrkarten + Reservierungen Bahn: 286 €
Bus, Marschrutka: 42 €
ÖPNV: 96 €
Auto (Anteil): 73 €
Taxi (Anteil): 71 €
Flug: 300 €
Fahrtkosten gesamt: 868 €

Kostenvergleich Luftweg vs. Landweg:
Flug inkl. Rail & Fly: 330 €
Fahrkarten und Reservierungen Jerewan – München (ohne Tagesausflüge): 294 €


Richtig oder falsch? 10 Thesen über die Reise - Auflösung

1. Die Verständigung war in Georgien am schwierigsten, weil dort kaum jemand Englisch spricht.
Falsch. Die jungen Menschen in Georgien sprechen sehr gut Englisch, bei allen ab 35 hilft Russisch deutlich weiter. Die schlechtesten Englischkenntnisse gab es eindeutig in der Türkei.
2. In Armenien ist die Nähe zu Russland deutlich spürbar, während Georgien klar proeuropäisch geprägt ist.
Richtig. Während in Armenien immer wieder Russlandflaggen wehen, sieht man in Georgien mehr EU-Flaggen als in der EU.
3. Der armenische Stempel im Pass hat zu keinerlei Schwierigkeiten bei der Einreise in die Türkei geführt.
Richtig. Es gab keinerlei Anmerkungen dazu bei der Einreise.
4. Die Infrastruktur in der Türkei ist in deutlich besserem Zustand als die in Armenien und Georgien.
Richtig. Die Infrastruktur in der Türkei ist sogar vielerorts besser als in Bulgarien und Rumänien.
5. Vom Wahlkampf in der Türkei hat man als Reisender nichts mitbekommen.
Falsch. Wahlkampfplakate, -stände und -autos waren überall präsent.
6. Vom Erdbeben in der Türkei hat man als Reisender (auf meiner Route abseits der betroffenen Gebiete) nichts mitbekommen.
Richtig.
7. Die türkischen Moscheen darf man als Nicht-Muslim in der Regel nicht betreten.
Falsch. Im Gegensatz zu Marokko war das überall problemlos möglich.
8. Die Züge waren auf der Reise sehr pünktlich.
Falsch, zumindest bezogen auf meine persönliche Statistik seit 2013. Bei einer Gesamtreisezeit von mehr als 160 Tagen in 30 Ländern (davon ein Großteil in Deutschland, Tschechien und Schweiz) ist statistisch gesehen auf 1h Reisezeit eine Verspätung von 2,5 min (entspricht 4,2%) zu erwarten. Auf dieser Reise betrug der Wert 3,2 min (entspricht 5,3%), die Pünktlichkeit war also unterdurchschnittlich.
9. Restaurantbesuche waren auf der gesamten Reise ein Schnäppchen.
Falsch. Auch wenn insbesondere in der Türkei einige sehr günstige Mahlzeiten dabei waren, war Essen gehen in Armenien und Georgien überraschend kostspielig mit mindestens 10€ p.P, oft sogar 15€ bis zu 20€ p.P. Das mag jetzt verglichen mit Deutschland nicht sehr teuer erscheinen und verglichen mit der Schweiz schon gar nicht – war aber teurer als z.B. Tschechien. Die größten Schnäppchen der Reise waren Backwaren und Transport aller Art.
10. Der Landweg (Fahrkarten Jerewan bis München) war etwas günstiger als der Luftweg (Flug und Rail & Fly).
Richtig. Der Preis für den Landweg lag etwa 10% unter dem Luftweg.


FAQ nach der Reise

Was war dein schönstes Erlebnis?

Die Fahrt mit dem Doğu-Express von Kars nach Ankara, ganz klar. Nicht nur die fantastische, abwechslungsreiche Landschaft, sondern auch die Einheimischen, die uns plötzlich einfach so Essen ins Abteil gebracht haben, haben diese Fahrt zu einem außergewöhnlichen Erlebnis gemacht. Bisher musste ich immer überlegen, wie ich die Frage ‚Was ist eigentlich deine Lieblings-Eisenbahnstrecke?‘ beantworten soll. Jetzt ist die Antwort klar – es ist die Strecke Ankara – Kars.
Außerdem hat mich auch die Neugierde und Gastfreundschaft der Menschen in Eskişehir begeistert, besonders die alte Frau, die unbedingt fotografiert werden wollte.

Gab es auch weniger schöne Erlebnisse?
Von kleinen Ärgernissen abgesehen tatsächlich nicht – die Reise blieb quasi frei von bösen Überraschungen.

Hast du dich je unsicher/ bedroht gefühlt?
Die größten Bedrohungen waren sicher das überraschende Gewitter und der Zustand der georgischen Wege… Bezüglich Kriminalität lautet die Antwort nein, allerdings war ich am Stadtrand von Kars in der hereinbrechenden Dunkelheit sehr zurückhaltend und vorsichtig, als ich allein unterwegs war, ansonsten hatte ich nie ein mulmiges Gefühl.

Gab es Probleme beim Fotografieren?
In überschaubarem und erwartbarem Rahmen – die Jerewaner U-Bahn ist wohl eines der bestbehüteten Geheimnisse dieses Planeten und ob und mit welcher Art von Kameras man in türkischen Zügen, Bahnhöfen und U-Bahnen fotografieren darf, ergibt sich hauptsächlich aus der Laune des Aufsichtspersonals.

Würdest du das nochmal machen/ kannst du diese Reiseroute/ Art der Reise empfehlen?
Auf jeden Fall. Insbesondere in der Türkei und in Georgien würde es noch zahlreiche weitere spannende Orte zu entdecken geben, die in dieser Reise keinen Platz mehr gefunden haben. Wer weiß, vielleicht finden die 2016 auf der Innotrans ausgestellten Stadler-Schlafwagen für Ankara – Tbilisi – Baku doch noch irgendwann den Weg auf die dortige Schiene. Oder es ergibt sich mal eine Gelegenheit, das Eisenbahntrajekt über den Vansee bis in den Iran zu nutzen…
Wer abwechslungsreiche Länder ohne besonderen Kulturschock und ein Eisenbahnabenteuer sucht, ohne um den halben Globus zu fliegen, wird hier fündig.

Wie ist der Reisebericht entstanden?
Wie alle anderen bisher auch – an den meisten Reisetagen habe ich die Erlebnisse des Tages abends handschriftlich festgehalten. Nach der Reise habe ich dann alles abgetippt und weitere Hintergrundfakten recherchiert und ergänzt. Das mühsame Abtippen habe ich für diese Reise zum letzten Mal gemacht, denn danach habe ich eine Bluetooth-Tastatur als Geschenk bekommen und kann die Erlebnisse während der Reise direkt ins Handy tippen.


Was von der längsten Reise bleibt, die ich je unternommen habe - neben diesem Reisebericht, der in Word (ohne Bilder) 142 Seiten lang ist, uff…
Bild
Mein Bahnjahr 2023
Zurückgelegte Strecke: 28.430 km - Planmäßige Gesamtreisezeit: 18,3 Tage - Gesamtverspätung (analog FGR): 1436 min - Planmäßige Reisegeschwindigkeit: 65 km/h - Durchschnittliche Fahrzeitverlängerung aufgrund von Verspätung: 5,5% - Fahrtkosten: 8,9 Cent/km - Anschlussquote (alle Anschlüsse einer Verbindung mit min. 1 Umstieg erreicht): 84,1%
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TramBahnFreak
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Re: [AM][GE][TR][BG][RO][HU] Der Landweg aus Jerewan

Beitrag von TramBahnFreak »

Wow!

Vielen Dank fürs Mitnehmen! 8)
146225
*Lebende Forenlegende*
Beiträge: 17644
Registriert: 01 Apr 2007, 17:45
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Re: [AM][GE][TR][BG][RO][HU] Der Landweg aus Jerewan

Beitrag von 146225 »

Frage an Radio Jerewan: Gibt es im EF absolut lesenswerte Reiseberichte? Antwort: Im Prinzip ja, solange Entenfang der Verfasser ist!

Vielen Dank für all die Mühe, für all die Bilder und für die vielfältigen Eindrücke: gerade weil man so eine Reise nicht morgen schnell mal eben selber macht, bin ich von Folge zu Folge gerne "mitgekommen"!
München kann jeder. Duisburg muss man wollen!
Dark Angel
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Re: [AM][GE][TR][BG][RO][HU] Der Landweg aus Jerewan

Beitrag von Dark Angel »

146225 hat geschrieben: 06 Sep 2024, 05:24 Frage an Radio Jerewan: Gibt es im EF absolut lesenswerte Reiseberichte? Antwort: Im Prinzip ja, solange Entenfang der Verfasser ist!

Vielen Dank für all die Mühe, für all die Bilder und für die vielfältigen Eindrücke: gerade weil man so eine Reise nicht morgen schnell mal eben selber macht, bin ich von Folge zu Folge gerne "mitgekommen"!
Dem schließe ich mich an. Absolut fantastisch, welchen Aufwand Du Dir machst, um uns teilhaben zu lassen. Vielen Dank!
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karhu
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Re: [AM][GE][TR][BG][RO][HU] Der Landweg aus Jerewan

Beitrag von karhu »

Vielen Dank auch von mir für den tollen Bericht.

Ja das die EU Länder Bulgarien und Rumänien trotz EU Gelder kaum einen besseren ÖPNV und Schienenverkehr als die Türkei haben ist schon überraschened. Auch das es direkte Zugverbindungen zwischen der Türkei und Bulgarien gibt ist überraschend, ins EU Land Griechenland geht nämlich gar nichts von Bulgarien.
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