[M] Wir machen eine Zeitreise...1977

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Flo
Kaiser
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Beitrag von Flo »

Jetzt, wo Sommerloch ist, hab ich mir mal gedacht, auch eine Zeitreise zu machen, wo wir weiter unten schon ins Jahr 1989 und 2009 gereist sind, eingeladen ist jeder! :) Diese Reise führt uns in eine Zeit, in der die Münchner ÖPNV-Welt noch "ganz anders" ausgesehen hat, ich selbst erblickte erst 5 Jahre später das Licht der Welt. Die Person nennen wir auch wieder Willi. Hilfe bieten vielleicht auf tram-muenchen.de die Netzpläne, sowie dort die Rubrik "Historisches". Auch alte Verkehrslinienpläne können helfen.

Willi kommt aus einem Dorf bei Augsburg, ist Eisenbahn- und Straßenbahnbegeistert, kennt das Augsburger Straßenbahnnetz bereits in- und auswendig als seine Eltern ihm im Alter von 14 Jahren erlauben, für eine Woche in den Osterferien zum ersten mal alleine nach München zu fahren. Die ersten 2 Tage möchte er den innerstädtischen Verkehr erkunden, die anderen 2 Tage das Umland. Eingemietet hat er sich in einer Jugendherberge am Rotkreuzplatz.

Von seinen Eltern wurde er nach Augsburg zum Bahnhof gebracht. Nach kurzer Zeit kam auch schon der Nahverkehrszug von Dinkelscherben nach München HBF, bespannt mit einer 117, und einer bunt zusammengewürfelten Wagengarnitur aus Silberlingen und Umbauwagen. Sogar ein alter Vorkriegseilzugwagen war eingereiht. "Toll" dachte Willi, dass er noch mal mit so einem alten Wagen fahren konnte. Doch er wurde enttäuscht. Das war der 1.Klasse Wagen! Also nahm er im Umbauwagen direkt hinter der Lok platz. Auf dem Nachbargleis übernahm gerade eine 210 einen Urlauber D-Zug von Dortmund nach Obersdorf, ein paar Anschlussreisende stiegen nach München um. Einige Preußen schimpften "über die alten Bayrischen Züge", als sich auch schon die Motoren der Altbauelok kräftig aufheulten und der Zug sich mit einem kräftigen Ruck in Bewegung setzte. Bis Maisach sollte nun an jedem Bahnhof gehalten werden. Willi freute sich nach jedem Halt mehr auf die bevorstehenden Tage in München. Die Fahrt zog sich erstkräftig in die Länge, denn in Hochzoll musste auch noch ein verspäteter Anschluss aus Ingolstadt abgewartet werden, aber kurz darauf heulte auch schon der Akkutriebwagen der Baureihe 515.
Nach etwa 35 Minuten war Maisach erreicht, hier sah Willi zum ersten Mal einen 420. Er war in glänzendem Blau und sah sehr gepflegt aus. Nur wenige Fahrgäste des Zuges stiegen in die S3 nach Ismaning um, und Willi notierte sich 420 010/421 010/420 510. Nun ging die Fahrt sehr rasch voran, denn der Zug fuhr nun bis Pasing ohne Halt durch. Inzwischen hat sich auch der Schaffner bis zu ihm vorgearbeitet. Da er nun den Zug kontrolliert hatte, konnte sich Willi nun mit ihm ein wenig unterhalten. So erfuhr er, dass der Einsatz der 117 nach München bereits zu einer großen Ausnahme geworden ist, die Lok vor seinem Zug ist als Ersatz für eine ausgefallene 141 eingesprungen. Die 117 wird sonst nur noch für "Kirchturmfahrten" um Augsburg herangezogen, sowie vereinzelt in München für Abstellfahrten nach Pasing-West. Kaum war das Gespräch beendet, da war auch schon Pasing erreicht. Nach einem kurzen Halt ging es weiter, Willis Herz klopfte immer stärker. Viele blaue 420 wurden nun überholt, drüben im Rangierbahnhof Laim war reger Verkehr. Am Betriebswerk vorbei, wo zahreiche 141, 144 und ein paar ÖBB 1042 sowie ein paar 111er auf ihre nächsten Einsätze warteten, ging es unter der Donnersberger Brücke durch, der Zug verlangsamte seine Geschwindigkeit, und über den Weichenstraßen machte die Federung des Umbauwagens ihren Namen alle Ehre. Mit einem kraftigen Ruck und lautem Quietschen kam der Zug in der Bahnhofshalle zum stehen.
Willi war von er großen Halle fasziniert. Das ganze hektische Treiben kannte er vom Augsburger Hauptbahnhof gar nicht. Er schlenderte zunächst ein wenig durch die Bahnhofshalle, notierte sich vorher die Nummer der Lok seines Zuges, 117 113. Was es in der Halle alles zu sehen gab! Viele 141, mehrere 103er an Intercity-Zügen, und ein paar 144 waren zu sehen, ja sogar eine 116, die einen Eilzug aus Freilassing brachte, verirrte sich noch nach München. Aus Fachzeitschriften wusste Willi, dass der 116 bald das gleiche Schicksal blühen wird wie der 117.
Doch die ersten beiden Tage wollte er den innerstädtischen Verkehr erkunden, also zog er sich an einem MVV-Automaten ein 24 Stunden Ticket und ab gings zum Bahnhofsvorplatz. Doch was war das? Eine riesen Baugrube tat sich vor ihm auf. Einige Arbeiter hatten gerade Pause und so fragte er sie, was denn da großes gegraben wird. Er brachte in Erfahrung, dass da ein gewaltiges unterirdisches Verkehrskreuz entsteht. "Ja klar" schoß es ihm in den Kopf. "Die zweite U-Bahnstammstrecke". Im Sommer sollen hier die Arbeiten abgeschlossen werden, dann soll auch die Trambahn wieder den Bahnhofsplatz passsieren können. Aber die meisten Linie sind über den Stachus umgeleitet.
Am HBF Nord endeckte er schließlich eine Trambahnhaltestelle wo schon sehr viele Fahrgäste warteten. Es scheint schon einige Zeit vergangen, als hier die letzte Tram vorbeigekommen ist, denn da wartete eine gewaltige Menschentraube. "Immer diese Verdrußlinie" schimpften einige, "wann wird endlich zu uns eine U-Bahn gebaut, damit ich auf dieses lahme Ding da verzichten kan". Andere sagten "So eine Tram braucht diese Stadt nicht". "Die Münchner scheinen ihre Tram ja überhaupt nicht zu mögen", schoß es Willi in den Kopf. Nach einer Weile kam aus der Dachauer Straße auch schon ein total überfüllter Zug der Linie 1 auf seinem Weg von Moosach nach Steinhausen, Willi notierte sich die Nummern des Zuges, 2312 und 3333. "Da hat es sicher irgendwo einen Verkehrsunfall gegeben, denn dem Zug der Verstärkungslinie 11 zum Maximilliansplatz und 2 weitere 1er. Willi quetschte sich so gut es ging in den Zug. Die Motoren heulten auf, und im Schritttempo überquerte der Zug den Rand der Baustelle am Bahnhofsplatz. Nach kurzer Fahrt war der Stachus erreicht.

So, wie gehts jetzt weiter? ;) Fährt Willi mit dem 1er weiter, bleibt er am Stachus, oder steigt er in eine andere Linie um? Ich hab jetzt genug geschrieben, jetzt seit ihr dran! :) Die älteren können vielleicht auch noch den damaligen "Zeitgeist" (Also Gesellschaft, Polikit usw..) ein wenig einbringen.
Wirklichkeit
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Beitrag von Wirklichkeit »

Am Stachus wurde Willy plötzlich stutzig: Das waren doch unterschiedliche Modelle, die auf den ersten Blick so gleich aussahen. Er meinte den M-Wagen, der am Stachus jetzt in zwei verschiedenen Modelltypen vor ihm stand, bevor beide Züge die Fahrt durchs Karlstor Richtung Marienplatz fortsetzen würden. Ja richtig, der eine hatte Teleskopschiebetüren, der andere Schwenkschiebetüren. Interessant. Aber das war noch nicht alles: Der eine M-Wagen hatte die Mitteltür hinter der Mittelachse, beim anderen war die Mitteltür vor der Mittelachse, also um ein Trambahnfenster nach vorne verlegt. Der eine M-Wagen hatte einen Scherenstromabnehmer, der andere einen modern aussehenden Stangen/Einholmstromabnehmer. Naja, das werden wohl kleine Änderungen oder Reparaturen sein, dachte sich Willy. Aber da täuschte er sich: Denn er wußte damals noch nicht, daß am 2.1.1950 der Prototyp des M-Wagens zum ersten Mal auf den Münchner Gleisen unterwegs war (Typ M1), dem wenig später weitere Prototypen folgten (Typ M2). Erst dann kam der verbesserte "richtige" M-Wagen (Typ M3), und weil die Zahl der Fahrzeuge nicht ausreichte, wurde er bald durch weitere Exemplare verstärkt (Typ M4). Das war so um 1956-58. In den 60er Jahren (1963-65) kamen dann die letzten in München gebauten M-Wagen (Typ M5), die sich in einigen Einzelheiten von den Vorgängern unterschieden (siehe oben). Ja, so war das, dachte sich Willy, und verpasste promt beide M-Wagen Richtung Marienplatz. Macht nix, dachte sich Willy, der nächste kommt ja gleich. Also ging er in den Justizpalast, und schlenderte ein wenig in den Gängen umher. Hinten links im 2. Stock sah er das Büro des Landesjustizprüfungsamtes. Ich will später mal Jura studieren! sagte sich Willy, und das war nicht sein erster guter Gedanke an diesem Tag. Freundlich wurde er von den Mitarbeitern des Landesjustizprüfungsamtes beraten, und es wurde ihm gesagt, daß er noch viel Zeit habe, sich das zu überlegen. Denn jetzt sei er erst mal verhaftet. Wegen Spionageverdachtes. Birnbaum und Hollerstauden, schimpfte Willy, das kann doch gar nicht sein, denn er mußte wohl beim Fotographieren der Straßenbahnwagen beobachtet worden sein. Aber Willy hatte das Grundgesetz gelesen, zumindest die ersten 20 Paragarphen, und er wußte: Wir leben Gott sei dank in einem Rechtsstaat. Und da braucht der Staat, der in die Rechte des einzelnen Bürgers eingreift, eine Rechtsgrundlage. Und die wußte natürlich keiner der voreifrigen Pozilisten, die sich schon darauf gefreut hatten, ihn zu verhaften. Und so ging Willy mit seinem Foto wieder runter auf die Straße. Da kam ein knallorange-farben-angestrichener M-Wagen daher: Die Fahrschule der Stadtwerke Verkehrsbetriebe! Das muß ich mir anschauen, freute sich Willy und rannte los...
Wirklichkeit
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Beitrag von Wirklichkeit »

Aäh, tut mir leid, da habe ich im Eifer des Gefechts und überwältigt von alten Trambahnfotos mal schnell was verwechselt. Natürlich sind die M-Wagen 1977 nicht weiter durch das Karlstor in Richtung Marienplatz gefahren. Aber ihr habt natürlich wieder nichts gemerkt. Ich wollte nämlich nur schauen, ob ihr auch alle brav aufpasst. Hihi... :D
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autolos
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Beitrag von autolos »

Flo @ 10 Aug 2005, 21:37 hat geschrieben: Doch die ersten beiden Tage wollte er den innerstädtischen Verkehr erkunden, also zog er sich an einem MVV-Automaten ein 24 Stunden Ticket und ab gings zum Bahnhofsvorplatz.
Gab es denn 1977 schon 24h-Tickets (die sicherlich auch nicht Tickets hießen)?
Für die, die sich anmaßen über den Wert und Unwert anderer zu urteilen: Die Würde des Menschen ist unantastbar!
tra(u)mmann

Beitrag von tra(u)mmann »

autolos @ 22 Aug 2005, 12:44 hat geschrieben: Gab es denn 1977 schon 24h-Tickets (die sicherlich auch nicht Tickets hießen)?
die Tageskarte hieß früher wirklich 24h-Ticket

Sie gibt es schon ewig, vermutlich mit der Einführung des MVV, ziemlich sicher aber zumindest 1977.
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Wildwechsel
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Beitrag von Wildwechsel »

1. August 1973

Einführung der Bezeichnung "24-Stunden-Ticket" (vorher
"Tages- und Touristenkarte").
Quelle
Beste Grüße usw....
Christian


Die drei Grundsätze der öffentlichen Verwaltung in Bayern:
1. Des hamma no nia so gmacht
2. Wo kamat ma denn da hi
3. Da kannt ja a jeda kemma
tra(u)mmann

Beitrag von tra(u)mmann »

Wildwechsel @ 22 Aug 2005, 13:17 hat geschrieben:
1. August 1973

Einführung der Bezeichnung "24-Stunden-Ticket" (vorher
"Tages- und Touristenkarte").
Quelle
Dort steht auch, dass die Raucherabteile in der S-Bahn schon 1973 abgeschafft wurden. Auch wenn man in der S-Bahn normalerweise nur kurze Zeit verbringt (kürzer als im Regional- und Fernverkehr) und daher eher auf die Zigarette verzichten kann, ist das eine erstaunliche Leistung. Man muss an die damals nichtraucherfeindliche Zeit denken (mit Zigarettenwerbung im TV!!!). Respekt, hier war die S-Bahn ihrer Zeit weit voraus!
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FloSch
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Beitrag von FloSch »

tra(u)mmann @ 22 Aug 2005, 13:25 hat geschrieben: Dort steht auch, dass die Raucherabteile in der S-Bahn schon 1973 abgeschafft wurden. Auch wenn man in der S-Bahn normalerweise nur kurze Zeit verbringt (kürzer als im Regional- und Fernverkehr) und daher eher auf die Zigarette verzichten kann, ist das eine erstaunliche Leistung. Man muss an die damals nichtraucherfeindliche Zeit denken (mit Zigarettenwerbung im TV!!!). Respekt, hier war die S-Bahn ihrer Zeit weit voraus!
Der Grund war weniger der Nichtraucherschutz als eine gleichmäßigere Ausnutzung der Züge soweit ich weiß. Nichtraucherschutz war damals wirklich noch ein Fremdwort.
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MVG-Wauwi
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Beitrag von MVG-Wauwi »

tra(u)mmann @ 22 Aug 2005, 13:25 hat geschrieben: Dort steht auch, dass die Raucherabteile in der S-Bahn schon 1973 abgeschafft wurden. Auch wenn man in der S-Bahn normalerweise nur kurze Zeit verbringt (kürzer als im Regional- und Fernverkehr) und daher eher auf die Zigarette verzichten kann, ist das eine erstaunliche Leistung. Man muss an die damals nichtraucherfeindliche Zeit denken (mit Zigarettenwerbung im TV!!!). Respekt, hier war die S-Bahn ihrer Zeit weit voraus!
Das dürfte wie der Wegfall der 1. Klasse wohl auch mit den bald nach der Inbetriebnahme auftrtenden Kapazitätsengpässen zusammenhängen. So wurde wohl auch schon damals in den Raucherabteilen - im wahrsten Sinne des Wortes - mehr heiße Luft durch die Gegend gefahren, als tatsächlich Nachfrage nach Raucherplätzen bestand. Zudem ist es auch abfertigungstechnisch günstiger, wenn sich nicht jeder Beförderungsfall zuerst das ihm genehme Abteil sucht.....
Gruß vom Wauwi
tra(u)mmann

Beitrag von tra(u)mmann »

FloSch @ 22 Aug 2005, 13:53 hat geschrieben:Der Grund war weniger der Nichtraucherschutz als eine gleichmäßigere Ausnutzung der Züge soweit ich weiß. Nichtraucherschutz war damals wirklich noch ein Fremdwort.
nun gut, das Ergebnis zählt vor allem, nicht nur das Motiv.

Welche Abteile waren besser gefüllt, Raucher oder Nichtraucher? Nachträgliche Ergänzung: Da war MVG-Wauwi mit seinem Beitrag schneller, die Frage ist prinzipiell beantwortet.

Gab es größere Proteste bei der Abschaffung?

Dass damals noch kein Antiraucherbewusstsein vorhanden war, lag daran, dass die Zigarettenmafia bewusst Untersuchungen manipuliert und nicht schmeichelhafte Erkenntnisse über ihre Giftprodukte zurückgehalten hat.

Nach dem Motto
Ärztliche Studie zu den Risiken des Rauchens.

Ergebnis: Im Rahmen einer 5-jährigen Studie mit 1.000 Probanden konnten keine schädliche Auswirkungen des Rauchens nachgewiesen werden.

Der Tabakkonsum ist daher aus medizinischer Sicht als völlig unbedenklich einzustufen.

Gezeichnet

Dr. Marlboro
:D

Ach ja, Zigarettenweerbung muss unbedingt erlaubt bleiben. Da die Zigarettenindustrie einer der wenigen Industriezweige ist, die ihre Konsumenten mit ihren Produkten töten, sind die Konzerne darauf angewiesen, Werbung zur Gewinnung potenzieller Neukunden einzusetzen.
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