TheBaxhers hat geschrieben: ↑11 Jul 2022, 13:52
Was ich mich seit der Ankündigung von 2035+ die ganze Zeit frage: Was ist denn eigentlich der Grund dafür, dass es wirklich SO lange dauert? Wollen wir da mal über die Gründe spekulieren?
Bitte sachliche Beiträge und kein "Die Politik bekommt eh nix hin", "Verkehrswende Ade", "eben typisch Bahn/Deutschland/Bayern usw." oder sonstige populistischen Plattitüden.
Nun, es könnte an folgenden Themen mit ursächlich liegen:
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Verzögerungen beim Material. Ich weiß nun nicht, wie viele spezialisierte Teile bei diesem Bauvorhaben verplant sind und verbaut werden sollen, aber letztlich reichen ja wenige pro Bauabschnitt, die nicht bzw. nicht in der vorgesehenen Zeit verfügbar sind, um die Fertigstellung des gesamten Bauwerks in Summe erheblich zu verzögern. Fürs länger warten darf man dann in der Regel auch noch mehr bezahlen, da freut sich jeder Bauherr.
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Personalmangel bei Planung und Genehmigung. Es ist eine Binsenweisheit, dass man durch Ent-Bürokratisierung vieler Verfahren nicht nur beim Neubau von Infrastruktur viel Geld sparen könnte bzw. es in tatsächlich nutzbringende Arbeit umleiten. Viel weniger bekannt, aber letztlich für die Kriterien "Zeit" und "Geld" genauso schädlich ist, dass sowohl im Ingenieurbau aller Art als auch bei Baubehörden jeglicher Ebene der kleine Personalmangel auch schon zu Hause ist. Sprich: was idealerweise z.B. ein Team aus 20 Leuten bearbeiten sollte, bleibt oft an max. einer Handvoll Mitarbeitender hängen, die dann bis unendlich in Arbeit und Überstunden versinken. Was deren Motivation natürlich erhöht wie sonst was.
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Personalmangel am Bau: Und wenn der Plan mal steht und genehmigt ist, dann müsste den ja auch mal jemand in die Realität umsetzen. Dummerweise ist Arbeit am Bau, am Ende noch so richtig bei Wind und Wetter draußen, 2022 schrecklich unsexy. Das hat nix mit Verdienst zu tun: eine qualifizierte Fachkraft, gar ein Meister oder Techniker im Baubereich kann (sehr) gutes Geld verdienen. Aber es bleiben halt Berufe der Sorte mit Lärm, Schmutz, Überstunden und viel
"Rabotti Ker, getz komm ma ausm Kreuz! Watt is mit anpacken!?" - danach streben heute nur noch wenige. Dementsprechend sind die Terminkalender von Fachfirmen für Gewerke wie Tunnelbau, Gleisbau, Fahrleitungsbau und dergleichen mehr auch auf Jahre und Jahre hinaus ausgebucht. Verschieben dann fehlende Teile und/oder Geräte den Zeitplan, stehen die Teams nicht am Tag nach der Nachlieferung wieder nahtlos bereit um weiter zu machen.
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Verzögerungen bei Gerätschaften: ich kann das nicht mit letzter Sicherheit sagen, aber m.W. nach sind z.B. Tunnelbohrmaschinen komplexe technische Geräte, welche spezifisch für jedes Bauvorhaben zumindest umgebaut werden müssen. Auch im Maschinenbau sind gute Mitarbeitende rar und teuer, und Material ist knapp und teuer. Lass hier mal nur ein paar Monate Verzögerung ins Spiel kommen, weil manche Komponenten für die Anlagentechnik erst mit Verzögerung bereit stehen, das wirkt sich auf das ganze Projekt aus.
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Wille! Das ist natürlich nicht in nüchternen Zahlen zu greifen, aber der unbedingte Wille ein gestecktes Ziel auch zu erreichen, möglichst perfekt zu erreichen, ist m.E. nach zu vielen in der Gesellschaft schon längst abhanden gekommen.
Lasst uns pflügen, lasst uns bauen, lernt und schafft wie nie zuvor: das war einmal. Und wem das zu sehr nach roter Arbeiterromantik klingt, der kann gerne das Jahrzehnte später (2012) geprägte
"Whatever it takes!" eines Römers namens Mario Draghi verwenden - derart klare Fixierung auf Zielerreichung, derart unnachgiebiges Durchhaltevermögen ist selten geworden. Das zeigt sich letztlich auch im fehlenden Willen, demokratisch getroffene Entscheidungen - so sie nicht offenkundig strafbar oder sachlich falsch sind - auch mal zu akzeptieren, auch wenn sie nicht dem eigenen Gusto entsprechen. Sieht man ja hier direkt im Thema...
Sicherlich habe ich jetzt noch etwas vergessen, es mag noch unabhängig davon weitere Einflüsse geben, von Überraschungen beim eigentlichen Bau mal ganz zu schweigen. Da war ja nicht nur der Bombenfund, sondern die alte Hauerweisheit
"Vor der Hacke ist es düster!" gilt auch 2022 ff. noch ganz genauso wie anno dazumal. Den einen Grund, warum sich ein solches Bauvorhaben länger dauert und mehr kostet, gibt es nicht. Aber eine Kombination vieler Faktoren schafft das nun sicherlich genauso.