JLanthyer @ 8 Jan 2016, 12:46 hat geschrieben: Das wäre genau das richtige für die Bundesrepublik, was aber auch Ländersache ist. Leider hat die Erfahrung mit dem Volksentscheid gezeigt, daß es bei dem Volksentscheid nicht um die Sache, sondern um das Gesetz zur Sache ging.
Wie Guru es aufgezeigt hat, ist es in der Schweiz offenbar möglich, über die Sache abzustimmen.
So ein Schmarn, immer diese Schweiz-Lobhudelei von euch Preußen.
Hier in Bayern gibt es auch "zur Sache" die Entscheidung zum strengen Rauchverbot, "zur Sache" das erfolgreiche Volksbegehren zur Abschaffung von Studiengebühren, sodass der Landtag gleich einknickte und sich die Abstimmungsniederlage im Entscheid ersparte, indem man die gleich selbst abgeschafft hat. Das zeigt sehr deutlich, dass es bei Volksbegehren und Volksentscheid in Bayern gerade nicht um das Gesetz zur Sache geht, sondern um die Sache.
Der Grund, warum es auf Bundesebene keine direkte Demokratie ist, der ist ganz banal. Die BRD ist das selbe wie die EU auf kleinerer Ebene. Zuerst waren die Länder da. Diese sind auch souveräne Einzelstaaten. Diese Länder haben sich selbstbestimmt zum Bund - daher ja auch schon der Name! - zusammen geschlossen und sind ihm selbstbestimmt beigetreten, nicht umgekehrt, als ob zuerst "Deutschland" dagewesen wäre und das wäre dann nur zu Verwaltungsgründen untergliedert worden. Das BVerfG hat das einmal sehr anschaulich, auch für juristische Laien anschaulich, formuliert:
"1. Art. 79 Abs. 3 GG verbietet eine Änderung des Grundgesetzes, durch welche "die Gliederung des Bundes in Länder" berührt wird. Die "Länder" sind hier, wie es dem Begriff und der Qualität des Bundesstaates entspricht, gegen eine Verfassungsänderung gesichert, durch die sie die Qualität von Staaten oder ein Essentiale der Staatlichkeit einbüßen. Ob die Länder der Bundesrepublik "Staaten" sind oder von Körperschaften "am Rande der Staatlichkeit" zu "höchstpotenzierten Gebietskörperschaften" in einem dezentralisierten Einheitsstaat herabsinken, läßt sich nicht formal danach bestimmen, daß sie eine eigene Verfassung besitzen und daß sie über irgendein Stück vom Gesamtstaat unabgeleiteter Hoheitsmacht verfügen, also irgendeinen Rest von Gesetzgebungszuständigkeit, Verwaltungszuständigkeit und justizieller Zuständigkeit ihr eigen nennen. In solcher Sicht könnten die Länder in ihrer Qualität als Staaten durch Grundgesetzänderungen nach und nach ausgehöhlt werden, so daß am Ende nur noch eine leere Hülse von Eigenstaatlichkeit übrig bliebe. Die Länder im Bundesstaat sind nur dann Staaten, wenn ihnen ein Kern eigener Aufgaben als "Hausgut" unentziehbar verbleibt." (BVerfGE 34, 9), das zeigt nicht nur die Grenzen der Regelung "Bundesrecht bricht Landesrecht", der Bund hat hier ganz konkret in Länderhoheit hineingepfuscht und sich dabei auf "Bundesrecht bricht Landesrecht" berufen und das Bundesverfassungsgericht hat den Bund entsprechend zurückgepfiffen (weil das so grenzenlos und pauschal eben gerade nicht gilt), das zeigt auch, dass die Länder wortwörtlich als einzelne, volle Staaten anzusehen und zu erhalten sind und gerade nicht nur Gebietskörperschaften "am Rande der Staatlichkeit" in einem lediglich dezentralen Staat sind. Ich weiss, seit Bismarcks Schmähbegriff "Kleinstaaterei" lieben die Deutschen den Zentralismus, unser Grundgesetz sieht das aber eben einfach anders. Der Kern deutscher Staatsgewalt ist bei den Ländern und darum ist folgerichtig dort das Instrument direkter Demokratie anzusiedeln.
Das Grundgesetz ist hier ebenso eindeutig:
Art. 30
Die Ausübung der staatlichen Befugnisse und die Erfüllung der staatlichen Aufgaben ist Sache der Länder, soweit dieses Grundgesetz keine andere Regelung trifft oder zuläßt.
Im Regel-Ausnahme Verhältnis geht also alle Staatsgewalt von den Ländern aus, diese sind das Zentrum aller Staatlichkeit in Deutschland. Und sollte es einmal anders sein, dann gilt:
Art. 83
Die Länder führen die Bundesgesetze als eigene Angelegenheit aus, soweit dieses Grundgesetz nichts anderes bestimmt oder zuläßt.
d. h. selbst beim Ausnahmefall einer Bundeszuständigkeit der Gesetzgebung, die dem Bund ja von den Ländern überhaupt erst zugewiesen wurde, ist der Regelfall, dass dennoch die Länder für den Vollzug verantwortlich sind.
Der Bund ist nur für ganz wenige Dinge verantwortlich.
Und eines dieser ganz wenigen Dinge ist leider die Eisenbahn außerhalb des ÖPNV, vgl.
Art 87e IV GG
Der Bund gewährleistet, daß dem Wohl der Allgemeinheit, insbesondere den Verkehrsbedürfnissen, beim Ausbau und Erhalt des Schienennetzes der Eisenbahnen des Bundes sowie bei deren Verkehrsangeboten auf diesem Schienennetz, soweit diese nicht den Schienenpersonennahverkehr betreffen, Rechnung getragen wird. Das Nähere wird durch Bundesgesetz geregelt.
Volksabstimmungen auf Bundesebene werden auch nie zulässig sein, weil damit die Eigenstaatlichkeit der Länder - die am Anfang und im Zentrum deutscher Staatlichkeit steht - unzumutbar eingeschränkt werden würde. Deswegen sieht das Grundgesetz Volksentscheide auch nur dann vor, wenn es um Länderneugliederungen geht (diese sind auch nicht "auf Bundesebene", wie die Presse immer schreibt, sondern in den beiden betreffenden Ländern, die zB fusionieren wollen oder innerhalb des Landes, welches sich zB aufspalten möchte - d. h. auch dieser Volksentscheid im Grundgesetz ist kein eigentlicher Volksentscheid auf Bundesebene, der würde nämlich bedeuten, dass beispielsweise auch die Bayern mit darüber abstimmen dürfen, ob Berlin und Brandenburg fusionieren sollen, was natürlich nicht der Fall ist).
Volksentscheide auf Bundesebene sind überflüssig, weil die große Masse staatlicher Befugnisse auf Länderebene stattfindet und die Länder über den Bundesrat beim Großteil der Bundesgesetze ebenso mit abstimmt (bzw. gegen den Bundesrat nichts möglich ist). Und die paar Fragen, die wirklich nur in Bundeskompetenz liegen, die werden ja nicht von Kaiser Merkel entschieden, sondern vom gewählten Bundestag. Es ist ein anderes System als in der Schweiz, aber definitiv kein "schlechteres" oder "undemokratischeres" - Demokratie heißt ja nicht "Diktatur der Mehrheit". Und ganz ehrlich, ich bin mir nicht sicher, ob wir mit unserer eisenbahnfreundlichen Haltung hier auch nur ansatzweise in der Mehrheit sind oder unsere Mitbürger bei einer direkten Abstimmung nicht mehrheitlich sagen würden "Haut das Zeug weg" und dann die echte Privatisierung real werden würde. So wie es schon mit Post und Telekom gemacht wurde.