ICE-T-Fan @ 31 Aug 2010, 02:51 hat geschrieben: Während also gerade an allen Gleisen jeweils ein Zug abgefertigt werden kann, kann der nächste Zug schon auf den Einfahrtsgleisen Richtung Bahnhof fahren während gerade ein anderer Zug auf dem Ausfahrtgleis das Gleisfeld verlässt.
Das brauchen wir aber eigentlich gar nicht näher betrachten - mit geeigneter Blockteilung bekommen wir immer genug Züge nachgeliefert, solange wir keinen extremen Unterschied zwischen der Zahl der Zulaufgleise und der Zahl der Bahnsteiggleise haben.
Damit diese Bewegung dynamisch aufrecht erhalten werden kann, muss immer mindestens ein Ausfahrtgleis frei bleiben.. alle anderen könnten theoretisch als Einfahrtgleise behandelt werden, nur dass dies dann zu Lasten der Abfertigungsgeschwindigkeit jedes individuellen Zuges geht.
Und hier ist schon einer der wesentlichen Fehler Deiner Berechnung. Wir können natürlich sagen, wir haben 10 Zulaufgleise, davon nutzen wir 9 als Einfahrgleise, und eines als Ausfahrgleis. Das ist aber völliger Blödsinn, weil wir dann die Züge nicht mehr aus dem Bahnhof rausbekommen. Den besten Durchsatz haben wir bei symmetrischer Verteilung (5 Einfahr, 5 Ausfahrgleise), je asymmetrischer die Verteilung wird, desto geringer wird der Durchsatz. In Deinem Modell hat man aber den besten Durchsatz bei 9 Einfahr- und einem Ausfahrgleis - das ist aber falsch, daher kann das Modell nicht stimmen.
Jeder in diesem virtuellen Bild vor unseren Augen stillstehende Zug repräsentiert eine Zugbewegung pro Zeiteinheit. Man kann es sich bildlich einfach so vorstellen, dass die Züge in diesem statischen Bild sagen wir alle 10 Minuten die Plätze tauschen.
Ja, das ist schon klar, das ändert aber nichts daran dass Deine Berechnung falsch ist. Zum einen vereinfacht sie zu stark (Fahrwegkreuzungen werden nicht berücksichtigt), zum zweiten enstehen in Deinem Modell Züge aus dem Nichts bzw. lösen sich in nichts auf.
Nehmen wir mal beispielhaft einen Durchgangsbahnhof.
Wir haben 10 Bahnsteiggleise, und auf jeder Seite 4 Zulaufgleise. Nach Deinem Modell haben wir hier also pro Zeiteinheit 10+4+4-1=17 Fahrzeugbewegungen.
Gehen wir mal die einzelnen Bewegungen durch: Wir haben also 10 Züge die am Bahnsteig stehen. Diese 10 Züge verlassen nach Deinem Modell in einer Zeiteinheit alle durch das eine freie Gleis den Bahnhof. Vor den Einfahrsignalen stehen 7 Züge. Diese 7 Züge fahren jetzt also ein und halten am Bahnsteig.
Wir haben hier also gleich zwei Widersprüche:
Zum einen kann pro Zeiteinheit und Strecke real nur ein Zug ausfahren - Dein Modell sieht aber gleich 10 Züge dafür vor.
Zum anderen: Für Dein Modell müssen pro Zeiteinheit genauso viele Züge einfahren wie ausfahren - das ist der nächste Widerspruch.
Wir sehen: Unter der Annahme, dass die Einfahrt, der Bahnsteigaufenthalt und die Ausfahrt einer Zeiteinheit entsprechen, ist das limitierende bei meinem Modellbahnhof nicht die Kapazität der Bahnsteiggleise, sondern die der Zulaufstrecken. Wenn wir also die Zahl der Bahnsteiggleise bei dieser Situation weiter erhöhen, erhöht sich die Kapazität nicht mit, sondern bleibt gleich - in Deinem Modell würde sich die Kapazität allerdings weiter erhöhen, was aber falsch ist.
Zum anderen sehen wir: Die Annahme, dass alle bis auf ein Gleis für die einfahrenden Züge genutzt werden, ist nicht sinnvoll, weil das bereits nach einer Zeiteinheit zu einem völlig überfüllten Bahnhof führt, die Kapazität wäre hier durch das eine Ausfahrgleis beschränkt.
Das bestätigst Du ja sogar selber:
Zug 1 steht im Ausfahrtgleis während Zug 2 am Bahnsteig und Zug 3 am Einfahrtgleis steht.
Bei dem Modell pro Zeiteinheit eine Einfahrt, ein Bahnsteigaufenthalt und eine Ausfahrt gilt: Einfahrgleise=Ausfahrgleise=Bahnsteiggleise. Jede Abweichung von der Regel schadet nicht, erhöht aber die Kapazität nicht, so dass gilt: Kapazität = min(Einfahrgleise, Ausfahrgleise, Bahnsteiggleise)
Das Problem ist, dass man diese dynamische Bewegung schlecht in passende Worte fassen kann. Eigentlich müsste man dazu mal eine Animation anlegen.
Das wäre gut, da wären die Widersprüche dann nämlich offensichtlich.
Unabhängig von den oben genannten Widersprüchen ist Dein Modell aber auch einfach viel zu simpel, um damit wirklich eine Aussage treffen zu können.
Wir müssen nämlich auch berücksichtigen:
-Einfahrzeit ungleich Bahnsteigaufenthaltszeit
-Verzögerungen durch Fahrwegkreuzungen (was dem Kopfbahnhof mehr schadet als dem Durchgangsbahnhof)
Das macht es völlig unmöglich hier irgendwelche pauschalen Aussagen zu treffen.
Außerdem vergleichst Du einen Kopfbahnhof mit x Gleisen und y Zulaufgleisen mit einem Durchgangsbahnhof mit x Gleisen und y*2 Zulaufgleisen - auch das ist nicht korrekt. Wenn dann muss man einen Kopfbahnhof mit x Gleisen und y Zulaufgleisen mit einem Durchgangsbahnhof mit x Gleisen und y Zulaufgleisen vergleichen.
Beispiel aus München: Wenn München ein Durchgangsbahnhof wäre, dann wäre die Verbindungsstrecke Hauptbahnhof - Ostbahnhof weiterhin zweigleisig, sie würde nur von Osten in den Hauptbahnhof münden und nicht wie bisher von Westen. Die dadurch mit Sicherheit vorhandene, wenn auch wohl kleine Kapazitätssteigerung entsteht nicht durch eine größere Zahl Zulaufgleise (die bleibt ja gleich), sondern durch eine Reduzierung der Fahrwegkreuzungen und ggf. auch kürzere Bahnsteigaufenthalte. Diese beiden Punkte werden in Deinem Modell aber völlig ignoriert.
Bis zur vollzogenen Anbringung von ausreichenden Sandstreuapparaten an allen Maschinen haben die Bahnwärter bei aufwärtsgehenden Zügen auf stärkeren Steigungen die Schienen ausgiebig mit trockenem Sand zu bestreuen und für die Bereithaltung eines entsprechenden Vorrathes zu sorgen.
Fahrdienstvorschrift bayerische Staatsbahnen 1876