[M] Fahrgast am S-Bahnhof Solln getötet

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DumbShitAward
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Beitrag von DumbShitAward »

Ich denke, dass die Justiz sich hier leider ein wenig von der Öffentlichkeit hat beeinflussen lassen.

Dem Jungen wurde der gefährlichen Körperverletzung, versuchten räuberischen Erpressung, Bedrohung, Beleidigung, Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz und öffentlichen Aufforderung zu Straftaten für schuldig befunden. Ob der Junge bereits vorbestraft war, ist mir nicht bekannt, was aber de jure keinen Einfluss auf die höhe des Schuldmaßes haben darf.

Was mich hier ein wenig stutzig macht ist, dass die Staatsanwaltschaft eine offensichtlich nicht ernstzunehmende Äußerung als Aufforderung zur Straftat wertet, Verstoß gegen das BTMG dürfe hier wohl nur eine untergeordnete Rolle gespielt haben. Dennoch kommt mir die hohe Haftstrafe (man muss ja bedenken, dass er bereits fünf Monate in Untersuchungshaft war) auch ein wenig drakonisch vor, zumal der Vorwurf der gefährlichen Körperverletzung sich alleine aus §224 Abs. 1 Nr. 4 rekrutiert ("mit einem anderen Beteiligten gemeinsam"). Das heißt, dass die Art und Weise sowie etwaige Verletzungen des Opfers hier völlig irrelevant sind, die bloße Anwesenheit eines Mittäters qualifiziert den Delikt per Automatismus von der einfachen zur gefährlichen Körperverletzung (der BGH sieht hier sogar bloße "psychische Unterstützung" als ausreichend an).

Allerdings muss man sagen, dass das Gericht hier die Besonderheiten des Jugendstrafrechts sehr gut zu benutzen weiß. Der Verurteilte erhält die Möglichkeit einer sogenannten "Vorbewährung" (d.h. es gibt gewisse Auflagen, wie z.B. eine Entzugstherapie. Sind diese Erfüllt, muss die Haftstrafe nicht angetreten werden).

Was mich trotzdem ein wenig nachdenklich stimmt ist, dass hier in einem Fall, der auch rechtlich gesondert zu behandeln war, ein derart rigides Strafmaß mit einem gewissen Symbolcharakter ausgesprochen wurde. Ich halte das für die kommenden beiden Prozesse gegen die mutmaßlichen Haupttäter u.U. für richtungsweisend und habe inzwischen ein paar Bedenken, ob der Prozess auch fair ablaufen wird. Die Staatsanwaltschaft geht hier von Mord aus - das ist zumindest strittig. Es gibt sicherlich ein paar Indizien die darauf hinweisen, allerdings auch einige, die eher auf die Vermutung des Totschlags oder gar der gefährlichen Körperverletzung mit Todesfolge schließen lassen. Für das Opfer und die Angehörigen ist das natürlich Jacke wie Hose, strafrechtlich macht das ganze aber einen gewaltigen Unterschied.
Lektion 73 in unserer Serie "Rechtsstaat für Anfänger", heute: §81 StGB

Wer es unternimmt, mit Gewalt oder durch Drohung mit Gewalt den Bestand der Bundesrepublik Deutschland zu beeinträchtigen oder die auf dem Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland beruhende verfassungsmäßige Ordnung zu ändern, wird mit lebenslanger Freiheitsstrafe oder mit Freiheitsstrafe nicht unter zehn Jahren bestraft.
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Boris Merath
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Beitrag von Boris Merath »

Bayernlover @ 13 Apr 2010, 22:03 hat geschrieben: Edit: Ich lese nur "zugeschlagen". Dafür sind 19 Monate ein bisschen viel, nehme ich an. Das soll die Tat in keinster Weise beschönigen, aber so richtig verstehen tu ich das Urteil nicht.
Zugeschlagen und räuberische Erpressung sind Deiner Meinung nach also Kleinigkeiten? Genau das ist doch das Problem im Jugendstrafrecht, es gibt viel zu wenig Strafen die wirklich abschreckende Wirkung haben. Damit meine ich keine langjährigen Haftstrafen für Kleinkram (ein Ladendiebstahl ist mit Sozialstunden sicherlich auch weiterhin gut bestraft), aber für härtere Vergehen brauchts auch passende Strafen. Klar, er war am Totschlag nicht beteiligt, aber das andere ist auch nicht viel besser.

Sozialstunden basieren doch u.a. darauf, dass das den Betreffenden peinlich ist (auch vor Verwandten/Freunden), was in diesem Fall aber wohl nicht greift. Für schwere Straftaten braucht es auch im Jugendstrafrecht Strafen, die wirklich abschreckend sind, und dazu gehören nunmal auch Bewährungsstrafen als letzter Warnschuss. Ich war selber mal Beteiligter an einem Strafverfahren, wo der Täter zum ersten mal nach Erwachsenenstrafrecht behandelt wurde - die Vorstrafenliste war beeindruckend, die Strafenliste dagegen lächerlich. Der Betroffene hat sich direkt nach der letzten Tat (die im Vergleich zu den vorangegangenen Sachen eigentlich lächerlich geringfügig war), nachdem ihm mitgeteilt wurde, dass eine Freiheitsstrafe droht, dann in den Drogenentzug begeben, eine Arbeitsstelle besorgt und die 6 Monate bis zur Verhandlung ohne weitere Vergehen geblieben. Das ist jetzt nur ein Beispiel, aber ichdenke das ist ein Problem an den Sozialstunden - die betroffenen Jugendlichen lernen bei Sozialstunden, dass es eigentlich keine ernsthafte Ahndung für die Taten gibt.

Wie gesagt, ich rede nicht von dem üblichen Kleinkram, sondern von den schlimmeren Vergehen. Dadurch, dass es zuerst eine Bewährungsstrafe gibt, ist gewährleistet, dass keiner durch eine einmalige Dummheit ernsthafte Probleme bekommt. Die Strafen müssen natürlich dem Alter angemessen und auch entsprechend gut betreut sein. Einem 17jährigen für Körperverletzung und Erpressung 19 Monate aufzudrücken finde ich jedenfalls durchaus angemessen.
Bis zur vollzogenen Anbringung von ausreichenden Sandstreuapparaten an allen Maschinen haben die Bahnwärter bei aufwärtsgehenden Zügen auf stärkeren Steigungen die Schienen ausgiebig mit trockenem Sand zu bestreuen und für die Bereithaltung eines entsprechenden Vorrathes zu sorgen.

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Beitrag von Bayernlover »

Boris Merath @ 13 Apr 2010, 22:54 hat geschrieben: Zugeschlagen und räuberische Erpressung sind Deiner Meinung nach also Kleinigkeiten? Genau das ist doch das Problem im Jugendstrafrecht, es gibt viel zu wenig Strafen die wirklich abschreckende Wirkung haben. Damit meine ich keine langjährigen Haftstrafen für Kleinkram (ein Ladendiebstahl ist mit Sozialstunden sicherlich auch weiterhin gut bestraft), aber für härtere Vergehen brauchts auch passende Strafen. Klar, er war am Totschlag nicht beteiligt, aber das andere ist auch nicht viel besser.
Ich hätte mich anders ausdrücken sollen: Mich wundert das Urteil im Zusammenhang mit den anderen Urteilen in solchen Fällen.
Sozialstunden basieren doch u.a. darauf, dass das den Betreffenden peinlich ist (auch vor Verwandten/Freunden), was in diesem Fall aber wohl nicht greift. Für schwere Straftaten braucht es auch im Jugendstrafrecht Strafen, die wirklich abschreckend sind, und dazu gehören nunmal auch Bewährungsstrafen als letzter Warnschuss. Ich war selber mal Beteiligter an einem Strafverfahren, wo der Täter zum ersten mal nach Erwachsenenstrafrecht behandelt wurde - die Vorstrafenliste war beeindruckend, die Strafenliste dagegen lächerlich. Der Betroffene hat sich direkt nach der letzten Tat (die im Vergleich zu den vorangegangenen Sachen eigentlich lächerlich geringfügig war), nachdem ihm mitgeteilt wurde, dass eine Freiheitsstrafe droht, dann in den Drogenentzug begeben, eine Arbeitsstelle besorgt und die 6 Monate bis zur Verhandlung ohne weitere Vergehen geblieben. Das ist jetzt nur ein Beispiel, aber ichdenke das ist ein Problem an den Sozialstunden - die betroffenen Jugendlichen lernen bei Sozialstunden, dass es eigentlich keine ernsthafte Ahndung für die Taten gibt.

Da gebe ich Dir vollkommen recht.
Wie gesagt, ich rede nicht von dem üblichen Kleinkram, sondern von den schlimmeren Vergehen. Dadurch, dass es zuerst eine Bewährungsstrafe gibt, ist gewährleistet, dass keiner durch eine einmalige Dummheit ernsthafte Probleme bekommt. Die Strafen müssen natürlich dem Alter angemessen und auch entsprechend gut betreut sein. Einem 17jährigen für Körperverletzung und Erpressung 19 Monate aufzudrücken finde ich jedenfalls durchaus angemessen.

Natürlich ist das angemessen. Nur frage ich mich halt, warum man es gerade in diesem Prozess so macht und in hunderten anderen ist es gerade mal ein paar Sozialstunden wert. Aber klar, der Fall steht in der Öffentlichkeit, wahrscheinlich will man ein Exempel statuieren. Ich bin sehr gespannt auf die anderen Urteile.
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Beitrag von DumbShitAward »

Eieiei, brisantes Thema.

@ Boris
Eine höhere Strafandrohung führt definitiv nicht zu reflektierterem Verhalten - auch nicht im Jugendstrafrecht. Das Jugendstrafrecht hat ja gerade den Sinn eben NICHT drakonisch zu bestrafen, sondern in aller erster Linie den Resolzialisierungsgedanken zu erfüllen. Das klappt nicht immer, aber das tuts im Erwachsenenstrafrecht noch viel weniger. Des weiteren haben wir im Jugendstrafrecht schon die Möglichkeit Haftstrafen bei schweren Verbrechen wie z.B. Mord von maximal 10 Jahren auszusprechen. Vergleich das mal mit dem Erwachsenenstrafrecht. Je nach Lage bekommt man da Lebenslänglich, meist mit Begnadigung nach 15 Jahren. Und ehrlich: ob das jetzt 10 oder 15 Jahre Knast sind, ist da auch schon egal.

Du musst aber auch berücksichtigen, dass gefährliche Körperverletzung auch verschiedene Geschmacksrichtungen kennt (wie auch Erpressung). Wir reden hier ganz offensichtlich von einem minder schweren Fall gefährlicher Körperverletzung (Schlag ins Gesicht, tritt gegen den Oberschenkel). Der Gesetzgeber sieht hier sogar im Erwachsenenstrafrecht lediglich eine Mindesstrafe von drei Monaten (meist umgewandelt zur Bewährung oder eine Geldstrafe) vor. 19 Monate Bau (zumindest in der Theorie und nichts anderes zälht hier) für, salopp gesagt, eine bessere Schulhofprügelei und Essensgeld abziehen ist schon ein ganz schöner Brocken, da hat Bayernlover trotz einer gewissen Überspitzung schon ziemlich recht. Ich möchte die Tat hier nicht beschönigen, aber auch im rechtlichen Bereich muss eine Verhältnismäßigkeit zwischen den einzelnen Verfahren gewahrt werden und wenn man in einer Schlägerei incl. gebrochener Nase so um die 30 Tagessätze bekommt (d.h. Geldstrafe oder gemeinnützige Arbeit, je nach Situation), dann sind 19 Monate für einen nicht unähnlichen Fall ganzschön viel.
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GT8N
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Beitrag von GT8N »

DumbShitAward @ 13 Apr 2010, 23:16 hat geschrieben: Das Jugendstrafrecht hat ja gerade den Sinn eben NICHT drakonisch zu bestrafen, sondern in aller erster Linie den Resozialisierungsgedanken zu erfüllen.
Das ist zwar der Gedanke des Gesetzes, aber leider ist der Gesetzgeber hier einem Denkfehler unterlegen: RE-sozialisieren kann man logischerweise nur jemanden, der überhaupt schon mal sozialisiert war. Das ist bei vielen dieser brutalen Jugendlichen, die keine Hemmung haben, fremdes Eigentum, Gesundheit und Leben zu zerstören, aber meiner Meinung nach nicht der Fall. Da müßte man in der emotionalen Erziehung in der Haft vielmehr vollkommen bei Null anfangen.
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Beitrag von fuzzzy »

Ich finde das Urteil genau richtig. Jemand, auch wenn er unter 18 ist, der kleine Kinder ausraubt, mit der Faust ins Gesicht schlägt, und das ganze noch an einem engen Bahnsteig, was die Sache besonders gefährlich macht, der gehört für ein paar Monate in den Knast. Nachdem er schon ein paar Monate in U Haft war, und er seine Therapie macht, finde ich die Bewährung in Ordnung. Wo kommen wir den dahin, wenn man ungestraft am hellichten Tag Kinder schlagen und ausrauben darf, und man würde dafür lächerliche Sozialstunden bekommen?
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Beitrag von DumbShitAward »

GT8N @ 14 Apr 2010, 01:39 hat geschrieben: Das ist zwar der Gedanke des Gesetzes, aber leider ist der Gesetzgeber hier einem Denkfehler unterlegen: RE-sozialisieren kann man logischerweise nur jemanden, der überhaupt schon mal sozialisiert war. Das ist bei vielen dieser brutalen Jugendlichen, die keine Hemmung haben, fremdes Eigentum, Gesundheit und Leben zu zerstören, aber meiner Meinung nach nicht der Fall. Da müßte man in der emotionalen Erziehung in der Haft vielmehr vollkommen bei Null anfangen.
Natürlich gibt es Fälle, wo eigentlich Hopfen und Malz verloren ist, das ist eigentlich in jedem Metier so. Andererseits sollte man auch auf das achten, was man nicht sieht, nämlich die überwältigende Mehrheit von Fällen, in denen Jugendliche oder Heranwachsende in irgendeiner Form mehr oder minder großen Mist gebaut haben, dafür vom Gesetzgeber eine im Vergleich zum Erwachsenenstrafrecht milde (und manchmal!) kreative Strafe bekommen und danach nie wieder großartig in dieser hinsicht auffällig werden.

Ich hielte es für fatal, wenn wir bei vergleichsweise harmlosen Vergehen, wie z.B. geringfügigen Besitz von Betäubungsmittel (die obligatorischen 2 Gramm Gras) gleich mit der Knast-Keule schwingen. Diese Art Null-Toleranz-Politik hat mancherorts in den USA dazu geführt, dass die Leute erst im Knast so "richtig" kriminell werden (so Späße wie Drogenbesitz, ein etwas gröberer Verstoß im Straßenverkehr und einfacher Diebstahl können dir, wenn in drei unterschiedlichen Taten, in manchen Staaten lebenslänglich einbringen).
Grundlegend ist es aber egal in welche Richtung man geht, es gibt fast immer Fälle, in denen Anspruch und Wirklichkeit meilenweit auseinander stehen. So kommt eine ziemlich brutale Tat u.U. leicht davon, wenn man's anders macht, dann wird ein Dummerjungenstreich oder eine schlicht und ergreifende einfache Blödheit zum Verbrechen.

Das Jugendstrafrecht erlaubt eine starke Differenzierung Anhand Täter und Tat, aber irgendwo ist aus Gründen der Verhältnismäßigkeit auch mal Schluss (man kann und darf natürlich juristisch nicht mit zweierlei Maß richten).

Ich habe kein Interesse daran, dass die Kids mit gemeinnütziger Arbeit davonkommen (das werden sie auch nicht), aber ich habe wohl ein Interesse daran, dass sie den Prozess und das Urteil bekommen, das sie verdient haben und, dass letztere auch im Verhältnis zu anderen Urteilen in der Vergangenheit stehen. Also eigentlich das, was ihnen grundrechtlich garantiert ist. Allerdings hege ich in letzter Zeit meine Zweifel, ob nicht auf Druck der Öffentlichkeit, insbesondere mancher "Medien", hier rachsüchtig auf Jugendliche geschossen wird. Bei den Typen am Arabellapark entschied man in einer rechtlich sehr wackeligen Konstruktion auf versuchten Mord, beim Rentner am Petuelring entschied man auf gefährliche Körperverletzung. Man benutzte in beiden Fällen eine sehr ähnliche Argumentationsstruktur, kam aber zu völlig unterschiedlichen Ergebnissen (beide Taten ereigneten sich spontan, einmal war das egal, das andere mal war das das Kriterium um nicht auf versuchten Mord zu entscheiden. Einmal war ein Schuh eine Waffe, das andere mal die U-Bahn nur bedingt). Hier von Rechtsbeugung zu sprechen wäre natürlich falsch, aber es ist eine Facette einer etwas beängstigenden Tendenz.
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Boris Merath
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Beitrag von Boris Merath »

GT8N @ 14 Apr 2010, 01:39 hat geschrieben: Das ist zwar der Gedanke des Gesetzes, aber leider ist der Gesetzgeber hier einem Denkfehler unterlegen: RE-sozialisieren kann man logischerweise nur jemanden, der überhaupt schon mal sozialisiert war. Das ist bei vielen dieser brutalen Jugendlichen, die keine Hemmung haben, fremdes Eigentum, Gesundheit und Leben zu zerstören, aber meiner Meinung nach nicht der Fall.
Resozialisierung setzt IMHO auch voraus, dass der Betreffende überhaupt resozialisiert werden will. Wenn jemand nur signalisiert bekommt "mach doch was Du willst, geh wenn Du erwischt wirst halt drei Tage Wände putzen" glaube ich nicht dass der Wille zur Resozialisierung vorhanden ist.

Anders siehts natürlich bei Jugendlichen aus, die ihren zweiten Teil der Strafe in Form von Geschimpfe, Stubenarrest etc von ihren Eltern bekommen und denen das nicht egal ist.
DumbShitAward @ 14 Apr 2010, 10:37 hat geschrieben:Natürlich gibt es Fälle, wo eigentlich Hopfen und Malz verloren ist, das ist eigentlich in jedem Metier so.  Andererseits sollte man auch auf das achten, was man nicht sieht, nämlich die überwältigende Mehrheit von Fällen, in denen Jugendliche oder Heranwachsende in irgendeiner Form mehr oder minder großen Mist gebaut haben, dafür vom Gesetzgeber eine im Vergleich zum Erwachsenenstrafrecht milde (und manchmal!) kreative Strafe bekommen und danach nie wieder großartig in dieser hinsicht auffällig werden.
Wie gesagt, für Ladendiebstahl sind Sozialstunden völlig ausreichend. Wenn aber ein Jugendlicher für mehrfache (schwere) Körperverletzung nach wie vor immer nur Sozialstunden bekommt, habe ich dafür kein Verständnis - wie gesagt, diesen Fall habe ich mal persönlich erlebt, da hatte der betreffende für 3x Körperverletzung, 2x schwere Körperverletzung, Raub, Trunkenheit bei Fahren ohne Führerschein mit Unfallfolge, Verstößen gegen das Betäubungsmittelgesetz und vieles mehr bis zum 21ten Geburtstag immer nur Sozialstunden bekommen - und das kanns nicht sein.
Ich hielte es für fatal, wenn wir bei vergleichsweise harmlosen Vergehen, wie z.B. geringfügigen Besitz von Betäubungsmittel (die obligatorischen 2 Gramm Gras) gleich mit der Knast-Keule schwingen.
Darum gehts doch gar nicht.
Diese Art Null-Toleranz-Politik hat mancherorts in den USA dazu geführt, dass die Leute erst im Knast so "richtig" kriminell werden
Jugendliche haben in einem normalen Knast eh nichts verloren. Klar, eine angemessene Betreuung kostet natürlich auch Geld, aber das sollte man sich leisten.
Das Jugendstrafrecht erlaubt eine starke Differenzierung Anhand Täter und Tat, aber irgendwo ist aus Gründen der Verhältnismäßigkeit auch mal Schluss (man kann und darf natürlich juristisch nicht mit zweierlei Maß richten).
Diese Möglichkeit ist auch sinnvoll, nur darf die halt nicht dazu führen, dass es unter 21 so gut wie keine ernsthaften Strafen gibt.

Dass die Möglichkeit zu stärkeren Strafen besteht und man keine Gesetzesänderung braucht ist schon klar, nur anwenden müsste man es halt mal.

Und tut mir leid, bei (mehrmaliger) (schwerer) Körperverletzung muss einfach irgendwann mal Schluss sein mit Sozialstunden und ne Bewährungsstrafe (mit Bewährungsauflagen in Form von Therapie o.ä.) her.
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Beitrag von Fastrider »

DumbShitAward @ 14 Apr 2010, 10:37 hat geschrieben: Ich hielte es für fatal, wenn wir bei vergleichsweise harmlosen Vergehen, wie z.B. geringfügigen Besitz von Betäubungsmittel (die obligatorischen 2 Gramm Gras) gleich mit der Knast-Keule schwingen. Diese Art Null-Toleranz-Politik hat mancherorts in den USA dazu geführt, dass die Leute erst im Knast so "richtig" kriminell werden (so Späße wie Drogenbesitz, ein etwas gröberer Verstoß im Straßenverkehr und einfacher Diebstahl können dir, wenn in drei unterschiedlichen Taten, in manchen Staaten lebenslänglich einbringen).
Wo eben in den USA die Unterschiede extrem sind. Während in manchen Staaten Kiffen fast legal ist, wird man in anderen schon fast erschossen, wenn man nur nach Gras riecht. Die Unterschiede sind zum Teil extremer als unter den europäischen Ländern. Selbst bei der Todesstrafe gibt es extreme Unterschiede. 15 Staaten haben sie ganz abgeschafft, andere ausgesetzt, in anderen werden kaum noch Todesurteile gefällt und andere vollstrecke eifrig. So werden in 3 Staaten mehr als 50% der Todesurteile vollstreckt.
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Beitrag von Hot Doc »

Ich wollt nochmal nachfragen, weil hier einige von drakonischer Strafe o.ä. geredet haben. Wenn ich das richtig verstanden habe, sind die 19 Monate auf Bewährung angesetzt worden. D.h. - nach 5 Monaten Untersuchungshaft - wird der Mensch das Gefängnis nicht wieder von innen sehen (vorausgesetzt er benimmt sich 14 Monate halbwegs gesittet). Für mich ist eine harte Strafe was anderes!
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Beitrag von Bayernlover »

Hot Doc @ 14 Apr 2010, 18:06 hat geschrieben: Ich wollt nochmal nachfragen, weil hier einige von drakonischer Strafe o.ä. geredet haben. Wenn ich das richtig verstanden habe, sind die 19 Monate auf Bewährung angesetzt worden. D.h. - nach 5 Monaten Untersuchungshaft - wird der Mensch das Gefängnis nicht wieder von innen sehen (vorausgesetzt er benimmt sich 14 Monate halbwegs gesittet). Für mich ist eine harte Strafe was anderes!
Ich weiß nicht was genau er machen muss, damit er nicht ins Gefängnis wandert. Auf jeden Fall die Therapie. Sollte er es doch tun, blühen ihm noch 19 Monate, sind dann insgesamt 2 Jahre. 19 Monate auf Bewährung bedeutet NICHT, dass er 19 Monate straffrei bleiben muss!
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Beitrag von Boris Merath »

Bayernlover @ 14 Apr 2010, 18:08 hat geschrieben: Sollte er es doch tun, blühen ihm noch 19 Monate, sind dann insgesamt 2 Jahre. 19 Monate auf Bewährung bedeutet NICHT, dass er 19 Monate straffrei bleiben muss!
Ähm nein, es bleibt bei 19 Monaten insgesamt, die Untersuchungshaft wird angerechnet
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Beitrag von Bayernlover »

Boris Merath @ 14 Apr 2010, 18:24 hat geschrieben: Ähm nein, es bleibt bei 19 Monaten insgesamt, die Untersuchungshaft wird angerechnet
Achso, dann zieht man das ab. Das wusste ich nicht, aber der Rest stimmte, nehme ich an ;)
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Beitrag von DumbShitAward »

Hot Doc @ 14 Apr 2010, 18:06 hat geschrieben: Ich wollt nochmal nachfragen, weil hier einige von drakonischer Strafe o.ä. geredet haben. Wenn ich das richtig verstanden habe, sind die 19 Monate auf Bewährung angesetzt worden. D.h. - nach 5 Monaten Untersuchungshaft - wird der Mensch das Gefängnis nicht wieder von innen sehen (vorausgesetzt er benimmt sich 14 Monate halbwegs gesittet). Für mich ist eine harte Strafe was anderes!
Du darfst das Thema Bewährung nicht überbewerten. Klar ist das für den Verurteilten eine erhebliche Entschärfung der Strafe, allerdings ist das rechtlich ein ganz anderes Thema. Ob die Strafe zur Bewährung ausgesetzt wird oder nicht, darf auf das Urteil keinen Einfluss haben, d.h. der Richter muss theoretisch in zwei haargleichen Fällen, die sich nur dadurch unterscheiden, dass der eine die Möglichkeit hat, die Strafe zur Bewährung ausgesetzt zu bekommen und der andere aus irgendwelchen Gründen nicht genau das gleiche Strafmaß fällen.

Zugegebenermaßen, in den allermeisten Fällen ist das Ausschlussargument für eine Bewährung eine Vorstrafe (Vorstrafen dürfen allerdings nicht strafverschärfend, was die Dauer der Haftstrafe angeht auswirken, wohl aber, sind sie nicht vorhanden, strafmildernd). Man muss das rechtlich also so sehen, dass der Junge 19 Monate Gefängnis bekommen hat (fünf hat er ja tatsächlich abgesessen) - das er auf Bewährung raus darf ist eine völlig andere Baustelle.

Und ich wiederhole mich da gerne: wir sprechen hier von einem minder schweren Fall gefährlicher Körperverletzung als Haupttat, das Erwachsenenstrafrecht sieht da Freiheitsstrafen von drei Monaten bis fünf Jahre vor (mehr als zwei Jahre wird man wohl nur im wiederholten Fall oder bei der Misshandlung von wehrlosen Personen (außer Schutzbefohlenen, das ist ein eigenständiger Delikt) ausgesprochen. Unter dieser Betrachtungsweise sind 19 Monate eine echte Hausnummer, stell dir mal vor für eine Kneipenschlägerei, was zumindest von der physischen Auseinandersetzung her ähnlich einzureihen wäre, gäbe so ein Strafmaß. Die räuberische Erpressung gilt hier als Tateinheit, da situationsbedingte Grundvoraussetzung und wird nicht einfach "dazugerechnet", die anderen Anklagepunkte nämlich Beleidigung, Aufruf zur Straftat und Besitz geringfügiger Mengen an BTM wären aus Sicht der Staatsanwaltschaft ohne die ersten beiden Punkte mit Sicherheit aus Mangel an öffentlichem Interesse oder unter Auflage einer Geldstrafe eingestellt worden und sind von daher nur unwesentlich für die Strafbemessung beiträglich.

@ Bayernlover
Okay, da hab ich wohl zuvor falsch gedacht. Ich dachte eben auch, dass es 24 Monate sind, die er im Endeffekt bekommen hat, aber da er ja schon fünf saß wärens de facto nur noch 19 (ist eben eine krumme Zahl, von daher dachte ich, dass das mathematisch shcön aufgeht)
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Autobahn
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Beitrag von Autobahn »

Hinzuzufügen wäre noch, dass das Strafmaß nichts mit der Bewährungsfrist zu tun hat. Diese liegt in der Regel deutlich höher.
Der Kapitalismus ist so alt wie die Menschheit, der Sozialismus ist nur Siebzig geworden. Er hatte keine Krise, er hatte kein Kapital.
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Beitrag von DumbShitAward »

Autobahn @ 14 Apr 2010, 19:44 hat geschrieben: Hinzuzufügen wäre noch, dass das Strafmaß nichts mit der Bewährungsfrist zu tun hat. Diese liegt in der Regel deutlich höher.
In diesem Fall minimal zwei, maximal drei Jahre (hier wohl eher Richtung 3 Jahre), vgl. §22 Abs. 1 JGG
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Beitrag von Bing »

DumbShitAward @ 14 Apr 2010, 19:59 hat geschrieben:In diesem Fall minimal zwei, maximal drei Jahre (hier wohl eher Richtung 3 Jahre), vgl. §22 Abs. 1 JGG
Moin Moin,

demnach muß ich das nächste mal wenn auf dem Bahnsteig geschlägert oder gepöpelt wird wegschaun:

Geldstrafe für Zivilcourage


Und wenn ich wegschaue werde ich vermutlich wegen unterlassener Hilfeleistung verurteilt.
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JNK
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Beitrag von JNK »

Überraschung im Prozess gegen die Münchner S-Bahn-Schläger: Der Manager Dominik Brunner ist nach SPIEGEL-Informationen nicht an den Folgen der Tritte und Fausthiebe der Angeklagten gestorben, sondern an Herzversagen.
http://www.spiegel.de/panorama/justiz/0,15...,707012,00.html
S-Bahn-Mord
Widersprüchliche Aussagen im Brunner-Prozess

Einer der Schüler, die Dominik Brunner schützen wollte, sagt aus, dieser habe zuerst angegriffen. Damit widerspricht er seinem Freund.
http://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgesche...rozess-schueler
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spock5407
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Beitrag von spock5407 »

Wenn sich das am Ende so herausstellt, was ist das dann? Körperverletzung mit Todesfolge?
Stadtbahn für Regensburg , offizielle Projektseite der Stadt Regensburg
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Beitrag von DumbShitAward »

Im besten Fall für die Angeklagten dürfte es Körperverletzung mit Todesfolge, Totschlag wäre auch noch anwendbar, sind nach Erwachsenenstrafrecht mit maximal 10 bzw. 15 Jahren zu bestrafen (von bestimmten Ausnahmen abgesehen, z.B. bei besonders schweren Fällen, wie z.B. tagelange Folter, Verstümmelungen, extrem sadistische Grausamkeit, etc.).


Die Mordanklage war wohl schon von Anfang an nicht zu halten, die Staatsanwaltschaft erscheint in einem immer schlechteren Licht, laut SZ soll ein Beamter der Mordkommission das Opfer als "körperlich topfit" beschrieben, trotz Kenntnis der Krankenakte. Wenn man so möchte geht das in die Richtung einer Falschaussage.
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Lazarus
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Beitrag von Lazarus »

Echt derbe, was sich das Schmierenblatt tz heute leistet:

http://www.tz-online.de/aktuelles/muenchen...-tz-849585.html
Mehr Geld für den ÖPNV-Ausbau in München! Es wird höchste Zeit!
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Beitrag von TramPolin »

Lazarus @ 21 Jul 2010, 23:41 hat geschrieben:Echt derbe, was sich das Schmierenblatt tz heute leistet:

http://www.tz-online.de/aktuelles/muenchen...-tz-849585.html
Ein ziemliches Schmierentheater. Die Presse hilft auch mit, neue Wendungen herbeizukonstruieren - erst ist Brunner ein Held, dann vielleicht doch nicht, dann wird ein Gutachter zitiert (o.k, dieses Mal ist es ein Forscher), der wieder der Geschichte eine neue Wendung geben könnte, damit es ja spannend bleib. Nur ist der tragische Fall Realität und kein Tivialroman.

Ich möchte nicht wissen, wie viele Wendungen es im demnächst anstehenden Kachelmann-Prozess geben wird. Hat er- hat er nicht - hat er... :ph34r:
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Beitrag von firefly »

Lazarus @ 21 Jul 2010, 23:41 hat geschrieben: Echt derbe, was sich das Schmierenblatt tz heute leistet
Warum? Weil sie die Aussage nicht glauben? Um ehrlich zu sein, hab ich ebenfalls grosse Zweifel, ob der S-Bahn Führer da überhaupt die Wahrheit sagt. Seine Aussage macht in meinen Augen überhaupt keinen Sinn. Oder kannst du mir plausibel erklären, warum ein Mitt-50ger, der mitten im Leben steht, es auf eine Prügelei mit zwei asozialen Subjekten anlegen soll? Das macht einfach keinen Sinn.
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Lazarus
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Beitrag von Lazarus »

firefly @ 22 Jul 2010, 00:02 hat geschrieben: Warum? Weil sie die Aussage nicht glauben? Um ehrlich zu sein, hab ich ebenfalls grosse Zweifel, ob der S-Bahn Führer da überhaupt die Wahrheit sagt. Seine Aussage macht in meinen Augen überhaupt keinen Sinn. Oder kannst du mir plausibel erklären, warum ein Mitt-50ger, der mitten im Leben steht, es auf eine Prügelei mit zwei asozialen Subjekten anlegen soll? Das macht einfach keinen Sinn.
Man sollte es dem Gericht überlassen, ob es die Aussage für glaubhaft hält und net mit solchen Artikeln die Stimmung zusätzlich anheizen. Zumal man lediglich so einen seltsamen Forscher als Grund nennt.
Mehr Geld für den ÖPNV-Ausbau in München! Es wird höchste Zeit!
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Beitrag von firefly »

Lazarus @ 22 Jul 2010, 00:08 hat geschrieben: Man sollte es dem Gericht überlassen, ob es die Aussage für glaubhaft hält und net mit solchen Artikeln die Stimmung zusätzlich anheizen. Zumal man lediglich so einen seltsamen Forscher als Grund nennt.
Das ist eben Gossen-Journalismus. Dennoch gibt es eine grosse Plausibilitäts-Lücke in der Aussage. Und für die braucht man keinen Lügendetektor. Da reicht gesunder Menschenverstand.
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Beitrag von QuietschieFahrer »

firefly @ 22 Jul 2010, 00:02 hat geschrieben:Warum? Weil sie die Aussage nicht glauben? Um ehrlich zu sein, hab ich ebenfalls grosse Zweifel, ob der S-Bahn Führer da überhaupt die Wahrheit sagt.
Seltsam, diese Vorwürfe das der vermeintliche S-Bahnheld die Prügelei begann, stehen schon sehr viel länger. Nur jetzt wo es der Lokführer der S-Bahn bestätigt (und nicht nur er - es gibt vorherige Zeugenaussagen, die dasselbe sagen), kommen plötzlich Zweifel auf und ein "menschlicher Lügendetektor", von dem vorher niemand irgendwas hörte, weiß plötzlich alles. Wie wäre es, DAS mal zu hinterfragen?
Seine Aussage macht in meinen Augen überhaupt keinen Sinn. Oder kannst du mir plausibel erklären, warum ein Mitt-50ger, der mitten im Leben steht, es auf eine Prügelei mit zwei asozialen Subjekten anlegen soll? Das macht einfach keinen Sinn.
Da gäbs viele möglichkeiten, u.a. Blutrausch (ja, das gibts!) den wunsch es jemandem auszuwischen usw.. auch wenns so mancher net wahrhaben will - das Bild des "S-Bahnhelden Brunner" wackelt und zwar derbe. Wenn ich beschützn wollte würde ich mich vor die Jugendlichn stellen und zu den andren brülln "hört auf, es isses net wert! geht heim und schlaf euch aus!" ich würde niemahls meine jacke ausziehn und in Boxerhaltung auf eben diese Angreifer losgehen...

Ohne Diskussion - er hat sich schützend vor die anderen Jugendlichen gestellt - aber waren seine methoden so gut und hat er die anderen net womöglich provoziert?
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Beitrag von DumbShitAward »

Ich sehe hier eigentlich kein Problem mit der Plausibilität, wieso sollte jemand - auch wenn er im biblischen Alter von über 30 ist - nicht sich dazu in der Lage fühlen, ein Problem durch seine Physis zu lösen?
Gegenfrage: weshalb sollte der Tf denn überhaupt sich der Gefahr eines Meineids aussetzen? Wo profitiert er denn davon, wenn er Brunner posthum belastet?

Ich befürchte, dass die Aussage des Tfs deshalb so kritisch gesehen wird, da sie nicht in die schöne Schwarz-Weiß-Pseudorealität Mancher in diesem Land passt und von daher nicht sein kann, was nicht sein darf. Ist keine Kritik @ firefly nur eine generelle Feststellung. Es ist doch viel einfacher die Schuld einer Bevölkerungsgruppe in die Schuhe zu schieben (in den 90ern waren es gerne mal südosteuropäische Immigranten, in den 80ern die Horrorvideos, die 70er litten angeblich unter einer allgegenwärtigen Sex und Drogenwelle, die 60er Jahre sind sowieso ein eigenes Thema, in den 50ern warens die Kommunisten, in den 40ern waren es die Vertriebenen und in den 30ern die Juden).

Wenn jemand aber die Frage stellt "warum passieren solche Sachen denn in letzter Zeit so häufig (vorausgesetzt das stimmt überhaupt quantitativ), könnte es denn sein, dass wir, die Gesellschaft, schon seit langem etwas mit unseren Kindern falsch machen?", dann wird das als Achtundsechzigertum abgestempelt - wobei das damit nun gar nichts zutun hat. Aber vielleicht ist das gerade ein Symptom: es wird noch nicht einmal eine Diskussion zugelassen - von tatsächlicher Fehlersuche anstatt Verbotsaktionismus ganz zu schweigen.
Lektion 73 in unserer Serie "Rechtsstaat für Anfänger", heute: §81 StGB

Wer es unternimmt, mit Gewalt oder durch Drohung mit Gewalt den Bestand der Bundesrepublik Deutschland zu beeinträchtigen oder die auf dem Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland beruhende verfassungsmäßige Ordnung zu ändern, wird mit lebenslanger Freiheitsstrafe oder mit Freiheitsstrafe nicht unter zehn Jahren bestraft.
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Beitrag von Boris Merath »

DumbShitAward @ 22 Jul 2010, 00:38 hat geschrieben: Ich befürchte, dass die Aussage des Tfs deshalb so kritisch gesehen wird, da sie nicht in die schöne Schwarz-Weiß-Pseudorealität Mancher in diesem Land passt und von daher nicht sein kann, was nicht sein darf.
Ich habe da auch einmal eine nicht grade erfreuliche Erfahrung gemacht. Auf einer Busfahrt hat dort ein Herr von etwa 50 Jahren zwei türkischstämmige Jugendliche wegen ihrer Herkunft massiv beleidigt und provoziert. Die Jugendlichen haben zwar schon auch kräftig an dem Streit mitgemacht, aber vorangetrieben und am laufend gehalten wurde das eindeutig von dem "netten" Herrn. Nach dem Aussteigen an der Münchner Freiheit kam es dann zu Handgreiflichkeiten, in derem Zuge sich der Herr dann eine Platzwunde abgeholt hat. Ich habs (als einziger von etwa 50 anwesenden Leuten) für nötig gehalten die Polizei zu rufen. Bis zum Eintreffen der Polizei waren die Jugendlichen aber schon weg, woraufhin die meisten der gekommenen 7 Polizeifahrzeuge ausgeschwärmt sind auf der Suche.

Der nette Herr hat der Polizei dann seine Variante der Geschichte aufgetischt, in der von Beleidigungen seinerseits natürlich keine Rede mehr war. Ich habe daraufhin die Polizei angesprochen und darauf hingewießen, dass die Situation eine ganz andere war. Die Polizei hat das aber weiter nicht interessiert (ich hatte den Eindruck dass bei der Information "Ausländer" für die schon alles eindeutig und klar war), und nur die Aussage des "Opfers" aufgenommen. Ich musste den Polizisten sogar fast aufdrängen dass die auch meine Personalien als Zeugen aufnehmen.

Ich hoffe nur, dass die Polizei die Jugendlichen nicht gefunden hat, oder dass wenigstens der Richter dem Herrn nicht alles geglaubt hat was er erzählt...
Bis zur vollzogenen Anbringung von ausreichenden Sandstreuapparaten an allen Maschinen haben die Bahnwärter bei aufwärtsgehenden Zügen auf stärkeren Steigungen die Schienen ausgiebig mit trockenem Sand zu bestreuen und für die Bereithaltung eines entsprechenden Vorrathes zu sorgen.

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Beitrag von firefly »

QuietschieFahrer @ 22 Jul 2010, 00:28 hat geschrieben:Seltsam, diese Vorwürfe das der vermeintliche S-Bahnheld die Prügelei begann, stehen schon sehr viel länger. Nur jetzt wo es der Lokführer der S-Bahn bestätigt (und nicht nur er - es gibt vorherige Zeugenaussagen, die dasselbe sagen), kommen plötzlich Zweifel auf und ein "menschlicher Lügendetektor", von dem vorher niemand irgendwas hörte, weiß plötzlich alles. Wie wäre es, DAS mal zu hinterfragen?
Es geht doch nicht um einen Lügendetektor. Es geht sehr viel mehr darum, dass der Leumund eines Mannes in den Dreck gezogen wird, der sich nicht mehr wehren kann. Und alles nur, damit sich zwei Mörder aus der Sache raus stehlen können.
QuietschieFahrer @ 22 Jul 2010, 00:28 hat geschrieben:Da gäbs viele möglichkeiten, u.a. Blutrausch (ja, das gibts!) den wunsch es jemandem auszuwischen usw.. auch wenns so mancher net wahrhaben will - das Bild des "S-Bahnhelden Brunner" wackelt und zwar derbe. Wenn ich beschützn wollte würde ich mich vor die Jugendlichn stellen und zu den andren brülln "hört auf, es isses net wert! geht heim und schlaf euch aus!" ich würde niemahls meine jacke ausziehn und in Boxerhaltung auf eben diese Angreifer losgehen...
Den Blutrausch hatte wohl eher zwei andere gepackt. Herr Brunner hat sich jedenfalls keine Schlüssel zwischen die Finger gesteckt.
QuietschieFahrer @ 22 Jul 2010, 00:28 hat geschrieben:Ohne Diskussion - er hat sich schützend vor die anderen Jugendlichen gestellt - aber waren seine methoden so gut und hat er die anderen net womöglich provoziert?
Die Beiden werden wahrscheinlich immer nur provoziert. Es immer leicht, die Schuld jemanden zu geben, der schon tot ist. Der widerspricht nicht mehr. Schwieriger ist es, die Angeklagten für ihr Handeln konsequent zu bestrafen.
DumbShitAward @ 22 Jul 2010, 00:38 hat geschrieben:Ich sehe hier eigentlich kein Problem mit der Plausibilität, wieso sollte jemand - auch wenn er im biblischen Alter von über 30 ist - nicht sich dazu in der Lage fühlen, ein Problem durch seine Physis zu lösen?
Ein Mann, von dem wir annehmen müssen, dass er seit Jahrzehnten in keine physische Auseinandersetzung verwickelt war, soll einfach mal eine Prügelei anzetteln. Und das ausgerechnet gegen Zwei, die ihre Mitmenschen reihenweise terrorisieren. Nun, das ist möglich, aber wenig wahrscheinlich.
DumbShitAward @ 22 Jul 2010, 00:38 hat geschrieben:Gegenfrage:  weshalb sollte der Tf denn überhaupt sich der Gefahr eines Meineids aussetzen?  Wo profitiert er denn davon, wenn er Brunner posthum belastet?
Es besteht für ihn ja keine Gefahr eines Meineides. Der Einzige, der wirklich weiss, wie es sich zugetragen hat, wurde ermordet. Also kann er behaupten, was er will, ohne etwas befürchten zu müssen.
DumbShitAward @ 22 Jul 2010, 00:38 hat geschrieben:Es ist doch viel einfacher die Schuld einer Bevölkerungsgruppe in die Schuhe zu schieben (in den 90ern waren es gerne mal südosteuropäische Immigranten, in den 80ern die Horrorvideos, die 70er litten angeblich unter einer allgegenwärtigen Sex und Drogenwelle, die 60er Jahre sind sowieso ein eigenes Thema, in den 50ern warens die Kommunisten, in den 40ern waren es die Vertriebenen und in den 30ern die Juden).
Das ist ja nun wirklich Quark. Hier geht es doch nicht um irgendwelche Bevölkerungsgruppen, denen Schuld nachgesagt wird. Wir haben hier zwei Delinquenten, bei denen kein Tag vergeht, ohne dass sie straffällig werden und die im vorigen Jahr Herrn Brunner tot geprügelt haben.
QuietschieFahrer

Beitrag von QuietschieFahrer »

firefly @ 22 Jul 2010, 03:20 hat geschrieben: Es geht doch nicht um einen Lügendetektor.
Doch, genau darum geht's. Jemand, der bisher nirgend's in Erscheinung trat überall unbekannt ist tritt als menschlicher Lügendetector auf und behauptet, der S-Bahnfahrer lügt. Die Gründe für seine Behauptung sind so hahnebüchern wie der ganze Aufttritt an sich. Wäre er so gut würde ihn die Staatsanwaltschaft doch sicher als Zeugen laden, oder?
Es geht sehr viel mehr darum, dass der Leumund eines Mannes in den Dreck gezogen wird, der sich nicht mehr wehren kann.
Und hier setzt IMHO schon die Ungerechtigkeit an. Brunner = heil; Schläger = unheil Es wurde pauschal geurteilt, durch die Presse, auch hier - daß Dominik Brunner ein Held und die beiden Schläger die Teufel sind.
Und alles nur, damit sich zwei Mörder aus der Sache raus stehlen können.
NEIN - jeder hat einen FAIREN Prozess verdient auch diese beiden Schläger, so hart es klingen mag! Akzeptier es oder nich aber es is und bleibt so! JEDER hat einen fairen Prozess mit Verteidigern verdient, auch die beiden "Mörder"!

Und nein ich stehe nicht auf deren Seite!

/edit: Rechtschreibung........
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