LugPaj @ 26 Mar 2007, 08:41 hat geschrieben: Privatunternehmen wirtschaften immer guenstiger als Staatsunternehmen
Auch wenn das allgemeine Mißtrauen gegen den Staat nach massiver Propaganda in den letzten 25 Jahren start gewachsen ist, aber das ist einfach nicht wahr. Die Deutsche Bahn AG wirschaftet nicht automatisch "günstiger" als die Deutsche Bundesbahn, warum sollte sie auch? Dazu paßt auch die folgende Behauptung:
unter anderem sollte die Bahn reformiert werden, in der Hoffnung, in die Schwarze Zahlen fahren zu können (also Gewinne erwirtschaften).
Die Eisenbahn selbst wird für den Staat nicht kostengünstiger. Weiterhin werden Nahverkehr und Infrastruktur vom Staat finanziert. Sie werden allerdings als Gewinn zur Deutschen Bahn AG oder ggf. anderen Eisenbahnverkehrsunternehmen transferiert. An Kosten für den Staat ändert das nichts. Ganz im Gegenteil: Die Gewinne aus dem Fernverkehr können nun nicht mehr zur teilweisen Verlustabdeckung genutzt werden. So hat die Einführung der neuen Zuggattung InterCity in den 70er Jahren dafür gesorgt, daß das Defizit der Deutschen Bundesbahn massiv sank.
Die Eisenbahn ist Infrastruktur und deren Nutzen ist primär ein volkswirtschaftler, ihn in mikroökonomischen Zahlen auszudrücken ist nur mit sehr viel Aufwand und Transfer öffentlicher Gelder. Während die Deutsche Bundesbahn als Subventionsmoloch oder Mißwirtschaftssumpf bezeichnet wurde, und zwar von Politikern aller Parteien, ist die Finanzierung der Deutschen Bahn AG durch öffentliche Gelder offensichtlich konsensfähig.
Unabhängig von der Tatsache, daß ich wirklich jedem die Verbeamtung gönne, ist es sicher richtig, daß Lokführer, Fahrdienstleiter und Fahrkartenverkäufer nicht zwingend verbeamtet werden müssen. Daß Eisenbahner verbeamtet wurden, ist ein Überbleibsel aus einer Zeit, in der die Eisenbahn mit massivem Personalmangel zu kämpfen hatte. Neben der Verbeamtung, mit der man junge Leute in die Eisenbahnberufe locken wollte, war die Bundesbahn gezwungen, sehr viel Geld für Eisenbahnerwohnungen auszugeben. Der Subventionsmoloch hat nicht nur volkswirtschaftlich enorm sinnvolle Eisenbahnverbindungen betrieben, sondern auch die Lage am Wohnungsmarkt, insbesondere in den 50er Jahren, stark entlastet.
Durch Konkurrenz wird der Markt belebt und die Preise wuerden purzeln
Zwar hat der Markt einen gottähnlichen Zustand erlangt und wird von fragwürdigen Priestern wie Hans-Werner Sinn gepriesen, doch die Realität ist auch hier eine andere. Im größten Geschäftsfeld des Personenverkehrs auf der Schiene, im Nahverkehr, werden die Preise nach wie vor und auch dauerhaft in der Zukunft von den öffentlichen Aufgabenträgern gemacht. Diese schreiben die Linien aus (oder geben ihre öffentlichen Aufträge ohne Ausschreibung raus) und die "Konkurrenten" haben dann die Möglichkeit, sich auf diese Linien zu bewerben. Da Rollmaterial im großen und ganzen für jedes Eisenbahnverkehrsunternehmen in Anschaffung und Unterhalt ähnlich viel kostet, ebenso wie die Trassenbenutzung, funktioniert "Konkurrenz" nur über Personalkosten. So sucht z.B. die Abellio Rail NRW GmbH für ihre am 9. Dezember 2007 übernommenen Linien Triebfahrzeugführer. Daß die Schaffung von Arbeitsplätzen bedingt durch die Tatsache, daß bei den bislang fahrenden Eisenbahnverkehrsunternehmen durch den Wegfall von Aufträgen Überkapazitäten entstehen, aus makroökonomischer Sicht ein Nullsummenspiel ist, ist evident. Als Triebfahrzeugführer kann sich zunächst einmal jeder bewerben. Jeder Langzeitarbeitslose, der einen "Bildungsgutschein" von der betreuenden örtlichen Arbeitsagentur hat, kann sich bewerben. Nach ausgebildeten Eisenbahnern im Betriebsdienst wird hier nicht mehr gefragt.
Ein anderes Beispiel: Im Mai 2006 gab es einen S-Bahnunfall am Bochumer Hauptbahnhof. Der Fahrdienstleiter, ein 24jähriger Mann, der erst einige Wochen zuvor seine Ausbildung beendet hat, wurde verurteilt. Er ist jetzt arbeitslos und vorbestraft. Was war passiert? Der Mann hatte seine erste Nachtschicht, die er alleine auf einem riesigen Stellwerk verbringen mußte. Parallel zu seinem eigentlichen Job mußte er drei Baustellen und Gleisreinigungsarbeiten betreuen. Der Mann war schrecklich überfordert, aber nach der Sicherheit der Fahrgäste fragt da niemand. Zehn Menschen wurden verletzt, vier davon schwer. Die Lokomotive erlitt einen Totalschaden. Was ist mit den volkswirtschaftlichen Folgekosten eines solchen Unfalls? Die Lokomotive ist in der aktuellen Situation nicht weiter schlimm, da es von der betroffenen Baureihe 143 in der DDR massive Überproduktion gab, aber die Kosten für die behandelten Unfallopfer, möglicherweise müssen in einer solchen Situation dauerhaft Renten bezahlt werden und vieles mehr.
Konkurrenz entsteht möglicherweise im Fernverkehr. In einem kleinen Bereich des Personenverkehrs, der eigenwirtschaftlich betrieben wird. Nach 13 Jahren Bahnreform gibt es eine einzige eigenwirtschaftlich betriebene Fernverkehrslinie, die nicht von der Deutschen Bahn AG kommt.
Etwas grundsätzliches zum Sinken der Preise: Daß die Preise sinken ist bei sinkenden Löhnen, die wir seit langer Zeit haben, eine natürliche Entwicklung. Das ist ebenfalls ein generelles Problem, das nichts direkt mit der Privatisierung von Infrastruktur zu tun hat, es geht aber auf dieselbe Wirtschaftspolitik zurück, die besteht nämlich in den letzten Jahren und Jahrzehnten ausschließlich aus der Parole "Löhne runter!", da unsere Verantwortlichen offensichtlich keinerlei Verständnis von Makroökonomie haben. Die Eisenbahn als Infrastruktur, insbesondere für den Güterverkehr, war ein ganz besonders wichtiger Standortfaktor. MORA C mag zwar für die Börsenfähigkeit der Deutschen Bahn AG förderlich gewesen sein, die volkswirtschaftlichen Folgekosten, sei es durch LKW-Fahrten direkt oder die gesundheitlichen Folgekosten, sind aber wesentlich höher.
Wettbewerb auf der Schiene ist etwas anderes als Wettbewerb in der Luft. Während Flugzeuge zwischen Flughafen und Flughafen nicht auf Infrastruktur angewiesen sind, ist das bei der Eisenbahn sehr wohl der Fall. Im Hinblick auf optimale Allokation unserer Ressourcen ist es ohnehin fragwürdig, was es bringt, wenn zahllose Eisenbahnverkehrsunternehmen nebeneinander ihre Betriebswerke und ähnliches betreiben. Das bindet Ressourcen, die anderweitig sinnvoller eingesetzt werden könnten. Ebenso wie die Tatsache, daß jeden Tag vier oder fünf Paketlieferdienste durch unsere Straßen fahren, ist es hier fragwürdig, daß zahllose Eisenbahnverkehrsunternehmen, mehrheitlich auf Rechnung des Staates, über unsere Schienen fahren.