autolos @ 29 Sep 2011, 09:33 hat geschrieben:Es ist zum Haar raufen! Wieso laufen die Leute ausgerechnet immer den Parteien nach, die sie am meisten gängeln wollen? Steckt da vielleicht doch die Sehnsucht dahinter, unfrei in einer Diktatur leben zu wollen? Wieso genießt die Idee der Freiheit einen so geringen Stellenwert? Es ist meine Überzeugung, dass in der Wolle überwiegend rot gefärbte (sozialistischen Ideen zugeneigte) Medien und Lehrer dafür mitverantwortlich sind. Merkwürdigerweise gelingt es diesen immer, den entgegengesetzten Eindruck zu erwecken, nämlich mehr Freiheit durch mehr Staat.
Im Prinzip stimme ich dem FDP-Mann zu. Dumm nur, dass die FDP in den letzten beiden Jahren sich im Hinblick auf die Freiheit nicht mit Ruhm bekleckert hat.
Freiheit ist kein absoluter Wert. Je freie der einzelne ist, desto unfreier ist seine Umgebung. Es ist unsere Aufgabe - das ist meine Überzeugung - die richtige Dosis an Freiheit und Verpflichtung zu finden. "Freiheit" an sich ist ein zweifelhafter Wert, den es kann keine unbedingte Freiheit für alle geben. Wir müssen unser Zusammenleben ordnen und dafür Freiheiten aufgeben, um eine gerechte Verteilung von Freiheit an alle Teile zu ermöglichen.
Wenn wir ins frühe Mittelalter gucken, sehen wir eine Entwicklung, bei der die Menschen ("freie Männer") ihre "Freiheit" reihenweise aufgaben und in die Leibeigenschaft gingen, weil die Freiheit ihnen zu gefährlich war. Freie Männer mussten Waffendienst leisten (auch im Sinne von Finanzieren), Leibeigene wurden beschützt. Was ich damit sagen will: Freiheit kann gefährlicher und existenzbedrohender sein als Unfreiheit. Natürlich wirst Du jetzt zu Recht einwenden, dass die Feudalherrschaft im Laufe der Zeit pervertiert ist und vielleicht wirst Du die französische Revolution als Heilsbringerin der Freiheit preisen. Aber auch hier finden wir reihenweise Freiheit der einen und Unfreiheit der anderen. Stichworte: Terreur, Aufstand in der Vendée, Guillotine, levée en masse. Die Freiheit (liberté) der französischen Revolution endete in der Unterjochung fast ganz Europas zugunsten der Franzosen.
Mir wird unwohl dabei, wenn pauschal und unbestimmt nach Freiheit gerufen wird, ich frage mich, wer dann anstelle der Freien unfrei wird und ob der Zustand nicht schlechter ist. Wenn wir nach Libyen gucken, sehen wir, dass die Menschen sich von Gaddafi befreien (was ich befürworte). Nun müssen sie aber überlegen, wieviel Freiheit im neuen Libyen herrschen soll. Am Ende droht vielleicht ein Bürgerkrieg, wenn die einzelnen Stämme noch freier sein wollen und im Bürgerkrieg ist nur der Sieger frei. Die iranische Revolution brachte Freiheit von der Monarchie und Unfreiheit im Religionsstaat.
Ich will noch Peter Ustinov's Figur "Mr.Smith" zitieren:
[...] wenn Freiheit obligatorisch ist, ist der einzelne nicht mehr frei."
(Aus: Der Alte Mann und Mr.Smith, Sir Peter Ustinov, 1990.
Ich kann Deine Einwände gegen "zu viel Staat" und gegen "sozialistische Gängelung" (keine wörtlichen Zitate von Dir) nachvollziehen, ich kann ihnen sogar teilweise zustimmen, möchte aber zu bedenken geben, dass am Ende Deiner Forderung die "Gängelung durch Freiheit" stehen könnte.