r2d2 @ 16 Dec 2006, 14:24 hat geschrieben: In London gibts schon seit langem die automatischen Türen, die nur bei gültiger Fahrkarte aufgehen. Ein absoluter Schutz vor Schwarzfahrern und Schwarz-Bahnsteig-Nutzern ist es nicht, weil man ohne Probleme als zweiter durchhuschen oder über/ unter der Sperre durchgehen kann. Aber es schützt zumindest die, die aus Versehen jemand am Bahnsteig abholen wollen - spätestens vor der verschlossenen Sperre wird jedem auffallen, daß man ein Ticket braucht.
Seit diesem Jahr wird dort auch die elektronische Fahrkarte "oyster card" (die es schon vorher gab) stark gefördert: für die elektronischen Karten bekommt man bis zu 50% Rabatt. Man spart sich neben Geld auch noch das Kartendurchschieben und wieder rausnehmem (es reicht Karte ans Gerät halten). Ob es einen extra Tarif für den Bahnsteig gibt weiß ich nicht, aber das wäre sicher auch noch machbar.
Moderne Sperrengeschosse an zentralen MVV-Bahnhöfen
Schriftliche Anfrage gemäß § 68 GeschO
vom 28.11.2005
Sehr geehrter Herr Stadtrat Dr. Baretti,
die von Ihnen angesprochene Angelegenheit fällt in die Zuständigkeit der Stadtwerke Mün-chen GmbH sowie der DB, diese hat jedoch die MVV GmbH um Bearbeitung gebeten. Auf der Grundlage der Ausführungen beider Gesellschaften kann ich Ihre Fragen wie folgt beantwor-ten:
Vorbemerkung der Anfrage:
In jedem österreichischen Skigebiet sind sie üblich: Sperren beim Zugang zu Skiliften, die sich nur mit einzuschiebendem Skipass öffnen lassen.
Auch an allen U-Bahnhöfen in London, New York oder Mailand gibt es Sperren bei Zu- und Abgängen von U-Bahnen, die sich nur bei Einschieben eines gültigen Tickets überwinden las-sen.
Nur in Deutschland ist dieses System, das Schwarzfahren nahezu unmöglich macht, nicht zu beobachten.
Frage 1:
Warum gibt es in München nicht zumindest an zentralen U- und S-Bahnhöfen, wie z.B. Ma-rienplatz, solche Zugangssysteme?
Antwort:
Im öffentlichen Personennahverkehr gibt es grundsätzlich zwei Verfahren, wie der Zugang zu den Verkehrsmitteln organisiert ist, nämlich das offene System und das geschlossene System.
Beim geschlossenen System ist der Zugang zu den Fahrzeugen erst nach Passieren einer Sperrenanlage möglich, die mit einem Kartenlesegerät ausgestattet ist. Sie gibt den Weg erst frei, wenn ein gültiges Ticket in das Kartenlesegerät ein- oder – je nach Bauart – an diesem vorbeigeführt worden ist. Solche System sind in Europa bei einigen großstädtischen U-Bahn-Netzen realisiert, beispielsweise in Paris, London, Moskau oder Madrid.
Für die Kunden sind offene Systeme deutlich komfortabler, weil sie nicht bei jedem Ein- und Umsteigevorgang in ein Schienenfahrzeug ihr Ticket überprüfen lassen müssen, sondern sich dies auf die stichprobenartigen Kontrollen durch Prüfpersonal beschränkt. Dieser Vorteil hat umso mehr substanzielle Bedeutung für die generelle Akzeptanz des Nahverkehrssystems, je mehr Kunden für ihre Fahrten Zeitkarten benützen. Im MVV liegt dieser Anteil bei
rd. 70 %.
Ein weiterer Vorteil der offenen Systeme besteht darin, dass es mangels Sperren selbst bei sehr großem Fahrgastandrang keine Verzögerungen beim Zugang zu den Bahnsteigen gibt. Auch im Brand- und Katastrophenfall kann es sich als hilfreich erweisen, wenn die Zu- und Abgangsbereiche nicht mit Sperranlagen versehen sind.
Die Verbundpartner haben sich bei der Gründung des MVV im Jahre 1972 für den offenen Zugang entschieden. Er wurde als insgesamt eindeutig zweckmäßiger angesehen. Diese Beurteilung gilt nach wie vor unverändert.
Die Einrichtung eines geschlossenen Zugangssystems nur an bestimmten, einzelnen Statio-nen brächte keine Verbesserungen. Zum einen wäre ein solches Mischsystem den Kunden generell deutlich schwieriger zu kommunizieren als ein im gesamten Schnellbahnnetz einheit-liches Verfahren, wie es aktuelle Praxis ist. Zum anderen würden Schwarzfahrer die mit Sperranlagen ausgerüsteten Stationen nur gezielt umgehen und auf die nächstliegenden Sta-tionen mit offenem Zugang ausweichen. Die heute üblichen stichprobenartigen Fahrausweis-kontrollen in den Fahrzeugen könnten daher auch nicht reduziert werden. Hingegen müssten die Zugangssperren zumindest periodisch auf ordnungsgemäße Bedienung hin überwacht werden, was zusätzliche Kosten mit sich brächte. Darüber hinaus müsste – ebenfalls mit ho-hen Kosten verbunden – das gesamte Fahrkartensortiment generell und verbundweit auf kar-tenlesertaugliche Tickets mit Magnetstreifen oder Chip umgestellt werden, obwohl solche nur bei Einstieg an einigen speziellen Stationen erforderlich wären. Auch hier ergäbe sich deshalb ein denkbar schlechtes Kosten-/Nutzenverhältnis.
Frage 2:
Sind Bergbahnbetreiber technisch besser ausgerüstet oder haben diese einen besseren finan-ziellen Background, um solche Investitionen durchzuführen als die MVG?
Antwort:
Die Münchner U-Bahn hat einen weltweit anerkannten hohen technischen Standard, der durch gezielte Wartungs-, Instandhaltungskonzepte sowie Erneuerungen und Modernisierungen auf hohem Niveau gehalten wird.
Ein Vergleich dieses hoch komplexen und vernetzten Systems – u.a. 91 Bahnhöfe, 86 km Be-triebsstrecke, 704 Fahrtreppen, 164 Aufzüge und 8 U-Bahnlinien bei 307,2 Millionen beförder-ten Kunden im Jahr – mit einer Bergbahn und deren recht einfacher Struktur ist faktisch nicht möglich.
Nicht zu vergessen, die S-Bahn mit ihren 10 Linien und 147 Haltestellen. Es müssten somit weit mehr als 200 Stationen mit Sperranlagen versehen werden.
Frage 3:
Wie beurteilt das RAW die Möglichkeit, dadurch die Zahl von Schwarzfahrten zu reduzieren?
Antwort:
Die beiden Gesellschaften gehen nicht davon aus, dass sich der Anteil der Schwarzfahrer durch Sperren reduzieren lässt. Als Gründe werden hierfür der hohe Anteil an Abonnenten sowie die Erfahrungen anderer Städte mit geschlossenen Systemen genannt. So ist die Schwarzfahrerquote in der Metro Paris mit der in München vergleichbar, da auch geschlosse-ne Systeme Schlupflöcher bieten.
Auf Grund der Ausführungen der MVG sowie der MVV GmbH sehe ich ebenfalls keinen Vorteil in einem geschlossenen System.
Frage 4:
Wie werden die Kosten eines solchen Systems beurteilt?
Antwort:
Für die Einrichtung eines geschlossenen Zugangssystems zum Schnellbahnnetz im MVV ist von einer Investitionssumme in zweistelliger Millionenhöhe auszugehen.
Zu diesen Investitionskosten sind die jährlichen Aufwendungen für die Kapitalkosten, War-tungskosten und Instandhaltungskosten sowie für eine durchgehende Personalpräsenz an diesen Sperren hinzuzurechnen. Die Personalpräsenz an diesen Sperrenanlagen ist deshalb erforderlich, damit Kunden mit Gepäck und nicht zuletzt mobilitätsbehinderte Kunden (Kunden mit Kinderwagen, Kunden im Rollstuhl etc.) durch Tore in diesen Absperrungen in die Anlagen gelangen können.
Frage 5:
Wie lange würde es dauern, bis sich solche Investitionen amortisieren?
Antwort:
Da sich, wie die Erfahrungen in Städten mit geschlossenem System zeigen, durch solche Zu-gangssysteme keine niedrigeren Schwarzfahrerquoten als bei offenen Systemen erzielen las-sen und auch bei geschlossenen Systemen Kontrollen durch Personal erforderlich sind, kann nicht erkannt werden, dass sich die für ein geschlossenes System erforderlichen Investitionen in einem überschaubaren Zeitraum amortisieren lassen.
Frage 6:
Könnten durch ein solches System künftig Preissteigerungen für ehrliche Fahrgäste vermieden werden, weil es keine free-rider-Position mehr für Schwarzfahrer gäbe?
Antwort der MVG:
Auch zukünftig wird es Tarifanhebungen geben, da das Verkehrsangebot aus den Fahrgeld-einnahmen und den staatlichen Zuschüssen für die Schüler- und Schwerbehindertenbeförde-rung finanziert werden muss. Steigerungen bei den Betriebsmittelkosten (u.a. Fahrstrom, Die-selkraftstoff) und die Kürzungen bei den staatlichen Zuschüssen führen zwangsweise zu Tarif-anpassungen. Im übrigen müssten auch die Investitionen und der jährliche Aufwand für die Sperrenanlagen durch Fahrgelder aufgebracht werden. Ein Blick auf die Städte, die über ge-schlossene Zugangssysteme verfügen, zeigt, dass dort weder die Schwarzfahrerquoten nied-riger sind als im MVV noch dass dort die Fahrpreise nicht oder weniger stark erhöht werden müssten als im MVV.