Das ist kein Paragraph, sondern ein Artikel. Und den darf man ruhig komplett zitieren (Gesetzestexte unterliegen keinem Urheberrecht):Metropolenbahner @ 7 Sep 2015, 14:26 hat geschrieben: Eigentlich müsste man einen komplett neuen Topf aufmachen, da gibts den mittlerweile fast berühmten Paragraph im Grundgesetz:
Auf dieses Bundesgesetz warten Bahnfahrer seit der Bahnreform ... solange sich da nix tut, können wir FV-IREs ziemlich sicher vergessen.
Artikel 87e Grundgesetz
(1) Die Eisenbahnverkehrsverwaltung für Eisenbahnen des Bundes wird in bundeseigener Verwaltung geführt. Durch Bundesgesetz können Aufgaben der Eisenbahnverkehrsverwaltung den Ländern als eigene Angelegenheit übertragen werden.
(2) Der Bund nimmt die über den Bereich der Eisenbahnen des Bundes hinausgehenden Aufgaben der Eisenbahnverkehrsverwaltung wahr, die ihm durch Bundesgesetz übertragen werden.
(3) Eisenbahnen des Bundes werden als Wirtschaftsunternehmen in privat-rechtlicher Form geführt. Diese stehen im Eigentum des Bundes, soweit die Tätigkeit des Wirtschaftsunternehmens den Bau, die Unterhaltung und das Betreiben von Schienenwegen umfaßt. Die Veräußerung von Anteilen des Bundes an den Unternehmen nach Satz 2 erfolgt auf Grund eines Gesetzes; die Mehrheit der Anteile an diesen Unternehmen verbleibt beim Bund. Das Nähere wird durch Bundesgesetz geregelt.
(4) Der Bund gewährleistet, daß dem Wohl der Allgemeinheit, insbesondere den Verkehrsbedürfnissen, beim Ausbau und Erhalt des Schienennetzes der Eisenbahnen des Bundes sowie bei deren Verkehrsangeboten auf diesem Schienennetz, soweit diese nicht den Schienenpersonennahverkehr betreffen, Rechnung getragen wird. Das Nähere wird durch Bundesgesetz geregelt.
(5) Gesetze auf Grund der Absätze 1 bis 4 bedürfen der Zustimmung des Bundesrates. Der Zustimmung des Bundesrates bedürfen ferner Gesetze, die die Auflösung, die Verschmelzung und die Aufspaltung von Eisenbahnunternehmen des Bundes, die Übertragung von Schienenwegen der Eisenbahnen des Bundes an Dritte sowie die Stillegung von Schienenwegen der Eisenbahnen des Bundes regeln oder Auswirkungen auf den Schienenpersonennahverkehr haben.
Das Konzept der Bahnprivatisierung von 1993, daher stammt auch der Art. 87e, ist also eindeutig und ergibt sich auch jedem juristischen Laien aus der Lektüre. Mit "Eisenbahnen des Bundes", die lediglich in privater Rechtsform geführt werden, ist natürlich die DB gemeint. Weiterer entscheidender Punkt "im Eigentum des Bundes", wobei die Mehrheit selbst bei einem Verkauf von Anteilen beim Bund bleiben muss. Eine Privatisierung im häufig berichteten Sinne, wo mit der Privatisierung von Post und Telekom verglichen wird, verbietet das Grundgesetz also unzweifelhaft. Lediglich eine Beteiligung privaten Kapitals wäre erlaubt, wobei diese im Grunde unmöglich ist, wenn man auch die weiteren Maßgaben dieses Artikels beachtet. Denn:
Weiterhin muss der Bund sicherstellen, dass das Gemeinwohl ("insbesondere" die Verkehrsbedürfnisse") im Zentrum des Handelns der Eisenbahnen des Bundes steht, "soweit diese nicht den Schienenpersonennahverkehr betreffen", das heißt unser Grundgesetz stellt Ausbaut/Erhalt der Schiene sowie ein an den Bedürfnissen der Fahrgäste orientiertes Verkehrsangebot im Fernverkehr - eben das Gemeinwohl - in das Zentrum der Eisenbahnpolitik und des Betriebs der Eisenbahnen des Bundes, das heißt die Bedürfnisse der Bürger stehen im Zentrum (aller Bürger! Nicht nur in den Großstädten!). Und damit gerade nicht Fragen von Profitabilität. "Wirtschaftlichkeit" oder "Effizienz" kommt in der Aufgabenbeschreibung nicht ein einziges Mal vor! Selbst wenn ein Bundesgesetz hierzu näheres regelt, wie der Absatz 4 ja auch vorgibt, so müssen diese Detailregelungen stets den Rahmen des Art. 87e beachten und im Lichte des Art. 87e ausgelegt werden. Es ist also auch durch ein Bundesgesetz keine wirksame Regelung möglich, die nicht mehr das Gemeinwohl sondern zB den Profit des Eisenbahnfernverkehrs in das Zentrum rücken würde, dies wäre im Konflikt mit Art. 87e und im Falle eines Normenkonfliktes sticht stets und ausnahmslos die Regelung im Grundgesetz. Darüber wacht dann im Zweifel auch das Bundesverfassungsgericht.
Das Grundgesetz ist kein Wahlprogramm oder eine Sonntagsrede, sondern alle Staatsorgane bindende Verfassung, die im Zweifel auch sämtliche andere Gesetze, Verordnungen und Satzungen bricht und weder Bundesregierung noch Bundestag irgendwelche politischen Entscheidungsspielräume lässt (außer eben die Möglichkeit, den Art. 87e mit verfassungsändernder Mehrheit zu modifizieren).
Wenn man die Vorgaben des Grundgesetzes mit der Realität der deutschen Eisenbahnpolitik abgleicht, dann muss man eigentlich von Verfassungsbruch reden. Das ist durchaus ein "Topf", den man aufmachen muss. Ich wundere mich schon lange, wieso die Fahrgastverbände diesen wunden Punkt in der Eisenbahnpolitik nicht stärker in den Fokus nehmen. Mithilfe eines gewieften Staatsrechtlers könnte sich hier ein Ansatzpunkt ergeben um die Politik mithilfe des BVerfG dazu zu zwingen unsere Verfassung wieder zu beachten und entsprechend den Fernverkehr bedarfsgerecht und gemeinwohlorientiert auszubauen und zu betreiben. Und wenn dem die derzeitige Organisation als Aktiengesellschaft ("Der Bahnvorstand entscheidet unternehmerisch unabhängig" hört man ja immer wieder) im Wege steht, dann ist diese Organisation entsprechend zu ändern. Es gibt durchaus auch privatrechtliche Unternehmensformen, die dennoch dem Eigentümer ein unmittelbares und volles Beherrschungsrecht sichern. Dieses Beherrschungsrecht auszuüben wäre auch gleichzeitig die Pflicht des Bundes, wenn man Art. 87e. GG ernst nimmt (vgl. "Der Bund gewährleistet...", Absatz 4, diese Formulierung verpflichtet den Bund dazu, dafür zu sorgen, auch stets die volle Kontrolle über die sog. Eisenbahnen des Bundes, also die DB, zu haben! Für "unternehmerische Unabhängigkeit" lässt das GG hier eigentlich keinen Raum).