Börsengang der DB

Alles über Eisenbahn, was woanders nicht passt.
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Larry Laffer
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Dave @ 15 Apr 2008, 16:41 hat geschrieben: Mehr Verkehr auf der Schiene ist nur dann erreichbar, wenn das System Bahn / Öffentlicher Verkehr attraktive Gesamtreisezeiten für große Bevölkerungsanteile bieten kann. Da reichen schnelle Punkt-zu-Punkt-Verbindungen, welche meist bestenfalls durch Hochgeschwindigkeitsstrecken entstehen, nicht aus. Was nutzen mir einigermaßen viele Leute auf einer gewissen Strecke, wenn die im Vor- und Nachlauf nochmal ein Auto brauchen? Das mag für einzelne (mich z.B.) bequem sein, ist von den individuellen Gesamtkosten des Fahrgastes und vom Thema Umweltschutz her sehr kritisch zu betrachten.

Ach ja, wie erreiche ich attraktive Gesamtreisezeiten? Durch bessere Vernetzung, Knotenbahnhöfe und eben auch Streckenausbauten. Aber diese dienen dann z.B. dazu, dass ein gewisser Zug auf einer Strecke noch den Knoten erreicht, bevor die anderen Züge abfahren. Und so kann man mit wenig Geld viele Verkehrsbeziehungen verbessern. Oder ein Doppelspurabschnitt im richtigen Abschnitt wirkt Wunder... Und so funktioniert Bahn2000 in der Schweiz oder ein ähnliches System in den Niederlanden. :-)

Viele Grüße

David
Um genau da mal einzuhaken, ich habe mir die Arbeit gemacht, ein paar Nord-Süd-Verbindungen näher anzugucken, Quell- und Zielort ist jeweils der Hauptbahnhof einer Großstadt.

Dortmund - Darmstadt: Über die Schnellfahrstrecke ist man mit zwei Umstiegen in Düsseldorf und Frankfurt am Main 3:13 unterwegs, Übergangszeit 17 und 18 Minuten. Über die Altbaustrecke ist man mit einem Umstieg in Mainz 3:47 unterwegs, Übergangszeit elf Minuten. Fahrzeitersparnis 34 Minuten, Mehrkosten bei Normalpreis 25€. In welchem Verhältnis stehen 34 Minuten Fahrzeitersparnis zum Aufwand, der notwendig war, um diese Schnellfahrstrecke in die Welt zu setzen?

Bonn - Aschaffenburg: Über die Schnellfahrstrecke ist man mit drei Umstiegen in Siegburg, Frankfurt Flughafen und Frankfurt Süd 2:43 unterwegs, Übergangszeit 13, 20 und 20 Minuten. Der erste Teil der Strecke muß mit der Straßenbahn zurückgelegt werden, weil der Bahnhof Siegburg/Bonn halt eben nicht in der Bundesstadt Bonn ist, sondern in der Mittelstadt Siegburg mit unter 40.000 Einwohnern. Über die Altbaustrecke ist man mit einem Umstieg in Mainz 2:59 unterwegs, Übergangszeit elf Minuten. Fahrzeitersparnis 16 Minuten, Mehrkosten bei Normalpreis 26,90€. In welchem Verhältnis stehen 16 Minuten Fahrzeitersparnis zum Aufwand, der notwendig war, um diese Schnellfahrstrecke in die Welt zu setzen?

Siegen - Frankfurt am Main: Mit dem Rhein-Main-Expreß ist man über die Altbaustrecke inklusive Fahrtrichtungswechsel in Gießen 1:51 unterwegs. Über die Schnellfahrstrecke ist man mit Umstieg in Siegburg 2:32 unterwegs, Übergangszeit 23 Minuten. Fahrzeitersparnis gibt es keine, Mehrkosten bei Normalpreis 52,30€. Hier haben wir also eine nordrhein-westfälische Großstadt, die im Zuge der Errichtung der Schnellfahrstrecke vom SPFV abgekoppelt wurde, die überhaupt keinen Nutzen hat.

Die Kosten betragen bislang etwa 6.000.000.000,00€, das sind reine Investitionskosten, von Finanzierungskosten ist dabei noch gar nicht die Rede, und die werden die Gesamtkosten nochmal explodieren lassen. Bei der etwa 3.600.000.000,00€ teuren Schnellfahrstrecke München-Nürnberg liegen die Gesamtkosten, also inklusive Finanzierungskosten, nach Informationen von Verkehrsexperte Wolfgang Hesse von der Phillips-Universität Marburg bei etwa 8.000.000.000,00€.

Wenn man bedenkt, daß - nur im mal die Verhältnisse zu wahren - ein zweigleisiger Ausbau der Siegtalstrecke inklusive Gleiswechselbetrieb und behindertengerechter Umbau der Bahnhöfe, etwa 70.000.000,00€ gekostet hätte, kann man sich in etwa vorstellen, wieviele Ertüchtigungen und Ausbauten man im Gesamtnetz finanzieren könnte, wenn man Investitionsmittel nicht in solchen Projekten binden würde.
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FloSch
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Beitrag von FloSch »

Larry Laffer @ 15 Apr 2008, 19:49 hat geschrieben: Um genau da mal einzuhaken, ich habe mir die Arbeit gemacht, ein paar Nord-Süd-Verbindungen näher anzugucken, Quell- und Zielort ist jeweils der Hauptbahnhof einer Großstadt.
Genau da hättest du vielleicht stellenweise genauer hinschauen sollen. Bonn-Aschaffenburg geht z.B. auch 24 Minuten schneller als von dir veranschlagt (2h19) mit einem Umstieg, alle 2 Stunden.

Gegen einen Börsengang bin ich übrigens auch, aber die Argumente sollten immer sachlich und fundiert bleiben. Man könnte auch genügend Relationen raussuchen, bei denen wirklich viel Zeit durch die Schnellfahrstrecken gespart wird, das hängt vom Standpunkt ab, den das Argument haben soll...
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Larry Laffer
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Beitrag von Larry Laffer »

FloSch @ 15 Apr 2008, 20:02 hat geschrieben: Genau da hättest du vielleicht stellenweise genauer hinschauen sollen. Bonn-Aschaffenburg geht z.B. auch 24 Minuten schneller als von dir veranschlagt (2h19) mit einem Umstieg, alle 2 Stunden.

Gegen einen Börsengang bin ich übrigens auch, aber die Argumente sollten immer sachlich und fundiert bleiben. Man könnte auch genügend Relationen raussuchen, bei denen wirklich viel Zeit durch die Schnellfahrstrecken gespart wird, das hängt vom Standpunkt ab, den das Argument haben soll...
Okay, dann steh ich halt anderthalb Stunden in Aschaffenburg rum und warte auf meinen Termin, aber Hauptsache ich nehm ne günstige Zugfahrt.

Das klingt polemisch, trifft aber den Kern der Sache ;) Die oft mangelnde Verfügbarkeit von Verbindungen ist ein Nachteil, den der Verkehrsträger Schiene wettmachen muß, und dazu braucht es einen Deutschlandtakt und keinen Korridorverkehr.

Weder Dave noch ich haben gesagt, daß Schnellfahrstrecken nutzlos wären. Nein, der Nutzen ist durchaus vorhanden, das Problem ist allerdings, daß der Aufwand im Verhältnis zum Nutzen viel zu groß ist und daß es andere Möglichkeiten gibt, bei wesentlich geringerem Aufwand einen ähnlichen Nutzen zu erzielen.
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spock5407
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Beitrag von spock5407 »

Autobahn @ 15 Apr 2008, 19:40 hat geschrieben: Das Privatisierungsmodell der Genossen bringt nicht den geringsten Hauch von Wettbewerb auf deutsche Schienen. So lange die DBAG als "Gralshüter" der Infrastruktur auftreten kann, ändert sich nichts. Und Transnet will das auch noch zusätzlich über eine 15jährige Beschäftigungsgarantie wasserdicht machen. Ich bin mal gespannt, welcher Investor die Kohle rausrückt, ohne dass er ein Wort mitreden kann :lol:
Wenn man nicht mal die Sperrminorität erreichen kann, steigt da kein großer Investor ein.
Sprich das ganze wird ein Flop ersten Grades werden. Und, ich vermute, genau dadrauf spekuliert
die SPD und das mangels Interesse das ganze scheitert.

Und ich kaufe auch nix, denn ein 82 Millionstel der Bahn AG gehört mir heute de facto.
Warum sollte ich für Anteile, die mir schon gehören, nochmal zahlen?



Btw: Von freiem Wettbewerb auf der Schiene halte ich n i x, denn in vielen Fällen dürfte das
Synonym dazu Lohndumping sein....
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Autobahn
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Beitrag von Autobahn »

spock5407 @ 15 Apr 2008, 20:24 hat geschrieben: Btw: Von freiem Wettbewerb auf der Schiene halte ich n i x, denn in vielen Fällen dürfte das
Synonym dazu Lohndumping sein....
Falsch, viele private EVU´s zahlen besser als die DBAG. Aber selbst wenn Wettbewerb nicht zu sinkenden Preisen führt, die Leistung steigt auf jeden Fall.
Der Kapitalismus ist so alt wie die Menschheit, der Sozialismus ist nur Siebzig geworden. Er hatte keine Krise, er hatte kein Kapital.
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Autobahn
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Beitrag von Autobahn »

Larry Laffer @ 15 Apr 2008, 19:49 hat geschrieben: Um genau da mal einzuhaken, ich habe mir die Arbeit gemacht, ein paar Nord-Süd-Verbindungen näher anzugucken, Quell- und Zielort ist jeweils der Hauptbahnhof einer Großstadt.
In der Tat sind die Umsteigerelationen nicht optimal. Aber das liegt nicht daran, dass man Schnellfahrstrecken gebaut hat oder noch bauen wird, sondern daran, dass die Abstimmung der Fahrlpäne nicht optimiert ist. Welche Maßnahmen auch immer, ohne eine Beschleunigung im Fernverkehr wird sich niemand für die Bahn entscheiden, wenn er Alternativen hat.

Aber ernsthaft nachgefragt, war es früher besser?
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Dave
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Beitrag von Dave »

Autobahn @ 15 Apr 2008, 19:27 hat geschrieben:Jedes Unternehmen muss Gewinne erwirtschaften, auch ein Dienstleistungsunternehmen. Diese betriebswirtschaftliche Notwendigkeit ist nicht wegzuleugnen. Und in der Tat erwirtschaften ja sowohl die DB AG wie auch die privaten EVU´s Gewinne. Im Nahverkehr, und auch hier ist es ein großer Batzen in der Bilanz der DB AG, stammt das Geld von den Steuerzahlern. Das man die Methoden der Bahn als "Gralshüter" des Netzes durchaus kritisieren kann, steht auf einem anderen Blatt. Regionalisierungsmittel für den öffentlichen Nahverkehr will ich damit aber nicht kritisieren. Und hier bestimmen ja auch die Verkehrsverbünde, wann welcher Zug fahren soll.
Natürlich muss jedes Unternehmen Gewinne erwirtschaften - gerade auch ein Dienstleistungsunternehmen. Auch der Fernverkehr. Klar. Aber wenn funktionierender Fernverkehr nicht wirtschaftlich zu betreiben ist, dann muss irgendjemand dem Verkehrsunternehmen diese Differenz zahlen, oder der Betrieb wird über kurz oder lang eingestellt (wenn keine sonstige Rationalisierungsmethode Erfolg verspricht).
Autobahn @ 15 Apr 2008, 19:27 hat geschrieben:Ich sehe es aber nicht als Aufgabe des Staates, zu Lasten der Allgemeinheit Verkehrsleistungen im Fernverkehr zu bestellen, gleichzeitig aber für einfache Verwaltungsvorgänge saftige Gebühren zu kassieren.
Genau damit hast du es ausgesprochen, in welche Richtung meine Intention geht: Bestellten überregionalen Verkehr.
Den Zusammenhang zwischen saftigen Gebühren bei einfachsten Verwaltungsvorgängen und bestelltem Fernverkehr lassen wir mal als Populismus durchgehen, hat das eine mit dem anderen ja wirklich nichts zu tun. Es kann keine pauschale Begründung sein, "der Staat darf generell kein Geld ausgeben, weil er dort unbegründeter Maßen Geld an sich rafft." Dann können wir den Staat auflösen und abwickeln. Oder du lieferst eine konkretere Begründung?
Autobahn @ 15 Apr 2008, 19:27 hat geschrieben:Sehr richtig, die Gesamtreisezeit ist das Maß der Dinge. Zwei mal im Jahr fahre ich aus beruflichen Gründen nach Hamburg. Fahrtzeit Bahn: 4:43h (3 mal Umsteigen) oder 5:00h (2 mal Umsteigen), Auto: 3:37h (MobilCheck der Reiseauskunft). Dabei sind Fußwege zum S-Bahnhof und zur Firma noch nicht berücksichtigt. Mit einer schnellen Punkt-zu-Punkt Verbindung Düsseldorf - Hamburg ließe sich die Gesamtreisezeit erheblich reduzieren (vorausgesetzt der Vor- und Nachlauf wäre angepasst  <_< )
Und da fängt es schon an: Du möchtest den Vor- und Nachlauf anpassen - das läuft auf einen Taktfahrplan raus. Denn der Vor- und Nachlauf soll ja auch noch andere Züge beliefern, welche wiederum auch den schnellen Zug beliefern. Und das soll ja auch mehrmals am Tag klappen und die Fahrgäste sollen leicht merkbare Abfahrtszeiten haben - wir sind mitten im Taktverkehr! Was du mit "Punkt-zu-Punkt"-Verbindung meinst, ist Schnellverkehr. Den braucht es aber auch bei einem Taktsystem. Unter "Punkt-zu-Punkt"-Verbindung versteht man mehr etwas, was im Flugverkehr oder beim TGV in Frankreich oder auch beim Eurostar nach London eher vorherrscht. Man soll möglichst schnell von Paris nach Straßburg kommen, die Verbindung Paris - Metz spielt da keine Rolle (dafür bekommt Metz zwei mal am Tag eben auch einen Zug nach Paris). Metz - Straßburg bekommt gar keinen Zug. Dieses System funktioniert, wenn ich wenige große Zentren habe, einigermaßen - Frankreich ist damit sehr erfolgreich. Es würde sicherlich auch zwischen Zentren in Deutschland funktionieren. Allein der Aufwand ist so immens und die Zahl der für die Bahn gewonnen Fahrgäste nach meiner Einschätzung geringer als bei einem dichteren Taktsystem. Und das ist in einem so dicht besiedelten Land wie Deutschland, insbesondere im NRW, Hessen und Nord-BW ideal - viele kleine Städte, viele Bahnlinien, viele unterschiedliche Verkehrsbeziehungen.
Autobahn @ 15 Apr 2008, 19:27 hat geschrieben:Ich weiß nicht, was Du mit Doppelspurabschnitten meinst. Vermute aber, Du meinst zwei Gleise je Fahrtrichtung. Das ist gut. Dann fährt auf dem einen Gleis der HGV, auf dem anderen der langsamere Verkehr, der z.B. Greven mit Münster verbindet und dort Umsteigerelationen schafft. Und wer so verliebt in die Eisenbahn ist, dass er die Fahrt möglichst lange erleben will, kann ja dann mit dem langsameren Verkehr auch von Düsseldorf nach Hamburg fahren  :D
Mit Doppelspurabschnitten sind eher bisher eingleisige Strecken gemeint, die stellenweise ein zweites Gleis bekommen sollen, damit Züge sich nicht mehr nur in Bahnhöfen kreuzen können. Dadurch können in vielen Fällen durch geringe Investitionen Fahrzeitverbesserungen erreicht werden, da Anschlüsse eher erreicht werden können. Sollte ein Beispiel sein! Stellenweise sind sicherlich auch drei- oder viergleisige Strecken nötig oder gar schon vorhanden, klar. Aber ein Doppelspurabschnitt ist meist nur auf wenige Kilometer ausgelegt.
Autobahn @ 15 Apr 2008, 19:27 hat geschrieben:Diesen langsameren Verkehr kann man durchaus in der Form von Regionalzügen in Ausschreibungen vergeben. Also z. B. Düsseldorf - Münster, Münster - Bremen, Bremen - Hamburg. Bei entsprechenden Anschlüssen dürfte die Reisezeit kaum anders als heute liegen.
Dein System hat aber einen gravierenden Nachteil: Deine privatwirtschaftlichen Fernverkehrsunternehmen sind völlig frei in der Fahrplangestaltung und realisieren keinen Taktfahrplan und wohl auch keine Knoten. Aber der staatlich finanzierte Nahverkehr soll so ausgeschrieben werden, dass er Fahrgäste dem Fernverkehr zuführt. Und wie soll er da noch seiner eigenen Rolle nachgehen, wenn er auf ungetaktete Hubs zuläuft und dadurch nicht mal "in sich" einen Taktverkehr anbieten kann (Nahverkehrszüge untereinander). Oh je, ich geh bald ins Bett, wahrscheinlich versteht das niemand mehr! :lol:
Autobahn @ 15 Apr 2008, 19:27 hat geschrieben:Der dann höherpreisige Schnellverkehr auf privatwirtschaftlicher Basis wäre dann eine echte Alternative und würde mit Sicherheit von Jenen angenommen, die heute Auto oder Flugzeug nutzen!
Warum, warum, warum? Es gibt schlicht und einfach nur wenige Fahrgäste, die nur zwischen den wirklichen Zentren hin- und her fahren. Wenn ein Direktzug Dortmund - München unterwegs nur noch vier mal halten darf, müssen Fahrgäste aus diesen vier Zentren den ganzen Zug "wirtschaftlich" halten! Mit etwas Glück passt irgendwo, meinetwegen in Frankfurt, zufällig der Anschluss zu einem anderen Fernzug, da könnte es Umsteiger geben. Aber es steigt dann ja keiner mehr um, man nimmt nur noch Direktverbindungen. Und wenn es grad keine mehr gibt, nimmt man halt - das Auto.
Autobahn @ 15 Apr 2008, 21:00 hat geschrieben:In der Tat sind die Umsteigerelationen nicht optimal. Aber das liegt nicht daran, dass man Schnellfahrstrecken gebaut hat oder noch bauen wird, sondern daran, dass die Abstimmung der Fahrlpäne nicht optimiert ist. Welche Maßnahmen auch immer, ohne eine Beschleunigung im Fernverkehr wird sich niemand für die Bahn entscheiden, wenn er Alternativen hat.
Die Grundregel müsste nicht so rum gehen: "Wir bauen Hochgeschwindigkeitsstrecken, um schnell von X nach Y zu kommen", sondern wir bauen die Eisenbahnstrecken eben so aus, dass wir von A nach B fahren und in B so ankommen, dass die Fahrgäste in B geschickt nach C, D, E und auch nach Y umsteigen können. Gleiches in X. Und wenn es technisch einfach nicht möglich ist, die vorhandene Verbindung zwischen X und Y soweit auszubauen, dass wir das schaffen, dann bauen wir notgedrungen auch eine Schnellverbindung da dazwischen. Denn dadurch haben die Fahrgäste aus A, B, C, D, und vielen Buchstaben mehr eben auch etwas von den getätigten Investitionen. Und nach diesem Vorbild baute die Schweiz eine kleine HGV-NBS. Und tätigte viele Streckenausbauten.

Vielleicht sollte man das mal grafisch aufbereiten, da kann man das am besten zeigen.
Autobahn @ 15 Apr 2008, 21:00 hat geschrieben:Aber ernsthaft nachgefragt, war es früher besser?
Ich weiß es eigentlich nicht (bin zu jung), denke aber eher nein. Bis in die frühen 60iger war es mehr oder weniger egal, was für ein Angebot die Bahn angeboten hatte - die Züge waren zwangsläufig voll. Irgendwann viel später (70iger?) entstand der IC-Taktverkehr, mit aber viel zu geringem Takt, als dass der groß eine Rolle spielte.

Übrigens will ich Punkt-zu-Punkt-Modelle nicht ganz ablehnen - auf gewissen Relationen (ICE-Sprinter) machen sie zu gewissen Verkehrszeiten ja auch Sinn. Das kann aber nur ergänzend zum Taktsystem funktionieren.

Viele Grüße und gute Nacht

Dave
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Beitrag von Autobahn »

@ Dave

Meine Überlegungen sind die eines Autofahrers, unter welchen Umständen er bereit wäre, mit der Bahn zu fahren. Und das sind num mal schnelle Punkt-zu-Punkt Verbindungen (zusätzlich zum Takt im Nah- und Regionalverkehr). Das ich mit diesen Gedanken nicht allein bin, zeigt z.B. die hohe Auslastung des P+R an der Neubaustrecke in Montabaur.
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Larry Laffer
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Beitrag von Larry Laffer »

Dave @ 16 Apr 2008, 00:10 hat geschrieben:Ich weiß es eigentlich nicht (bin zu jung), denke aber eher nein. Bis in die frühen 60iger war es mehr oder weniger egal, was für ein Angebot die Bahn angeboten hatte - die Züge waren zwangsläufig voll. Irgendwann viel später (70iger?) entstand der IC-Taktverkehr, mit aber viel zu geringem Takt, als dass der groß eine Rolle spielte.
Der InterCity wurde 1968 eingeführt und löste ab 1971 auf einem Kernnetz den damaligen F-Zug ab. Er verkehrte im Zweistundentakt und hatte nur die erste Klasse. Es gab vier Linien.

Bild

1979 wurde das Netz dann erweitert. Die zweite Klasse wurde eingeführt und die Züge verkehrte im Stundentakt, der Slogan "jede Stunde, jede Klasse!" war geboren. Außerdem tauschten Linien teilweise ihre Wege um mehr Direktverbindungen herzustellen, etwa zwischen Dortmund und Köln oder ab Mannheim Richtung München bzw. Basel, um die Anzahl der Direktverbindungen zu erhöhen. "Nicht Sie steigen um, sondern Ihr Zug!"

1985, 150 Jahre nach der ersten Eisenbahnstrecke in Deutschland, wurde das IC-Netz erweitert.

Bild

Erneut wurde wert auf viele Direktverbindungen gelegt, auf insgesamt 440 Streckenkilometern wurde die Höchstgeschwindigkeit auf 200km/h erhöht. Es ging also in großen Schritten auf ein Fernverkehrsnetz mit möglichst vielen Direktverbindungen zu. Parallel kam 1988 der InterRegio als Ersatz für den D-Zug im Mittelstreckenverkehr. Auch hier war der Taktverkehr ein wichtiger Punkt. Der InterRegio wurde bereits wegen zu geringer Rendite eingestellt, der InterCity wird es noch, Fernverkehr auf der Schiene wird es nur noch auf ICE-Basis geben.
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Beitrag von Autobahn »

@ Larry Laffer

Sehr gut recherchiert. Aber Du hast Recht. Im Fernferkehr wird nur noch der ICE übrig bleiben. Bedauern kann ich es aber nicht <_<
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Beitrag von Larry Laffer »

spock5407 @ 15 Apr 2008, 20:24 hat geschrieben: Btw: Von freiem Wettbewerb auf der Schiene halte ich n i x, denn in vielen Fällen dürfte das
Synonym dazu Lohndumping sein....
Ich gebe Dir grundsätzlich recht: Wettbewerb darf sich nicht über Lohndumping definieren, das will auch niemand und das widerspricht der Idee der sozialen Marktwirtschaft aufs tiefste, deren Erfinder Ludwig Erhard (wenn seine Partei sich mal an ihn erinnern würde ...) ja "Wohlstand für alle" haben wollte.

So, nun zum konkreten Fall. Die DB setzt penetrant das Gerücht in die Welt, die privaten EVU seien "Preistreiber nach unten", eigentlich könnte niemand mit der DB mithalten, aber während das Personal bei der DB königlich bezahlt wird, sind die Löhne bei den Privaten alle sittenwidrig, leider stimmt das nicht ganz. Während die DB sich an Ausschreibungen im SPNV nur noch mit nicht tarifgebundenen Firmen wie der Heidekrautbahn beteiligen will, verdienen die Leute bei den Privaten durchaus branchenübliche Gehälter. Der Wettbewerb auf der Schiene hat nicht dafür gesorgt, daß die Leute ergänzend Hartz 4 beantragen müssen. Sicher müßten Gewerkschaften wie Arbeitgeber viel stärker auf Flächentarifverträge hinarbeiten, die ja auch für Arbeitgeber enorme Vorteile haben (außer Herrn Hundt wissen die das auch alle), aber was nicht ist, kann ja noch werden. Trotzdem sind wir sicherlich einer Meinung, wenn es darum geht, daß Aufgabenträger für den SPNV Sozialstandards setzen sollten, wie ich das an anderer Stelle hier in diesem und in anderen Foren bereits mehrfach gesagt habe.
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Beitrag von Autobahn »

Larry Laffer @ 17 Apr 2008, 02:34 hat geschrieben:......Wettbewerb darf sich nicht über Lohndumping definieren, das will auch niemand und das widerspricht der Idee der sozialen Marktwirtschaft aufs tiefste, deren Erfinder Ludwig Erhard (wenn seine Partei sich mal an ihn erinnern würde ...) ja "Wohlstand für alle" haben wollte.
Niemand fordert einen Wettbewerb über Lohndumping. Der Wettbewerb findet aber neben dem Preis in erster Linie über die Leistung statt. Und Du hast ja bereits mehrfach auf den Wasserkopf der DB-Verwaltung hingewiesen. Ein Monopol der EX-Behördenbahn darf nicht, auch nicht durch die Hintertür, erhalten werden.
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Beitrag von autolos »

Larry Laffer @ 17 Apr 2008, 02:34 hat geschrieben:
spock5407 @ 15 Apr 2008, 20:24 hat geschrieben: Btw: Von freiem Wettbewerb auf der Schiene halte ich n i x, denn in vielen Fällen dürfte das
Synonym dazu Lohndumping sein....
Ich gebe Dir grundsätzlich recht: Wettbewerb darf sich nicht über Lohndumping definieren, das will auch niemand und das widerspricht der Idee der sozialen Marktwirtschaft aufs tiefste, deren Erfinder Ludwig Erhard (wenn seine Partei sich mal an ihn erinnern würde ...) ja "Wohlstand für alle" haben wollte.

So, nun zum konkreten Fall. Die DB setzt penetrant das Gerücht in die Welt, die privaten EVU seien "Preistreiber nach unten", eigentlich könnte niemand mit der DB mithalten, aber während das Personal bei der DB königlich bezahlt wird, sind die Löhne bei den Privaten alle sittenwidrig, leider stimmt das nicht ganz. Während die DB sich an Ausschreibungen im SPNV nur noch mit nicht tarifgebundenen Firmen wie der Heidekrautbahn beteiligen will, verdienen die Leute bei den Privaten durchaus branchenübliche Gehälter. Der Wettbewerb auf der Schiene hat nicht dafür gesorgt, daß die Leute ergänzend Hartz 4 beantragen müssen. Sicher müßten Gewerkschaften wie Arbeitgeber viel stärker auf Flächentarifverträge hinarbeiten, die ja auch für Arbeitgeber enorme Vorteile haben (außer Herrn Hundt wissen die das auch alle), aber was nicht ist, kann ja noch werden. Trotzdem sind wir sicherlich einer Meinung, wenn es darum geht, daß Aufgabenträger für den SPNV Sozialstandards setzen sollten, wie ich das an anderer Stelle hier in diesem und in anderen Foren bereits mehrfach gesagt habe.
Diese Aussage ist in dieser Form unwahr. Im Regionalverkehr sind die Lohnkosten der DB je Zugkm deutlich höher als die der Wettbewerber. Es mag im Güterverkehr andere Beispiele geben, aber wer die öffentlich zugänglichen Tarifverträge anschaut wird sehen, daß die Kosten bei der DB nun mal nennenswer höher sind. Natülich kann ich nicht ausschließen, daß es Fälle gibt, in denen der Mitarbeiter bei einem anderen Unternehmen ein höheres Gehalt auf seinem Lohnzettel stehen hat. Allerdings finden sich dort nicht die effektive Zeit, die dieser Mitarbeiter tatsächlich im Führerstand einen Zug gefahren hat, es finden sich nicht die Leistungen, die dem Mitarbeiter unentgeltlich zur Verfügung stehen (z.B. Freifahrt, DB Gastronomie), die erhebliche Kosten verursachen, auch wenn der Mitarbeiter sie nicht beansprucht. Es ist auch bei den Gewerkschaften kein Gehemnis, daß insbesondere in Ostdeutschland die Wettbewerber (teilweise mit öffentlicher Beteilgung) mehr als ein Drittel weniger bezahlen und zudem für den Arbeitgeber günstigere Arbeitszeitregelungen haben.
Für die, die sich anmaßen über den Wert und Unwert anderer zu urteilen: Die Würde des Menschen ist unantastbar!
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Larry Laffer
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Beitrag von Larry Laffer »

Autobahn @ 17 Apr 2008, 08:58 hat geschrieben: Niemand fordert einen Wettbewerb über Lohndumping. Der Wettbewerb findet aber neben dem Preis in erster Linie über die Leistung statt. Und Du hast ja bereits mehrfach auf den Wasserkopf der DB-Verwaltung hingewiesen. Ein Monopol der EX-Behördenbahn darf nicht, auch nicht durch die Hintertür, erhalten werden.
Niemand, außer Hartmut Mehdorn. Ich weiß ja, was Du für eine Abneigung gegen Köln hast, ich kann das teilweise sogar nachvollziehen, aber lassen wir das, trotzdem hast Du ein Beispiel fast vor der Haustür, wo die DB genau das versucht, nämlich den Rhein-Sieg-Expreß.
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Beitrag von Dave »

Autobahn @ 16 Apr 2008, 09:28 hat geschrieben:@ Dave

Meine Überlegungen sind die eines Autofahrers, unter welchen Umständen er bereit wäre, mit der Bahn zu fahren. Und das sind num mal schnelle Punkt-zu-Punkt Verbindungen (zusätzlich zum Takt im Nah- und Regionalverkehr). Das ich mit diesen Gedanken nicht allein bin, zeigt z.B. die hohe Auslastung des P+R an der Neubaustrecke in Montabaur.
Nun, vielleicht hast du mich nicht verstanden. Ich vermute nämlich, dass du unter "Punkt-zu-Punkt-Verbindung" etwas verstehst, mit dem ich mich auch anfreunden kann. Aber die gute Auslastung des P+R in Montabaur ist sicherlich kein Argument für den leider etwas planlosen Bau von Schnellfahrstrecken in Deutschland. Auch in Coburg oder Ilmenau an der voraussichtlich 2044* fertiggestellten Schnellfahrstrecke Nürnberg–Erfurt werden gut gefüllte P+R-Plätze zu finden sein. Das Vergleichen von absoluten Zahlen ist zwar menschlich, aber sicherlich nicht wirklich "wissenschaftlich".

Auch in der Schweiz gibt es P+R-Plätze, auch die sind voll. Aber dort gibt es z.B. mehr Fahrgäste, die nicht nur mit dem Auto an den ICE (bzw. dort allgemein den Zug) heranfahren, sondern mit dem Postauto, der S-Bahn oder dem Tram. Z.B. am Bahnhof Avenches (S-Bahn Bern).

Genauso sind aber im Land der klassischen "Punkt-zu-Punkt-Zugverbindungen" die P+R-Plätze an Stationen wie Meuse TGV oder Lorraine TGV immer voll. Diese haben keinen anderen Schienenanschluss als den TGV. Und dieser fährt ca. drei mal am Tag. Schweibt dir sowas vor?

Die drei Beispiele (Montabaur mit ICE-Taktverkehr; Lorraine TGV mit einzelnen TGV-Zügen oder der Bahnhof Avenches mit S-Bahn-Taktverkehr und Busanschluss) haben alle P-R-Möglichkeiten, die gut genutzt werden. Ein voller P-R-Platz kann also nicht unbedingt als Argument zu Rate gezogen werden, wenn man verschiedene Bahnsysteme vergleicht. OK, ein leerer P+R-Platz wäre ein eindeutiger Beleg (dass der P+R-Platz entweder falsch liegt oder echt die Bahn unattraktiv ist).

Es wäre aber sicherlich verkehrswissenschaftlich hoch interessent, mal den volkswirtschaftlichen Nutzen der ganzen P+R-Plätze zu untersuchen. Weiß da jemand zufällig eine Studie? :unsure:

Grüße

Dave
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Beitrag von Autobahn »

@ Dave

Nach der Reiseauskunft der Bahn beträgt die Fahrtzeit von Montabaur nach Frankfurt 46 Minuten bzw. 53 Minuten mit Zwischenhalt in Limburg über die Neubaustrecke. Alternativ (und das war früher die einzige Reisemöglichkeit) kann man mit Nahverkerszügen und S-Bahn in 2:15 h nach Frankfurt fahren. Im MobilCheck gibt die Bahn für den PKW 52 Minuten an. Insofern ist die neue Strecke für Autofahrer attraktiv, die Bimmelbahn hingegen abschreckend.

Der TGV mit seiner vergleichsweise dünnen Verkehrsdichte taugt natürlich nicht als Beispiel. Aber muss es denn wirklich den ganzen Tag, auch in den verkehrsarmen Zeiten, einen dichten Fernverkehrstakt geben? Selbst im Nahverkehr ändert sich die Taktdichte mit Beginn und Ende der HVZ. Die für mich "zuständige" S-Bahn fährt tagsüber alle 20 Minuten, ab 20:00 h nur noch alle 30 Minuten. Nur zwischen 6:00 h - 9:00 h und 16:00 h - 18:00 h gibt es Verstärkerzüge, die aber nur einen kleinen Teil der Linie abdecken. Dann hat man auf dieser Linie einen 10 Minuten-Takt.
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Autobahn @ 19 Apr 2008, 18:15 hat geschrieben:Nach der Reiseauskunft der Bahn beträgt die Fahrtzeit von Montabaur nach Frankfurt 46 Minuten bzw. 53 Minuten mit Zwischenhalt in Limburg über die Neubaustrecke. Alternativ (und das war früher die einzige Reisemöglichkeit) kann man mit Nahverkerszügen und S-Bahn in 2:15 h nach Frankfurt fahren. Im MobilCheck gibt die Bahn für den PKW 52 Minuten an. Insofern ist die neue Strecke für Autofahrer attraktiv, die Bimmelbahn hingegen abschreckend.
Nun, du hast mit deinem Beispiel auf der Relation sicher recht. Nur wird dir "Larry Laffer" einige andere Beispiele bringen, auf denen Neubaustrecken keinen realen Zeitvorteil erbracht haben. Denn die Umsteigezeit gehört zur Gesamtreisezeit. Außerdem ist dein Beispiel besonders fies, denn auf dieser Relation gab es ja vorher nicht im entferntesten eine Schienenverbindung. Analog dazu hat sich durch die NBS Nürnberg - Ingolstadt auch für Allersberg (Rothsee) die Verbindung verbessert. Es ist nur die Frage, pulvere ich wirklich sooo viel Geld für eine Verbesserung (Zeitgewinnung) auf einer (oder zwei) "Linie"? Der Vorteil einer NBS liegt doch daran, dass entweder mehrere Linien darauf gebündelt werden können (NBS Würzburg - Hannover) oder eben dadurch auch die Anschlüsse optimiert werden können.
Denn das ist das Grundproblem, das auch den Autofahrer betrifft: Dieser wird nicht mit der Bahn fahren, wenn er schnell von Stuttgart nach Mannheim kommt, aber leider in Stuttgart ewig warten muss, da sein ICE aus Horb (Richtung Zürich) erst kurz nach dem abfahrenden ICE nach Mannheim eintrifft. Und, bleiben wir bei diesem Beispiel: Wenn es der Bahn gelingt, die Züricher Linie nur etwas zu beschleunigen ist man zwar nur 15min früher in Stuttgart, aber eine halbe Stunde (ganze Stunde?) früher an vielen anderen Zielen, die von Stuttgart aus zu erreichen sind.
Autobahn @ 19 Apr 2008, 18:15 hat geschrieben:Der TGV mit seiner vergleichsweise dünnen Verkehrsdichte taugt natürlich nicht als Beispiel. Aber muss es denn wirklich den ganzen Tag, auch in den verkehrsarmen Zeiten, einen dichten Fernverkehrstakt geben? Selbst im Nahverkehr ändert sich die Taktdichte mit Beginn und Ende der HVZ. Die für mich "zuständige" S-Bahn fährt tagsüber alle 20 Minuten, ab 20:00 h nur noch alle 30 Minuten. Nur zwischen 6:00 h - 9:00 h und 16:00 h - 18:00 h gibt es Verstärkerzüge, die aber nur einen kleinen Teil der Linie abdecken. Dann hat man auf dieser Linie einen 10 Minuten-Takt.
Stimme vollkommen zu, der deutsche Fernverkehr muss nicht im 10min-Takt verkehren. Aber HVZen sind im Fernverkehr schwierig festzustellen, fahren diese Züge doch deutlich längere Wege und haben deswegen systembedingt längere Fahrzeiten. Auch die Verkehrsströme gestalten sich etwas anders wie bei einer S-Bahn. Der Peak sind Freitag (-Nachmittag) und Sonntag (-Abend), darauf kann man u.a. mit längeren Zügen reagieren. Aber das sind alles Feinheiten.

Die Idee ist alt und hatten schon viele. Trotzdem wurde zu einem bundesweiten Taktsystem eine neue Seite ins Leben gerufen:
http://www.deutschland-takt.de/

Viele Grüße

David
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Beitrag von Larry Laffer »

Park and Ride ist tatsächlich eine sehr wichtige Zugangsmöglichkeit, gerade auch im SPNV. Naturgemäß hat ein Bahnhof einen wesentlich höheren Einzugsbereich als eine Bushaltestelle, und wer etwa von Witten nach Essen pendelt, für den ist der Anfahrtsweg von seinem Wittener Wohnort zum Wittener Hauptbahnhof u.U. länger als die 20minütige Zugfahrt vom Wittener zum Essener Hauptbahnhof. Ein großes Problem in Witten, das sich so ohne weiteres nicht auf andere Städte übertragen läßt, ist daß die meisten Buslinien den Hauptbahnhof nicht anfahren, aber selbst wenn sie das tun würden, wie das ja geplant ist (auch wenn ich nicht so recht an eine Realisierung glauben mag), wer erst zwanzig Minuten oder länger mit dem Bus aus den Vororten Rüdinghausen oder Bommern anreisen muß, der überlegt sich mehrfach, ob er dann nicht mit dem Auto nach Essen durchfährt, weil sich die Gesamtreisezeit durch den Busvorlauf signifikant verlängert. Park and Ride Anlagen, etwa wie das Parkhaus im benachbarten Wetter (Ruhr), können den SPNV stark attraktivieren, eben weil der langwierige Zulauf mit dem Bus durch eine sehr viel schnellere Autofahrt verkürzt wird.

Man könnte sich jetzt speziell über Witten Gedanken machen, etwa über den städtischen Parkplatz am Saalbau direkt neben dem Hauptbahnhof, den die Stadt nicht freigeben möchte. Man kann auch in die Richtung denken, ob zwischen der offensichtlichen Verödung der Innenstadt und den saftigen Parkgebühren ein Wirkungszusammenhang besteht, aber lassen wir das. Park and Ride ist eine von vielen Möglichkeiten, die man ausnutzen muß, um die öffentlichen Verkehrsmittel attraktiver zu machen. Auf der S28 im Rheinland etwa soll die Park and Ride Anlage im Neandertal auf die doppelte Größe ausgebaut werden.
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Beitrag von Autobahn »

@ Dave

Möglich, dass mein Beispiel Montabaur - Frankfurt "fies" war, aber es ist nun mal die einzige Neubaustrecke die ich kenne. Während der Bauzeit gab es nämlich viele Baustellen auf der A3 ;) . Selbstverständlich gehört die Umsteigezeit zur Gesamtreisezeit, das habe ich auch nie anders gesehen. Daher muss man alle Möglichkeiten ausschöpfen, hier eine Verbesserung durch Abstimmung der Fahrpläne zu erreichen. Das dies eine sehr schwierige Aufgabe ist, kann ich mir vorstellen. Es klappt ja am Wochenende nicht einmal beim Übergang von der S-Bahn zum RE in Düsseldorf-Benrath :lol:

Die Frage, ob man sooo viel Geld in eine Neubaustrecke stecken soll, beantworte ich mit ja, zumindest dann, wenn man wirklich mehr Menschen in den Zug locken will. Dabei muss es nicht unbedingt ein kompletter Neubau sein. Ausreichend wäre in vielen Fällen auch eine Ertüchtigung bestehender (mit zusätzlichen Gleisen) Strecken und Ortsumfahrungen. Nur wenn der Autofahrer einen zeitlichen Vorteil erkennen kann, ist er bereit, die Bahn zu nutzen. Dazu gehören auch ausreichend dimensionierte P&R Anlagen, denn ein Autofahrer wird die Anfahrt zum Bahnhof wohl kaum mit dem ÖPNV durchführen ;) . Am Zielort nimmt er sich ein Taxi oder einen Mietwagen :D

@ Larry Laffer

Selbsverständlich bietet P&R auch im Nahverkehr viele Möglichkeiten. Auf meinen Touren komme ich viel im Lande umher. Überall sehe ich gut ausgelastete, manchmal überlastete P&R Parkplätze. Doch die Puristen unter den Ökologisten halten ja schon die Anfahrt mit dem PKW zum Bahnhof für verwerflich. Und es stimmt, die Park and Ride Anlage im Neandertal wird ausgebaut. Schon seit Jahren ist sie überlastet. Dabei liegt sie völlig abseits :D.

http://maps.google.de/maps?f=q&hl=de&geoco...,0.005&t=h&z=18
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Beitrag von Larry Laffer »

Also wenn ich mir das Luftbild so angucke, wenn die doppelt so groß ist, ist sie immer noch nicht außergewöhnlich. Wobei sich das Fahrgastaufkommen hier nach der Verlängerung nach Wuppertal noch einmal signifikant steigern wird.
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Beitrag von Autobahn »

Larry Laffer @ 19 Apr 2008, 23:13 hat geschrieben: Also wenn ich mir das Luftbild so angucke, wenn die doppelt so groß ist, ist sie immer noch nicht außergewöhnlich. Wobei sich das Fahrgastaufkommen hier nach der Verlängerung nach Wuppertal noch einmal signifikant steigern wird.
So ist es!
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Beitrag von Mario »

Hallo

Falls es noch nicht aufgefallen ist die DB ist doch schon Länger auf dem Weg den Fernverkehr
abzustoßen.Kein Fernverkehr mehr zwischen Cottbus - Berlin - Schwerin / Cottbus - Leipzig/
Chemnitz-Berlin-Rostock/Die ganze Mitteldeutschlandtrasse hat keinen Fernverkehr mehr.
München-Regensburg-Hof-Chemnitz-Dresden und so weiter.
Dadurch Saniert sich die DB über den Regionalverkehr (Steuergelder) da auf diesen Strecken
dann halt RE oder IRE von den Ländern bezahlt und bestellt werden.Mann trennt sich vom
Fernverkehr und überlässt es den Ländern.Strecken werden still gelegt Züge werden gestrichen
Bahnhöfe verkommen das Netz ist in einen Schlechten zustand.Ich kenne hier viele Langsamfahrstellen
die Einfach schon in den Fahrplan drin sind wo mann schon 3 Jahre nichts macht von der DB Netz.
Tarife werden angehoben ständig obwohl keine Verbesserungen da sind.
Und die Nahverkehrswagen werden auch noch von den Ländern gefördert.
Mann nennt sich AG obwohl es gar keine Aktien gibt und wenn wer Kauft diese den Niemand.
Und so kann mann jedes Jahr eine Positive Bilanz Vorlegen.
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Beitrag von Dave »

Larry Laffer @ 19 Apr 2008, 20:03 hat geschrieben: Park and Ride ist tatsächlich eine sehr wichtige Zugangsmöglichkeit, gerade auch im SPNV. Naturgemäß hat ein Bahnhof einen wesentlich höheren Einzugsbereich als eine Bushaltestelle, und wer etwa von Witten nach Essen pendelt, für den ist der Anfahrtsweg von seinem Wittener Wohnort zum Wittener Hauptbahnhof u.U. länger als die 20minütige Zugfahrt vom Wittener zum Essener Hauptbahnhof.
Sicherlich, stimme dir zu, dass der Bus für weite Bevölkerungskreise kein attraktiver Zubringer zur Bahn ist. Trotzdem halte ich es für falsch, P+R-Plätze in großem Stil zu bauen, damit Leute 3 km mit dem Auto fahren um dann 5km mit dem Zug zu fahren wenn sie eigentlich in 6 km auch direkt mit ihrem Auto hätten fahren können. Da wird, finde ich, die ÖPNV-Politik ad absurdum geführt. Ja, natürlich ist dieser Fahrgast ein Bahnfahrgast! Nur ist er weiterhin auch Autofahrer, und das nicht zu knapp! Wenn ich durch Verknüpfungsstellen zwischen den Verkehrmitteln allzu großen Mehrverkehr erzeuge, dann dürfte jeder finanzielle und ökologische Vorteil der Bahn dahin sein!

Dave
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Beitrag von Larry Laffer »

Wobei der Bus natürlich stark attraktiviert werden kann. Es ist einfach kein tragbarer Zustand, daß in einer Fast-Großstadt wie Witten die allermeisten Buslinien große Bögen um den Hauptbahnhof fahren. Dazu müssen gerade in ländlichen Gegenden, in denen die Busse eben nicht so häufig fahren, in den Eisenbahntakt eingefügt werden. In der Schweiz sind die Postbusse in den ITF der SBB integriert. Sowas braucht man auch in Deutschland im großen Stil.

Bei der Bahnfahrt von Essen nach Witten handelt es sich um eine Relation von weit über zwanzig Kilometern, wo eine Bahnfahrt dann durchaus sinnvoll ist. Du weißt ja sicher selbst, daß die allermeisten Bahnreisen über fünf Kilometer und unter hundert Kilometer gehen. Die klassische Nebenbahn, die durch eine Stadt fährt und Vororte miteinander verbindet, die gibt es ja außerhalb von Agglomerationen, wo sie als S-Bahnen rumfahren, kaum noch.
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Beitrag von Autobahn »

Dave @ 21 Apr 2008, 23:16 hat geschrieben:Sicherlich, stimme dir zu, dass der Bus für weite Bevölkerungskreise kein attraktiver Zubringer zur Bahn ist. Trotzdem halte ich es für falsch, P+R-Plätze in großem Stil zu bauen, damit Leute 3 km mit dem Auto fahren um dann 5km mit dem Zug zu fahren wenn sie eigentlich in 6 km auch direkt mit ihrem Auto hätten fahren können. Da wird, finde ich, die ÖPNV-Politik ad absurdum geführt. Ja, natürlich ist dieser Fahrgast ein Bahnfahrgast!
Kaum jemand wird bei einer solchen Relation P+R Anlagen benutzen. :D
Nur ist er weiterhin auch Autofahrer, und das nicht zu knapp! Wenn ich durch Verknüpfungsstellen zwischen den Verkehrmitteln allzu großen Mehrverkehr erzeuge, dann dürfte jeder finanzielle und ökologische Vorteil der Bahn dahin sein!
Es ist wohl eher so, dass kein Mehrverkehr erzeugt wird. Denn wenn diese Möglichkeiten wie P+R nicht zur Verfügung stehen, wird die ganze Strecke mit dem PKW zurückgelegt. An dieser Tatsache kommen wir nicht vorbei.
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Beitrag von Dave »

Autobahn @ 22 Apr 2008, 08:41 hat geschrieben:Kaum jemand wird bei einer solchen Relation P+R Anlagen benutzen.  :D
Du vielleicht nicht - ich kenne genügend Leute! Wer den ÖPNV in Form von S- u. Stadtbahnen gerne nutzt, wird deswegen noch lange nicht zu Fuß, mit dem Rad oder gar dem Bus zum Bahnhof kommen. Und die Großstadt hat einen großen Nachteil: Sie verlangt für den eigenen fahrbaren Untersatz Gebühren, zumindest wenn man diesen gerade nicht betreibt: Parkgebühren (eigentlich Paradox ;)). Denn die Städte haben Platzprobleme. Ein P+R-Platz ist also ein aus der Stadt ausgelagerter Parkplatz. Das ist ökologisch sehr sinnvoll, wenn auch eine adäquate Strecke mit dem Zug zurückgelegt wird oder es einfach ein so großes Problem mit dem Individualverkehr in der jeweiligen Großstadt gibt.

Beispiel Relation Weinsberg Gellmersbach - Heilbronn Innenstadt
Gellmersbach ist ein kleines Dorf, nördlich der zugehörigen Stadt Weinsberg gelegen. Nach Heilbronn kann man relativ direkt mit dem PKW in zwölf Minuten die 9,4 Kilometer zurücklegen. In Heilbronn hat man dann ein Parkproblem und muss noch den Weg ab Parkhaus zum Zielort zurücklegen.
Eine Alternative bietet der P+R-Platz in Weinsberg Bf, Fahrzeit sieben Minuten (5,5 km). Ab dort fährt die Stadtbahn (alle 10-20min) in elf Minuten direkt in die Heilbronner Innenstadt. Die Fahrzeit ist länger, der zurückgelegte Weg ist auch etwas weiter, nur in der Innenstadt Heilbronns hat man unter Umständen kürzere Wege. Es entfällt die Parkgebühr (kostenlose P+R-Plätze) und vor allem der Stadtverkehr mit dem Auto (Parklücken, mehrstreifige Straßen, Rotphasen). Und dieses Angebot wird auch sehr stark angenommen, auch aus vielen anderen Stadtteilen Weinsbergs oder gar aus der Weinsberger Kernstadt wird mit dem Kfz an den P+R-Platz angefahren. Man kann sich dort an den Bahnhof stellen und es beobachten! Und da kann man noch viele Beispiele in den Ballungszentren finden...
Autobahn @ 22 Apr 2008, 08:41 hat geschrieben:Es ist wohl eher so, dass kein Mehrverkehr erzeugt wird. Denn wenn diese Möglichkeiten wie P+R nicht zur Verfügung stehen, wird die ganze Strecke mit dem PKW zurückgelegt. An dieser Tatsache kommen wir nicht vorbei.
Ein falscher Automatismus, der die Ursachen von Verkehr völlig einseitig darstellt. Diese "Tatsache" ist soweit erst mal kritisch zu betrachten. Auch Verkehr spielt sich nach den Mechanismen von Nachfrage UND Angebot ab!

Entsteht durch eine Infrastrukturmaßnahme oder eine Angebotsverbesserung eine deutlicher Zeitgewinn auf einer gewissen Verkehrsrelation, dann wird diese auch verstärkt genutzt. Ein (fiktives) Beispiel:

Die Reisezeit zwischen A-Dorf und B-Stadt verringert sich von 40 auf 27 Minuten. Familie Müller fuhr vorher zwei mal im Jahr zum Großeinkauf nach B-Stadt, außerdem noch einmal im Jahr zum Möbelhaus eine Ausfahrt weiter. Seit es diese schnellere Möglichkeit gibt, fährt man auch mal ins Kino nach B-Stadt. Denn dort ist das Angebot besser, schöner und nicht so provinziell. Außerdem kommt man ja so schnell hin! Und ihre Nachbarn fahren jetzt immer nach C-Stein zum Wandern. Fahrtzeit inzwischen nur noch 40min, so lang hat man vorher nach B-Stadt gebraucht...

Die neue Verbindung kann eine Schnellstraße sein oder auch ein neuer Expresszug (passt nicht zum Möbelhaus), völlig egal. Jeder hat so seine persönlichen Reisezeiten, die er regelmäßig in Kauf nimmt, um da und dort hin zu kommen. Wenn ein P+R-Platz an einer neuen schnellen Zugverbindung mir eine kürzere Reisezeit verschafft, werde ich öfters als vorher diesen Reiseweg auf mich nehmen. Und wenn ich vorher der Woche 12h gefahren bin, dann werde ich auch in Zukunft 12h auf Achse verbringen. Entweder öfter oder weiter. Im Schnitt halten wir unsere Zeiten die wir unterwegs sind, es kommt sogar leicht was dazu!

Das ist das Dilemma eines jeden Straßenbaus, jeder Angebotsverbesserung bei der Bahn oder auch von besseren Verknüpfungen wie P+R. Vielfach wird versucht, Fahrgäste für den ÖPNV oder die Bahn zu gewinnen. Die vielen zusätzlichen Fahrten seit der Bahnreform gibt es wirklich, es stellt sich nur die Frage, ob die wirklich PKW-Fahrten ersetzt haben oder nur Neuverkehr sind. Am besten funktioniert das "Ersetzen" noch beim Pendlerverkehr. Denn wer zur Arbeit mit der dem Zug fährt, der ist wirklich überzeugt, denn er sieht sich nicht in der Lage, auf die Fahrt völlig zu verzichten. Dagegen schaffen zusätzliche Bahnverbindungen vor allem Freizeitverkehr (wird auch bei Stadtbahnausbauten in dicht motorisierten Gegenden als die stärkste Nachfragequelle in den Untersuchungen angesehen). Aber auch der Pendlerverkehr soll uns über eines nicht hinwegtäuschen: Schnellere Verkehrswege erhöhen den Druck durch Arbeitgeber und Gesellschaft, weitere Strecken zur Arbeit zurückzulegen und die Bereitschaft bei Arbeitnehmern, sich nach Arbeitsplätzen in weiterem Umkreis umzusehen. Der Prozess ist nur etwas langsamer wie der Freizeitverkehr.

Viele Grüße

Dave
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Beitrag von Autobahn »

@ Dave

Deine Argumente habe ich in ähnlicher Form schon einmal in irgendwelchen Studien gelesen. Aber wie das mit Studien im allgemeinen ist, sie werden meist dem Auftraggeber nach dem Mund geschrieben.

Sicher ist es im Freizeitverkehr richtig, dass ein Angebot auch Nachfrage schafft. Wo der Mensch (mit dem Auto ;)) nicht hinkommt, hat er nichts zu suchen. So könnte man argumentieren.

Wege im Berufsverkehr sind aber nicht zu vermeiden. Kurze Wege wären sicher für die Verkehrsbelastung besser, lassen sich aber in einer Industriegesellschaft nur sehr selten realisieren. Zu Beginn des Industriezeitalters wurde dies auch gemacht. Friedrich Krupp errichtete anfangs auf seinem Werksgelände Wohnheime (für Ledige) und Wohnungen für verheiratete Arbeiter. Über den Erholungs- bzw. Freizeitwert sage ich mal besser nichts.

Aber auch das Wachstum der Städte trug und trägt dazu bei, dass die Wege länger werden. Und in Städten wie z.B. Düsseldorf ist es räumlich gar nicht in möglich, genügend Wohnungen in unmittelbarer Nähe der Büros zu bauen. Solche Städte haben naturgemäß ein Pendlerproblem. Und was ist dagegen einzuwenden, dass die Gesellschaft von den Menschen verlangt, eine Arbeit auch dann anzunehmen, wenn der Weg weiter ist? Wenn ich mich nur auf den Düsseldorfer Süden und die angrenzenden Orte konzentriere, gibt es in Langenfeld (Rheinl.), Langenfeld-Berghausen, Düsseldorf- Hellerhof und Düsseldorf-Bernarth P+R- Anlagen. Bis auf Benrath werden sie nur von der S6 bedient, eine der problematischten Linien im VRR. Dennoch werden die Anlagen angenommen und nehmen die "Pendler" aus Langenfeld und Monheim auf. Es könnte besser sein, wenn die S-Bahn nicht in einem so desolaten Zustand wäre und mit einer besseren Pünktlichkeitsquote glänzen könnte. In Benrath halten zusätzlich zwei RE-Linien. Die dortige P+R Anlage ist meist schon am frühen morgen voll belegt.

Die P+R Anlagen der S28 (Regiobahn) in Mettmann-Stadtwald und Neandertal sind immer ausgelastet. Sogar an einem Sonntag sind sie zu mindestens einem Drittel belegt. Dabei liegt die Anlage Neandertal mehr als 2 Km (und 1 Km von der Orstumgehung) vom Einzugsgebiet entfernt in einer Sackgasse. Dieser Parkplatz wird zur Zeit vergrößert, weil die Kapazität nicht ausreicht. Sicher generiert er Verkehr, aber wie sollen die Menschen diesen Bahnhof erreichen? Der Bus dorthin braucht von dort nach Mettmann-Rathaus (1 mal Umsteigen) 17 Minuten, PKW 5 Minuten.

Damit Du einen optischen Eindruck bekommst:

http://maps.google.de/maps?f=q&hl=de&geoco...079994&t=h&z=14

Der grüne Pfeil zeigt die Lage des Bahnhofs und der P+R Anlage. Leider rutscht er bei dem Link etwas nach oben. Verschiebe also den Kartenausschnitt etwas.

P.S.: Die Anlage ist nur von Norden erreichbar! Nach Süden gibt es nur einen Fußweg zum Museum.
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Beitrag von Dave »

Autobahn @ 22 Apr 2008, 17:59 hat geschrieben:Deine Argumente habe ich in ähnlicher Form schon einmal in irgendwelchen Studien gelesen. Aber wie das mit Studien im allgemeinen ist, sie werden meist dem Auftraggeber nach dem Mund geschrieben.
Klar. Aber ich weiß gerade keine Studie, die zu diesem Ergebnis kommt. Liegt vielleicht daran, dass kein Auftraggeber dieses Ergebnis haben wollte... ;)

Zum Rest: Schaue ich mir noch an und vielleicht öffne ich dazu dann mal ein neues Thema.

Viele Grüße

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Eilmeldung: Bahn-Börsengang von Koalition beschlossen

http://www.spiegel.de/politik/deutschland/...,550281,00.html
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