Autobahn @ 15 Apr 2008, 19:27 hat geschrieben:Jedes Unternehmen muss Gewinne erwirtschaften, auch ein Dienstleistungsunternehmen. Diese betriebswirtschaftliche Notwendigkeit ist nicht wegzuleugnen. Und in der Tat erwirtschaften ja sowohl die DB AG wie auch die privaten EVU´s Gewinne. Im Nahverkehr, und auch hier ist es ein großer Batzen in der Bilanz der DB AG, stammt das Geld von den Steuerzahlern. Das man die Methoden der Bahn als "Gralshüter" des Netzes durchaus kritisieren kann, steht auf einem anderen Blatt. Regionalisierungsmittel für den öffentlichen Nahverkehr will ich damit aber nicht kritisieren. Und hier bestimmen ja auch die Verkehrsverbünde, wann welcher Zug fahren soll.
Natürlich muss jedes Unternehmen Gewinne erwirtschaften - gerade auch ein Dienstleistungsunternehmen. Auch der Fernverkehr. Klar. Aber wenn funktionierender Fernverkehr nicht wirtschaftlich zu betreiben ist, dann muss irgendjemand dem Verkehrsunternehmen diese Differenz zahlen, oder der Betrieb wird über kurz oder lang eingestellt (wenn keine sonstige Rationalisierungsmethode Erfolg verspricht).
Autobahn @ 15 Apr 2008, 19:27 hat geschrieben:Ich sehe es aber nicht als Aufgabe des Staates, zu Lasten der Allgemeinheit Verkehrsleistungen im Fernverkehr zu bestellen, gleichzeitig aber für einfache Verwaltungsvorgänge saftige Gebühren zu kassieren.
Genau damit hast du es ausgesprochen, in welche Richtung meine Intention geht: Bestellten überregionalen Verkehr.
Den Zusammenhang zwischen saftigen Gebühren bei einfachsten Verwaltungsvorgängen und bestelltem Fernverkehr lassen wir mal als Populismus durchgehen, hat das eine mit dem anderen ja wirklich nichts zu tun. Es kann keine pauschale Begründung sein, "der Staat darf generell kein Geld ausgeben, weil er dort unbegründeter Maßen Geld an sich rafft." Dann können wir den Staat auflösen und abwickeln. Oder du lieferst eine konkretere Begründung?
Autobahn @ 15 Apr 2008, 19:27 hat geschrieben:Sehr richtig, die Gesamtreisezeit ist das Maß der Dinge. Zwei mal im Jahr fahre ich aus beruflichen Gründen nach Hamburg. Fahrtzeit Bahn: 4:43h (3 mal Umsteigen) oder 5:00h (2 mal Umsteigen), Auto: 3:37h (MobilCheck der Reiseauskunft). Dabei sind Fußwege zum S-Bahnhof und zur Firma noch nicht berücksichtigt. Mit einer schnellen Punkt-zu-Punkt Verbindung Düsseldorf - Hamburg ließe sich die Gesamtreisezeit erheblich reduzieren (vorausgesetzt der Vor- und Nachlauf wäre angepasst <_< )
Und da fängt es schon an: Du möchtest den Vor- und Nachlauf anpassen - das läuft auf einen Taktfahrplan raus. Denn der Vor- und Nachlauf soll ja auch noch andere Züge beliefern, welche wiederum auch den schnellen Zug beliefern. Und das soll ja auch mehrmals am Tag klappen und die Fahrgäste sollen leicht merkbare Abfahrtszeiten haben - wir sind mitten im Taktverkehr! Was du mit "Punkt-zu-Punkt"-Verbindung meinst, ist Schnellverkehr. Den braucht es aber auch bei einem Taktsystem. Unter "Punkt-zu-Punkt"-Verbindung versteht man mehr etwas, was im Flugverkehr oder beim TGV in Frankreich oder auch beim Eurostar nach London eher vorherrscht. Man soll möglichst schnell von Paris nach Straßburg kommen, die Verbindung Paris - Metz spielt da keine Rolle (dafür bekommt Metz zwei mal am Tag eben auch einen Zug nach Paris). Metz - Straßburg bekommt gar keinen Zug. Dieses System funktioniert, wenn ich wenige große Zentren habe, einigermaßen - Frankreich ist damit sehr erfolgreich. Es würde sicherlich auch zwischen Zentren in Deutschland funktionieren. Allein der Aufwand ist so immens und die Zahl der für die Bahn gewonnen Fahrgäste nach meiner Einschätzung geringer als bei einem dichteren Taktsystem. Und das ist in einem so dicht besiedelten Land wie Deutschland, insbesondere im NRW, Hessen und Nord-BW ideal - viele kleine Städte, viele Bahnlinien, viele unterschiedliche Verkehrsbeziehungen.
Autobahn @ 15 Apr 2008, 19:27 hat geschrieben:Ich weiß nicht, was Du mit Doppelspurabschnitten meinst. Vermute aber, Du meinst zwei Gleise je Fahrtrichtung. Das ist gut. Dann fährt auf dem einen Gleis der HGV, auf dem anderen der langsamere Verkehr, der z.B. Greven mit Münster verbindet und dort Umsteigerelationen schafft. Und wer so verliebt in die Eisenbahn ist, dass er die Fahrt möglichst lange erleben will, kann ja dann mit dem langsameren Verkehr auch von Düsseldorf nach Hamburg fahren
Mit Doppelspurabschnitten sind eher bisher eingleisige Strecken gemeint, die stellenweise ein zweites Gleis bekommen sollen, damit Züge sich nicht mehr nur in Bahnhöfen kreuzen können. Dadurch können in vielen Fällen durch geringe Investitionen Fahrzeitverbesserungen erreicht werden, da Anschlüsse eher erreicht werden können. Sollte ein Beispiel sein! Stellenweise sind sicherlich auch drei- oder viergleisige Strecken nötig oder gar schon vorhanden, klar. Aber ein Doppelspurabschnitt ist meist nur auf wenige Kilometer ausgelegt.
Autobahn @ 15 Apr 2008, 19:27 hat geschrieben:Diesen langsameren Verkehr kann man durchaus in der Form von Regionalzügen in Ausschreibungen vergeben. Also z. B. Düsseldorf - Münster, Münster - Bremen, Bremen - Hamburg. Bei entsprechenden Anschlüssen dürfte die Reisezeit kaum anders als heute liegen.
Dein System hat aber einen gravierenden Nachteil: Deine privatwirtschaftlichen Fernverkehrsunternehmen sind völlig frei in der Fahrplangestaltung und realisieren keinen Taktfahrplan und wohl auch keine Knoten. Aber der staatlich finanzierte Nahverkehr soll so ausgeschrieben werden, dass er Fahrgäste dem Fernverkehr zuführt. Und wie soll er da noch seiner eigenen Rolle nachgehen, wenn er auf ungetaktete Hubs zuläuft und dadurch nicht mal "in sich" einen Taktverkehr anbieten kann (Nahverkehrszüge untereinander). Oh je, ich geh bald ins Bett, wahrscheinlich versteht das niemand mehr!
Autobahn @ 15 Apr 2008, 19:27 hat geschrieben:Der dann höherpreisige Schnellverkehr auf privatwirtschaftlicher Basis wäre dann eine echte Alternative und würde mit Sicherheit von Jenen angenommen, die heute Auto oder Flugzeug nutzen!
Warum, warum, warum? Es gibt schlicht und einfach nur wenige Fahrgäste, die nur zwischen den wirklichen Zentren hin- und her fahren. Wenn ein Direktzug Dortmund - München unterwegs nur noch vier mal halten darf, müssen Fahrgäste aus diesen vier Zentren den ganzen Zug "wirtschaftlich" halten! Mit etwas Glück passt irgendwo, meinetwegen in Frankfurt, zufällig der Anschluss zu einem anderen Fernzug, da könnte es Umsteiger geben. Aber es steigt dann ja keiner mehr um, man nimmt nur noch Direktverbindungen. Und wenn es grad keine mehr gibt, nimmt man halt - das Auto.
Autobahn @ 15 Apr 2008, 21:00 hat geschrieben:In der Tat sind die Umsteigerelationen nicht optimal. Aber das liegt nicht daran, dass man Schnellfahrstrecken gebaut hat oder noch bauen wird, sondern daran, dass die Abstimmung der Fahrlpäne nicht optimiert ist. Welche Maßnahmen auch immer, ohne eine Beschleunigung im Fernverkehr wird sich niemand für die Bahn entscheiden, wenn er Alternativen hat.
Die Grundregel müsste nicht so rum gehen: "Wir bauen Hochgeschwindigkeitsstrecken, um schnell von X nach Y zu kommen", sondern wir bauen die Eisenbahnstrecken eben so aus, dass wir von A nach B fahren und in B so ankommen, dass die Fahrgäste in B geschickt nach C, D, E und auch nach Y umsteigen können. Gleiches in X. Und wenn es technisch einfach nicht möglich ist, die vorhandene Verbindung zwischen X und Y soweit auszubauen, dass wir das schaffen, dann bauen wir notgedrungen auch eine Schnellverbindung da dazwischen. Denn dadurch haben die Fahrgäste aus A, B, C, D, und vielen Buchstaben mehr eben auch etwas von den getätigten Investitionen. Und nach diesem Vorbild baute die Schweiz eine kleine HGV-NBS. Und tätigte viele Streckenausbauten.
Vielleicht sollte man das mal grafisch aufbereiten, da kann man das am besten zeigen.
Autobahn @ 15 Apr 2008, 21:00 hat geschrieben:Aber ernsthaft nachgefragt, war es früher besser?
Ich weiß es eigentlich nicht (bin zu jung), denke aber eher nein. Bis in die frühen 60iger war es mehr oder weniger egal, was für ein Angebot die Bahn angeboten hatte - die Züge waren zwangsläufig voll. Irgendwann viel später (70iger?) entstand der IC-Taktverkehr, mit aber viel zu geringem Takt, als dass der groß eine Rolle spielte.
Übrigens will ich Punkt-zu-Punkt-Modelle nicht ganz ablehnen - auf gewissen Relationen (ICE-Sprinter) machen sie zu gewissen Verkehrszeiten ja auch Sinn. Das kann aber nur ergänzend zum Taktsystem funktionieren.
Viele Grüße und gute Nacht
Dave