Provokante Studie: Schienen weg in Ostdeutschland

Alles über Eisenbahn, was woanders nicht passt.
Benutzeravatar
Iarn
*Lebende Forenlegende*
Beiträge: 24555
Registriert: 20 Jul 2007, 13:22

Beitrag von Iarn »

In der FTD stand jüngst eine interessante, sicherlich kontroverse Studie zur Verkehrsentwicklung insbesondere in Ostdeutschland
FTD Dossier Schienen weg in Ostdeutschland.
In der dort zitierten Studie wird empfohlen, die Verkehrsinfrastruktur dem sinkenden Aufkommen anzupassen. Insbesondere die Schiene soll zugunsten von Bussen und Kleinbussen geopfert werden.
Generell geht die Studie aber von einem steigenden Bahnverkehr in Deutschland aus.

Hier die komplette Studie von InnoZ
Autonome Volksfront für die Wiedererrichtung der klassischen 22er Tram in München
Nicht zu verwechseln mit der Populären Front
pippo946
Routinier
Beiträge: 269
Registriert: 07 Mai 2008, 12:48
Wohnort: Pattenham

Beitrag von pippo946 »

...so hart es klingt und so wenig das Thema der wirtschaftlichen Entkopplung Ostdeutschlands in Deutschland populär ist (vgl. "unterdrückte Studie zur wirtschaftlichen Zukunft Ostdeutschlands), so wahr und notwendig ist jedoch die in dieser Studie aufgezeigte Tendenz: Wo keine oder zu wenige Menschen leben (im Osten), braucht man auch keine Gleise mehr. Wo viel Potential ist (im Westen), braucht man "mehr Bahn". Alles in allem wächst die Bedeutung der Eisenbahn. Bis dies jedoch von der Mehrheit der Politiker und Entscheidungsträger eingesehen wird und der natürlich zu erwartende, reflexartige "Der-Osten-wird-das-Niveau-des-Westens-erreichen/Solidarität"-Aufschrei verhallt sein wird, vergeht noch einige Zeit. Noch drängt die Lage nicht genug^^
Benutzeravatar
gmg
"Lebende Forenlegende"
Beiträge: 5552
Registriert: 14 Okt 2004, 15:23
Wohnort: Germering

Beitrag von gmg »

Wenn sich im Osten die Bahn echt nicht lohnt, dann sollte man tatsächlich auf Busse umsteigen, auch wenn es schade ist.
Was ich aber nicht ganz verstehe, ist, wie sie sich das vorstellen, wenn der Güterverkehr gemäß ihrer eigenen Feststellung auch im Osten am wachsen ist. Wenn sich Güterzüge lohnen, hat man ja eh schon Gleise. Und ob man jetzt noch kurze VTs drüber fahren lässt oder stattdessen Busse auf der Straße, ist doch dann auch egal.
Benutzeravatar
Benicarlo
Routinier
Beiträge: 256
Registriert: 17 Mär 2005, 16:21

Beitrag von Benicarlo »

Vielleicht sollte man vor diesem Hintergrund
Die Welt verbraucht ihre Ölreserven schneller als je zuvor und es steht in der mittelfristigen Zukunft eine Steigerung des Ölpreises bevor die früher eintreten wird als viele Leute glauben. ..
mal langsam anfangen,über die Vermeidung statt die Verlagerung von Verkehr nachzudenken.



Hier nachzulesen
EasyDor
Lebende Forenlegende
Beiträge: 2584
Registriert: 12 Aug 2002, 22:20

Beitrag von EasyDor »

Was soll das denn bringen, wenn mans den Leuten und natürlich auch den Firmen, die evtl. überlegen sich dort anzusiedeln ganz vergrault?
Womöglich auch noch die Schienenwege wegreißt, und die Gegend ganz aufgibt. Da wo Busse nicht reichen fährt man eben mit dem Taxi, für Schüler soll das eh Standard werden... :o

Klar gibt es wohl in manchen Regionen zu viel (ich würde es eher gute Versorgung nennen) Bahnverkehr, der in anderen Ballungsräumen dringend gebraucht wird. Ich sehe allerdings im MIV eine viel größere Kostensteigerung als die Studie. Und, um mal langfristig zu denken: Irgendwann ist das Öl wirklich alle...

Und dann werden die Gleise wieder gebraucht. Ich finde man sollte von Seiten der Politik viel größere Anstrengungen unternehmen die Leute ein bischen vom Auto unabhängig zu machen. In großen Metropolen ist das schon gut möglich, aber leider auch nur da.

Was man anscheinend auch noch nicht begriffen hat ist, dass wir eine Dienstleistungsgesellschaft sind.... Dienstleistung und hochwertige Produktion (keine rohstoffhungrige Industrie) kann überall erbracht werden. Auch in Mecklenburg-Vorpommern! Vielleicht auch grade da, denn von der Lebensqualität wäre es dort echt schön wenn es Jobs gäbe. Ganz anders als in Nordschweden (wo sie das mit den Taxis her haben). Dort wohnen ein paar hartgesottene und das wars. Das kann man doch nicht mit grünen schönen Landschaften vergleichen die jede Menge Potential haben?
The definition of insanity is doing the same thing over and over and expecting different results.
Unkannter Verfasser - nicht A. Einstein
Benutzeravatar
gmg
"Lebende Forenlegende"
Beiträge: 5552
Registriert: 14 Okt 2004, 15:23
Wohnort: Germering

Beitrag von gmg »

EasyDor @ 3 Aug 2009, 16:44 hat geschrieben:
Und, um mal langfristig zu denken: Irgendwann ist das Öl wirklich alle...

Und dann werden die Gleise wieder gebraucht.
Nur ist halt die Frage, wieviel Geld und Energie es kostet, bis dahin die betroffenen Gleise instandzuhalten. Außerdem gibt es andere Studien, die belegen, dass die Bahn erst dann umweltfreundlich und resoursenschonend ist, wenn Züge und Gleise gut ausgelastet sind.
3. Es gibt heute schon Busse, die mit Erdgas betrieben werden (ZB in Porto, Portugal). Das ist zwar auch ein begrenzter Rohstoff, aber es ist kein Öl und es ist auch klimafreundlicher als petrochemische Kraftstoffe.

Was ich zu den Taxigutscheinen noch sagen wollte: Mir hat mal einer erzählt, dass das im Kreis Mießbach so gehandhabt wird. Mir gefällt die Vorstellung nicht, aber wenn ich mir ansehe, wie in Germering die meisten Busse mit schätzungsweise 5 Fahrgästen im Schnitt herumfahren, kann ich sowas verstehen.
ET 423
*Lebende Forenlegende*
Beiträge: 13072
Registriert: 23 Okt 2002, 12:34

Beitrag von ET 423 »

gmg @ 3 Aug 2009, 17:01 hat geschrieben: Nur ist halt die Frage, wieviel Geld und Energie es kostet, bis dahin die betroffenen Gleise instandzuhalten.
Ja und den Rückbau gibts kostenlos und energiedeckend? Warum werden denn auch jetzt heutzutage viele unbenutzte Gleisanlagen nicht entfernt, sondern der Natur überlassen? Wohl sicher nicht, weils günstig wäre, diese abzubauen.
Ich schaue weg, weil mir hier Einiges nicht paßt.
EasyDor
Lebende Forenlegende
Beiträge: 2584
Registriert: 12 Aug 2002, 22:20

Beitrag von EasyDor »

ET 423 @ 3 Aug 2009, 17:10 hat geschrieben: Ja und den Rückbau gibts kostenlos und energiedeckend? Warum werden denn auch jetzt heutzutage viele unbenutzte Gleisanlagen nicht entfernt, sondern der Natur überlassen? Wohl sicher nicht, weils günstig wäre, diese abzubauen.
Dazu kommt noch, dass selbst wenn man sie sich selbst überlässt, der Unterbau z.B. weiterhin in gutem Zustand bleibt. Um Brücken und Tunnels müsste man sich allerdings kümmern. So hat man dann nach 20 Jahren Stillstand nur die Kosten für neuen Schotter (bzw. die Reinigung desselben) und neue Gleise. Signalkabel wird man dann wahrscheinlich eh nicht mehr brauchen... ;)
The definition of insanity is doing the same thing over and over and expecting different results.
Unkannter Verfasser - nicht A. Einstein
ET 423
*Lebende Forenlegende*
Beiträge: 13072
Registriert: 23 Okt 2002, 12:34

Beitrag von ET 423 »

Klar, auch eine Strecke, die nur vorübergehend stillgelegt wurde, braucht Pflege oder alternativ halt dann umso mehr, wenn man sie wieder in Betrieb nimmt. Aber zumindest hat man dann schonmal eine Grundlage dazuliegen. Reißt man jetzt alles weg und raus, wird man sich in 10, 20 Jahren oder so dann in den Hintern beißen, weil man die Strecke vielleicht doch wieder brauchen könnte.
Stellwerke, Signalkabel und das Ganze drumrum wird man auch in zwanzig Jahren noch brauchen. ;)
Ich schaue weg, weil mir hier Einiges nicht paßt.
Benutzeravatar
gmg
"Lebende Forenlegende"
Beiträge: 5552
Registriert: 14 Okt 2004, 15:23
Wohnort: Germering

Beitrag von gmg »

ET 423 @ 3 Aug 2009, 17:10 hat geschrieben: Ja und den Rückbau gibts kostenlos und energiedeckend? Warum werden denn auch jetzt heutzutage viele unbenutzte Gleisanlagen nicht entfernt, sondern der Natur überlassen? Wohl sicher nicht, weils günstig wäre, diese abzubauen.
Genau deshalb habe ich ja geschrieben, dass es die Frage ist. Außerdem geht es in der Studie darum, ob die Strecken in Betrieb bleiben sollen oder nicht. Es geht also erst einmal nicht darum, ob außer Betrieb genommene Strecken abgerissen werden sollen.
Benutzeravatar
rob74
Lebende Forenlegende
Beiträge: 2330
Registriert: 30 Sep 2004, 13:00

Beitrag von rob74 »

Iarn @ 3 Aug 2009, 15:54 hat geschrieben: In der FTD stand jüngst eine interessante, sicherlich kontroverse Studie zur Verkehrsentwicklung insbesondere in Ostdeutschland. In der dort zitierten Studie wird empfohlen, die Verkehrsinfrastruktur dem sinkenden Aufkommen anzupassen. Insbesondere die Schiene soll zugunsten von Bussen und Kleinbussen geopfert werden.
Generell geht die Studie aber von einem steigenden Bahnverkehr in Deutschland aus.
Provokant ist vor allem die Schlagzeile der FTD. In der Studie stehen hingegen viele Punkte, denen ich zustimmen kann. Auch dass "insbesondere in Ostdeutschland das System Schiene in einigen Gegenden zur Disposition steht", ist nichts Neues. Allerdings gibt es auch zahlreiche Beispiele von Strecken, die früher zu Disposition standen, aber nach einem Wechsel zu einem engagierteren Betreiber gerettet werden konnten - siehe diese Broschüre der "Allianz pro Schiene", die allein 5 Nebenstrecken aus dem Osten enthält. Es wäre finde ich falsch, die Infrastruktur zu schnell an das Schrumpfen einer Region anzupassen, das würde nämlich einen Teufelskreis erzeugen: durch den Abbau der Infrastruktur schrumpft die Region noch schneller, was wiederum zum weiteren Rückbau der Infrastruktur führt, bis schließlich nix mehr übrig ist. OK, dann könnte man 2050-2060 in Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern auf der dann komplett unbewohnten Fläche ein schönes großes Natuschutzgebiet anlegen, das hätte also auch was Positives :ph34r:
Benutzeravatar
Iarn
*Lebende Forenlegende*
Beiträge: 24555
Registriert: 20 Jul 2007, 13:22

Beitrag von Iarn »

Ich muss ganz ehrlich sagen, bei einigen Beispielen der Broschüre muss man den Erfolg sehr duch die Brille eines Eisenbahnfans sehen. Die 900 Fahrgäste am Tag der Prignitzer Eisenbahn und die 530 der Muldentalbahn bzw 510 der Burgenlandbahn sind schon verdammt wenig. Das ist eigentlich nicht mal tramwürdig, nicht im entferntesten.
Autonome Volksfront für die Wiedererrichtung der klassischen 22er Tram in München
Nicht zu verwechseln mit der Populären Front
146225
*Lebende Forenlegende*
Beiträge: 18022
Registriert: 01 Apr 2007, 17:45
Wohnort: TH/EDG

Beitrag von 146225 »

Die marktradikalen Einstellungen von Iarn mal unberücksichtigt - soviele Nebenbahnen gibt es nun in Mitteldeutschland / Nordostdeutschland auch nicht mehr, die man im Wahn der vermeintlichen Unrentabilität stillegen könnte. Gut, es gibt wahrscheinlich auch Leute die sich fragen warum kleinere Zentren wie Zittau oder Görlitz oder Eberswalde oder Quedlinburg und dergl. auf der Schiene erreichbar sein müssen, aber soweit sind wir hoffentlich dann doch noch nicht ganz.

Das Problem ist eben, daß wenn die Bahn mal weg ist, der Nahverkehr fehlt - wenn wir ehrlich sind, wissen wir alle, daß eine oder auch fünf Buslinien die Bahn nicht ersetzen können. Und wenn diese Infrastruktur (auch noch) fehlt, wird die Situation vor Ort nicht besser. Will sagen, es fehlt wieder mal ein Puzzleteil um vor Ort die wirtschaftliche Situation bei passender Gelegenheit verbessern zu können.

Natürlich kenne ich auch diese Prognosen von aussterbenden Landstrichen, aber: Zwangsentleeren kann man kaum eine Region, wäre dann doch etwas verfassungswidrig. Und solange Leute irgendwo leben wollen, haben sie auch den Anspruch auf Infrastruktur. Wer sind wir als Deutschland, wenn wir für alles mögliche Geld ausgeben können, aber diesen Anspruch nur jämmerlich erfüllen ?
München kann jeder. Duisburg muss man wollen!
Rohrbacher
*Lebende Forenlegende*
Beiträge: 14643
Registriert: 10 Apr 2006, 23:21
Wohnort: ja

Beitrag von Rohrbacher »

Zwangsentleeren kann man kaum eine Region
Offiziell nicht, aber das passiert ja relativ automatisch, wenn ich mir die Prognosen und nicht zuletzt auch die Realitäten mal ansehe. Wo in Deutschland steigen die Bevökerungszahlen denn noch? Und in manchen Gegenden wird halt noch Infrastruktur für eine 40000-Einwohnerstadt unterhalten (oder auch nicht), übrig ist vielleicht noch die Hälfte. Auf der anderen Seite gibt's Gegenden, wo ein Teil dieser und anderer Leute hinziehen, dort ist die Infrastruktur heute zu eng, das Geld sie zu erweitern ist aber knapp. In manchen Gegenden gibt's wohl wirklich Bahnlinien mit 5-10 Fahrgästen im Mittel... schwierig.
Benutzeravatar
Iarn
*Lebende Forenlegende*
Beiträge: 24555
Registriert: 20 Jul 2007, 13:22

Beitrag von Iarn »

146225 @ 4 Aug 2009, 21:21 hat geschrieben:Die marktradikalen Einstellungen von Iarn mal unberücksichtigt - soviele Nebenbahnen gibt es nun in Mitteldeutschland / Nordostdeutschland auch nicht mehr, die man im Wahn der vermeintlichen Unrentabilität stillegen könnte. Gut, es gibt wahrscheinlich auch Leute die sich fragen warum kleinere Zentren wie Zittau oder Görlitz oder Eberswalde oder Quedlinburg und dergl. auf der Schiene erreichbar sein müssen, aber soweit sind wir hoffentlich dann doch noch nicht ganz.
Jajaja die Clichees über mich müssen immer kräftig bedient werden.
Nur nehmen wir mal an und meine marktradikale These stimmt und Geld wächst wirklich nicht auf Bäumen:
Ist es dann gerecht, wenn irgendwo ein Zug für 500 Hanseln fährt und andere Strecken werden nicht gebaut/bedient trotz Fahrgastprognosen von 10000 Fahrgästen pro Tag (z.B. Stadt Umlandstrecke München Nordring)?
Das Problem ist eben, daß wenn die Bahn mal weg ist, der Nahverkehr fehlt - wenn wir ehrlich sind, wissen wir alle, daß eine oder auch fünf Buslinien die Bahn nicht ersetzen können. Und wenn diese Infrastruktur (auch noch) fehlt, wird die Situation vor Ort nicht besser. Will sagen, es fehlt wieder mal ein Puzzleteil um vor Ort die wirtschaftliche Situation bei passender Gelegenheit verbessern zu können.

Es gibt Strecken da ist ein Bus attraktiver als die Bahn, weil er die Ortszentren direkt anfährt und evtl kürzere Fahrzeiten hat. Ich bin für mehr Eisenbahn in Deutschland aber nicht als Selbstzweck. Ein Sammeltaxi sollte nicht durch einen Triebwagen ersetzt werden.
Autonome Volksfront für die Wiedererrichtung der klassischen 22er Tram in München
Nicht zu verwechseln mit der Populären Front
JeDi
*Lebende Forenlegende*
Beiträge: 19066
Registriert: 22 Apr 2006, 18:27
Wohnort: Land der Küchenbauer
Kontaktdaten:

Beitrag von JeDi »

Sicher ist das ganze etwas radikal. Wenn ich mir aber anschau, dass es im Osten doch einige Bahnen gibt, die man als Spaßbahn bezeichnen kann (oder auch die EBFÖ-Bezeichnung "Spielzeugbahn" passt) - da sollte man sich doch die Sinnhaftigkeit überlegen. Vorallem, wenn die dann im Stundentakt betrieben werden...
146225
*Lebende Forenlegende*
Beiträge: 18022
Registriert: 01 Apr 2007, 17:45
Wohnort: TH/EDG

Beitrag von 146225 »

Iarn @ 4 Aug 2009, 23:25 hat geschrieben: Ist es dann gerecht, wenn irgendwo ein Zug für 500 Hanseln fährt und andere Strecken werden nicht gebaut/bedient trotz Fahrgastprognosen von 10000 Fahrgästen pro Tag (z.B. Stadt Umlandstrecke München Nordring)?
Wenn Du bei etwas politisch gesteuertem wie Nahverkehr nach Gerechtigkeit suchst, wirst Du vermutlich vor Sucherfolg verzweifeln. Natürlich gibt es Gott allein weiß wieviele sinnvolle Dinge in ganz Deutschland welche aus zum Teil absonderlichsten Gründen nicht realisiert werden. Aber sind die 500 Fahrgäste/Tag einer wo auch immer gelegenen Nebenbahn deshalb wertlos ?
Es gibt Strecken da ist ein Bus attraktiver als die Bahn, weil er die Ortszentren direkt anfährt und evtl kürzere Fahrzeiten hat.
Der Satz könnte lupenrein aus einer Veröffentlichung der 60er/70er abgeschrieben sein ("flexibler Bahnbus") - nur daß er sich in den allerseltensten Ausnahmefällen als richtig oder wahr erwiesen hat. Wenn wir im Beispiel mit Deinen 500 Bahnfahrgästen/Tag bleiben, hast Du nach zwei-drei Monaten Busbetrieb vielleicht noch 150 Busfahrgäste/Tag, wenn überhaupt so viel.
München kann jeder. Duisburg muss man wollen!
Benutzeravatar
Iarn
*Lebende Forenlegende*
Beiträge: 24555
Registriert: 20 Jul 2007, 13:22

Beitrag von Iarn »

146225 @ 5 Aug 2009, 06:13 hat geschrieben: Wenn Du bei etwas politisch gesteuertem wie Nahverkehr nach Gerechtigkeit suchst, wirst Du vermutlich vor Sucherfolg verzweifeln. Natürlich gibt es Gott allein weiß wieviele sinnvolle Dinge in ganz Deutschland welche aus zum Teil absonderlichsten Gründen nicht realisiert werden. Aber sind die 500 Fahrgäste/Tag einer wo auch immer gelegenen Nebenbahn deshalb wertlos ?
Natürlich gibt es keine Gerechtigkeit, schon gar nicht im Nahverkehr. Ich halte es aber persönlich für falsch, wenn an manchen Orten politisch gesteuert Bahnen für 500 Fahrgäste/d am Leben gehalten werden und das Geld fehlt an sinnvolleren Stellen.
Wertlos ist ein starkes Wort, aber wenn Du so willst, ich sehe den Wert als extrem gering.
Autonome Volksfront für die Wiedererrichtung der klassischen 22er Tram in München
Nicht zu verwechseln mit der Populären Front
Ionenweaper
Haudegen
Beiträge: 540
Registriert: 11 Mär 2009, 18:00

Beitrag von Ionenweaper »

Iarn @ 4 Aug 2009, 23:25 hat geschrieben:
146225,4 Aug 2009, 21:21 hat geschrieben:Nur nehmen wir mal an und meine marktradikale These stimmt und Geld wächst wirklich nicht auf Bäumen:
Ist es dann gerecht, wenn irgendwo ein Zug für 500 Hanseln fährt und andere Strecken werden nicht gebaut/bedient trotz Fahrgastprognosen von 10000 Fahrgästen pro Tag (z.B. Stadt Umlandstrecke München Nordring)?
Unter Umständen ist das schon sinnvoll. Denn in einem Fall ist ja eine funktionale Strecke vorhanden, die man erstmal nur nutzen muss (also fallen hauptsächlich nur Betriebskosten an). Im anderen Fall muss man ja erstmal groß investieren, so dass sich das evtl. dadurch weniger lohnt. (Langfristig muss man natürlich auch auf der vorhandenen Strecke investieren, aber das ist für die erste Betrachtung ein anderer Punkt).

Was sicher auch relevant ist: Eine Ringbahn verkürzt hauptsächlich viele Fahrstrecken (z. T. deutlich). Allerdings ist sie keine alleinige Anbindung eines Ortes. Bei den Strecken die zur Diskussion stehen, ist ziemlich klar, dass das Ruck-Zuck keine normalen Busverbindungen mehr werden, sondern nur tolle Anrufbusse. Das liegt auch an den Unfähigkeiten der Leute der Kreise, ordentliche kreisübergreifende Busverbindungen zu schaffen und daran, dass man meist gleich noch den und den kleinen Ort abzuckeln lässt, was die Fahrzeiten total unattraktiv macht und noch die letzten Fahrgäste verkrault.
Wenn man wichtige Busverbindungen vom Land bestellen würde, sähe das vll. auch etwas anders aus.
mrj
Routinier
Beiträge: 420
Registriert: 30 Okt 2004, 11:48

Beitrag von mrj »

Klar, ich bin sicher marktradikal und bekanntermaßen ein Bahngegner. Aber lassen wir das mal aussen vor.

Das Problem an sich ist schon angesprochen worden: Der Wandel von der Industriegesellschaft - mit einer großen Anzahl Personen, die im Großen und Ganzen wenige gemeinsame Ziele ansteuern und so per se Massenverkehr hervorrufen - hin zu einer Dienstleistungsgesellschaft, mit immer dezentraleren Strukturen, die vor allem weitestgehend individuelle Verkehrsleistungen erfordern. Dem ist das System Schiene in seiner jetzigen Ausprägung auf jeden Fall nicht gewachsen. Wenn man dann noch Strategien zur Verkehrsvermeidung wirklich ernst nimmt, sehe ich für das System Eisenbahn in diesem Land auch nur noch ein Nischendasein, dort, wo sich ausreichend individuelle Verkehrswege zu einer Masse zusammenfinden (können).

Zu dem Thema würde mir noch eine Menge mehr einfallen, gerade auch, wa Ostdeutschland betrifft. Aber so oder so: Wir alle werden uns früher oder später darauf einstellen müssen, weitere Wege zu Fuß oder mit Zweirädern (eventuell auch Dreiradfahrzeuge) zurückzulegen, so wie es in meiner Kindheit noch war. Die Unart, auch kurze Distanzen mit Zug/Bus/Tram oder besser noch mit PKW zurückzulegen können wir uns bald nicht mehr wirklich leisten.
kato
Doppel-Ass
Beiträge: 108
Registriert: 26 Jan 2009, 12:55

Beitrag von kato »

Rohrbacher @ 4 Aug 2009, 21:40 hat geschrieben: Wo in Deutschland steigen die Bevökerungszahlen denn noch?
Also bis mindestens 2020 hier zumindest schon (Ballungsraum Rhein-Neckar). Auf der rechtsrheinischen Seite davon hier entstehen bis dahin zwischen 20.000 und 30.000 neue Wohneinheiten, und man geht davon aus, daß diese eher nicht reichen werden. Manche Dörfer rechnen in den nächsten 10 Jahren mit Zuwachsraten bis zu 25% gegenüber der aktuellen Bevölkerung (insgesamt eher 10-15% plus) - und das nicht zu Lasten der Groß- und Mittelstädte hier.

Und die neuen Wohngebiete die dafür gebaut werden, entstehen übrigens zum Großteil "bahnkonform" im Umfeld von (geplanten/existierenden) S-Bahn-Haltepunkten und dergleichen.
Benutzeravatar
Iarn
*Lebende Forenlegende*
Beiträge: 24555
Registriert: 20 Jul 2007, 13:22

Beitrag von Iarn »

Rohrbacher @ 4 Aug 2009, 21:40 hat geschrieben: Wo in Deutschland steigen die Bevökerungszahlen denn noch?
In der InnoZ Studie ist auf Seite 9 eine hübsche Farbgrafik mit der Prognose.

Prinzipiell sind das der Speckgürtel Münchens, Teile der Bodenseeregion, Ballungsraum Freiburg bis Rhein- Region, Teile des Rheinlandes, Teile Niedersachsens inkl Speckgürtel HH und der SPeckgürtel Berlin.
Die massivsten Zuwächse von über 15% auf Landkreisniveau (beim positiven Szenario) sind ausschließlich im erweiterten Münchner Speckgürtel zu finden.
Autonome Volksfront für die Wiedererrichtung der klassischen 22er Tram in München
Nicht zu verwechseln mit der Populären Front
Ionenweaper
Haudegen
Beiträge: 540
Registriert: 11 Mär 2009, 18:00

Beitrag von Ionenweaper »

mrj @ 5 Aug 2009, 11:23 hat geschrieben:Aber so oder so: Wir alle werden uns früher oder später darauf einstellen müssen, weitere Wege zu Fuß oder mit Zweirädern (eventuell auch Dreiradfahrzeuge) zurückzulegen, so wie es in meiner Kindheit noch war. Die Unart, auch kurze Distanzen mit Zug/Bus/Tram oder besser noch mit PKW zurückzulegen können wir uns bald nicht mehr wirklich leisten.
Also das sehe ich nicht, auch wenn Mobilität wohl teurer wird. Aber wenn man bedenkt, wieviele Leute sich immer noch mehrere Autos leisten (müssen), was ja absolute Einzelfahrten sind. Würde man 10 einzelne Autos in einem (Klein-)Bus bündeln können, würde man schon ordentlich Ressourcen einsparen.

Moblität wird ja auch nicht nur teuer, sondern auch wichtiger, wenn man sich überlegt in welche Richtung die Arbeitsplätze zukünftig gestaltet werden sind. Da weitere Wege zu Fuß nicht nur nervig sind, sondern auch Zeit kosten, wird hier wohl der Preis ansteigen, aber einen insgesamt sinkenden Lebensstandard dadurch sehe ich noch nicht (auch wenn einzelnen ihre persönliche mobilen Freiheit wohl mangels finanzieller Möglichkeit eingeschränkt wird).


Und wenn ich mir mal die Bevölerungsentwicklung in deutschen Orten ansehe - wachsen tun die Städte und Ballungsräume. Jedenfalls ist das meine Beobachtung meines Wohngebietes (Ostdeutschland), aber es deckt sich auch mit dem, was ich in letzter Zeit aus anderen Gebieten gelesen und gehört habe. Klar: Wird Moblität teurer, kann man sich weniger leisten, also wird ein Umzug in einen größeren Ort, wo man potenziell weniger braucht, immer um so attraktiver.

Hier sind jedenfalls die meisten Großstädte die einzigen Orte, wo man keine Abwanderungen sieht. Das deutlichste Wachstum hatten wohl Dresden (in den letzten 5 Jahren um 25.000 Einwohner gewachsen = +5%) sowie Leipzig (+20.000 = +4% in 5 Jahren). Aber auch andere größere Städte (Magdeburg, Erfurt, Rostock, Potsdam, Jena) wachsen wieder leicht. Aus der Reihe fallen hauptsächlich Chemnitz und Halle/Saale (jeweils ca. -6000 = -2,5% in 5 Jahren).
Das heißt aber auch, dass die Leute nicht nur irgendwo anders hinziehen, sondern Potentiell auch eher von dem Land in die Stadt (wenn man sich mal die Schrumpfungsraten einzelner Landkreise ansieht, sieht man dass die deutlich stärker sind als die von Chemnitz oder Halle).

Man sieht das auch gut an den Prognosen der Einwohnerentwicklung zu verschiedenen Zeitpunkten. Der Trend zu einer gewissen Urbanisierung ist da erst in den letzten Prognosen wieder aufgetaucht.
JeDi
*Lebende Forenlegende*
Beiträge: 19066
Registriert: 22 Apr 2006, 18:27
Wohnort: Land der Küchenbauer
Kontaktdaten:

Beitrag von JeDi »

mrj @ 5 Aug 2009, 11:23 hat geschrieben: sehe ich für das System Eisenbahn in diesem Land auch nur noch ein Nischendasein, dort, wo sich ausreichend individuelle Verkehrswege zu einer Masse zusammenfinden (können).
Wenn die Bäche alle austrocknen tun das früher oder später auch die großen Flüsse. Gilt bei der Bahn genau so.
Rohrbacher
*Lebende Forenlegende*
Beiträge: 14643
Registriert: 10 Apr 2006, 23:21
Wohnort: ja

Beitrag von Rohrbacher »

Aber sind die 500 Fahrgäste/Tag einer wo auch immer gelegenen Nebenbahn deshalb wertlos ?
Nein, 500 geht noch, kommt auf die Länge der Strecke an, aber es gibt viele Strecken, die hätten mehr bis deutlich mehr Fährgäste am Tag, aber es ist kein Geld da, die Strecke zu betreiben. Sind diese Leute also noch wertloser?
Die massivsten Zuwächse von über 15% auf Landkreisniveau (beim positiven Szenario) sind ausschließlich im erweiterten Münchner Speckgürtel zu finden.
Darauf wollte ich anspielen. Etwas populistisch könnte man sagen, dass die Leute, die rund um München für im Schnitt 7% und in Spitzen anscheinend bis zu 25% Wachstum in den nächsten Jahren sorgen, dann enger zusammenrücken müssen, weil kein Geld da ist. Das wird irgendwo für 500 Leute und eine Strecke in sowieso verbraten.
146225
*Lebende Forenlegende*
Beiträge: 18022
Registriert: 01 Apr 2007, 17:45
Wohnort: TH/EDG

Beitrag von 146225 »

Mir fallen zu dem ganzen gesammelt wieder mehrere Antworten ein, ich hoffe ich bringe das einigermaßen strukturiert herüber:

Leute, Infrastruktur in Form von Nebenbahnen zu erhalten, bedeutet doch nicht automatisch woanders nichts zu tun ! Man kann das eine tun und trotzdem das andere nicht vernachlässigen. Wenn sinnvolle Dinge Ewigkeiten dauern, z.B. die Südbahn seit 30 Jahren nur in Sonntagsreden statt über den Gleisen elektrifiziert wird, ist das nicht die Schuld der Infrastruktur anderswo sondern ausschließlich ein Versagen der Politik. Politik aber ist zumindest prinzipiell änderbar, und in einer Demokratie liegt es auch an uns allen, sich für diese Änderungen stark zu machen. Wenn ihr in der Region München mehr Bahn haben wollt, erreicht ihr sie nur über die Politik, nicht über Nebenbahnen im Rest von Deutschland. Die große Schnauze und die wenigen Taten von Seehofer, da müßt ihr ran, darum geht es !

Wirklich witzig auch die Vorstellung, man müßte nur den Betrieb auf sämtlichen einem gerade unrentabel erscheinenenden Nebenbahnen (warum eigentlich immer nur auf solchen in den östlicheren Regionen Deutschlands ?) einstellen, schon könnte man die Finanzierung des jeweils präferierten Infrastrukturprojektes auf Ewigkeiten sicherstellen. Äh ja ne, is klar. So läuft der Hase in bundesdeutschen Haushalten aber nicht. Nur weil irgendwo in Mecklenburg-Vorpommern die Leute vor Ort das Problem abbestellter Züge haben, tauchen diese Zugleistungen nicht automatisch irgendwo anders in der Republik wieder auf. Sondern in Berlin kürzt man die Regionalisierungsmittel des Bundes für M-V, und das "eingesparte" Geld verschwindet dann in der Verwaltungsbürokratie, im Schuldenberg oder sonstwo, aber sicher nicht dahin, wo manche hier es hinträumen.

Ach so, und wenn schon der Bus angeblich soviele Kostenvorteile bietet, warum bietet er diese ? In Ordnung, objektiv gesehen ist ein Bus billiger anzuschaffen (preiswerter ist er deshalb noch lange nicht) als ein Schienenfahrzeug, und ja, der Verbrauch an Betriebsstoffen (meist noch Diesel) ist auch geringer. Das war es dann aber auch mit objektiver Vergleichbarkeit. Die Rechnung mit 100-150 Busfahrgästen pro Tag eine bessere Kostendeckung zu haben als mit 500 Bahnfahrgästen geht nur deshalb auf, weil der Bus seine Infrastruktur nicht exklusiv nutzt und deshalb zu geringen Anteilen selbst finanzieren muß, und weil ein (ahnungsloser) Aushilfsbusfaher als 400-€-Jobber schlicht günstiger kommt als ein ausgebildeter Tf. Wollten wir effektive Vergleichbarkeit, sollte es für Buslinien ebenfalls Trassen- und Haltestellengebühren geben. Aber das nehmen wir für selbstverständlich hin, daß dies gegeben sein muß, und da wird im Vergleich zur Bahnlinie die Mittelherkunft nicht hinterfragt. Schon ein wenig komisch, oder ?

Die vermeintlich einfache Einstellung des SPNV auf einer x-beliebigen Strecke hat zuviele und zu weitreichende Auswirkungen auf das Leben vor Ort, als daß man diese Entscheidung leichtfertig fällen sollte. Beispielsweise fällt bei fehlendem Bahnverkehr der Wert von Grundstücken und Immobilien vor Ort ab - und warum sollte sich ein Grundstückseigentümer dies vom Staat gefallen lassen, nur weil dieser mit seinem Eigentum Bahninfrastruktur noch nie ordnungsgemäß im Sinne Art. 14 GG umgegangen ist ?

Fortsetzung zu erwarten...
München kann jeder. Duisburg muss man wollen!
Benutzeravatar
KnutR
König
Beiträge: 777
Registriert: 22 Mai 2005, 14:13
Wohnort: Berlin-Pankow
Kontaktdaten:

Beitrag von KnutR »

Iarn @ 5 Aug 2009, 10:17 hat geschrieben:Natürlich gibt es keine Gerechtigkeit, schon gar nicht im Nahverkehr. Ich halte es aber persönlich für falsch, wenn an manchen Orten politisch gesteuert Bahnen für 500 Fahrgäste/d am Leben gehalten werden
Da bin ich anderer Meinung.

Gerade bei jenen 500 Personen muss man die Infrastruktur aufrecht erhalten,
da das dort teilweise die einzige Fortbewegung mit öffentlichen Verkehrsmitteln
darstellt (von den miserablen Busverkehren mal abgesehen).

Es ist ja auch eine Frage, wie man den Bahnverkehr aufrecht erhält. Man muss ja
nicht zwangsläufig einen ganztägigen 2-Stundentakt aufbauen. Es können auch Takt-
lücken vorhanden sein. Oder man baut den Verkehr eben nach Verkehrsströmen in der Art auf

morgens: 3x Stundentakt ab 6/7 Uhr - anschließend 2 Stunden kein Verkehr
mittags (12 Uhr): kein Verkehr (bzw. bei Bedarf: eine Fahrt)
nachmittags (ab 15/16 Uhr): 2-Stundentakt mit evtl. Taktverdichtungen (je nach Verkehrsbedürfnis)

Aber Ortschaften teilweise tagelang abzuhängen (und diese Orte gibt/ gab es - ich weiß wovon ich spreche)
ist nun wirklich nicht Sinn des ÖPNV. Denn einem Arbeitgeber ist es sicherlich nicht Recht, wenn
sein Arbeitnehmer sagt: "Ich kann nur Di und Do arbeiten kommen, weil nur da ein Bus/ eine Bahn fährt."



Iarn @ 5 Aug 2009, 10:17 hat geschrieben:und das Geld fehlt an sinnvolleren Stellen.
Das sieht man ja in letzter Zeit öfter, wo die "sinnvollen" Stellen sich befinden: Da baut man
zwischen zwei S-Bahnstationen, die 500 Meter auseinander liegen noch ne weitere, damit die Leute
der Großstädte nur nicht zu weit laufen müssen. (Ist jetzt zwar sehr überspitzt dargestellt, der Grundansatz ist aber so)
Mit freundlichen Grüßen aus Berlin
Knut Rosenthal

Bild
Electrification
Lebende Forenlegende
Beiträge: 3943
Registriert: 01 Mär 2009, 15:34

Beitrag von Electrification »

Es ist richtig, es muss sich was tun, aber diese Studie muss man mit Vorsicht genießen, denn soweit ich das mitbekommen habe sind da einige daran beteiligt die ein Interesse an weniger Schienenverkehr haben. Es gibt einfach zu viele Gefälligkeitsstudien, daher kann ich keiner Studie glauben ohne sie zu hinterfragen.
Es ist auch Fakt dass im Osten kaum noch was zum abbestellen da ist, daher ist das billiger Populismus und eine Lobby die verdienen will mit Anruftaxis usw., die ganz in Ordnung sind, aber nur in wirklich abgelegenen Gebieten, sie sind Totengräber einer Region.
Iarn hat geschrieben: Es gibt Strecken da ist ein Bus attraktiver als die Bahn, weil er die Ortszentren direkt anfährt und evtl kürzere Fahrzeiten hat. Ich bin für mehr Eisenbahn in Deutschland aber nicht als Selbstzweck. Ein Sammeltaxi sollte nicht durch einen Triebwagen ersetzt werden.
Es dürfte nicht sehr viele Buslinien geben die attraktiver als die Eisenbahn sind. Das Ansteuern der Ortszentren ist ein Märchen, das bringt nicht mehr Fahrgäste, nur wenn die Fahrzeit mithalten kann ist ein Bus attraktiver. Meistens war es bisher so dass es bei einer "Angebotsumstellung" deutlich verlängerte Fahrzeiten gab, da mehr Halte und kleine Schlenker in Weiler eben mehr Zeit kosten und dann ist klar dass keiner mehr mitfährt der nicht wirklich muss.
Der Bus ist in den seltensten Fällen eine Alternative, man kennt die Lieder ja von vielen Stilllegungen, was kam raus? Wo ist da heute noch bedeutender Busverkehr übrig geblieben bis auf Ausnahmen? Mo - Fr vier mal am Tag und jedes mal eine andere Route, Samstag eine Fahrt die so ungünstig ist dass es sich für Leute die zum Einkaufen in die Stadt wollen nicht lohnt und Sonntag gleich gar nichts.

Auch sollte man keine pauschale Grenzlinie für die Mindestnutzung von Strecken rausgeben, es kommt auch immer auf die Bedeutung der Strecke an und die Versorgungsfunktion für die Region. 500 Fahrgäste pro Tag ist übrigens auch kein so schlechter Wert. Im Münchner Raum schon, aber doch nicht irgendwo auf dem Land. Glaubt jemand Zwiesel - Grafenau hat mehr Fahrgäste als einige Strecken im Osten? Aber diese Strecke hat trotzdem seine Daseinsberechtigung und ist ein wichtiges Bindeglied in dieser Region. Man darf nicht immer alles messerscharf betriebswirtschaftlich betrachten. Natürlich macht es keinen Sinn wenn eine Strecke nur 50 Fahrgäste am Tag hat, aber bei 500 zu meckern halte ich für überzogen, da wird an anderen Stellen in Deutschland mehr Geld aus dem Fenster geworfen, auch im Straßenverkehr.
Ich weiß ja dass hier gerne Konflikte zwischen Stadt- und Landbevölkerung ausbrechen, etwas mehr gegenseitiges Verstehen wäre durchaus wünschenswert und man sollte beide nicht gegeneinander ausspielen.
Wollen wir ein lebenswertes Land oder ein Land wo man alles, wirklich alles aus rein betriebswirtschaftlichen Gründen sieht? Vielleicht kann man es sich nicht mal mehr leisten zu lachen, weil eine Studie rausfindet dass dies unwirtschaftlich ist. Viele Dinge sind einfach dem Allgemeinwohl dienend und die darf man nicht nur mit dem BWL-Blick betrachten.
Eins sollte klar sein: Volkswirtschaftlicher Nutzen sollte immer über betriebswirtschaftlichem Nutzen stehen, auch wenn das einige sicher nicht hören wollen.
Benutzeravatar
Benicarlo
Routinier
Beiträge: 256
Registriert: 17 Mär 2005, 16:21

Beitrag von Benicarlo »

Auch sollte man keine pauschale Grenzlinie für die Mindestnutzung von Strecken rausgeben, es kommt auch immer auf die Bedeutung der Strecke an und die Versorgungsfunktion für die Region.
Da kommt mir doch grad eine Frage in den Sinn:
Viele Strecken hat man früher weniger aus wirtschaftlichen Erwägungen als vielmehr aus militärstrategischen Erwägungen gebaut.Spielt das heute keinerlei Rolle mehr?Oder hält man nach wie vor bestimmte Bahnlinien unter diesen Gesichtspunkten aufrecht?

Und keiner lacht jetzt,das ist durchaus ernst gemeint!
Taschenschieber

Beitrag von Taschenschieber »

Benicarlo @ 5 Aug 2009, 18:37 hat geschrieben:
Da kommt mir doch grad eine Frage in den Sinn:
Viele Strecken hat man früher weniger aus wirtschaftlichen Erwägungen als vielmehr aus militärstrategischen Erwägungen gebaut.Spielt das heute keinerlei Rolle mehr?Oder hält man nach wie vor bestimmte Bahnlinien unter diesen Gesichtspunkten aufrecht?

Und keiner lacht jetzt,das ist durchaus ernst gemeint!
Militärstrategisch - im Sinne von "um unsere Truppen schnell ins Feindgebiet schmeißen zu können" - in Deutschland sicher nicht mehr. Schließlich haben jetzt in Mitteleuropa alle kapiert, dass das mit der Kriegstreiberei vielleicht nicht so ganz das Gelbe vom Ei ist, um es mal vorsichtig auszudrücken. Zur Zeit des Kalten Krieges waren strategische Überlegungen noch deutlich eher der Fall.

Allerdings wird die Eisenbahn immer noch in enormen Umfang für Material-, Panzer- und Truppentransporte genutzt - und wenn es nur die Fahrt ins Manöver ist. Dass die eine oder andere ansonsten unwichtige/unwirtschaftliche Strecke extra für die Bundeswehr freigehalten wird (gerade bei Verbindungen zu Kasernen), kann ich mir durchaus vorstellen - sicher sagen kann ich dir das allerdings nicht.

Zu dem Thema gab es letztes Jahr ein recht interessantes BahnExtra.

Gruß,
Stephan
Antworten