der Flüsterer @ 7 Feb 2010, 12:07 hat geschrieben:Ich vermute ich habe mit dem Wohnhaus-Satz für Irritation gesorgt. Aber ich denke Du (Boris) hast recht. Wenn ich überlege sind es in der Tat meist frei stehende Bahngebäude. Ich hatte da nur ein bestimmtes in Erinnerung, aber das lag auch über einem kleinen Bahnhofsvorraum. Ich vermute die vielen Pflanzen an der Fensterfront brachten mich dazu es Wohnhaus zu nennen (vielleicht ist es auch so, wie freibier vermutet).
Grundsatz: Es gibt nix bei der Bahn, was es nicht gibt.

Grade auf kleineren Bahnhöfen ist es durchaus nicht unüblich, dass im Erdgeschoß des Bahnhofsgebäudes (Empfangsgebäudes, EG) die Betriebsräume - also Stellwerksanlagen, Büdo des Fahrdienstleiters, Fahrkartenschalter, Warteraum usw. - sind und die Stockwerke darüber ganz normale Wohnungen beinhalten.
Aber auch ein Stellwerk kann (je nach dort arbeitendem Personal) sehr wohnlich werden. Blumentöpfe, Schmuck, im Winter auch Weihnachtsbeleuchtung...bis hin zum Aquarium kann so ein Arbeitsplatz gestaltet werden.

Das sieht dann natürlich von aussen auch nach "Wohnung" aus. Grade auf den kleinen Bahnhöfen, wo vielleicht nur 2x die Stunde ein Zug kommt und das Personal also Zeit hat, werden solche Dinge oft liebevoll gepflegt.
Andererseits können auch größere Stellwerke ("Zentralstellwerke"), die einen weiten Bereich bedienen und oft mehrere Bahnhöfe zu steuern haben, so gemütlich eingerichtet sein - oder eben aufgrund der wenigen Zeit für solche Nebensächlichkeiten und viel Personalwechsel recht einsam und nur technisch aussehen. Solche Arbeitsplätze liegen dann auch oft im 2. oder 3. Stock in eigenen Stellwerksgebäuden; hier sind in den Stockwerken darunter die elektrischen Schaltanlagen untergebracht, der Bedienraum sitzt dann obenauf. (Siehe z.B. München Hbf - 5 Stockwerke nur Technik, die Fahrdienstleiter sitzen ganz oben in der Glaskanzel im 6. Stock)
Also, ich weiß jetzt, das was mich interessiert sind die Stellwerke. Die Berufsbezeichnung wäre dann Fahrdienstleiter. Wenn Du von "mehr als einem Stellwerk" sprichst, trifft dies auf diese winzigen Bahnhöfe mit maximal 2 Gleisen wohl nicht zu, oder?
Es gibt nix was es nicht gibt

Es gibt kleine Bahnhöfe mit 3 Gleisen, die von 2 Stellwerken (einem Fahrdienstleiter und einem Weichenwärter) an den Bahnhofsenden gesteuert werden; vielleicht kommt für einen nahegelegenen Bahnübergang sogar noch ein eigener Schrankenwärter dazu. Andersherum kann auch ein 8-gleisiger Bahnhof, die jeweils angrenzenden 4-gleisigen Nachbarbahnhöfe und 50 Kilometer Strecke von nur einem einzigen Fahrdienstleiter bedient werden. Hängt natürlich auch von der eingesetzten Technik ab, du interessierst dich vermutlich eher für die alten, mechanischen Stellwerke. Bei denen ist aufgrund der Bedienung durch Drahtzüge die stellbare Entfernung recht gering, einige 100 Meter können Signale und Weichen vom Stellwerk entfernt sein, dann wird aufgrund der Länge der Drahtzüge und der Lager, Umlenkrollen usw. irgendwann das ganze zu schwergängig. (Deswegen kanns auch auf kleinen Bahnhöfen 2 Stellwerke geben: wenn der Bahnhof 500m lang ist, braucht man ein Stellwerk pro Bahnhofskopf.) In den modernen Relaisstellwerken oder gar computergesteuerten ESTW spielt Entfernung fast keine Rolle mehr; Bahnhöfe könn(t)en kilometerlang sein, und wenn die Bedienung per Maus und Monitor erfolgt, kann dieser Bedienplatz eigentlich überall auf der Welt stehen. Hunderte Kilometer Abstand zur bedienten Anlage sind da keine Seltenheit.
Er stellt die Weichen, schaltet die Signale, bedient die Zugzielanzeiger, macht Durchsagen auf den Gleisen. Kommuniziert er auch gelegentlich mit Zugführern? Könnte ich mir vorstellen^^.
Richtig, das tut er sicher. Fängt bei ganz kleinen Sachen an wie "Fahr mal etwas langsamer, vor dir ist noch ein Güterzug, wenn du dir jetzt etwas Zeit lässt ist der auf einem Seitengleis und ich kann dich überholen lassen, ohne dass du vorher an einem roten Signal anhalten musst" über "Wieviel Fahrgäste hast du, die nach xy umsteigen wollen? Vielleicht lassen wir den Anschlusszug warten" bis hin zu streng reglementierten Anweisungen bei Störungen, z.B. "Zug 123 darf an gestörtem roten Signal A vorbeifahren bis zum Bahnhof Dorfstadt".
Wie sieht es denn in solch einem kleinen Stellwerk aus? Mich interessieren in der Tat nicht die großen Bahnhöfe, sondern die ganz kleinen, vielleicht noch nostalgischen.
Viele Knöpfe, Computer, Mikrofone? Sicher gehört viel mehr zu dieser Arbeit, als ich mir das momentan denken kann - nur da sitzen und auf Züge warten wird es sicher nicht sein

.
Vielleicht gibt es Bilder, die ich mir ansehen kann? Ich suche mal bei google.
Kann ganz unterschiedlich sein. (Wie gesagt, gibt nix, was es nicht...

) Es gibt große Bahnhöfe mit bis zu 10 Gleisen, die noch komplett per Mechanik gestellt werden, z.B.
Garching an der Alz. Viele Hebel sind da bestimmend für den Bedienraum. (In Garching sind es sogar 3 Mann Personal: ein Fahrdienstleiter in der Mitte im Empfangsgebäude und je noch ein Wärterstellwerk an jedem Bahnhofskopf) In kleinen Bahnhöfen werden natürlich auch die Stellwerke kleiner,
z.B. in Schwindegg mit nur 2 Gleisen.
Knöpfe finden sich dann in der nicht mehr ganz so nostalgischen Technik der 50er- und 60er-Jahre (deren Stern leider auch am Sinken ist, sie werden langsam durch Computerstellwerke ersetzt). Der verhältnismäßig kleine Bahnhof von
Bad Endorf wurde vom Fahrdienstleiter komplett über dieses quasi im Schreibtisch integrierte Pult bedient (seit 2003 leider abgerissen; Steuerung erfolgt seitdem per ESTW aus der BZ München; in Bad Endorf ist niemand mehr vor Ort)
Computermonitore sind heutzutage natürlich allgegenwärtig, auch wenn sie wie bei den beiden grade gezeigten Bahnhöfen zum reinen Stellwerksbetrieb nicht notwendig sind. Aber heutzutage wird ja vieles automatisch kommuniziert und verbreitet, so z.B. Informationen über den Lauf der Züge, über Verspätungen; Ankündigungen von Sonderzügen, von Baustellen usw. die früher per (Dienst)Post, Fernschreiber oder Fax kamen. Auch die Zugzielanzeiger werden (fast überall) per PC angesteuert.
Welchen Umfang diese Drucktastenstellwerke annehmen können sieht man z.B.
hier. Die Anzeigetafel kann 10 Meter und mehr Länge haben und wird dann von meistens mehr als einem Fahrdienstleiter bedient.
ZU guter Letzt bleiben natürlich noch die Computerstellwerke, die ESTW (die dich wohl weniger interessieren?). Die können auch von
relativ klein bis hin zu riesigen Stellbereichen gehen (
Regio-BZ Mühldorf, die immer weiter ausgebaut wird und in Zukunft mal alle Strecken rund um Mühldorf bis ca. 50km Umkreis steuern soll).
Es gibt auch "Mini-ESTW", da hab ich leider grade kein Bild dazu; grade in Österreich kommt es doch hin und wieder vor dass ein kleiner 4-gleisiger Bahnhof wie z.B. Bad Endorf von einem Fahrdienstleiter am ESTW bedient wird - Fahrdienst vor Ort, im Erdgeschoß des Bahnhofsgebäudes! (Sagte ich schon dass es nix gibt was es nicht gibt?

) Der sitzt dann natürlich an einem recht aufgeräumten Schreibtisch und hat nur einen oder 2 Monitore vor sich.
Bilder hab ich jetzt schon einige verlinkt; die
Bildergalerie von stellwerke.de bietet da noch viel zum Anschauen.

Um ein Stellwerk an sich und die Arbeitsabläufe ein wenig verstehen zu können empfehle ich den dortigen
Artikel der Stellwerksgrundlagen ("Stellwerk für Anfänger"

)
Puh, das war jetzt doch ein ganzer Haufen Erklärungen, ich hoffe ich hab dich jetzt damit nicht erschlagen

Falls ich unbedacht irgendwelche Begriffe oder Abkürzungen verwendet habe, die mir geläufig, dir aber völlig unbekannt sind, bitte nachfragen!
Gruß Michi