Autobahn @ 12 Jan 2013, 12:19 hat geschrieben:
Bevor ich jetzt antworte, sei mir das Wort zum Sonntag gestattet: "Der HERR in seiner Güte möge bewirken, daß sein Segen ihn erleuchte - es liest sich so, als ob ers bräuchte..."
Sonderangebote von Supermärkten gibt es jede Woche. Um auf diese „Schnäppchen“ hinzuweisen, werden Millionen Prospekte gedruckt und unter die Leute gebracht. Und viele Hausfrauen hüpfen dann von einem in den anderen Supermarkt, weil in einem die Milch 1 Cent weniger kostet, im anderen aber die Margarine 3 Cent billiger ist. Diese Angebote sind zwar nicht auf eine bestimmte Uhrzeit begrenzt, aber auf einen Zeitraum von wenigen Tagen.
Stell Dir vor, das gibt es sogar außerhalb von NRW. Der Unterschied zu den angeprangerten dubiosen Praktiken bei Verkehrsdienstleistungen liegt allerdings darin, daß der beworbene Preis von vorneherein transparent und eindeutig ist - und für alle Interessenten zu jedem Zeitpunkt im klar kommunizierten Angebotszeitraum gleich. Die Milch kostet also bei marktüblicher Angebotsgültigkeit von Montag bis Samstag am Dienstag morgen genauso viel wie Samstag abend. Bei den "Sparpreisen" und "Sonstwas-Spezials" und weiterer "Globalpreise" diverser europäischer Bahnen ist man davon weit entfernt - hier herrscht kundenseitig eine Nulltransparenz. Auf den Supermarkt heruntergebrochen hieße das: Es würde zum Wochenende nur beworben, daß es reduzierte Artikel ab Preis X nächste Woche gibt. Welche Artikel das sind und in welcher Stückzahl zu welchem Preis, bleibt offen. Außerdem müsstest Du Samstag Deine Produktbindung für Mittwoch buchen, um dann auch billiger kaufen zu dürfen. Klingt bescheuert? Absolut!
Was die Verkehrsunternehmen betrifft, da bestehen grundsätzlich andere Voraussetzungen. Im kommunalen Bereich ist ein Gebiet in Zonen oder Waben oder sonst was aufgeteilt. Für jede Zone/Wabe gibt es einen einheitlichen Fahrpreis. Verlässt man diese Zone, gilt der nächsthöhere Preis. Es spielt also keine Rolle, ob man 5 oder 10 Kilometer fährt, sondern ob man sich in dieser Zone befindet, oder in eine andere Zone/Wabe fährt. Das ist für die Menschen sehr leicht nachvollziehbar, besonders wenn sich die Zonen auf das gesamte Stadt-/Kreisgebiet beziehen.
Kompliziert wird es in den Bereichen, wo zwei Verkehrsverbünde aneinander grenzen und man von einen in das andere Tarifgebiet fährt. Ob eine Fahrkarte in Hamburg 2,95 Euro, in Düsseldorf 2,50 Euro und in Magdeburg 1,90 Euro kostet, spielt keine Rolle. Es gibt sicher auch „verbundfreie“ Gebiete, aber die waren früher überall. Das ist aber ein grundsätzliches Problem des Föderalismus.
Es wäre doch schön, wenn Deine Argumentationen nicht immer die Grundlagen des Themas als "neu" verkaufen wollten. Du hast zwar gefühlte 147 Jahre Vorsprung in Lebenserfahrung, den besseren Überblick über Verbundtarife und ihre ungezählten Varianten dürfte ich haben. Von daher ist es überflüssig hier das Prinzip zu erklären, das ist nichts neues, die Frage ist nur: Muß der Föderalismus hier wirklich als einzig sinnige Begründung herhalten? Und warum ist jeder Verbundtarif anders aufgebaut, und warum ist es notwendig, daß die gleiche Entfernung im Verbund A 3 Waben, im Verbund B 2 Zonen und im Verbund C 4 Tarifgebiete sind? Wenn die Grundidee doch bei allen gleich ist, warum nicht auch ein einheitlicher Aufbau auf dieses Fundament? Wem dient es? Dem Landrat zur Befriedigung es "besser" gemacht zu haben, als die vom Nachbarkreis? Dem Kunden auf jeden Fall definitiv nicht!
Gerade das e-Ticket zielt ja darauf ab, sich keine Tarife merken zu müssen!
Richtig, es vereinfacht im Kundensinn. So schön, so gut - und abgerechnet wird danach. Also ein Geschäft auf Vertrauensbasis zwischen Kunde und Ticketanbieter. Wenn der Kunde aber auf seiner Abrechnung nicht nachvollziehen kann, was auf welcher Grundlage wie berechnet wurde, weil das Regelwerk dazu aufgeblasen und intransparent ist, bricht dieses Vertrauen ganz schnell zusammen. Das dürfte neben der Funktionalität der Top-Kritikpunkt aus Kundensicht derzeit an E-Ticket-Systemen sein. Einfachheit und Gleichheit der Tarifregeln würde das wirksam bekämpfen.
Man muss aber zwischen dem Öffentlichen Personennahverkehr, zu dem man den SPNV auch zählt, und dem Fernverkehr (SPFV) unterscheiden.
Nur auf staatlicher Aufgabenträgerseite wegen der Frage "Bestellungspflichtig ja oder nein" - was dem Kunden diese (für ihn preislich wahrnehmbare) Unterscheidung bringen soll, wirst Du nicht erklären können.
Im SPFV muss man berücksichtigen, warum es die Sparpreise überhaupt gibt. Sie dienen der Nachfragesteuerung. Man könnte auch sagen, der frühe Vogel fängt den Wurm.
Das gibt es aber nicht nur bei Bahnfahrten, sondern auch z. B. für Urlaubsreisen. Sommerreisen bucht man im Winter, Winterreisen im Sommer. Darüber hinaus werden freie Plätze auch kurz vor Reisebeginn billiger angeboten, damit die Zimmer nicht leer stehen.
Das eine frühe Buchung auch eine Zugbindung beinhaltet, ist wohl selbstverständlich. Wer dies tut, plant seine Reise, wie er auch einen Urlaub vorher plant. Du wirst sicher auch nicht in der Hauptreisezeit verlangen, dass Du am beliebtesten Reiseziel in Deinem Traumhotel ein Zimmer bekommst.
Und diese Nachfragesteuerung funktioniert derart gut, daß immer noch die immer gleichen Züge zu den immer gleichen Zeiten an den immer gleichen Tagen stark ausgelastet sind und es auch bleiben werden, den Luftblasen aus der Tarifecke zum Trotz und Hohn. Wenn sie wirklich funktionieren sollte, müßte sie transparent und planbar sein, also z.B. für
alle Züge einer Relation am Dienstag Ermäßigung X, aber nicht per Zufall ein Kontingent A auf Zug 1, Kontingent B auf Zug 2 und nichts auf Zug 3. Bahnfahren darf für die Kunden nicht zum Lottospiel werden, und bei aller Planung wird kaum ein Kunde, der nachmittags fahren wollte, plötzlich früh um halb sechs Uhr losfahren, weil er da 3 Wochen vorher noch einen "planbaren" Sparpreis für bekommen hätte. Man riskiert also willentlich für einen "glücklichen" Schnäppchenjäger, der befriedigt ist, weil das Angebot zufällig auf ihn gepasst hat, eine unbekannte Anzahl potentieller Kunden, die sich enttäuscht abgewandt haben, weil ihre Bedürfnisse nur unbefriedigend angesprochen wurden? Und das soll bei gleichzeitig höherem Verwaltungs-, Vertriebs- und Kontrollaufwand wirtschaftlicher sein als ein attraktiv gehaltenes massenkompatibles flexibles einfach anzuwendendes Standardprodukt? Ja nee, ist klar. Und zu dem Beispiel mit den Urlaubsreisen kann ich wieder nur sagen: Nicht alles, was hinkt ist auch ein Vergleich.
Man kann auch heute noch durchgehende Fahrkarten zwischen den einzelnen europäischen Ländern buchen, leider aber bei der DB nicht im Internet. Wenn man von Stuttgart aus nach Vladivostok fahren will, geht man besser zu einem Reisebüro, die können das
Man kann? Ausgerechnet Du willst das beurteilen können? Gut, ich bitte um Erstellung einer durchgehenden Fahrkarte von Heilbronn nach Napoli C, bitte via Brenner mit dem EC, zwischen Milano und Roma mit dem Frecciarossa, Rest bitte Frecciabianco. Das wirst Du nicht auf eine Fahrkarte bekommen, weil sich Italien im Punkto Fernverkehrstarife und Verkehre mit den Nachbarbahnen leider noch erheblich bescheuerter anstellt als wir in Deutschland (und das will schon etwas heißen!).
Wem soetwas wieder dienen soll, keine Ahnung. Ende der 1980er bekam man für die Relation Dorf im Schwarzwald -> Napoli C und zurück über 2 verschiedene Reisewege (H: Brenner | R: Gotthard) inklusive Schlafwagen auf dem Dorfbahnhof eine handgeschriebene Buchfahrkarte für alles. Die jede Eisenbahn jedes der beteiligten Länder auch problemlos anerkannt hat. Was daran so schlecht war, daß es abgeschafft werden mußte, keine Ahnung. Dem Kundennutzen hat es nur bedingt gedient.