Kleine Reiseempfehlungen - Deutschland

Alles über Eisenbahn, was woanders nicht passt.
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146225
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Beitrag von 146225 »

Servus Gemeinde,

wer kennt sie nicht aus der Buchhandlung, die ungezählten Ratgeber "10 Dinge, die die Welt noch gebraucht hat" & Co. - für fast jeden Lebensbereich findet sich da mehr oder weniger guter Rat. Ja, und davon inspiriert (obwohl ich es nicht lese, also Ferninspiration) dachte ich mir: Sowas bräuchte das Eisenbahnforum auch mal - so eine kleine Tippecke für die nächste Bahnreise, streckenbasiert, informativ, nicht immer nur bierernst und auch noch kostenlos...

Ich mache heute mal mit 10 Strecken den Anfang, die ich empfehlen würde - alles Strecken, welche ich schon selbst mindestens einmal bereist habe. Oft sind es gerade eher nicht aber manchmal eben doch die mehr oder weniger bekannten Hochlichter - doch lest selbst. Aufgrund meines "Heimatbahnhofes" liegt der Schwerpunkt eher im Süden Deutschlands, (kann im bayernlastigen Eisenbahnforum so falsch ja nicht sein...) auch wenn der Beginn ziemlich nördlich ist. Von da aus geht es dann nach Süden...

Nach-, Weiter- und Mitmachen ist natürlich der absolute Sinn der Sache! Und jetzt: Genug der Vorrede, Abfahrt!

1. KBS 130 Hamburg - Elmshorn - Heide - Husum - Westerland (Marschbahn)

Eins gleich vorneweg: Wer Brennkraftlokomotiven nicht leiden kann, ist auf dieser Strecke schlecht unterwegs. Und windempfindlich sollte man auch nicht gerade sein. Ansonsten ist die Westküste des fernen Hedwig-Holzbein aber absolut eine Reise wert. Los geht das in Hamburg, ob nun NOB-Regio ab Altona oder DB-IC vom Hbf (noch schöner: Dammtor!) ist eigentlich nicht so wichtig; obschon: Die 251 der NOB haben schon einen speziellen Sound...da kommt die alte Windmühle 218 nicht so wirklich mit. Bis Elmshorn geht es mehr oder weniger nur durch Hamburger Vororte, in Itzehoe hört dann der Fahrdraht auf. Hier geht es schon durch die weite, flache Landschaft der Dithmarschen - endlose grüne Wiesen, dünne Besiedlung, Kühe. Blaugrauer Himmel. Mit bis zu 140 km/h dröhnt der Diesel weiter nordwärts, und bei Burg (Dithm.) dann auch aufwärts: Die Rampe zur 2218 m langen und 56 m hohen Hochbrücke von Hochdonn über den Nord-Ostsee-Kanal will bezwungen werden, genauso geht es auf der anderen Seite dann bei St.Michaelisdonn wieder ins platte Land hinab. Heide (Holst) und Husum bieten Anschlüsse nach Westen an die See oder nach Osten ins "Innere" des nördlichsten Bundeslandes. In Husum sind 158 km seit Altona zurückgelegt, bis zum Zielbahnhof
"auf Westerland" fehlen nochmal 79 km. Niebüll ist als nächster größerer Bahnhof insoweit bekannt, weil dort derzeit noch so etwas antiquarisches wie IC-Kurswagen an die neg nach Dagebüll übergeben werden. Dann geht es raus an die See, hinter Klanxbüll am "Friedrich-Wilhelm-Lübke-Koog" beginnt der rund 9 km lange Hindenburgdamm, die einzige dauerhafte Verbindung zwischen dem Festland und Sylt. Die Fahrt durchs Wattenmeer ist eigentlich nicht beschreibbar, nur erlebbar: Ob bei Ebbe oder Flut, Sonnenschein oder Sturm - Bahnfahren durch die Nordsee ist hier einzigartig und wunderschön. Morsum ist dann der erste "Inselbahnhof" - danach ist es dann bald erreicht: Westerland auf Sylt, Nordseebad, Sammelplatz von sich selbst für betucht haltenden, einer der nördlichsten Bahnhöfe in Deutschland mit Fernverkehr. Ich will wieder an die Nordsee...


2. KBS 450.9 - mit der S-Bahn von Wuppertal nach Essen.

Über Wuppertal und seine etwas andere "Straßenbahn" brauche ich hier nicht mehr wirklich viele Worte zu verlieren, dafür gibt es Forenkollege JNK und dessen großartige Bilderserien. Wer vom Schweben (vorerst) genug hat, kann sich ja auf den Weg vom Bergischen Land in den Ruhrpott machen, bitte einsteigen in die S9 nach Bottrop/Haltern am See, welche in W'tal - Vohwinkel recht spitzwinklig von der Hauptbahn abzweigt. Dann zeigt sich, mitten in einem der größten Verdichtungsräume dieses Landes eine beschauliche und ländliche Szenerie, Wald, Wiesen - die temporeiche Wechselhaftigkeit großstädtischer S-Bahn-Verkehre scheint der NRW-S9 auf ihrem Abschnitt bei Velbert reichtlich ferne zu sein. Großstadt ist erst wieder in Essen, wobei der Beginn mit dem Abstieg ins Tal der Ruhr sehr, sehr wenig hat von Bergbau-Malocher-Staub-und-Dreck-Klischees längst vergangener Tage oder auch dem Betoncharme einer Großstadt: Die Bahn läuft in Halbhöhenlage, der Blick fällt ins Ruhrtal hinab - daher auch der Name Essen-Überruhr, wo unsere S9 auch Halt macht. Sozusagen die Volksausgabe jenes Blickes, den die Krupp-Dynastie aus der Villa Hügel hatte. Diese Reise über der Ruhr endet in Essen-Steele, wo man aber auch in die S3 Richtung Hattingen umsteigen könnte: Fährt auch an der Ruhr, nur im Talgrund... doch die Stadt Essen selbst hat neben den gelben Trams der EVAG (und der "Blauen Grotte", in der diese fahren) auch mehr als genug zu bieten. Na dann: Ey hörma - watt sprach Gott, als er den Ruhrpott erschaffen hatte? Essen is ferdisch...


3. KBS 12478 Gerolstein - Daun - Kaisersesch - [Andernach] (Eifelquerbahn)

Ja, auch eine (Noch-)Touristikbahn will ich hier erwähnen. Noch deshalb, weil es, so das Land Rheinland-Pfalz weiterhin will, die Strecke 2014 auch für den Planverkehr wiederkommt. Man könnte sie etwas pathetisch auch "letzte Überlebende" nennen - alle anderen Bahnstrecken abseits der Eifelstrecke Trier-Köln sind in dieser Region schon längst abgebaute Geschichte, zum Beispiel die einst auch in Gerolstein abgehende Westeifelbahn über Prüm und Bleialf nach St.Vith in Belgien oder die Maarebahn von Daun hinab zur Mosel bei Wittlich... Vorbei, vertan, also steigen wir in Gerolstein mit seinem regionstypischen Bruchsteinbahnhofsgebäude in den Schienenbus der Vulkaneifelbahn und brechen in eben diese auf. Abseits der etwas größeren Ortschaften wie Daun oder Ulmen zeigt sich dann auch, Kurve zu Kurve, Neigung um Neigung - von Gerolstein geht es bis Dockweiler-Dreis erstmal 200 Höhenmeter aufwärts - jene eifelprägende Hügellandschaft der einstigen Vulkane. Wahrlich ein schöner, ruhiger Kontrast zu Höchstgeschwindigkeitsphantasien und Alltagshetze wenn der Schienenbus hier durch Dörfer und Wälder brummt. Daun liegt bei 405 m.ü.NN. und damit rund 150 m tiefer als Dockweiler-Dreis, doch die Kontur der Eifel zwingt die Strecke wieder aufwärts nach Darscheid, abwärts nach Ulmen und dann wieder aufwärts nach Laubach-Müllenbach, bevor die Strecke dann endgültig Richtung Rheintal abfällt. In Kaisersesch endet die Sonntagsträumerei mit dem Schienenbus - aber auch den Anschluß auf den 628 nach Andernach am Rhein kann ich nur empfehlen.

4. KBS 466 Koblenz - Kaub - Rüdesheim - Wiesbaden (Rechte Rheinstrecke)
KBS 471 Koblenz - Boppard - Bingen - Mainz (Linke Rheinstrecke)


Ja, diese zwei müssen als Paket erwähnt werden. Auch wenn der Fernverkehr planmäßig links fährt, dem Nahverkehrsreisenden bietet sich die Qual der Wahl. Ob links im 460 von Transregio oder rechts im 427 der VIAS - schön und beeindruckend ist beides. Von Koblenz aus folgt die Strecke bis etwa Bingen (links) bzw. Rüdesheim (rechts) dem Rhein, und dieser Abschnitt des Mittelrheintales ist nicht ganz umsonst und sicher nicht nur wegen der Sage von der Loreley zum Weltkulturerbe der UNESCO geworden. Neben dem Rhein dominieren steile Weinberge und die Durchfahrten durch die zum Teil sehr alten Rheinstädtchen wie z.B. Oberwesel links oder Assmannshausen rechts. Für die Fotosammlung gibts dutzende Motive und Güterzüge schon fast im Blockabstand... Unter Deutschlands Hauptbahnen sicherlich Abschnitte, die im Reisebuch eines Bahnnarren auf Dauer nicht leer und unbeschrieben bleiben dürfen. Und es ist immer ein wenig schade, wenn die Strecke südlich Bingen (links) bzw. bei Geisenheim (rechts) die Sichtweite des Rheins endgültig verlässt...


5. KBS 685 Trier - Merzig (Saar) - Saarlouis - Völklingen - Saarbrücken (Saarstrecke)

Saar...was? Mal ehrlich, wenn man nicht in der Ecke zu Hause ist, dann bleibt einem das Saarland und seine Umgebung immer etwas entfernt - "Kosovo-Frankreich" oder so... Doch auch die Bahnreise von der Römerstadt Trier mit ihrem beschaulichen Bonsai-Hauptbahnhof nach Saarbrücken ist nicht ohne Reize, es ist eine Reise der Gegensätze. Im rheinland-pfälzischen Teil ist die Gegend dünn besiedelt, die Bahn folgt weitestgehend dem Flußlauf der Saar, welche in Schleifen durch die Wälder zieht. Bei Taben zeigt sich Fahrtrichtung links der Blick in einen gewaltigen Granitsteinbruch, anschließend ist Saarhölzbach der erste Halt im Saarland - während der wechselhaften Besitzstreitigkeiten war das auch schon der Grenzbahnhof zu Frankreich. Wer kennt Mettlach? Dem Bahnreisenden sagt es was wegen des knapp 1200 m langen Tunnels, mittels dessen Saarschleifen abgekürzt werden, der Rest der Welt kennt es wegen einer bekannten Porzellan- und Steinzeug-Industrie. Nach Merzig (Saar) ändert sich das Bild der bisher eher gedehnt-beschaulichen Fahrt, die Besiedlung wird spürbar dichter, die Szenerie lebhafter - sollte man industrieller sagen? "Kumm e mol bei misch" sagt der "Saarlänner" - und schau Dir die trotz allem Niedergang des Bergbaus noch aktive Montan- und Walzwerksindustrie des Saarlandes an. Dillinger Hütte oder auch das imposante Technikerbe der Völklinger Hütte sind dafür nur die prominentesten Beispiele, auch für Güterverkehr auf der Schiene ist damit noch gesorgt. Ist Völklingen erst einmal passiert, sind es noch rund 10 km "Vorortverkehr" hinein in die Landeshauptstadt Saarbrücken.


6. KBS 575/569 Eisenach - Bad Salzungen - Meiningen - Eisfeld - Sonneberg (Werrabahn)

Damit nur keiner auf die Idee kommt, ich würde den Osten unseres Landes diskriminieren, gibt es hier auch eine Strecke aus Thüringen zu rühmen, die auch und gerade im 650 der STB (nicht nur) eine Reise wert ist. Ist der Eisenacher Hbf im weiten Linksbogen unterhalb der Wartburg verlassen, geht es erstmal deutlich bergauf (22,5 Promille) bis Förtha, danach durch Thüringens Wälder wieder hinab bis Bad Salzungen im Tal der Werra. Und obwohl Ortschaften wie Wernshausen kaum einer und Meiningen der Fuzzy nur wegen dem Wasserkocherwerk kennt, wird die Szenerie vor dem Fachwerkfenster niemals eintönig. Südlich Meiningen schließt sich der Knotenbahnhof Grimmenthal an, hier kreuzt die Strecke Schweinfurt - Suhl - Erfurt. In Themar ginge es dann abzweigend auf die steile Nebenbahn nach Schleusingen und Rennsteig, einstmals mit Zahnradabschnitten - tja, wenn da eben auch Reisezüge verkehren würden... aber so bleiben wir mit dem STB-650 im Tal der Werra und erreichen via Hildburghausen dann Eisfeld. Auf diesem Abschnitt liegt auch Harras, und da kann mal nicht mal mit der Münchner S- oder U-Bahn hin... Der direkte Weg von Eisfeld nach Coburg ist längst nicht mehr, dieser Abschnitt überstand den 2.Weltkrieg nicht und wurde dann nie wieder aufgebaut, Teilungsfolgen. Also führt der Weg eben durchs "Hinterland", von Eisfeld aus in den Wald hinauf zum Spitzkehrbahnhof Rauenstein (nein, es gibt noch kein Rauenstein21) - dann weiter hinauf nach Mengersgereuth-Hämmern mit dem ersten schönen Viadukt dieses Streckenabschnittes. Der zweite Viadukt folgt dann gleich im Anschluß beim "Abstieg" zum Ziel in Sonneberg.


7. KBS 641 Darmstadt - Groß Umstadt - Höchst - Erbach - Eberbach (Odenwaldbahn)

Genau, das war die "sagenhafte" Strecke in Rhein-Main-Neckar, auf der die Baureihe 613 zu Hause ist. Wer in der Halle des Darmstädter Hbf bei VIAS einsteigt, rollt zunächst noch durch diese für mich immer etwas angeschmuddelt wirkende südhäßliche...sakra, südhessische Großstadt und kann zuschauen, wie am erst neu eingerichteten Hp TU-Lichtwiese die Studentenmassen strömen. Reinheim bietet den Abzweig ins Tal der Gersprenz, wo auf der gleichnamigen Bahn hin und wieder noch Schotterzüge unterwegs sind, in [RMV-Sprech] Groß Umstadt-Wiebelsbach kommt dann der Hanauer Streckenast heran. Mit Hilfe des 1205 m langen "Frau-Nauses-Tunnels" wird ein Höhenzug des Odenwaldes unterquert, auf der anderen Seite rollt der Zug dann in Hetschbach ins Waldtal der Mümling ein, nächster größerer Ort ist aber erst Höchst (Odw.), wo schon Urmenschen, Kelten, Römer siedelten. Dem eisenbahngeschichtlichen "Archäologen" fällt dort aber eher die den Ort durchmessende Viaduktruine der einstigen Bachgaubahn nach Aschaffenburg ein und auf. Mümlingauf wärts geht es via Bad König nach Michelstadt, wo VIAS die Werkstatt für die ITINOS eingerichtet hat. Michelstadt und das benachbarte Erbach (Odw) sind heute schon ziemlich zusammengebaut und bilden zusammen das Mittelzentrum der Region. Hinter Erbach (Odw.), wo ein Teil der Züge endet, beginnt die "Bergstrecke" und es wird durch landschaftliche Schönheit und eindrucksvolle Kunstbauten wie den Himbächel-Viadukt vor Hetzbach (nicht zu verwechseln mit Hetschbach, auch wenn sich das im lokalen Dialekt ziemlich gleich anhört...) deutlich, warum die Bahn ein Kulturdenkmal des Landes Hessen ist. Hetzbach mit dem von der rechts gelegenen Anhöhe grüßenden Hauptort Beerfelden ist auch die letzte Station im Tal der Mümling. Dieses Tal verläßt der Zug durch den ...es wird dunkel...brumm...immer noch...brumm...und immer weiter dunkel...3100 m langen Krähbergtunnel, bei Schöllenbach sieht man dann wieder Tageslicht. Die Strecke findet sich jetzt im engen Tal der Itter wieder und überquert auf dem Weg zum Neckar hinab bei Kailbach noch den Haintalviadukt. Wenn dann nicht nur ein Dorf, sondern mehrere Häuser links und rechts der Bahn auftauchen, ist die Odenwälder Bergstrecke überwunden und Eberbach am Neckar erreicht.


8. KBS 710.1 Karlsruhe - Ettlingen - Bad Herrenalb (Albtalbahn)

Aber das ist doch...nein, auch wenn die Keimzelle der AVG auf dieser ehemaligen Schmalspurbahn liegt und auch wenn da Gleichstrom-Einrichtungs-Stadtbahnwagen fahren: Ab dem Albtalbahnhof in Karlsruhe ist es EBO-Strecke, die erstmal unter dem Gleisvorfeld des Hauptbahnhofes durch und anschließend auf geschwungener Brücke über den Gleisen des Güterbahnhofes drüber wegfährt..vor der Brücke links das weiße Gebäude ist die "Schwarzwaldklinik" von DB Netz - vulgo auch BZ Karlsruhe. Doch nicht abschweifen, sondern entlang einer Ausfallstraße den Karlsruher Stadtteil Rüppur durchqueren heißt die weitere Fahrtstrecke, bis hin zur Autobahn, welche die Markungsgrenze zu Ettlingen bildet. Auch wenn Ettlingens erster Hp Neuwiesenreben wirklich in den Wiesen liegt, die Szenerie ist städtisch mit Wohnsilos, der Takt dicht. Stadtbahn auf Stadtbahn rollt heran, um Karlsruhe mit Ettlingen zu verbinden - rund um die Uhr, Tag für Tag. Sehr schön verfolgen lässt sich dieser urbane Betrieb unter dem Hallendach des Ettlinger Stadtbahnhofes, an den sich auch Werkstätten der AVG und am Hp Albgaubad eine Schleife anschließen. Via Spinnerei geht es bis Busenbach, die Bahn ist von der Oberrheinebene in das Schwarzwaldtal der Alb gewechselt. In Busenbach zweigt über das "Blaue Wunder" die Bergstrecke nach Ittersbach ab, ab dort ist die Albtalbahn dann auch bis Bad Herrenalb eingleisig. Kompletter Szeneriewechsel, die Strecke steigt jetzt stetig an und folgt dem Flußlauf der Alb tiefer in den Schwarzwald. Über Marxzell wird Frauenalb erreicht, dann geht es in den Bäderkreis Calw, zu dem auch Bad Herrenalb gehört. Am Kurparkrand entlang und durch eine der schönsten Wendeschleifen Deutschlands, dann kommt der Zug unter dem historischen Hallendach der Kurstadt zum Stehen. Tür-zu-Tür-Busanschluß in die "Bergorte" der Umgebung selbstverständlich inklusive.


9. KBS 720 Offenburg - Hausach - Villingen - Singen - Konstanz (Badische Schwarzwaldbahn)

Über Robert Gerwigs Meisterwerk braucht man eigentlich nicht mehr viel schreiben, außer das wer noch nicht dort war, dringend mal hin sollte. Deutschlands einzige durchgehend zweigleisige Gebirgsbahn überwindet 650 Höhenmeter, kann mit 39 Tunneln und einigen Schleifen aufwarten. Sie bleibt stets unter 20 Promille Steigung, auf ihr wurde auch der 10.000 km Elektrifizierung bei der damaligen Bundesbahn gefeiert. Offenburg bis Hausach verläuft die Bahnstrecke eher geradlinig und flach im breiten Tal der Kinzig, dann geht es aber sachte hinein in dunkle Tannenwälder. Bei Gutach kommt mit dem Rebbergtunnel der erste der 39, und Hornberg liegt schon auf 384 m ü.NN. - das sind 225 m höher als in Offenburg. Dann geht es los mit Kurven, Kehren, Tunnel - I.,II.,III. Glasträgertunnel, Tunnel beim 4.Bauer, Obergießtunnel... nein, ich zähl jetzt nicht alle auf, aber die 9,4 km Strecke und 232 Höhenmeter bis Triberg bieten 19 Tunnel. Weiter kommen noch Kleiner und Großer Triberger Tunnel, Seelenwald I bis Seelenwald III, Farrenhaldetunnel...also halt nochmal 18 Tunnel, 13 km und 216 Höhenmeter bis zum Scheitelpunkt bei St.Georgen-Sommerau. Zwischen all den Tunneln wird man als Fahrgast auch immer wieder mit unvergleichlich schönen Ausblicken in den mittleren Schwarzwald belohnt. Dieser wandelt sich nach St.Georgen allmählich zur kargeren Hochfläche der Baar, deren Hauptort Villingen ist - immer noch auf 704 m ü.NN. und damit im Winter auch recht schneereich gelegen. Hinter Villingen führt die Strecke ins Tal der Brigach bis zum Fürstensitz Donaueschingen - wo auch die Quellfassung des großen Flusses zu finden ist. Von dort aus fällt die Strecke ab, vorbei am Immendinger Ringzug-Bw, und...wer hat da mitgezählt? Richtig, ein Tunnel fehlt noch, er kommt gleich nach dem Trennungsbahnhof Hattingen (Baden), der 900 m lange Hattinger Tunnel, mit dessen Hilfe die Bahn den Jurakalk durchmißt und ein zweites Mal auch die europäische Hauptwasserscheide zwischen Rhein und Donau quert. Ab Engen hoppeln...quatsch, fahren auch die Seehas-Pendelflirt der SBB, und dann kommt auf nur noch 434 m die Maggistadt Singen am Hohentwiel. Der Rest bis Konstanz ist eigentlich nur Durchbindung und nicht wirklich Teil der Schwarzwaldbahn, aber es ist einfach schön, wenn bei Radolfzell die glitzernde Wasserfläche des Bodensees auftaucht und man an deren Ufer entlang noch bis Konstanz rollen kann.


10. KBS 970 Lindau - Kempten (Allgäu) - Buchloe - München

Jaja, Gott mit Dir, Land der Bayern - ohne ginge es im Eisenbahnforum ja auch kaum. Und weil wir zuletzt am Bodensee gelandet waren, geht die Reise an dessen bayrischen Gestaden weiter. Die Allgäubahn ("s'Allgäu 'sch do, wo'd Kiah scheaner send als d'Mädla") darf hier Stellvertreterin vieler schöner bayrischer Strecken sein. Sie beginnt auf Seehöhe und steigt bis zum Abzweig der Württembergischen Allgäubahn in Hergatz bereits deutlich an. Maria Thann, Heimenkirch, Oberstaufen - nein, kein Urlaubsprospekt, nur der Streckenverlauf, der spätestens mit der Passage am Alpsee vor Immenstadt einen deutlichen Szeneriewechsel zum Bodensee in Lindau findet, die Allgäuer Alpen bilden hier die Kulisse. Regionales Zentrum ist Kempten, von dort geht es hinaus Richtung Günzach, wo die Strecke dann merklich gen Kaufbeuren abfällt und die Hügel auch wieder etwas flacher werden. Muß ich in diesem Forum noch etwas über den Restabschnitt über Buchloe und Geltendorf bis München erzählen? Eigentlich nicht, oder..?

Damit wäre die heutige Folge erstmal abgeschlossen.
München kann jeder. Duisburg muss man wollen!
Oliver-BergamLaim
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Beitrag von Oliver-BergamLaim »

Danke für den schönen und informativen Beitrag, klasse geschrieben und eine tolle Idee!

Zu den Rheinstrecken kann ich nur meine volle Zustimmung geben. Ich bin die Strecken seit 2002 (damals Klassenfahrt nach Trier, Koblenz - Trier noch mit IR) bereits diverse Male gefahren und es war jedesmal ein Hochgenuß, für mich ist die linke Rheinstrecke definitiv die Eisenbahnstrecke in Deutschland.

Was ich auch noch als landschaftlich sehr reizvoll anmerken möchte, ist die Saaletalbahn zwischen Lichtenfels (Bayern) und Saalfeld/Saale. Die Strecke bietet bunte Abwechslung zwischen Wald, Wiesen, kleinen Bachläufen, tollen Ausblicken von hoch oben über Ortschaften (Ludwigsstadt!), verfallenden Gebäuden aus der DDR-Zeit, nagelneuen Fabriken (Papierfabrik Schwarza), und DDR-Eisenbahnromantik, sobald man in Saalfeld/Saale mit seinem immer noch recht vor-Wende-anmutenden Bahnhofsbild einfährt. Definitv empfehlenswert, mein Tipp: Richtung Norden in Fahrtrichtung rechts sitzen, am besten natürlich bei einem gemütlichen Essen im Speisewagen! :)
Systemfehler
Kaiser
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Beitrag von Systemfehler »

Auf meiner kleinen Moppedtour von München nach Freiburg bin ich durchs Obere Donautal gefahren. Das MUSS man mal gesehen haben!
Also muss die Strecke Sigmaringen - Tuttlingen da auch aufgenommen werden ;)

Und weil der Abschnitt ja kurz ist, sag ich doch einfach mal "Freiburg - Neustadt/Schwarzwald (Höllentalbahn) - Ulm" gehören auch dazu! ;)
firefly
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Beitrag von firefly »

11. KBS 200 Bln Schlesischer Bf - Charlottenburg

Deutschlands schöne Eisenbahnlinie führt über ungezählte Viadukt-Bögen einmal quer durch Berlin. Dabei schaffen die vier Gleise nicht nur eine leistungsfähige Verbindung zwischen dem Osten und dem Westen der Stadt, sie ermöglichen auch einmalige Einblicke und Aussichten auf das Treiben in den Strassen der grossen Stadt.
Die Fahrt geht vorbei am Alexanderplatz mit dem Fernsehturm, zwischen berühmten Museen auf der Museumsinseln hindurch, über die Friedrichstrasse hinweg, am Reichstag und Kanzleramt vorbei durch den Tiergarten, zum Zoologischen Garten und weiter durch die Mietskasernen in Charlottenburg.
Unterwegshalte lohnen sich immer, und nicht wegen der vielfältigen Stadtlandschaft drum herum. Die Bahnhöfe allein sind schon einen Abstecher wert.
146225
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Beitrag von 146225 »

Kleines Baden-Württemberg-Spezial, Teil 1

12. KBS 706/665.5 Bad Friedrichshall-Jagstfeld - Sinsheim - Heidelberg (Elsenztalbahn)

Auch wenn das Neckartal seine schönen Stellen hat, so ist doch beinahe die Strecke "übern Buckel" die abwechslungsreiche und schönere. In Bad Friedrichshall-Jagstfeld quetscht sich der Zug neben dem Stellwerk links raus durch eine enge Kurve zur anschließenden Neckarbrücke nach Bad Wimpfen im Tal, was nach 2013 einen Hp der Stadtbahn Heilbronn-Nord haben wird. Doch unter gebührender Würdigung einiger historischer Kleinode liegt doch das wahre (alte) Herz der Stauferstadt Bad Wimpfen am Berg, den wir jetzt mittels langgezogener Rampe erklimmen, auf der Talseite Fahrtrichtung rechts kann der Blick weit übers Neckartal hinüber bis nach Gundelsheim schweifen. Die Steigung bleibt erhalten bis Babstadt, was rund 100 m höher als der Neckar liegt. Da hat die Bahn aber schon die schöne Passage mitten durch den Kurpark von Bad Rappenau hinter sich und ist in die sanft gewellte Hügellandschaft des Kraichgaus eingetreten (dort wächst, Münchner aufgepasst, eine hervorragende Braugerste) , die durch Wald und Feld bis zum Abzweigbahnhof Steinsfurt führt, wo die Rhein-Neckar-S5 von links her aus Eppingen herankommt. Neu und zweigleisig jetzt der Haltepunkt für das große Sinsheimer Industriegebiet mit Technik-Museum, Messehallen und der Arena des zukünftigen deutschen Fußballmeisters (...hat jemand was gesagt?...), dann Sinsheim Hbf. Hier findet meist ein reger Fahrgastwechsel statt, auch ist hier abseits der "Durchreisenden" von Heilbronn bis Heidelberg oder Mannheim ein Bruch spürbar: War bislang der Schwerpunkt von Heilbronn "aufs Land" auswärts, so ist er nun "metropolregioneneinwärts" gen Heidelberg. Auswärts Sinsheim folgt die Bahn dann auch dem namensgebenden Fluß Elsenz durch sein Tal. Nächster bedeutender Halt ist Meckesheim, an dessen Einfahrt von rechts die Schwarzbachtalbahn aus Aglasterhausen herankommt. Ab Meckesheim ist die Strecke elsenzabwärts zum Neckar zweigleisig, erwähnenswert ist noch Mauer, wo die südlichere Variante des Neanderthalers dereinst gehaust haben soll. Vor dem Bahnhof Neckargemünd kommt dann rechts die Neckartalbahn heran, in die wir einmünden. Am linken Neckarufer entlang geht es dann gen Heidelberg, wo zwischen dem Hp "Altstadt" (früher: Heidelberg-Karlstor) und dem Hbf noch der 2487 m lange Königsstuhltunnel durchfahren werden muß. Aussteigen dann in einem der schöneren und übersichtlichen Exemplare der 1950er-Bahnhofsarchitektur.


13. KBS 710.6 Pforzheim Hbf - Bad Wildbad (Enztalbahn)

Spätestens seit die AVG hier segensreich tätig wurde ist die Strecke ja schon irgendwie ein Zwilling der bereits gerühmten Albtalbahn. Aber - ja und nein, und doch nicht so: Erstens ist Pforzheim doch nicht ganz mit Karlsruhe vergleichbar, dann fehlt dem Enztal eine Lokalgröße wie Ettlingen und Bad Wildbad gibt sich auch deutlich traditionsbewußter und mondäner als Bad Herrenalb. Steigen wir also ein, lassen wir die Reise im Stadtbahnwagen der Tradition halber doch mal in Pforzheim Hbf, Gleis 104 beginnen, dem ehemaligen "Württemberger" Bahnhofsteil. Raus geht es noch eben, während rechts ansteigend in einer Kurve die Hauptstrecke gen Karlsruhe verschwindet. Der Blick auf die Kulisse Pforzheims zeigt uns, daß diese Gold(schmiede)stadt im zweiten Weltkrieg sehr stark zerstört wurde, stärker noch als Heilbronn und sicher zu vergleichen mit Dresden. Von daher ist die wenige historische Bausubstanz nahe dem Hp "Maihälden" schon selten. In Brötzingen Mitte trennt sich dann die Nagoldtalbahn (ich werde das nie Kulturbahn nennen können...) mit ihren 650 nach links ab. Übrigens: Vor der AVG und dem Generalumbau war der 2-gleisige Abschnitt Pforzheim Hbf-Brötzingen strikt getrennt, links "Nagoldgleis" - rechts "Enzgleis", heute gilt Richtungsbetrieb. Ab Brötzingen Mitte ist die Strecke eingleisig, und wenn wir die Hp "Sandweg" und "Wohnlichstraße" passiert haben, dann ist auch Pforzheim verlassen, auch wenn das Industriegebiet links der Bahn noch bis zum Vorort Birkenfeld (Württ.) weitergeht. Nach diesem Halt führt die Strecke dann in den Wald hinein, steigt das erste Mal stark an (Vorteil 450 vs. 628: Der 450 wird da auch schneller, der 628 wurde da nur lauter...) , links unten rauscht die Namensgeberin der Strecke durch ihr enges Talbett. Kurve um Kurve zieht sich die Bahn um die steiler aufragenden Schwarzwaldhänge ins enger werdende Tal, Unterfahrung der B294 und dann Paralellfahrt zu dieser, leicht oberhalb am Hang versetzt bis Neuenbürg Bf., der ersten Kreuzungsmöglichkeit. Links oben voraus auf dem Berg das Neuenbürger Schloß, das wir nach erster Überquerung der Enz im 135 m langen Schloßbergtunnel unterfahren. Danach Neuenbürg Süd Hp...was riecht hier denn so nach...warmem hm...Apfelmus? Ah, die Pektinfabrik Herbstreith & Fox. - wer es niemals gerochen hat, es ist ein intensiver und durchaus angenehmer Geruch, sehr fruchtbetont und nicht so einfach mit etwas anderem vergleichbar. Doch genug der Düfte, nächste Enzbrücke, Hp Neuenbürg Freibad, dessen Namensgeber am anderen Enzufer liegt und mittels einer alten Holz(haus)brücke erreicht werden kann. Wieder rücken die Berge das Tal zusammen, wieder geht es stetig aufwärts. Die Siedlung Rotenbach hat einen der zwei "Enztäler Kurzbahnsteige" an der Strecke, an ihren Häusern entlang - geht es zur Eyachbrücke, wo eine Fischzucht mit Wasserrad beliebtes Ausflugsziel ist. Eyachbrücke - jaa, die Bahn überquert den von rechts aus einem engen Tal hervorspringenden Enznebenfluß Eyach auf einer kurzen Brücke, bevor es im Linksbogen nach Höfen an der Enz hineingeht. Der langgezogen dem Enztal folgende Ort hat heutzutage 2 Haltepunkte, erst "Nord" mit dem zweiten Kurzbahnsteig, dann "Bahnhof". Die Szenerie wiederholt sich: Waldtal, Steigung, Enz links zur Bahn. So geht es bis zum in einer grob y-förmigen Talöffnung gelegenen Calmbach, dem zweiten Kreuzungsbahnhof. Dort gibt es für Wohngebiete auch noch einen Hp "Süd", der bereits im rechtsweisenden Tal der Großen Enz liegt, einem der zwei oberen Teilquellflüsse der Enz. Paralell zur Landesstraße führt die Bahn im vergleichsweise weiten Linksbogen hinauf nach Bad Wildbad, das mit dem Hp.Nord recht bescheiden beginnt, aber spätestens am Bahnhof - dritte Kreuzungsmöglichkeit - mit dem großen prächtigen Empfangsgebäude den mondänen Glanz des Kurbades zeigt. 135 Jahre lang, von 1868 bis 2003 war hier Endstation - doch die AVG fährt weiter, hinaus auf die Straße, Stromsystemwechsel entlang des Enzufers und dann als Straßenbahn durch die enge König-Karl-Straße hinauf. Links die wild rauschende große Enz, rechts dicht an dicht die Häuser vor dem steilen Hang, die enge Linkskurve - ein bißchen zu groß wirkt der Stadtbahnzug zuerst schon, aber allemal viel, viel besser als der vom Autoverkehr verstopfte Status quo ante. Am Hp Uhlandplatz könnte man, wäre sie nicht noch bis Herbst diesen Jahres in Generalrevision in die Sommerbergbahn, eine meterspurige Standseilbahn hinauf auf 720 m umsteigen. Doch wir bleiben also die letzten Meter auch noch sitzen, bevor wir an der Stumpfendstelle Kurpark aussteigen. Geradeaus geht es in den schluchtartig in einmaliger Naturkulisse der Großen Enz folgenden Park, links der Enz das grandiose "Palais Thermal", rechts König-Karls-Bad und Quellenhof, alles Zeugnisse der langen und glanzvollen Staatsbadgeschichte.
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Beitrag von 146225 »

Kleines Baden-Württemberg-Spezial, Teil 2

13. KBS 710.41 Rastatt - Gernsbach - Schönmünzach - Freudenstadt (Murgtalbahn)

Hier bereisen wir eine Beinah-Unvollendete, hat doch die wechselhafte und von den Veränderungen der Zeit in Baden und Württemberg geprägte Baugeschichte sich über 60 Jahre hingezogen (kleine Vorwarnung, wie lange das mit dem "bestgeplanten Projekt" unserer Tage dauern könnte...?!?), so daß die Gesamtstrecke erst relativ spät, nämlich ab 1928, durchgängig befahrbar war. 75 Jahre später gab es dann dafür Fahrdraht, extra Kreuzungsbahnhöfe, dichten Takt, verfünffachte Fahrgastzahlen - dank der AVG macht es heutzutage noch mehr Freude, über eine der - nach der Badischen Schwarzwaldbahn - schönsten und eindrucksvollsten Strecken dieses Mittelgebirges zu fahren. Also dann: Willkommen auf der Murgtalbahn! Wenn der Stadtbahnwagen in Rastatt in einer engen Linkskurve aus dem Bahnhof und von der Hauptbahn Karlsruhe - Basel weg abgezweigt ist, ist rechts auch schon der namensgebende Schwarzwaldfluß deutlich sichtbar. 58 km Fahrt, 619 Höhenmeter, 10 Tunnel und eine Steilstrecke trennen uns jetzt noch von Freudenstadt Hbf. Doch der untere Talabschnitt bis Gernsbach, 1868 auf Betreiben der Murgschifferschaften, die ihren lukrativen Holzhandel bedroht sahen, als Privatbahn eingeweiht ist unspektakulär. Ab Kuppenheim und bis Bad Rotenfels Bf. ist die Strecke im noch flachen und breiten Tal als zweigleisiger Begegnungsabschnitt ausgebaut. Gaggenau zeigt sich nach dem Bahnhof mit der Durchfahrt durchs Werksgelände eines Automotive-Unternehmens. Die nächsten Ortschaften Ottenau und Hörden hatten zu DB-Zeiten einen gemeinsamen Haltepunkt, heute haben sie je einen und auf dem Kilometer dazwischen noch eine Kreuzungsmöglichkeit. Die Landschaft wird bis Gernsbach, dem nächsten größeren Ort, schon "schwarzwaldiger", die Bergrücken rechts und links höher und dichter bewaldet. Gernsbach konnte durch den Bahnanschluß einen Wirtschaftszweig begründen, der heute dort noch aktiv ist, Papierherstellung. Und obwohl es nahe lage, den Segen des Bahnanschlusses auch den oberhalb im Tal gelegenen Ortschaften zu bringen, dauerten die nächsten 5 km bis Weisenbach (mit 2 Hp und dem Kreuzungsbf. Hilpertsau) doch bis 1894. Weisenbach liegt rund 80 m höher als Rastatt, und dort war der "einfache Teil" endgültig zu Ende, wird das Tal der Murg danach doch schluchtähnlich eng und steil. Zwar wurde die Strecke 1904 vom badischen Staat übernommen und die Grundlage für einen Weiterbau geschaffen, aber dennoch: Für die nächsten 6 km bis Forbach brauchte es neben vielen Arbeiterstunden auch 2 Murgbrücken, 6 Tunnel und den 183 m langen Tennetschluchtviadukt. Also windet sich der Stadtbahnzug immer am Talhang entlang vor Langenbrand noch durch Füllen- und Harttunnel, dann durch den Brachtunnel, über den Bogen des Tennetschluchtviaduktes, dann in kurzen Abständen Stiehltunnel, Rappentunnel, Hackentunnel, Hp Gausbach, Gausbacher Tunnel, Forbach Bf. Ach ja, Tunnel: In den 1970ern hatte die DB seinerzeit mit den vielen Tunneln der badischen Schwarzwaldbahn eine Heidenarbeit, weil zur Elektrifizierung jeweils die Gleise abgesenkt werden mußten. Die AVG sparte sich 30 Jahre später diese Mühe (und Kosten) und verbaute in den Tunneln der Murgtalbahn die von der Graubündner RhB inspirierte Deckenstromschiene - dann reicht der Platz auch so, bzw. es muß nur minimal abgesenkt werden. Forbach liegt bereits 180 m höher als Rastatt und hat neben der Bahnmeisterei der AVG auch eine zweigleisige Abstellhalle. Züge verkehrten hierhin erstmals im Jahre 1910. Auf dem dann im Kriegsjahr 1915 eröffneten Folgeabschnitt bis Raumünzach ist rechterhand die Talsperre Schwarzenbach sichtbar und befindet sich der Haulertunnel, mit seinen 364 m der längste der Strecke. Raumünzach ist Kreuzungsbahnhof und der letzte Halt auf ehemals badischem Gebiet. Während der Elektrifizierung mußte hier rund 1,5 Jahre von den 450 auf einen DB-627.0 umgestiegen werden (und der, nicht die Windmühle 218 war das verdammt geilste Dieselfahrzeug auf dieser Strecke!). Der nun folgende Abschnitt über die einstige Landesgrenze war jener Abschnitt, der erst im Jahr 1928 durch die damalige Deutsche Reichsbahn-Gesellschaft zur Komplettierung in Betrieb genommen werden konnte. Die Bahn führt durch den Spielraintunnel und hat mit Kirschbaumwasen auch einen vom Enztal schon bekannten Hp mit Kurzbahnsteig. Die Strecke geht stetig aufwärts durch die Tannenwälder entlang und oberhalb der hier durch ihr Felsenbett rauschenden Murg. Schönmünzach ermöglicht wiederum Kreuzungen, dann Schwarzenberg, der Mähderbuckeltunnel, Huzenbach, Röt, Kreuzungsbahnhof Heselbach, und dann, 46 km nach der Abfahrt ist nach fast 400 Höhenmetern Klosterreichenbach erreicht. Bis hierher hatte es die K.W.St.E. "von oben herab" mit dem Streckenbau auch geschafft, erste Züge erreichten Klosterreichenbach im Jahr 1901. Landschaftlich ist es übrigens eine absolute Differenz zum Ausgangspunkt der Fahrt in Rastatt, dort das breite, klimatisch warme, mit Obst- und Weinbau gesegnete Oberrheintal, hier der karge Schwarzwald, mächtige bewaldete Bergrücken und ein paar spärliche Wiesen in den engen Tälern. Außer dem Tal entlang könnte die Bahnstrecke hier nur mit sehr erheblichem Bauaufwand verlaufen, deshalb bleibt die Murg auch noch die nächsten 3 km bis Baiersbronn. Was fällt einem zu Baiersbronn ein? Flächenmäßig die zweitgrößte Kommune des Landes Baden-Württemberg, allerdings dürfte von den knapp 190 km² nur ein sehr geringer Teil eben sein, unter anderem liegt hier der 1153 m hohe Hornisgrinde, höchster Berg im nördlichen Schwarzwald. Genußmenschen scheinen es auch noch zu sein, hier wurde nicht nur um 1820 die Mostwaage durch Ferdinand Oechsle erfunden, auch ist es die einzige Gemeinde Deutschlands dieser Größe, die gleich 7 Sterne im Gourmetführer "Guide Michelin" vorzeigen kann. So, jetzt aber genug von Baiersbronn - abfahren, hinauf in die Steilstrecke hoch über den Talabschluß des Murgtales. Bis Freudenstadt Stadt sind es nämlich noch fast 200 Höhenmeter auf 5,7 km Strecke. Maximalneigung sind 50 Promille, zahnstangenfrei ist der Abschnitt seit 1926, an Kunstbauten gibt es die Christophstalbrücke. Wenn die Steigung dann zu Ende ist, ist mit dem Bahnhof Freudenstadt Stadt auch der Brechpunkt erreicht - zum Hbf geht es wieder steil durch die Stadt abwärts. Wer sich die Stadt mit ihrem großen, von Laubengängen gesäumten Marktplatz und der seltenen Winkelkirche anschauen möchte - Stadtbahnhof aussteigen. Wer weiter möchte Richtung Gäu oder Hausach - am Hbf umsteigen. Das "abwärtsfahren" durch die Stadt ist der Endpunkt einer gegensätzlichen Reise, die sich vor allem Mitte/Ende März empfiehlt - während im Rheintal der Frühling deutlich sichtbar ist und alles blüht, liegt im auf 740 m Schwarzwaldhöhen gelegenen Freudenstadt oftmals nicht zu knapp noch Schnee...

14. KBS 734 Weil am Rhein - Lörrach Hbf (Gartenbahn)

Diese Strecke ist eigentlich ein angsterfülltes Kuriosum, 1890 in Betrieb genommen um Lörrach von Norden her auch auf der Schiene erreichen zu können, falls der böse kleine Schweizer irgendwann einmal den Badischen Bahnhof in Basel sperren sollte. Unter rationalen wirtschaftlichen Gesichtspunkten wäre sie niemals entstanden, so findet sich auf 6,3 km aber so ziemlich alles was auch zu einer guten Modellbahn gehören würde. Abfahrt ist in Weil am Rhein auf der Seite des Empfangsgebäudes und mit einer Linkskurve geht es "weg von der Schweiz" gen Lörrach. Es folgen 3 Hp noch in Weil (Gartenstadt, Pfädlistraße, Ost) bevor erst der 864 m lange Tüllinger Tunnel und dann eine Brücke über die Wiese folgen. Wiese - nein, das ist hier nicht nur etwas grünes, sondern ein Nebenfluß des Rheines, der hoch oben am Feldberg entspringt und bei Basel in den Rhein mündet. Am anderen Ufer sind wir auch schon in Lörrach, erster Hp ist Dammstraße, dann mündet die Strecke am HpBft Stetten in die Wiesentalbahn ein. Den Rest der Strecke bis Lörrach Hbf über den Hp Museum/Burghof (ex "Schillerstraße") geht es straßenbahnähnlich durch die Stadt, die Trasse verläuft in der Mitte zweier Häuserzeilen mit je einer Straße rechts und links. Moderne Ironie hinsichtlich der Ängste ihrer Erbauer ist natürlich die heutige Betriebsführung durch die SBB...
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Polen
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Beitrag von Polen »

Guten Morgen ;)
ich kann die Strecke Berlin-Stettin empfehlen.
Die Strecke bietet interessante Vergleiche zwischen der Städlichen Umgebung Berlin/Bernau, dann der Brandenburger Bauern- und Dörfelandschaft bis hin zum Polnischen Teil bis nach Stettin (wo man am Bahnhof schon einige schöne und auch alte polnischem Loks knipsen kann ;)).
Aber wer jetzt denkt das die Fahrt durch 2 Bundesländer und über die Grenze viel kosten muss, der irrt sich. Soweit ich weiss gibt es immer noch das Brandenburg Ticket womit man bis nach Stettin kommt.
146225
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Beitrag von 146225 »

Kleines Baden-Württemberg-Spezial, Teil 3

15. KBS 740 Stuttgart - Horb - Rottweil - Tuttlingen - Singen (Gäubahn)

Wie meinen..? Jaaa, ich kenne auch den Einwand, daß die Gäubahn nur bis Eutingen im Gäu auch Gäubahn heißen können dürfen sollte und von dort nach Freudenstadt weiterführt. Ich kann das Ding ja auch "Gäu-oberer Neckar-Prim-Faulenbach-Oberdonau-Hohentwiel-Bahn" nennen - aber das ist jetzt ungefähr so kompliziert wie die politischen Verhältnisse zur Bauzeit, als das Königreich Württemberg gleich 2 Staatsverträge schließen mußte - mit Baden, wegen des Anschlusses an die Schwarzwaldbahn, und mit Preußen, weil Teile des oberen Neckartales in die Hohenzollernschen Lande gehörten. Ob es preußischen Traditionalisten eine kleine Genugtuung ist, daß ihre Kleinbahn von einst - die heutige HzL - im Nahverkehr (und als ICE-Ersatz) auf der KBS 740 kräftig mitmischt? Schwamm drüber, so weit südlich kommen wir erst später...obwohl der Bau 1866 im Süden begann, und Stuttgart erst 1879 erreicht wurde, reisen wir von Norden nach Süden.

Für den ersten schönen Streckenabschnitt kann man sich möglicherweise nicht mehr allzulange Zeit lassen, je nachdem welche Sicht- und Betriebsweise sich bei einem eventuell auch mal irgendwann fertiggestellten Kellerbahnhof in der Landesprovinzmetropole Stuttgart durchsetzen könnte. Die Fahrt im SBB-EuroCity wird wahrscheinlich aber noch eine ganze Weile möglich sein, ich persönlich glaube nicht daran, daß DB Fernverkehr sooo schnell wieder genügend funktionierende 411 entbehren könnte. Los geht es also aus der Kopfbahnsteighalle in Stuttgart hinaus und hinauf - die Gäubahngleise sind die "höchsten" des Gebirges von Gleisführungen, und sie führen vor dem Nordbahnhof in einer Linkskurve von der Strecke Richtung Feuerbach weg. Auf einer Stahlbogenbrücke werden Industriegleise überquert, dann kommt von rechts die (Güter-)Kurve vom Abzw. Prag heran. Bereits jetzt hat man einen schönen Blick in die Stadtlandschaft von Stuttgart, der kurz darauf allerdings vom Kriegsbergtunnel unterbrochen wird, um danach bei der Fahrt durch den Stuttgarter Westen immer wieder neu aufzuleben. Ein schöneres Stadtpanorama per Bahn lässt sich eigentlich nur noch mit der SSB erfahren - U15 oder Zacke. Doch unser Gäubahnzug nach wenigstens noch Zürich - früher gab es Fernzüge bis Milano, Genua, Napoli, Lecce,... - strebt jetzt durch den alten Westbahnhof in den Hasenbergtunnel, auf dessen Heslacher Seite sich der Waldreichtum Stuttgarts in voller Pracht zeigt, bis am Dachswald wieder Häuser auftauchen. Vor dem S-Bahn Hp Österfeld gehen die von oben herab führenden Gäubahngleise auseinander, es taucht dazwischen die S-Bahn aus ihrem Tunnel auf. Von hier über den Nesenbachviadukt durch Vaihingen nach Rohr ist die Strecke 4-gleisig - außen Fernbahn, innen S-Bahn. Nach dem HpBft Rohr wieder die gleiche Prozedur - die S-Bahn-Gleise auf die Filder und zum Flughafen taucht unter der ansteigenden Fernbahn weg. Von hier bis Horb ist die Strecke durchgehend zweigleisig. Wenn der Berghautunnel durchfahren ist, liegt Stuttgart auch hinter uns, und es geht durch Wald auf Böblinger Markung. Böblingen zeigt sich großstädtisch, käme die immer wieder diskutierte Fusion mit Sindelfingen einmal, wäre es auch tatsächlich Großstadt (dann 106.00 Ew). Die Stadtkulisse mit dichter Bebauung begleitet die Strecke noch ein gutes Stück, erst hinter Ehningen mit seinem Würmviadukt sieht man doch etwas freier die Gäulandschaft mit ihren Wiesen und Feldern, die in unserer Fahrtrichtung links vom Schönbuch und rechts vom sich allmählich andeutenden Schwarzwald begrenzt wird. In einer Rechtskurve geht es hinein nach Herrenberg, wo sofort die am Hang über der Stadt thronende Stiftskirche auffällt. In Herrenberg endet die S-Bahn von Stuttgart her, offensichtlich wird das z.B. in Bondorf, wo bis heute der Bahnsteig Richtung Eutingen ebenerdig erreicht werden kann. Eutingen im Gäu ist Abzweigbahnhof in Richtung Freudenstadt und markiert auch zugleich den Gäurand in landschaftlicher Hinsicht. Das große Bahnhofsgebäude im Stil der 1930er und die Lage des Bahnhofes weitab von den Ortskernen der Flächengemeinde geben dem Areal bei entsprechender Witterung durchaus auch manchmal etwas gespenstisches...doch genug davon, denn am alten Stellwerk 3 kommt von rechts der dritte Ast des Eutinger Gleisdreiecks heran, auf dem Züge aus dem Nagoldtal gen Horb fahren. Von Horb trennt uns jetzt noch der Abstieg ins Neckartal, der bei Bildechingen beginnt und am Hangrand über eine kurvige Steige mit dem Mühlener Tunnel erfolgt. Links unten wird der Neckar sichtbar, das Gleis im Tal ist die Strecke von Tübingen. Vor der Einfahrt in den Horber Bahnhof wird der Neckar das erste Mal auf dieser Fahrt überquert. Wenn es von Horb aus weitergehen soll, muß der Gegenzug da sein - südlich des alten Güterbahnhofsgeländes, wo jetzt die SVG ihre "Erlebniswelt" hat, ist die Gäubahn seit 1946 (wieder) nur noch eingleisig. Ausbaupläne gab und gibt es genug, aber wie üblich war bis heute außer schönen Sonntagsreden nix gewesen. Die Bahn tritt hier in den Schwarzwald ein und folgt dem jungen Neckar aufwärts. Für ein Nahverkehrssystem mit Bedarfshalten böten sich hier noch gute Gelegenheiten - die Horber Stadtteile Ihlingen und Dettingen, der Betriebsbahnhof Neckarhausen, Fischingen..., aber auch einen Ausbau des 3er-Ringzuges (der dann zum 4er-Ringzug würde) bis Horb wird es Stand heute vorerst nicht geben. Erster Ort mit aktivem Bahnhof ist dann wieder Sulz am Neckar, das vom Betriebsbahnhof Grünholz durch den Sulzer Tunnel getrennt wird. Wenn dann wieder Häuser neben der den Kurven des Neckartales folgenden Bahn auftauchen, ist das noch nicht Oberndorf, sondern Aistaig - danach wäre aber mit dem RE ein Halt im Städtchen Oberndorf fällig, das bis heute durch mehrere Hersteller von Militär- Jagd- und Sportwaffen bekannt ist. Der IC hält dafür im nächsten Betriebsbahnhof Epfendorf planmäßig zur Kreuzung mit dem Gegenzug, kommt dieser später aus der Schweiz wird verlegt nach Talhausen. Dort ist das Tal enger und düsterer, und die Bahn kürzt jetzt bis Rottweil mehrere Schleifen des Neckars durch Kunstbauten in der Reihenfolge Neckarbrücke - Hohenstein-Tunnel - Neckarbrücke - Tierstein-Tunnel - Neckarbrücke - Bernburg-Tunnel - Neckarbrücke - Au-Tunnel ab. Danach fährt der Zug in Rottweil ein, älteste Stadt in Baden-Württemberg und ein der Schweizer Eidgenossenschaft zugewandter Ort. Hier besteht auch Anschluß an einen Zug über die Alemannenbahn hinauf auf die Baar nach Villingen - diese Strecke begleitet uns hinaus aus Rottweil, sie wendet sich zwischen den Ringzug-Hp Rottweil-Saline und Rottweil-Neufra rechts weg, während die Gäubahn links weg den Neckar außer Sichtweite verliert. Die Höhenzüge links sind die der Schwäbischen Alb, rechts der Schwarzwald - so geht es über Aldingen und Spaichingen nach Tuttlingen, Zentrum der Medizintechnik. Bei Einfahrt in den Bahnhof wird die junge Donau überquert, der Bahnhof selbst weist wie Eutingen ein großes Empfangsgebäude im typischen Stil der 1930er auf, allerdings im Gegensatz zu dort noch belebt und benutzt. Ab Tuttlingen ging es früher für Gäubahnzüge weiter nach Immendingen zur Schwarzwaldbahn, diese nach rechts aus dem Vorfeld abzweigende Strecke nutzen heute noch der Ringzug und die RE Ulm-Neustadt/Schwarzw., während Züge Richtung Singen direkter über die 1934 eröffnete Strecke nach Hattingen rollen. Hattingen ist auch nur noch ein Betriebsbahnhof, wo die Gäubahn in die von Immendingen herankommende Schwarzwaldbahn einschert und dann den Hattinger Tunnel durchfährt, um nach Engen zu kommen. Von dort sind es noch 12 km bis zum heutigen Endpunkt der Reise, Singen am Hohentwiel. Sollte es dort am Bahnhof einmal zufällig leicht nach Suppe riechen, könnte die Ursache bei dem nicht ganz unbekannten Unternehmen hinter dem Bahnhof liegen...


16. KBS 764 Herrenberg - Ammerbuch - Tübingen (Ammertalbahn)

Die Geschichte dieser Bahn wechselvoll zu nennen, ist nicht untertrieben. Ebenfalls ist sie (zusammen mit der Schönbuchbahn und der Breisacher Bahn bei Freiburg) das richtige Reiseziel für Leute die mal richtig dichten Betrieb mit stets gut gefüllten 650-Traktionen erleben möchten. Über 7000 Fahrgäste jeden Tag. Und dabei sah es noch in den 1990ern mehr nach Bus als Bahn aus, denn der Abschnitt Herrenberg-Gültstein wurde 1973 abgebaut, Gültstein-Entringen seit 1966 nur noch im Güterverkehr betrieben, Entringen-Tübingen fuhren ein paar Schienenbuspaare in dünnem Takt von Montag bis Freitag. Doch dann kam das Jahr 1995, der Zweckverband ÖPNV im Ammertal wurde gegründet, und seitdem ist im Ammertal bahntechnisch sozusagen alles eine Stufe größer, weiter, schneller geworden. Weil der fehlende Abschnitt 1973 zwar abgebaut aber nie entwidmet wurde, waren die 4100 m bereits 1999 wieder aufgebaut. Statt Schienenbus mit mechanischen Stellwerken, langsam und selten, gabs fortan Zugleitbetrieb, 3 Kreuzungsbahnhöfe und 650 mit Tempo 100 alle 30 Minuten.

Abgefahren wird in Herrenberg stehts vom Stumpen 102, in einer Linkskurve geht es von der Gäubahn in südlicher Richtung hinaus und gleich über die Ammer. Ein Neubauprodukt ist der Hp Herrenberg Zwerchweg, bevor in Kurven durch die Wiesen am Schönbuchrand dann Gültstein erreicht wird. Von da an verläuft die Strecke unspektakulär durch das relativ breite Tal der Ammer, von Ort zu Ort, von Hp zu Bf/Hp. Altingen - Entringen (Systemkreuzung) - Pfäffingen - Unterjesingen Mitte und und Sandäcker, dann nochmal eine Ammerbrücke. Die Empfangsgebäude der Ammertalbahn, sind, soweit noch erhalten, erkennbar alle im gleichen Baustil, das heute schönste steht im nächsten Kreuzungsbahnhof - Tübingen West. Von der berühmten Universitätsstadt sieht man aus der Bahn heraus allerdings nicht sehr viel, sie findet ihren Weg durch den Schloßbergtunnel und über eine Neckarbrücke bis direkt in den Tübinger Hbf. Kleines Kuriosum zum Abschluß noch: Weil der ZÖA Infrastruktureigner ist, haben dessen Bf und Hp nicht wie üblich blaue Stadtionsschilder mit weißer Schrift, sondern rote - ebenfalls weiß beschriftet.

Insgesamt aber schon allein deshalb eine lohnende Reise, weil sie zeigt, was im Nahverkehr auch auf "totgesagten" Strecken alles möglich ist, wenn richtige Politik es möglich macht.
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Beitrag von NJ Transit »

17. KBS 976 (DB)/KBS 400 (ÖBB)  Garmisch-Partenkirchen - Reutte in Tirol - Kempten (Außerfernbahn)

Diese Bahnstrecke ist mitunter der Inbegriff der Gebirgsstrecke. Auf ca. 90 Kilometern schlängelt sie sichvon Garmisch-Partenkirchen durch Österreich bis nach Kempten. Da diese Strecke keine direkte Verbindung zu anderen österreichischen Strecken hat, hat die ÖBB die Betriebsführung komplett der DB überlassen. Nur einige Güterzüge, die z.B. von Innsbruck über Mittenwald und Garmisch Vils anfahren betreibt die ÖBB selber. EIU ist aber weiterhin die ÖBB.

Bereist man die Strecke von Osten, d.h. von Garmisch-Partenkirchen aus, so wird man höchstwahrscheinlich in einen ET der Baureihe 425 steigen. Dieser mit diesem folgen wir nun de Bahnstrecke, die zunächst direkt am Fuße des Zugspitzmassives entlangführt - malerische Ausbliche inklusive. Eine zeitlang führen hier die Außerfernbahn und die Bayrische Zugspitzbahn parallel, bis letzere einen Schwenk nach links macht, um in Grainau zu halten - die Außerfernbahn tangiert diese Gemeinde jedoch nur mit dem Hp Untergrainau, und nach passieren des Bahnhofes Griesen folgt der Grenzübertritt. Die Bahn führt hier durch stark bewaldetes Gebiet. und folgt grob dem Verlauf der B 187 Ehrwalder Straße. Direkt nach dem Bahnhof Ehrwald Zugspitzbahn, von der ein kleiner Spaziergang zur Österreichischen Zugspitz(seil-)bahn führt, verlässt die Strecke den Wald und führt in Hanglage durch das malerische Außerfern, immer ein wenig höher als die meisten Ortschagten, sodass sich einem atemberaubende Ausblicke bieten. Am nächsten Bahnhof, Lermoos, sind wir schon von etwa 700 m ü.NN. in Garmisch auf ca. 1000 m angestiegen. Im Folgenden werden wir der Fernpass Straße (kann mal wer den Österreichern beibrinen, wie man Straßennamen schreibt?) grob folgen; nach einem kurzen Tunnel und erneuter Fahrt duch einen Wald erreichen wir Lähn, ein eigentlich nicht erwähnenswerter Hp, jedoch der Scheitelpunkt der Strecke auf 1106 müA. Bemerkenswert an der Außerfernbahn sind übrigens die vielen kleinen Haltepunkte, die noch größtenteils angefahren werden - Zustände, von denen hier manch einer träumt. Nach kurzer Zeit haben wir auch schon Reutte erreicht. An diesem größeren Bahnhof, an dem übrigens auch einer der ÖBB-Schneeschleudern stationiert ist, müssen wir umsteigen, denn hier endet die Elektrifizierung. Es steht meistens auch schon der 642er bereit, seltener auch ein 628er, die sich langsam rar auf der Strecke machen, um die Fahrt nach Kempten Hbf. anzutreten. Die Fahrt geht weiterdurch dichter besideltes Gebiet, worunter die Idylle jedoch nicht leidet. Kurze Zeit später schwenken wir in das obere Lechtal ein, wo es ganz schön eng wird, wollen sind hier doch Fernpass Straße, Reuttener Landstraße, die Außerfernbahn, die eine oder andere kleine Straße am anderen Ufer sowie der Lech selbst unterzubringen. Hier, am Hp Ulrichsbrücke-Füssen ist die Bahn nur wenige Klometer von der König-Ludwig-Bahn in Füssen entfernt, sodass früher angedacht war, die beiden Strecken zusammenzuführen. Weiter geht es über Vils, wo wir eine ziemlich lange Materialseilbahn unterqueren, die von einem Steinbruch am Hang bis zu einem Zementwerk o.Ä. ins Tal führt, und dem Hp Schönbichl, dem ehemaligen Endpunkt der Strecke, zur deutschen Grenze nach Pfronten. Der erste Bahnhof, Pfronten-Steinach, läd zur Mittagspause auf dem Breitenberg ein, auf dem es eine wunderbare Berghütte mit Bewirtung gibt-mit etwas Glück im Wetter kann man von hier Neuschwanstein und den Forgensee sehen-, welche nur wenige Gehminuten von der Bergstation der Breitenbergbahn entfernt liegt - die Talstation liegt unmittelbar gegenüber des Bahnhofes Pfronten-Steinach. Die Außerfernbahn führt nun durch die Gemeinde Pfronten, welche eigentlich nur eine Ansammlung kleinerer Dörfer ist. Von hier aus führt die Strecke nun kurvenreich durch idyllische Hügellandschaften entlang von Kuhweiden und Holzhäusern, wie man sich das Allgäu halt vorstellt, über Nesselwang nach Oy-Mittelberg. Zerstört wird leider hin und wieder diese Idylle durch die Kunstbauten der erst kürzlich von Nesselwang nach Füssen verlängerten A7, aber dies macht nur den Bruchteil der Strecke aus. Von Durach ist es nunmehr ein kleiner Katzensprung nach Kempten, wo zunächst der Haltepunkt St. Mang angefahren wird, auf welchen eine scharfe Kurve folgt, in der auch die Iller überquert wird, bis der Zug in Kempten Hauptbanhof zum stehen kommt. Hier ist nun diese Reise vorbei, jedoch steht einem nichts im Wege, die Reise nach Lindau, in die Schweiz, nach Ulm oder über die von 146225 bereits beschriebene Allgäubahn nach München Hbf. fortzusetzen.
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SWMdrölf. Jetzt noch nächer, noch hältiger, noch fitter. Bist auch du Glasfaser und P-Wagen?
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Beitrag von 146225 »

Heute mal was aus Sachsen:

18. KBS 248 Pirna - Dürrröhrsdorf - Neustadt (Sachsen) - Sebnitz - Bad Schandau

Ob man für diesen noch befahrenen Restemix aus einstmals 3 Strecken wirklich gleich den Marketing-Vergleich mit Carl Ritter von Ghegas Semmeringbahn hätte suchen müssen, darf dahingestellt bleiben, aber schön ist es in der sächsischen Schweiz durchaus. Die Reise beginnt seit dem Oktober 1875 in Pirna, wer dort aus der S-Bahn ausgestiegen ist, darf einmal durch das Empfangsgebäude und auf der anderen Seite steht dann der 642 der Sächsischen Städtebahn. Gleich nach der Abfahrt geht es in eine steile Rampe hoch, Brücke erst über die Hauptgleise und dann über die Elbe, danach kommen dann die Hp Pirna-Copitz und Pirna-Copitz Nord. Wenn Pirna zurückbleibt, geht es durch Wald und Wiesen stetig aufwärts, bis der Ort mit 5 "r" erreicht ist: Dürrröhrsdorf. Hier ging die Strecke ursprünglich weiter in Richtung Arnsdorf, doch dieser Ast ist seit Februar 2007 stillgelegt. Deshalb fährt der Desiro weiter auf die Nebenbahn, welche wiederum durch Wälder und Wiesen immer noch aufwärts führt, erst zwischen Helmsdorf und Stolpen über den Helmsdorfer Viadukt, dann zwischen Stolpen und Langenwolmsdorf Mitte über den Langenwolmsdorfer Viadukt. Ländlich ist die Szenerie, und doch finden sich entgegen verbreiteter Vorurteile noch recht viele Fahrgäste im Zug. Was wäre wohl, wenn... - solche Überlegungen kann man auch im nächsten ex-Knotenbahnhof anstellen, nämlich in Neustadt (Sachsen). Rund 13.000 Einwohner, 340 m ü.NN. auf den Höhen des Osterzgebirges. Ob es die DRE wohl hinbekommt, irgendwann aus dem Gleis Richtung Neukirch (Lausitz) noch etwas zu machen oder ob auch das abgebaut wird? Doch irgendwann ist auch das Kopfmachen und die Zugkreuzung erledigt, und die Weiterfahrt holt einen aus solchen Gedanken. Der Zug windet sich noch hinauf auf 413 m, dort liegt in Krumhermsdorf der Brechpunkt der Neigung - jetzt geht es wieder bergab auf die Elbe zu. Nächster Ort ist Sebnitz. Dort soll - so hat es der als Aufgabenträger zuständige Verkehrsverbund Oberelbe vertraglich vereinbart - dereinst die Strecke ins böhmische Dolni Poustevna / Niedereinsiedel wieder in Betrieb gehen. Ob wirklich 2013 oder an St.Nimmerlein - wir werden sehen, ob die rund 1300 m bis dorthin möglich sind.

Sebnitz ist auch der Name des Elbe-Seitenflüßchens, dem die Bahn jetzt durch Wälder talwärts folgt und das sie bis Bad Schandau auch mehrfach überquert - insgesamt hat der Abschnitt 7 Tunnel und 71 Brücken in verschiedener Größe. Am Zwischenhalt Goßdorf-Kohlmühle gab es mal eine Schmalspurbahn nach Hohnstein - seit 1951 abgebaut.

Am Ende der Zugfahrt zwischen Wäldern und Felsen steht dann nach dem nur noch 129 m hoch gelegenen Rathmannsdorf die zweite Elbüberquerung an. Der Witz an der Sache ist ja, das wer dann in Bad Schandau aus dem Zug aussteigt, gleich wieder die Fähre über die Elbe nehmen kann, wenn er dort auch in den Ort möchte - zum Beispiel, um Kirnitzschtalbahn zu fahren... aber davon ein ander Mal.
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Beitrag von bayerhascherl »

146225 @ 9 Jun 2011, 00:54 hat geschrieben: Jaja, Gott mit Dir, Land der Bayern - ohne ginge es im Eisenbahnforum ja auch kaum.
Ohne Bayern geht goanix, überhaupt und nicht nur im Forum!

Ich würd eher meinen dass es sinnvoller ist die Zugstrecken in (Süd)Bayern aufzuzählen die NICHT empfehlenswert sind zum Luagen, Schauen und Kucken.

Daher mein Tipp: einfach zu einem der große Kreuzungsbahnhöfe anfahren (München, Augsburg vorallem) und von dort mit dem Regionalverkehr und dem Bayernticket aufbrechen. Das Preis/Leistungsverhältnis ist sehr gut, kleine Gruppen können den ganzen Freistaat für 29 Euro bereisen (bis 5 Reisenden). Ein Bayern Ticket Single für eine Person gibt es auch, etwas schlechterer Preis von 21 Euro allerdings.

Und dann kann man dank "Bayerntakt" recht spontan auf Unterwegsbahnhöfen, wo sich Strecken kreuzen, die Fahrtrichtung ändern. Wichtig ist halt in München oder Augsburg zu starten, da man dort in Südbayern die Verbindung zur größten Zahl an Regionalstrecken erhält. Und nur dort gilt das Bayernticket ja auch, wobei IC/ICE eh zu rasch dahinsausen um die Landschaft zu genießen.

Es gibt nichts schöneres als mit einem alten Silberling, bei aufgeschobenen Fenstern, zB nach Mittenwald langsam einzufahren...
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Rohrbacher
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Beitrag von Rohrbacher »

Es gibt nichts schöneres als mit einem alten Silberling, bei aufgeschobenen Fenstern, zB nach Mittenwald langsam einzufahren...
Och... hier sind Leute unterwes, die das anders sehen... :ph34r:
Man kann zum Beispiel auch nach einer Fahrt durch's Allgäu in einem ALEX-ABvmz-Abteil langsam bei offenem Fenster über den Bodensee in den Lindauer Hbf einfahren. ;)
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Beitrag von GSIISp64b »

19 Pirna - Bad Schandau ohne Sebnitz dazwischen (Elbtalbahn)
Die Strecke via Sebnitz hatten wir ja schon. Aber warum immer nur Nebenbahnen? Auch die Elbtalbahn kann sich - nicht nur auf deutscher Seite, es geht bis Usti nad Labem und wahrscheinlich auch dahinter noch wunderschön weiter. Ob an der Stützmauer in Obervogelgesang, auf Arkaden vorbei an der Festung Königstein oder im zwischen Berg und Elbe gequetschten Bahnhof Usti n. L. hl. n., die Strecke bietet viel Abwechslung, schöne Fotomotive und eine wunderbare Landschaft in der sächsischen Schweiz.
Dauerhaft abwesend, und ich komme nicht mehr wieder.
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Entenfang
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Beitrag von Entenfang »

20. KBS 750 Ulm-Geislingen-Göppingen-Plochingen-Stuttgart (Filstalbahn)

Interessant, dass diese stark befahrene Hauptstrecke hier noch nicht erwähnt wurde. Um diese Strecke genießen zu können, sollte man sich auf die Südseite des Zuges (Fahrtrichtung Stuttgart links) setzen, sonst starrt man auf eine Wand, naja, immerhin eine echte Bergwand und keine Lärmschutzwand. Wenn man also Ulm Hbf verlässt, geht es erstmal hoch in eine Rechtskurve. Dabei hat man einen schönen Blick über den Rangier- und Abstellbahnhof Ulms. Dann sieht man zunächst mal nicht mehr viel, in einem Einschnitt lässt man Ulm hinter sich. Nach kurzer Fahrt wird die A8 unterquert und links sieht man den neuen Ulmer Umschlagbahnhof. Dann passiert man den Bahnhof Beimerstetten und es geht weiter durch Wiesen, Felder und kleine Wälder. Als nächstes kommt der Hp Westerstetten, der näher zum Ort gerückt ist als der frühere Bahnhof, den man wenige Augenblicke später auf der rechten Seite sieht. Auf dem Weg nach Amstetten durchährt man die Hp Lonsee und Urspring und überquert die Europäische Hauptwasserscheide. Die Lokalbahn nach Gerstetten wird nur noch von gelegentlichem Ausflugsverkehr befahren, auf der ehemaligen Schmalspurbahn nach Laichingen fahren manchmal Dampfzüge bis Oppingen. Ab Amstetten geht es wieder bergab zum schönsten Teil der Strecke. Während man sich dem Bahnhof Geislingen nähert, hat man einen herrlichen Ausblick über die Landschaft. Besonders schön finde ich die Strecke bei Sonnenuntergang oder wenn die vielen Bäume im Winter wie mit Puderzucker bestäubt sind. Dann führt die Strecke in einem großen Bogen um die Stadt Geislingen, und man kann die ehemalige Strecke nach Wiesensteig erkennen. Die Ausfahrt der Strecke ist noch immer durch ein rotes Signal gesichert, obwohl mittlerweile die Gleise schon seit einiger Zeit vollständig abgebaut wurden und nur noch das Gleisbett erkennbar ist. Auf der rechten Seite gab es in der Zeit des 2. Weltkriegs einen Kehrbahnhof, der aber nach dem Krieg wieder abgebaut wurde. Weiter geht es durch den Hp Geislingen West, an dem ich bei Durchfahren noch nie jemanden auf den Zug warten gesehen habe und ich nie verstanden habe, warum die Gleise dort die Nummern 101 und 103 haben. Weiter gehts im Filstal, das der Bahnstrecke ihren Namen gibt, bei einem süßen Kuchen mit einem Ginger, äh ich meine, wir fahren durch die Orte Kuchen, Gingen und Süßen. Von dort führte bis 1995 eine Strecke nach Weißenstein. Durch Salach und Eislingen geht es weiter nach Göppingen, auf dieser Strecke kann man viele ehemalige Anschlussgleise an die zahlreichen Unternehmen sehen, die leider zum größten Teil nicht mehr genutzt werden. Kurz vor dem Göppinger Bahnhof zweigt noch die ehemalige Strecke nach Boll ab, die zum Teil als Anschlussbahn von Leonhard Weiss genutzt wird. Auch die Verbindung nach Schwäbsich Gmünd, die kurz hinter dem Bahnhof nach rechts abzweigte, existiert nicht mehr. Durch Faurndau, Uhingen, Ebersbach und Reichenbach geht es zügig nach Plochingen, wo ein (meistens 5-Min-Renn-)Anschluss zur Neckar-Alb-Bahn besteht. Ab hier geht es viergleisig weiter bis Stuttgart, auf den Fernbahngleisen gibt es etliche Haltepunkte, die zwar offiziell noch in Betrieb sind, aber planmäßig nicht angefahren werden und man es manchmal nicht auf den ersten Blick glauben mag, dass die noch in Betrieb sein sollen. Dann durchfährt man Esslingen und bei genauerem Hinsehen kann man in den Straßen Oberleitungen erkennen. Straßenbahn gibt es zwar keine mehr, aber dafür Trolleybusse. Auf der rechten Seite türmt sich ein Weinberg hinter der Stadt auf. Je näher man dem Stuttgarter Hbf kommt, desto mehr Gleise werden es, die Strecke führt am Stuttgarter Güterbahnhof vorbei und durch viele kleine Tunnels, Überwerfungsbauwerke und Einschnitte nähert man sich dem Stuttgarter Hbf. Ab und zu bekommt man aber doch die Gelegenheit, den einen oder anderen Blick auf die Stadt zu erhaschen. Für die Anschlussmöglichkeiten am Stuttgarter Hbf achten Sie bitte auf die Lautsprecherdurchsagen am Bahnsteig, die zähle ich jetzt nicht alle auf. Wer noch weiter nach Karlsruhe fährt, hat den Vorteil, dass er Stuttgart Hbf erhöht verlässt und einen tollen Ausblick über die Stadt im Talkessel hat.

Danke an TramBahnFreak für den Link zu diesem Thread und an 146 225 für die tollen Reisevorschläge, einige der vorgestellten Strecken sind mir schon bekannt und ich kann sie alle weiterempfehlen, und für den Rest wird nächsten Sommer vielleicht ein Deutschlandpass fällig...
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Zurückgelegte Strecke: 28.430 km - Planmäßige Gesamtreisezeit: 18,3 Tage - Gesamtverspätung (analog FGR): 1436 min - Planmäßige Reisegeschwindigkeit: 65 km/h - Durchschnittliche Fahrzeitverlängerung aufgrund von Verspätung: 5,5% - Fahrtkosten: 8,9 Cent/km - Anschlussquote (alle Anschlüsse einer Verbindung mit min. 1 Umstieg erreicht): 84,1%
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rautatie
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Beitrag von rautatie »

21. KBS 905: Plattling - Bayerisch Eisenstein

Diese Strecke fahre ich immer wieder gern, nicht zuletzt wegen der Fahrt über die Donaubrücke vor Deggendorf, der doppelten Kehrschleife vor Gotteszell, der schönen 300 m langen Ohebrücke und dem ungewöhnlichen Endbahnhof Bayerisch Eisenstein, der wie vermutlich allgemein bekannt von der deutsch-tschechischen Grenze in zwei Hälften geteilt wird. Außerdem ist die Landschaft entlang der Strecke fast überall recht schön.

22. KBS 220: Görlitz - Zittau

Diese Strecke fand ich interessant, da sie parallel zur Neisse verläuft, die ja die Grenze zwischen Deutschland und Polen bildet. Da die Strecke zu einer Zeit gebaut wurde, als die Neisse noch keine Grenze war, verläuft sie recht unbekümmert mal links, mal rechts vom Fluss, was mehrfache Grenzüberschreitungen bedeutet: die rot-weißen polnischen Grenzpfähle sieht man immer mal wieder im Wald stehen.

23. KBS 134: Neumünster - Flensburg

Diese Strecke fand ich hauptsächlich wegen der Überfahrt über die Rendsburger Hochbrücke faszinierend. Wenn man von Norden kommend den Bahnhof Rendsburg verlässt umkreist man erstmal in einer riesigen Schleife einen Stadtteil mit dem passenden Namen Schleife, um sich während der Fahrt allmählich immer höher zu heben: erst auf einem Damm, später geht die Trasse auf einer Brückenkonstruktion weiter. Schließlich erreicht man die höchste Stelle, und man fährt mit atemberaubender Sicht in immerhin 68 m Höhe über den Nord-Ostsee-Kanal, bevor die Strecke langsam auf einer langen Rampe wieder auf Bodenniveau absinkt.
Wo ist das Problem?
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chris232
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Beitrag von chris232 »

Entenfang @ 29 Aug 2013, 13:29 hat geschrieben: Weiter geht es durch den Hp Geislingen West, an dem ich bei Durchfahren noch nie jemanden auf den Zug warten gesehen habe und ich nie verstanden habe, warum die Gleise dort die Nummern 101 und 103 haben.
Der Bahnhof Geislingen West gehört zum Fdl Geislingen. Um die Zuordnung leichter zu machen, werden in vielen Fernsteuerbereichen dann die einzelnen Bahnhöfe meist mit 100er-Gruppen unterteilt. Nachdem die Bahnsteige an der Verlängerung der Bahnhofsgleise 101 und 103 liegen, ist die Nummerierung logisch. Oftmals wird auf den Schildern lediglich diese Nummer abgekürzt.
Eisenbahnen sind in erster Linie nicht zur Gewinnerzielung bestimmt, sondern dem Gemeinwohl verpflichtete Verkehrsanstalten. Sie haben entgegen dem freien Spiel der Kräfte dem Verkehrsinteresse des Gesamtstaates und der Gesamtbevölkerung zu dienen.
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Daher hat die Bahn dem Gemeinwohl und nicht privaten Profitinteressen zu dienen, begreifen Sie es doch endlich mal!
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Beitrag von Entenfang »

Aha, danke für die Klarstellung. Aber warum muss man denn die Gleise auch für die Fahrgäste mit 101 und 103 ausschildern? Würde es da nicht einfach 1 und 3 tun?
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Beitrag von 146225 »

Auch schon wieder "ein paar Tage" her, dass wir hier neue Einträge hatten. Verdammt, wo bleibt die Zeit? Damit wenigstens ab und zu hier etwas Leben einkehrt, möchte ich euch heute 2 niedersächsische Nebenbahnen mal zum Nachreisen empfehlen, das sind so zwei aus der Kategorie, die man auf seiner persönlichen Streckenkarte immer dann wieder mal entdeckt, wenn man schaut, was einem noch fehlt. Ach, da war ja noch was. ;)


24. KBS 115 Braunschweig - Gifhorn - Wittingen - Wieren - Uelzen (Mühlenbahn)

Diese Strecke wird im niedersächsischen Bezeichnungssystem auch als RB47 geführt und ist für mich im Augenblick ein Sammelsurium vertaner Chancen. Zunächst wäre da mal der "fahrgastfreundliche" 2-Stunden-Takt, der dann mit den Abfahrtszeiten in Braunschweig Hbf auch noch so "toll" liegt, dass er offiziell zum Fernverkehr aus Richtung Süden keinen Anschluss hat. Ich habe es trotzdem riskiert und weil DB Fernverkehr zwischendrin auch mal pünktlich sein konnte, haben die 4 Minuten für den Umstieg in der Löwenstadt ausgereicht. Einsteigen kann man dann - in Niedersachsen auf nicht elektrifizierten Strecken ja eine echte Überraschung - in einen LNVG-blau/gelb-lackierten LINT. Immerhin sind es schon die "verlängerten" LINT54 aus der aktuellen Generation, die Baureihe 622. Aktuelles EVU ist übrigens die OHE-Tochter Erixx. Und nein, wie im Norden üblich geworden, kann man sich nicht aus Frust über die schlechten Anschlüsse und den 2-Stunden-Takt besaufen, auch die Züge von Erixx sind alkoholfrei.

Wenn es dann losgeht, wird Braunschweig Hbf ostwärts verlassen, um dann im Vorfeld nach Norden abzuzweigen. Da liegen sie, die Chancen, denn der Zug fährt durch dichte Besiedlung, hat aber außer dem Vorort-Halt Braunschweig-Gliesmarode keine weiteren Hp in der Stadt. Sollte ja alles mal mit einer Regionalstadtbahn kommen, dann doch nicht, neues Konzept, ... passiert ist bis heute jedenfalls noch nichts. Wenn Braunschweig verlassen ist, wird nach dem Halt "Wenden-Bechtsbüttel" der Mittelandkanal überquert, und die Landpartie beginnt. Trööt! Feldwege werden hier mit Pfeiftafeln gesichert, der allgemeine Infrastruktur-Zustand scheint auch nicht mehr der Beste zu sein, jedenfalls schaukeln die beiden 622-Hälften doch erheblich gegeneinander. Nächster Halt: Meine.

Einweihung der Strecke war 1889, und schon gute 20 Jahre später wurde 1913 das Stück nördlich Röttgesbüttel neu trassiert, um die Verknüpfung mit der Strecke Hannover-Wolfsburg, die wir jetzt kreuzen, besser hinzubekommen. Der Halt heißt heutzutage schlicht "Gifhorn", liegt aber auf der Markung der Nachbargemeinde Isenbüttel. Wer wirklich nach Gifhorn möchte, bitte erst am nächsten Halt, Gifhorn Stadt aussteigen. Gifhorn ist Kreisstadt und bietet auch hier und da ein "paar" Arbeitsplätze - also mir würden da schon wieder Stellen auffallen, wo man durch neue Hp die Bahn näher an die Menschen bringen könnte, aber sei es drum, das müssen die Niedersachsen schon für sich selber erkennen und lösen. Wahrscheinlich die norddeutsche Version von "hammer no nia a so gmacht.."

Gifhorn liegt an der Aller, die Strecke kreuzt diesen Fluss, es gab einstmals auch ein - heute größtenteils schon abgebaute - Allertalbahn nach Celle, die in Gifhorn Stadt von der Mühlenbahn abzweigte. Dann wieder Felder, Baumreihen, Alleen, Bauernhöfe, Wiesen. Der nächste Halt ist Triangel, das recht moornah liegt - die Erde auf den Feldern links und rechts vom Gleis ist fettglänzend tiefschwarz. Hupend brummelt der LINT weiter nord-nordwest, bei Warenholz ist man schon in der Lüneburger Heide, und auch die "Namensgeber" der Strecke sind hier immer wieder mal zu sehen. Nach Schönewörde wird der Elbe-Seitenkanal überquert, über Knesebeck geht es dann in einen der größeren Orte und einst auch Bahnhöfe an der Strecke: Wittingen, 67 km von Braunschweig Hbf. Östlich ist die Markungsgrenze übrigens auch gleich Landesgrenze zu Sachsen-Anhalt. Auch hier gäbe es noch eine abzweigende Strecke nach Celle, die allerdings aktuell nur noch sparsam für Güterverkehre genutzt wird.

Wer zur Schrothkur möchte, kann in Bad Bodenteich aussteigen, der Rest bleibt bitte sitzen, bis die Strecke dann nach 87 km von Braunschweig her in die an dieser Stelle eingleisige, elektrifizierte Amerikalinie Langwedel-Stendal einmündet. Wieren heißt der Bahnhof dazu, nach Hohenwulsch bitte hier umsteigen. Die Streckenführung wendet sich dann ziemlich deutlich westwärts, es folgt noch Stederdorf, bevor die Fahrt dann im Hundertwasserbahnhof Uelzen endet. Rund 110 Minuten Fahrzeit wurden für diesen Weg benötigt.


25. KBS 394 Delmenhorst - Wildeshausen - Vechta - Hesepe (Hasenbahn)

Das wäre dann die niedersächsische RB58, die, Überraschung! - mit blau-gelben LNVG-LINT befahren werden kann. Allerdings sind es hier die kürzeren 648 bzw. zum Teil auch die neue Generation namens 1648. Viele Züge fahren hier in Traktion, was 620/621 nicht unlogisch erscheinen lassen würde. Aktuelles EVU ist Transev/Nord-West-Bahn, angeboten wird im Wesentlichen ein Stundentakt. Die Züge sind im Norden bis/ab Bremen Hbf, im Süden bis/ab Osnabrück Hbf durchgebunden, so dass ohne Umsteigen die nächsten Großstädte und Knotenbahnhöfe erreicht werden können.

Aus Delmenhorst geht es in Fahrtrichtung links von der Hauptstrecke Bremen-Oldenburg (Oldb) weg. Und auch gleich voll aufs Land, wieder das typische Niedersachsen-Bild, Wiesen, Felder, einzelne Bauerngehöfte in Klinkerbauweise. Wenig zusammenhängende Waldstücke, eher einzelne Baumstücke und Baumreihen. Mit maximal 80 km/h geht es hier über Land, und während Orts- und Landstraßen alle technisch gesicherte BÜ haben, stehen vor diversen Feld- und Wirtschaftswegen halt Pfeiftafeln. Trööt! Nächster, erster Zwischenhalt: Ganderkesee. Über 5000 Jahre alte, urgeschichtliche Hügelgräber wurden hier gefunden.

Die Bahnlinie geht weiter in Richtung Süden, der Zug hält in Brettorf, unterquert die A1, überquert den Fluss Hunte, bis dann mit Wildeshausen - 24 km ab Delmenhorst - wieder eine größe Ortschaft, knapp 20.000 Einwohner, kommt. Fachmarktzentrum, Landhandel. Weiter nach Süden sind es dann wieder die einzeln gelegenen Gehöfte, Dörfer, wobei in Rechterfeld - und auch anderen südoldenburgischen Gemeinden - jene großen Fleischverarbeiter sitzen, wo das Zeug herkommt, das manch einer gerne billigst im Discounter erwirbt. Tierwohl?

Das nächste, was einem vor dem Zugfenster auffällt, könnte Vechta sein, rund 31.000 Einwohner groß, Kreisstadt. Nordwestlich kam hier mal eine längst abgebaute Strecke aus Ahlhorn hinzu, südwestlich wäre es über gleichfalls abgebaute Gleise gen Cloppenburg gegangen. Bahnhof und ZOB daneben wurden erst jüngst als "Schnittstelle" frisch hergerichtet, ob der Zug auch einen Busanschluss hinaus ins oldenburgische Münsterland hat , scheint aber wie so oft auf dem Land in Deutschland eher Glückssache zu sein. Vechta ist auch Kreuzungsbahnhof.

Ja, der Landkreis Vechta hat neben seiner Kreisstadt auch noch ein zweites Mittelzentrum. Es heißt Lohne (Oldb) und ist auch an dieser Bahnstrecke zu finden, nur 8 km weiter südlich, mit ~ 26.000 Einwohnern und auch etwas Industrie. Wer das Fahrrad dabei hat, kann 8 km auf der ehemaligen Kleinbahntrasse von hier nach Dinklage radeln. Oder in der Hasenbahn-RB bleiben, die durch die inzwischen gewohnte Szenerie weiter gen Süden rollt. Zwischen den Halten Holdorf (Oldb) und Neuenkichen (Oldb) wird nochmal die A1 unterquert, danach dann der namensgebende Fluß Hase, ein Nebenlauf der Ems. Dann folgt noch der Halt in Rieste, bevor die Strecke in Hesepe in die gleichfalls nicht elektrifizierte Hauptbahn von Oldenburg (Oldb) nach Osnabrück einmündet, auf der der restliche Weg bis in die Friedensstadt zurückgelegt wird. Wer die Landpartie unternehmen möchte: ca. 130 Minuten Fahrzeit können für die Fahrt von Bremen nach Osnabrück so herum veranschlagt werden.
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Beitrag von TramBahnFreak »

Zwei Strecken, die ich tatsächlich schon vor einigen Jahren "abhaken" konnte. (Erstere damals noch mit rotem 628...)
Wobei abhaken hier wirklich unpassend ist – die beiden Strecken führen zwar durch viel plattes Land; das hindert sie aber nicht daran, dennoch landschaftlich sehr reizvoll zu sein.

Von daher: Danke für das Wecken der Erinnerungen an einige Ausflüge vergangener Jahre! :)
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Beitrag von 146225 »

TramBahnFreak @ 8 Jan 2018, 20:31 hat geschrieben: Von daher: Danke für das Wecken der Erinnerungen an einige Ausflüge vergangener Jahre! :)
Gerne, freut mich wenn ich eine kleine Freude machen konnte. :)

Ach komm, dafür lege ich noch eine drauf - diesmal geht es in das nördliche Rheinland-Pfalz:

26. KBS 477 Remagen - Bad Neuenahr - Dernau - Kreuzberg an der Ahr - Ahrbrück (Ahrtalbahn)

Sie ist das "A" in Vareo. Liegt in Rheinland-Pfalz, ist aber aufgrund der Nähe zum im NRW gelegenen Bonn eher dorthin ausgerichtet als auf das weiter entfernte Koblenz, was die nächste größere Stadt in Rheinland-Pfalz wäre. Deswegen sind die von Bonn Hbf her durchgebundenen "Langläufer" bis Ahrbrück als RB30 "Rhein-Ahr-Bahn" und die zwischengetakteten Kurzläufer Remagen<->Dernau als RB 39 "Ahrtalbahn" in das NRW-Nummernsystem eingebunden, es gilt - unter anderem - auch der VRS-Tarif. Fahrzeugseitig werden als RB30 meiner Beobachtung nach 81-m-LINT, Baureihe 620/621 und als RB39 die 54-m-LINT, Baureihe 622, eingesetzt, Betreiber ist aktuell DB Regio.

Also für mich war die Erstbereisung der Strecke wie die "Umkehrung" einer Fahrt auf der (badischen) Renchtalbahn oder Elztalbahn, zum Beispiel. Vom Rhein weg geht es in ein breites Seitental, das nach oben hin im Mittelgebirge immer enger wird. Nur dass in diesem Fall nicht vom Schwarzwald, sondern von der Eifel die Rede ist, und die Rheinseite vertauscht wurde. Remagen geht es nach Süden raus, um dann neben der linken Rheinstrecke an Süden zu gewinnen und in einer langen Rechtskurve ins Ahrtal abzubiegen. Erster Halt Bad Bodendorf, das recht gut erhaltene Empfangsgebäude stammt noch aus der Bauzeit der Bahn. Schon hier fällt einem der im Ahrtal vertretende (Rot-)Weinbau auf, der uns noch relativ weit talaufwärts begleiten wird.

Es folgt der Hp Heimersheim, bis dann der größte Ort im Ahrtal erreicht wird - erst der Halt Bad Neuenahr, dann Ahrweiler mit zusätzlichem Hp Ahrweiler Markt. Beide Ortschaften sind seit 1969 zusammengeschlossen, längst auch zusammengebaut und neben Kreisstadt auch das örtliche Mittelzentrum. Ahrweiler hat dazu einen schönen, vom Zug aus ein Stück weit zu sehenden historischen Stadtkern, wäre bei einer zweiten Fahrt vielleicht mal das Aussteigen wert. Weiter talaufwärts wird nach Walporzheim die erste Brücke über die Ahr überquert. Und noch eine. Und da kommen auch noch ein paar. Der Fluss mäandert stark, die Hänge werden jetzt auch sichtbar steiler, das Tal eng. Nach wie vor gibt es Weinbau, in manchen Wengert muss man wohl aber mit Bergschuhen, Steillage wie aus dem Beispiel im Lehrbuch. Dernau wird erreicht, das ist jener Punkt, an dem die "Zwischentakte" bis/ab Remagen wenden. Im Sommer und frühen Herbst sicherlich auch mit dem einen oder anderen Wanderer/Radfahrer/Weintourist an Bord.

Während die Strecke weiter ansteigt, kommt zwischen Rech und Mayschoß nicht nur eine weitere Ahrbrücke, sondern auch der erste Tunnel, "Saffenburger Tunnel" heißt er. Nach dem Halt in Mayschoß wird die Strecke dann endgültig zur "Gebirgsbahn", erst 3 Tunnel hintereinander (Laacher Tunnel, Reimerzhover Tunnel, Krähardt-Tunnel), dann eine Ahrbrücke, dann der Engelslay-Tunnel, dann eine Ahrbrücke, dann der Hp Altenahr, noch 3 Ahrbrücken, dann ist Kreuzberg (Ahr) erreicht. So ein heftiges Mittelgebirge ist die Eifel an sich ja nicht, Kreuzberg liegt gerade mal auf 178 m ü.NN., aber die Erbauer der Strecke wollten schon um 1886 herum nicht jeder Ahrschleife folgen, und entschieden sich deshalb für die Kunstbauten.

Kreuzberg an der Ahr hatte zu Dampflokzeiten ein Bw, heute ist von den einst umfangreiche Gleisanlagen wie üblich nicht mehr so wirklich viel übrig. Gut, man muss natürlich auch sehen, dass es für die gesamte Region noch wesentlich mehr Baupläne für Eisenbahnen gab, die jedoch aus verschiedenen Gründen, unter anderem auch dem 1. Weltkrieg nicht Realität wurden. Die Strecke an sich ging von Kreuzberg (Ahr) aus an sich noch 16 km weiter bis Adenau. Dieser obere Abschnitt wurde 1985 außer Betrieb genommen, bei Hönningen ist die Strecke auch unterbrochen (Straßenbau, was sonst...), so dass heute nicht mehr bis Adenau gefahren werden könnte. Dennoch war nicht für alle Zeiten in Kreuzberg (Ahr) Schluß, seit 1996 geht es wieder 2,3 km weiter das Tal hinauf bis zum heutigen Endbahnhof in Ahrbrück.

Etwa 45 Minuten darf man für die einfache Fahrt auf der schönen, rund 28 km langen Strecke Remagen-Ahrbrück aktuell einplanen. Was für den einen oder anderen vielleicht auch noch von Interesse ist: auf der Strecke ist noch recht großflächig mechanische Signal- und Sicherungstechnik verbaut.
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