Das deutsche Bahnhofsdrama

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Bayernlover
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Beitrag von Bayernlover »

SZ: Das deutsche Bahnhofsdrama
Bahnstationen unterm Hammer - das Auktionshaus macht das nicht zum ersten Mal, doch diesmal sei der Andrang "unerhört", freut sich Karhausen. Die Erklärung für das unerwartet große Interesse liefert der Auktionator gleich mit: "Nach schlechten Erfahrungen mit zu hohen Anfangsgeboten haben wir diesmal den Einstiegspreis bei gerade mal 1000 Euro pro Bahnhof angesetzt. Es sind also jede Menge Schnäppchen im Angebot."
Dabei sollten sie doch "die Kathedralen des 21. Jahrhunderts" werden. So hatte es der frühere Bahn-Chef Heinz Dürr während der Privatisierung des Staatsbetriebes Mitte der 90er Jahre euphorisch versprochen.
In der deutschen Provinz aber herrscht die große Tristesse am Gleis.
Hunderte Bahnhöfe in kleineren Städten stehen leer, sind verrammelt, dreckig und verwahrlosen.
Geht noch weiter, aber ist jetzt zuviel zum Zitieren. Ein interessanter Artikel!
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Flo_K
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Beitrag von Flo_K »

Was ich ja ganz abgesehen von dem Verkauf und dem Umgang mit bestehenden vergammelnden Bahnhofsgebäuden auch (zumindest persönlich) schlimm finde und durchaus auch zu diesem Themenkomplex hinzufügen würde: Die mittlerweile sehr weit durchorganisierte Standardisierung. Ob es jetzt ICE-Bahnhof München-Pasing oder S-Bahn-Haltepunkt ist. Fast (!) überall kommen nur noch die selben paar Typen an Dächern mit der ewig gleichen Bahnsteigmöblierung und den ewig gleichen weißen Fliesen in den Bahnsteigunterführungen zum Einsatz. Vieles was Geld kostet und Komfort bietet (z.B. geschlossene oder gar beheizte Wartemöglichkeiten, Toiletten, etc) wird oft eingespart. Von Kathedralen ist also auch vieles Innerstädtisches und nicht ganz so Kleines weit entfernt. (Wird aber nach der Modernisierung doch oft als riesengroßer Fortschritt und Zeichen der Modernität der Bahn gerühmt.)

Wieviel der Bahn die Bahnhöfe wert sind kann man sich auch in etwa denken, wenn StuS ned mal mehr die Finanzierung von ihr beantragter Beschilderungen mit Bahnhofsnamen oder ausreichend vorhandener Uhren im eigenen Konzern durchbekommt.
Marcel
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Beitrag von Marcel »

Was ist denn daran so schlimm, wenn die Bahn im Osten Bahnhöfe schließt? Bei der Fluktuation im Osten sowie der immer älter werdenen Bevölkerung mit der damit einhergehenden weniger werdenen Mobilität ist es unnötig, in jedem Kaff ein teures Bahnhofsgebäude zu unterhalten.
Bayernlover
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Beitrag von Bayernlover »

Flo_K @ 23 Jul 2011, 20:14 hat geschrieben: Die mittlerweile sehr weit durchorganisierte Standardisierung.
Ja das stimmt, so richtig eigenständige architektonische Experimente sind offensichtlich nicht gewünscht, außer der Denkmalschutz funkt dazwischen.
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andreas
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Beitrag von andreas »

naja, ist ja nicht nur im Osten so - schau dir mal das Bahnhofsgebäude in Petershausen an z.b.
Charly
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Beitrag von Charly »

Bloss das Petershausner EG gehört der Gemeinde , schaut aber auch nicht besser als eines
der Immobilien-Heuschrecken aus. Haben doch auch kein Geld ,die Kommunen.
Rettet den Gläsernen ! Auch wenn er jetzt in Augsburg steht.
Cloakmaster
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Beitrag von Cloakmaster »

Nuja, das Bahnfahren hat sich sicherlich mit der Zeit gewandelt. Früher war eine Bahn-Resie noch eine echte "Reise", der der man teil ettliche Stunden vor dem Zug am Bahnhof war, dort noch ins Restaurant ging, auch der Fahrkartenverkauf und die "Ausstellunge des Fahrscheins" waren da ein echtes Highlicht in der Reisekette.
Für viele (mich eingeschlossen) sind Bahnhöfe heute fast nur noch "Mobilitätspunkte". Schnell rein, wenige Minuten vor Abfahrt des Zuges, und los gehts. Und beim Ankommen ähnlich. Ankommen, Umsteiegn in S/U-Bahn, Tram oder Bus, und tschüss. Bahnhofsspotting betreibe ich nur noch in der Freizeit, als ich zB gezielt zum Berliner Hauptlehrterstadtbahnhofs-EKZ fuhr, um mir dieses verschachtelte Bauwerk genauer anzusehen. Da habe ich dann einige Stunden verbracht, und die verschiedenen Winkel kennen gelernt. Aber sonst?
Ich brauche keine Kathedrahle, ich brauche zuverlässigen und stabilen Taktverkehr, dazu akzeptable Fahrzeiten und bezahlbare Preise. Öffentliche Toiletten sind wohl ein Muss, aber ehrlich gesagt bin ich zu geizig, einen Euro für meine Notdurft zu blechen, und suche dann lieber das Restarant bzw den Burgerbräter in der Nähe auf, um es dort kostenfrei zu erledigen - und evtl den Euro statt dessen in eine hauchdünne Scheibe Fleisch zwischen wabblichen Brötchenhälften zu investieren. Oder aber natürlich die Zugtoilette, wenn eine Bahnfahrt vorher/nachher ansteht, welche über diesen Komfortpunkt verfügt.

Aber Natürlich macht das Ankommen oder Abfahren an einem "aufgeräumten" Bahnhof mehr Spass als bei einen herutnergekommenen Gleisanschluß mit Zustiegsmöglichkeit für den Personenverkehr. Und: Dieses Ankommen und Abfahren sollte schon ziemlich flächendeckend möglich sein.

@Marcel: Wenn nur die Bahnhifsgebäude geschlossen werden, mag das nicht so schlimm sein. Sollten aber damit Stecken- oder auch nur Haltepunkts-Einstellugen mit gemeint sein, das wäre schlimm! Bahn macht nur Sinn, wenn die Bahn mich (fast) überall hin bringen kann. Und dazu brauccht es eben auch Bahnhöfe. Vor allem in struckturschwachen Gegenden, damit dort nicht völlig die Lichter ausgehen. Nach dem Hochwasser wurden einige kleinere Nebenstrecken nicht wieder aufgebaut, und statt dessen der - eigentlich nur vorrübergehend angedachte - Bus-Ersatzverkehr zur Regelleistung. Und damit einher ging eine noch weiter zunehmende "Landflucht", die der Region sicher nicht gut getan hat.
Bayernlover
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Beitrag von Bayernlover »

Prinzipiell gebe ich Dir ja recht, aber auch beim Bahnfahren gibt es "weiche" Faktoren, und dazu gehört eben auch eine ansprechende Bahnhofsarchitektur. Zum Beispiel mag ich meinen S-Bahnhof recht gern, auch wenn der sicher schon 100 Jahre alt ist (und auch noch so aussieht :D), der ist mir aber 1000 mal lieber als der neue Berliner Hbf, der erstens total unübersichtlich und zweitens irgendwie Einheitsbrei ist. Stahl, Glas, Beton - und das überall. Dass es auch anders geht, beweisen der Dresdner Hauptbahnhof (ob das so freiwillig geschehen ist?) und andere Hauptbahnhöfe. Aber um die geht es hier ja gar nicht, sondern um so Provinzdinger. Und ganz ehrlich, wenn das erste was ich sehe wenn ich mich zur Entscheidung Bahn zu fahren hinreißen lasse ein Abbruchhaus ist, wirkt das ganz sicher nicht wie eine Einladung. Egal wo das Teil steht. Und es ist auch bewiesen: Je dreckiger es irgendwo aussieht, desto schlimmer wird randaliert und beschmiert.
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Beitrag von bayerhascherl »

Ich muss Cloakmuster beipflichten.

Und ich gehe noch weiter, Nostalgie hat hier nichts zu suchen - wäre die Bahn in unserem Lande wie zB in Nordamerika nur etwas für Nostalgiker, mit polierten alten Messingglocken am Bahnsteig etc., DANN müssen wir von einem "Drama" sprechen. Die Bahn lebt und gedeiht in unserer Gesellschaft aber, und hat dabei die ähnlichen Probleme wie viele andere Sektoren unserer Zeit halt auch - als Spiegel der Gegenwart. Kostendruck, Uniformität, usw., das "übliche Spiel" eben.

Im Übrigen muss man meiner Meinung nach schon mit hängenden Schultern und gesenktem Blick bahnfahren um die vielen kleinen und großen Zeugnisse aller Generationen, von den Anfängen der Eisenbahn bis heute, nicht zu bemerken. Die Faszination der Bahn schon auf kleine Jungs kommt ja gerade daher dass es ein eigener kleiner Kosmos ist, auch in tausend Artikeln nicht erschöpfend beschrieben werden könnte. Daher sollte man diese Dinge mit etwas mehr Gelassenheit sehen. Und es kommen auch wieder bessere Zeiten, es ist absehbar dass die nächste Generation die in den "Startlöchern" steht Dinge wie Privatisierung und Kostendruck viel kritischer sieht als die "Generation Golf" und die 1968er die als "Neue Mitte" Ende der 1990er angefangen haben die Republik umzukrempeln - rückblickend selten zum besseren. Ich kann mir persönlich auch gut vorstellen dass die Bahn teilweise, gerade das Netz und die Bahnhöfe, in Zukunft wieder ganz verstaatlicht werden, der Staat, wie auch bei den Straßen, die Infrastruktur betreibt um deren Fortbestand und Gemeinwohlorientierung sowie fairen Wettbewerb zu ermöglichen. Damit könnten dann selbst gemäßigte "Marktfreunde" leben.
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Flo_K
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Beitrag von Flo_K »

Naja da muss man halt Unterscheiden. Der Übergang zwischen nötigem Komfort und nostalgischen Gefühlen ist bezüglich der Ansprüche an einen Bahnhof und seine Einrichtungen sicherlich fließend. Aber ob ein Bahnsteig mit einem Wetterschutzhäuschen, einer Bank, einem Automaten und einer Uhr drauf wirklich attraktiver ist, als ein Bahnsteig etwas älterer Bauart und dafür mit beheiztem Raum im Gebäude, das is jetzt denke ich nicht unbedingt ne Frage, die nur von Nostalgikern mit pro-Empfangsgebäude beantwortet werden würde. Und dass die Gemeinden beklagen, dass es zig Zuständigkeiten gibt und vieles ziemlich verwahrlost, das finde ich angesichts der Tatsache, dass doch einiges an Steuergeldern in das Netz und die Bahnhöfe fließt und die Bahn ein Unternehmen in öffentlichen Besitz ist als Kritik ganz grundsätzlich auch gerechtfertigt.

Und wenn man in den 70ern (oder 60ern) davon ausging, dass selbst S-Bahnhöfe wie Lochhausen beheizte Zugangsbauwerke mit Wartemöglichkeit benötigen, dann wüsste ich nicht, was sich seit damals jetzt so stark geändert haben sollte, dass das heute auf einmal nicht mehr zeitgemäß ist, obwohl die Fahrgastzahlen gestiegen sind. Auch heute steigen da noch Fahrgäste in S-Bahnen ein, die großteils im 20-Minuten-Takt verkehren. Klar kann man sich drüber streiten, ob man überall Toiletten braucht und natürlich ist Vandalismus auch ein Problem, das es so früher nicht gab. Aber nicht alles, was über das absolut Notwendige hinausgeht ist eben gleich unangebrachter Luxus. Und was Repräsentativität angeht spielen die vom Vorredner schon angesprochenen weichen Faktoren Imagemäßig sicher schon auch ne Rolle. Das deutet der Artikel ja auch an, dass die Bahn selbst mit dem Zustand manches Bahnhofsgebäudes nicht zufrieden ist. Und gerade bei so einem Thema wie der Bahn, wo jeder Fahrgast und selbst jeder "Ich fahre niemals Bahn weil alles so schlimm ist"-Nicht-Fahrer meint, alles besser zu wissen, sind die weichen Faktoren wohl nicht zu unterschätzen. Man muss halt ein Mittelweg finden. Ich glaube kaum jemand will für ein paar hundert Fahrgäste im Jahr heute noch ein riesen Gebäude, vorbildlich saniert mit Schalter und Gaststätte in jedem Kaff vorhalten ;)
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Beitrag von bayerhascherl »

..wenn wir jetzt schon einsteigen dann aber bitte korrekt. Es ist ja nicht so als ob die alte kaiserliche Reichsbahn, gar die Königlich Bayrische Eisenbahn, mit der Privatisierung endete und dann die "grauen Herren" aus Momos Welt die Macht übernahmen. So nach dem Motto "vom Hogwarts-Express zu Disturbia".

In der Nachkriegszeit wurden, wenn Bahnhöfe gebaut oder umgebaut wurden, dermaßen häßliche Augenkrebskandidaten errichtet dass man beim Betrachten alter Fotos einen Schreck kriegt - die schauten nämlich auch nagelneu bei Eröffnung schon so greislig aus. Wir kennen alle die Beispiele. Dafür hatten noch in Mittelstädten Innenräume mit unfreundlichen Schalterbeamten und beheizt waren sie zudem, geschenkt.

Es ist aber vorallem richtig dass man in der Blütezeit der Eisenbahn ganz anders baute, das hatte auch profane Gründe. Da war die Bahn das Mobilitätsmittel für ALLE, den kleinen Mann wie den großen Baron gleichermaßen. Heute steht sie lediglich allen offen, aber es sind nicht mehr alle auf sie angewiesen. Großer Unterschied. Öffentliche Verkehrsmittel sind seit der Autorevolution amerikanischen Vorbildes in Westdeutschland halt sowas wie "Verlierer-Verkehrsmittel" geworden vom Image her, für Randgruppen, Alte und Schüler als karitatives Basisangebot was man halt aus Steuermitteln milde bezuschusst. Das wovon junge Leute vor ihrem 18. Geburtstag träumen ist ihr Führerschein und ein eigenes Auto, nicht von einem Ganzjahresabo des Verkehrsverbundes oder einer Bahncard 100. Entsprechend stellt sich der andere ehm Anspruch und die Priorität im öffentlichen Raum und der Politik aber auch schlicht die Einnahmesituation dar (Luxuszüge haben früher die Holzklasse quersubventioniert, heute läuft es immer mehr auf eine "Einheitsklasse" zu). Die Bahnwelt von heute beinhaltet halt keinen 7er BMW mehr, eher die Asia-Importauto Kategorie (funktionell und häßlich).

Aber wenn ich mir anschaue was in den 70ern für Bahnsteigdächer gebaut wurden (Wellblech mit beigen rechteckigen Umrandungen und dunkelbraun gebeiztem Holz darunter, Leuchtstoffröhrenbeleuchtung) dann kann ich mich selbst mit den aktuell neu verbauten Standardmodellen wie "Bahnsteigdach Zwiesel" sehr gut anfreunden. Man muss da schon fair sein und bedenken dass zu Bundesbahnzeiten vielfach die Zeit stehen geblieben ist und diese große behäbige Behörde weniger komplett neu investiert und umgebaut hat so dass die scheußliche Architektur der alten Bundesbahnära einfach nicht so präsent war wie die "Corporate Identity" der DB, die die letzten 10 Jahre gerade in den Ballungsräumen sehr viel umgebaut und saniert hat.
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Flo_K
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Beitrag von Flo_K »

Ehe hier alle aneinander vorbeireden sollte man vielleicht darauf achten, dass man die funktionalen Gesichtspunkte (Ausstattung zum Beispiel) jetzt ned mit den ästhetischen (Stichwort Kathedrale vs. 70er Jahre) in einen Topf wirft ;)
Marcel
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Beitrag von Marcel »

Ich finde Bayerhascherl hat Recht. Heutzutage hat jeder lieber ein Auto, als eine BahnCard. Das Auto ist an keinen Fahrplan gebunden, fährt direkt von A nach B ohne umzusteigen usw.

Da die Bahn auch massiv mit Staatskosten bezuschusst wird, sollte das Geld dort eingesetzt werden, wo es sinnvoll ist. Und für einen ostdeutschen Provinzbahnhof ist es alles andere als sinnvoll.
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Boris Merath
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Beitrag von Boris Merath »

Flo_K @ 24 Jul 2011, 01:05 hat geschrieben: Ehe hier alle aneinander vorbeireden sollte man vielleicht darauf achten, dass man die funktionalen Gesichtspunkte (Ausstattung zum Beispiel) jetzt ned mit den ästhetischen (Stichwort Kathedrale vs. 70er Jahre) in einen Topf wirft ;)
Vorallem wenn verbessertes Design auch verschlechterte Funktion bedeuten kann - die neuen Bahnsteigdächer sehen zwar zweifellos schöner aus als die alten, durch die höhere Höhe und auch noch die schräge Öffnung nach oben regnets bei denen je nach Wind viel früher seitlich rein als bei den alten klotzartigen.
Bis zur vollzogenen Anbringung von ausreichenden Sandstreuapparaten an allen Maschinen haben die Bahnwärter bei aufwärtsgehenden Zügen auf stärkeren Steigungen die Schienen ausgiebig mit trockenem Sand zu bestreuen und für die Bereithaltung eines entsprechenden Vorrathes zu sorgen.

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Lazarus
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Beitrag von Lazarus »

Boris Merath @ 24 Jul 2011, 01:36 hat geschrieben: Vorallem wenn verbessertes Design auch verschlechterte Funktion bedeuten kann - die neuen Bahnsteigdächer sehen zwar zweifellos schöner aus als die alten, durch die höhere Höhe und auch noch die schräge Öffnung nach oben regnets bei denen je nach Wind viel früher seitlich rein als bei den alten klotzartigen.
Vorallem nervig, wenn man wie in Pasing geschehen auch noch die geschützen Warteräume einspart. Was zur Folge hat, das jetzt teilweise die Treppen als Wartezone benutzt werden und es da noch voller wird.
Mehr Geld für den ÖPNV-Ausbau in München! Es wird höchste Zeit!
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Beitrag von Xenon »

bayerhascherl @ 24 Jul 2011, 00:52 hat geschrieben: Es ist aber vorallem richtig dass man in der Blütezeit der Eisenbahn ganz anders baute, das hatte auch profane Gründe. Da war die Bahn das Mobilitätsmittel für ALLE, den kleinen Mann wie den großen Baron gleichermaßen. Heute steht sie lediglich allen offen, aber es sind nicht mehr alle auf sie angewiesen. Großer Unterschied. Öffentliche Verkehrsmittel sind seit der Autorevolution amerikanischen Vorbildes in Westdeutschland halt sowas wie "Verlierer-Verkehrsmittel" geworden vom Image her, für Randgruppen, Alte und Schüler als karitatives Basisangebot was man halt aus Steuermitteln milde bezuschusst. Das wovon junge Leute vor ihrem 18. Geburtstag träumen ist ihr Führerschein und ein eigenes Auto, nicht von einem Ganzjahresabo des Verkehrsverbundes oder einer Bahncard 100. Entsprechend stellt sich der andere ehm Anspruch und die Priorität im öffentlichen Raum und der Politik aber auch schlicht die Einnahmesituation dar (Luxuszüge haben früher die Holzklasse quersubventioniert, heute läuft es immer mehr auf eine "Einheitsklasse" zu). Die Bahnwelt von heute beinhaltet halt keinen 7er BMW mehr, eher die Asia-Importauto Kategorie (funktionell und häßlich).
Dass die Bahn ein schlechtes Image hat, ist auch selbst verschuldet, zum Beispiel wegen heruntergekommen Bahnhöfen, verspäteten Züge, unfreundlichen Personal, unkomfortablen Zügen oder zu hohen Fahrpreisen.
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Rohrbacher
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Beitrag von Rohrbacher »

Boris Merath @ 24 Jul 2011, 01:36 hat geschrieben:Vorallem wenn verbessertes Design auch verschlechterte Funktion bedeuten kann - die neuen Bahnsteigdächer sehen zwar zweifellos schöner aus als die alten, durch die höhere Höhe und auch noch die schräge Öffnung nach oben regnets bei denen je nach Wind viel früher seitlich rein als bei den alten klotzartigen.
Was aber dann eben mal wieder nicht "am Design" liegt, sondern eben z.B. an der Höhe. Oder wenn ein Auto nicht in die Parklücke passt, ist nicht "das Design" schuld, sondern der, der das Auto so lang gebaut hat. Aber ich weiß, "das Design" ist immer schuld genauso wie "die Bundesbahn" immer Verspätung hat. ;)

Ich würde sagen, die neuen Dächer (wenn wir die selben meinen) lassen mehr Licht rein, machen den Bahnhof auch ohne Kunstlicht nicht so duster und lassen den Bahnsteig deutlich einladender und großzügiger wirken. Das mit der Höhe fällt eigentlich auch nur dann auf, wenn ein Zug quasi in Windrichtung zwischen Bahnsteig und Fahrgast steht. Ansonsten ist es für mein Verständnis ziemlich wurscht, ob über Oberkante Kopf noch 1 oder 2 Meter kommen. Mit den heute verbreiteten Doppelstockwagen könnte es auch zusammenhängen, damit man auch vom Oberdeck noch unter das Bahnsteigdach schauen kann und nicht nur auf eine Metallblende. Warscheinlich hat das sogar jemand mitgedacht.
Bloss das Petershausner EG gehört der Gemeinde , schaut aber auch nicht besser als eines der Immobilien-Heuschrecken aus.
Es gehört zwar momentan der Gemeinde, nur hat die immer noch keinen Investor gefunden, der aus dem Bahnhof was machen will. Behalten will und kann die Gemeinde das Gebäude anscheinend nicht. Oder doch. Tja, sie weiß es glaub' ich selber nicht.
so dass die scheußliche Architektur der alten Bundesbahnära einfach nicht so präsent war wie die "Corporate Identity" der DB
Was überhaupt nichts miteinander zu tun hat. Die Architektur in den 50er bis 70er Jahren war nunmal so wie sie war. Man war damals ja eigentlich schon da, wo einige ja anscheinend immer hinwollen: Funktionalismus pur. Wohnhäuser aus der "alten Bundesbahnära" sehen auch nicht anders aus.

Übrigens wird das Eisenbahnforum 2050 genauso über die Bauten von heute schimpfen, wie das Eisenbahnforum von 1960 die damaligen Bauten vermutlich gelobt hätte. We call it Zeitgeist.

Das hat aber alles mit dem eigentlichen Thema zu tun. Wenn es um den selben Artikel geht, den ich heute gelesen habe, dann geht's weniger um Fragen der Architektur, des Zeitgeschmacks oder irgendwelche Bahn vs. Autofragen, sondern ganz einfach um den (optischen) Zustand der Bahnanlagen. Genauso wie ein 60er Jahre Bau top geplegt sein kann, kann ein total schicker Neubau nach kurzer Zeit völlig vergammelt und verwahrlost sein, wenn sich keiner drum kümmert. Und genau darum geht's: In einem globalen Logistikkonzern, wie die DB einer sein will, kümmert sich niemand um kleine "Filialen", die man blöderweise halt geerbt hat und für deren nicht obligatorisch nötigen Teile (das sind auch die Empfangsgebäude fast aller kleineren Bahnhöfe) im Eisenbahntopf einfach kein Geld mehr da ist.

Die Post hat mittlerweile auch (fast) nur noch Agenturen in fremden Läden und keine eigenen "Postämter" mehr. Genau da geht die Bahn auch hin. Nur ist das eben bei der Bahn nicht so einfach, weil der Bahnhof halt immer am Bahnhof ist und nicht die Bahnagentur irgendwo bei einem Ladenbesitzer einziehen kann, sondern der Laden zum Bahnhof kommen muss...

Bei uns im Bahnhof ist letztes Jahr in die ehemalige Bahnhofskneipe ein lokaler Bäcker mit kleinem Cafe eingezogen, ein super Laden, dagegen können sämtliche Münchner "Systembäcker" nicht anstinken und läuft glaube ich sehr gut... Jetzt müsste man eigentlich nur noch die Leute im Bäckerladen entsprechend ausbilden und materiell ausstatten, dass sie Tickets verkaufen können (was ja in Verkehrsverbünden oft jeder zweite Kiosk macht), schon hätten wir auf unserem Dorfbahnhof einen geheizten, bewirtschafteten "Warteraum" mit Fahrkartenverkauf, der Montag bis Freitag von 04:30 Uhr bis 20:00 Uhr, samstags von 06:00 Uhr bis 12:30 Uhr und sonntags von 07:00 Uhr bis 17:00 Uhr offen hat und das zu Kosten, die geringer sind als jetzt.

Auf den Zustand des Gebäudes hat das aber noch keinen Einfluss. Die meiner Meinung nach sinnvollste Lösung wäre gewesen, auch wenn man das damals warscheinlich noch nicht so wissen konnte, die Empfangsgebäude aller Bahnhöfe im Zuge der Bahnreform automatisch an die Gemeinden oder Landkreise zu vermachen. Aber auch das hilft nichts z.B. gegen verwahrloste ehemalige Ladestraßen, Rangiergleise, etc. und ihren typischen Gammellook.
Es ist aber vorallem richtig dass man in der Blütezeit der Eisenbahn ganz anders baute, das hatte auch profane Gründe. Da war die Bahn das Mobilitätsmittel für ALLE, den kleinen Mann wie den großen Baron gleichermaßen.
In der Blütezeit der Eisenbahn musste man auch oft mal mehrere Stunden am Bahnhof warten, weil die fahrpläne dünn waren und oft auch die Anreise zum Bahnhof doch einen gewissen zeitlichen Puffer erforderte. Da brauchte man entsprechende Wartehallen. Heute soll der Zustand des Wartens durch deutlich dichteren Zugbetrieb und Taktfahrpläne eigentlich ja gar nicht mehr großartig auftreten, sodass man eben nicht auf jedem Bahnhof eine supertolle Wartehalle braucht. Dafür braucht man heute in der Regel viel mehr Parkplätze als noch vor 100 Jahren. So ändern sich die Zeiten... ;)

Und nein, die Bahn war kein Mobilitätsmittel für ALLE. Noch bis in die 1920er Jahre musste man sich eine Eisenbahnfahrt wirklich leisten können, deswegen gab es anfangs bis zu vier Klassen in den Zügen, von denen man nacheinander erst die unterste (1928 -> Entfall 4. Klasse), später die oberste Klasse (1956 -> Entfall der alten 1. Klasse. Die alte 3. Klasse wurde dann zur neuen 2. und die alte 2. zur neuen 1. Klasse*) abgeschafft hat. Trotzdem war selbst eine Fahrkarte der 4. Klasse teuer und man konnte als Ottonormalbürger nicht wie heute quasi "einfach so" durch die Gegend fahren. Einmal München - Regensburg und zurück, da konnte bei einem Lehrling schon ein halber Monatslohn draufgehen! Eigentlich erst ab den 1920er Jahren und mit der Gründung der Reichsbahn und mit dem kompletten gesellschaftlichen Wandel in der Weimarer Republik (z.B. auch die Erkenntnis, die Welt war nicht mehr hinter'm Nachbardorf zu Ende...) wurde die Eisenbahn ein richtiges Massenverkehrsmittel für (fast) alle. Und trotzdem waren die Leute noch lange nicht so mobil wie heute.
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Boris Merath
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Beitrag von Boris Merath »

Rohrbacher @ 24 Jul 2011, 03:54 hat geschrieben: Was aber dann eben mal wieder nicht "am Design" liegt, sondern eben z.B. an der Höhe.
Irgendwer hat die Dächer entworfen. und derjenige hat entweder nicht bedacht dass die Höhe auch Nachteile hat, hat es wusst ignoriert, oder hat vom Chef gesagt bekommen er hats zu ignorieren. Irgendwer hat aber entschieden, dass das Aussehen wichtiger ist als die Funktion.
Ich würde sagen, die neuen Dächer (wenn wir die selben meinen) lassen mehr Licht rein, machen den Bahnhof auch ohne Kunstlicht nicht so duster und lassen den Bahnsteig deutlich einladender und großzügiger wirken.
Zutreffend. Nur leider schützen sie deutlich weniger gegen Regen - was nunmal Hauptzweck eines Bahnsteigdaches ist.
Das mit der Höhe fällt eigentlich auch nur dann auf, wenn ein Zug quasi in Windrichtung zwischen Bahnsteig und Fahrgast steht. Ansonsten ist es für mein Verständnis ziemlich wurscht, ob über Oberkante Kopf noch 1 oder 2 Meter kommen.
Was hat das mit einem Zug zu tun? Das Problem ist, dass der Regen selten grade runterfällt, meist kommt noch ein Wind dazu, so dass der Regen schräg fällt. Je höher die Dachkante ist, desto weiter kommt der schräge Regen auf dem Bahnsteig. Und bei schmalen Dächern kann es dann bei der neuen Bauform durchaus passieren dass das Gleis trocken ist, es aber auf dem Bahnsteig regnet. Bei den alten Dächern war das Problem wegen der niedrigeren Dachkante deutlich geringer.
Bis zur vollzogenen Anbringung von ausreichenden Sandstreuapparaten an allen Maschinen haben die Bahnwärter bei aufwärtsgehenden Zügen auf stärkeren Steigungen die Schienen ausgiebig mit trockenem Sand zu bestreuen und für die Bereithaltung eines entsprechenden Vorrathes zu sorgen.

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Beitrag von Flo_K »

Lazarus @ 24 Jul 2011, 02:30 hat geschrieben: Vorallem nervig, wenn man wie in Pasing geschehen auch noch die geschützen Warteräume einspart. Was zur Folge hat, das jetzt teilweise die Treppen als Wartezone benutzt werden und es da noch voller wird.
In Pasing kann man ohnehin Einiges Interessantes beobachten, was das Thema angeht, wenn man es auch auf die wichtigen/großen/gepflegteren Bahnhöfe bezieht und eben nicht nur auf verfallende Provinzbahnhofsgebäude. Interessant auch deshalb, da es sich immerhin um einen ICE-Bahnhof und einen Bahnhof der Kategorie 2 handelt (während der Ostbahnhof ja 1 ist). Die Gestaltung des Nordeingangs zum Beispiel: Wirkt ja durchaus etwas Bunker-haft, wurde vom BA auch offiziell kritisiert und hatte auch gleichzeitig funktional so seine Tücken, nachdem dort Anfangs genau über der Eingangstür das Regenwasser durch das Rohr nach unten auf durchgehende Fahrgäste tropfte oder die neue Uhr im Gegensatz zur alten nur noch von vorne erkennbar die Zeit anzeigt. Zumindest Ersteres hat man mittlerweile behoben. Aber wo jetzt ästhetisch der Unterschied zwischen diesem Sichtbeton-Ding und der Architektur der 60er/70er sein soll, hat sich mir noch nicht wirklich erschlossen. Klar, sowas ist Geschmackssacke, klar, sowas muss ja auch irgendwie zeitlos sein und klar, der BA meckert ja meistens lieber einmal zu viel, als einmal zu wenig. Aber Pasing als wirklich nicht kleiner Bahnhof ist eben so ein Beispiel, wo ich keinerlei Willen mehr erkennen kann, etwas über das notwendige Minimum Hinausgehendes zu machen. Und zwar ästheteisch wie auch funktional! Während die Stadt der Bahn das Terminalgebäude baut und dort die Gänge scheinbar wenigstens mit Metallelementen verkleiden wird, wird die Bahn auch in der Unterführung ihre weißen Fließen einsetzen... ich bin schon auf die Gestaltung des Übergangs zwischen Terminal und DB-Unterführung gespannt ^^
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Beitrag von Cloakmaster »

Marcel @ 24 Jul 2011, 01:35 hat geschrieben:
Da die Bahn auch massiv mit Staatskosten bezuschusst wird, sollte das Geld dort eingesetzt werden, wo es sinnvoll ist. Und für einen ostdeutschen Provinzbahnhof ist es alles andere als sinnvoll.
Das kann auch nur jemand sagen, dessen Bahnhof nicht weg rationalisiert worden ist. Theoretisch wäre es sinnvoller, den S-Bahnhof Stachus zu schliessen, als zB die Schließung von Böhrigen(Sachsen) war. Weil die Leute, die am Stachus aus/umsteigen zahlreiche Alternativmöglichkeiten in unmittelbarer Nähe haben. In Böhrigen fährt nun aber nichts mehr. Einige von den wenigen glücklichen, die dort wohnen und Arbeit hatten, verloren diese Arbeit, weil sie durch die Einstellung nicht mehr hin und zurück kamen. Führerschein ist eben keiner vorhanden, und mit Mitte, Ende 40 ist es auch gar nicht so leicht, nochmal die "Schulbank zu drücken", und Fahrstunden zu nehmen. Von den Kosten für den Führerschein und der Anschaffung eines Kfz mal abgesehen.

Staatsgeld soll sinnvoll eingesetzt werden. Nur die Frage, ob es sinnvoller ist, wenn Macel X künftig statt alle 20 Minuten sogar alle 10 Minuten mit der S-Bahn von Planegg zum Marienplatz kommt, oder wenn Lieschen Müller überhaupt die Möglichkeit hat, mit der Bahn von Böhrigen nach Chemnitz (und von dort nach ganz Deutschland) zu kommen, darüber gehen unsere Ansichten sicherlich auseinander. ..
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Jojo423
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Beitrag von Jojo423 »

Cloakmaster @ 24 Jul 2011, 07:16 hat geschrieben:
Marcel @ 24 Jul 2011, 01:35 hat geschrieben:
Da die Bahn auch massiv mit Staatskosten bezuschusst wird, sollte das Geld dort eingesetzt werden, wo es sinnvoll ist. Und für einen ostdeutschen Provinzbahnhof ist es alles andere als sinnvoll.
Das kann auch nur jemand sagen, dessen Bahnhof nicht weg rationalisiert worden ist. Theoretisch wäre es sinnvoller, den S-Bahnhof Stachus zu schliessen, als zB die Schließung von Böhrigen(Sachsen) war. Weil die Leute, die am Stachus aus/umsteigen zahlreiche Alternativmöglichkeiten in unmittelbarer Nähe haben. In Böhrigen fährt nun aber nichts mehr. Einige von den wenigen glücklichen, die dort wohnen und Arbeit hatten, verloren diese Arbeit, weil sie durch die Einstellung nicht mehr hin und zurück kamen. Führerschein ist eben keiner vorhanden, und mit Mitte, Ende 40 ist es auch gar nicht so leicht, nochmal die "Schulbank zu drücken", und Fahrstunden zu nehmen. Von den Kosten für den Führerschein und der Anschaffung eines Kfz mal abgesehen.

Staatsgeld soll sinnvoll eingesetzt werden. Nur die Frage, ob es sinnvoller ist, wenn Macel X künftig statt alle 20 Minuten sogar alle 10 Minuten mit der S-Bahn von Planegg zum Marienplatz kommt, oder wenn Lieschen Müller überhaupt die Möglichkeit hat, mit der Bahn von Böhrigen nach Chemnitz (und von dort nach ganz Deutschland) zu kommen, darüber gehen unsere Ansichten sicherlich auseinander. ..
Ich denke die Anzahl der Fahrgäste, die wirklich in der Station bleiben möchten (z.B. Kiosk *g*) ist höher, als die Zahl der Fahrgäste aus Böhringen.
Zudem ist die Frage, ob mehr Menschen mit der S6 im 10er Takt fahren, oder ob mehr von Böhringen nach Chemnitz fahren wollen. Dir sind wohl Minderheiten mehr wert als Menschenmassen *kopfschüttel*
Viele Grüße
Jojo423
Cloakmaster
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Beitrag von Cloakmaster »

Mir ist eine gewisse Grundversorgung für ALLE wichtiger als eine Über-Versorgung von privilegiertien, ja.

Natürlich ist ein dichtes Angebot in den Großstädten enorm wichtig, um den Verkehrskollpas zu verhindern. Aber sich deswegen aus der Fläche völlig zurückzuziehen, und die Möglichkeiten auf NULL zu reduzieren, was einhergeht mit Verlust von Arbetisplätzen und ganzen Existenzen, Verödung von Landschaften, Entsiedelung etc etc. Sehe ich als einen extrem falschen Weg an. Die ganze Diskussion um die zweite Stammstrecke ist letztlendlich ein Luxusproblem, während es bei anderen buchstäblich um das nackte Überleben geht.

Nachtrag: Die Zahl der Fahrgäste aus Böhrigen ist - gezwungener Maßen - gleich Null, und damit sicherlich niedriger als die Zahl der Fahrgäste, die sich den ganzen Tag am HP Kreuzstraße aufhalten (von Stachus gar nicht zu reden) . Ein vernünftiger und stabiler 30-Minuten-Takt hätte sicherlich einige Umzüge und Autokäufe verhindert, und dementsprechend genug Potential gehabt, wenn man eben schon früher dafür gesorgt hätte, daß die Strecke in ordentlichem Zustand ist, und bleibt. Früher fuhr man Chemnitz-Hainichen-Roßwein-Dresden, nun ist eben nur noch der Stummel Chemnitz-Hainichen übrig, betrieben von einem privaten Bahnunternehmen. Jenes Unternehmen hatte sich dafür eingesetzt, mindestens wieder bis zum Umsteigeknoten Roßwein durchzufahren. Aber leider hat man nun angefangen, auf dem Bahndamm einen Radwanderweg einzurichten... Direkt am Bahnhof Böhrigen befand sich überigens das modernste Schulgebäude der Region, mit - was da drüben noch eingermassen selten ist - eigenem Sportplatz und eigener Turnhalle. Diese Schule wurde dann auch mal dicht gemacht, und die Schüler auf andere, weniger gut ausgestattete Schulen verteilt, welche aber besser in das Buskonzept passten. Der Schulbus meiner Tochter fährt pünktlich um 6.48 ab. Sie geht in die erste Klasse.
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Beitrag von Jojo423 »

Xenon @ 24 Jul 2011, 03:13 hat geschrieben: Dass die Bahn ein schlechtes Image hat, ist auch selbst verschuldet, zum Beispiel wegen heruntergekommen Bahnhöfen, verspäteten Züge, unfreundlichen Personal, unkomfortablen Zügen oder zu hohen Fahrpreisen.
Das sind aber alles nur Klischees. Zudem bestätigt die Ausnahme die Regel. Ich fahre jeden Tag mit der Bahn, und habe sogut wie nie Verspätungen (Für mich beginnt eine Verspätung erst ab +5, weil alles andere davor ist menschlich). Zu hoher Fahrpreis ist IMHO nur im Fernverkehr. Und unkonfortabel ist noch nicht mal unserer 423er.
Viele Grüße
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Beitrag von 146225 »

Bayernlover @ 23 Jul 2011, 20:20 hat geschrieben: Ja das stimmt, so richtig eigenständige architektonische Experimente sind offensichtlich nicht gewünscht, außer der Denkmalschutz funkt dazwischen.
Wobei allerdings z.B. auch schon die Königlich Württembergische Staatseisenbahn des mittleren und ausgehenden 19.Jahrhunderts sich gewisse Architekturstandards geschaffen hatte, um nicht für jeden Bahnhof alles neu machen zu müssen. Viele Streckenabschnitte weisen, so nach über 100 Jahren und zwei Weltkriegen noch erhalten, oft von Ort zu Ort das gleiche oder weitgehend gleichartige Empfangsgebäude auf.

Dieser Faden wurde später dann auch wieder aufgegriffen, so sind z.B. die Empfangsgebäude von Pforzheim Hbf und Heilbronn Hbf, welche nach dem Krieg neu gebaut werden mussten, zwar nicht total identisch aber erkennbar aus dem gleichen Baukasten. Böblingen, Göppingen und Bietigheim-Bissingen sind leicht verkleinerte und ebenfalls individualisierte Variationen davon. Diese Architektur spricht sehr deutlich die Sprache der 1950er, und zumindest Heilbronn ist zwischenzeitlich auch vom Denkmalschutz erfasst, für die anderen weiß ich es nicht.

Der Trend, zumindest an von der Besucherfrequenz stärkeren Stationen eine Kommerzialisierung des Bahnhofes vorzunehmen ("Einkaufszentrum mit Gleisanschluß") ist ja nun schon seit über 20 Jahren erkennbar. Dagegen spricht an sich erstmal nix, wenn es denn gelungen umgesetzt wird. Negativbeispiel ist hier meines Erachtens Ludwigsburg, wo das "Einkaufzentrum" einen doch recht schmuddelig angehauchten Charme hat.
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Beitrag von Marcel »

Die Politik muss endlich einsehen, dass das ländliche Ostdeutschland völlig unattraktiv ist. Es gibt fast nur noch alte Einwohner, da die jungen entweder in die Städte oder in den Westen ziehen.
Daher brauchen 889-Einwohner-Käffer wie Böhringen kein teures Gemeindehaus, schöne Plastersteinstraßen und eben ein schickes Bahnhofsgebäude mit Fahrtmöglichkeiten alle 10 Minuten.

Besser konzentriert man sich auf die Städte und gibt denen einen vernünftigen ÖPNV. Dann ist das Geld dort eingesetzt, wo es sinnvoll ist und nicht bei einem Provinzbahnhof am Arsch der Welt.

Nach 20 Jahren Wende muss man das endlich kapieren und nicht noch einmal 20 Jahre oder länger mit dem Soli und sonstwas vollkommen unnötige Projekte subventionieren.
So werden auch im Westen Regionen abgehängt, zum Beispiel die Oberpfalz, sodass schon der Bayerische Zukunftsrat empfiehlt, diese Regionen (mehr oder weniger) aufzugeben.
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Beitrag von Bayernlover »

Wenn es nicht so dumpf verallgemeinernd und verachtend geschrieben wäre, könnte man Dir sogar zustimmen. Ja, es ist viel zu viel Geld in den Osten geflossen, das ist richtig. Fakt ist aber auch, dass man nicht jede Region abhängen kann die nicht mindestens 5000 EW/qkm hat!
Für mehr Administration. Gegen Sittenverfall. Für den Ausschluss nerviger Weiber.
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Beitrag von 146225 »

Marcel @ 24 Jul 2011, 11:06 hat geschrieben: Die Politik muss endlich einsehen...
Völlig falscher Ansatz - was solltest Du vielleicht schon längst gelernt haben? Wirst Du es tun, wenn man Dir so begegnet? Na also...
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Beitrag von Marcel »

Es wird in Zukunft immer mehr darauf hinauslaufen, dass immer mehr Menschen in den Städten leben, als auf dem Land. Nicht nur im Osten, sondern auch im Westen, da die Lebensqualität durch vielfältige Freizeitangebote in den Städten höher ist, als auf dem Land.

Gleichzeitig ist es ökologischer, wenn jeder (viele) nahe am Arbeitsplatz wohnt, als jeden Tag 100km mit dem Auto hin- und zurück fährt.
Im Osten werden irgendwann kleinere Dörfer von der Landkarte verschwinden, da die Alten wegsterben und die Jungen weggezogen sind. Diese Dörfer könnte man beispielsweise umwandeln in Naturschutzwälder.

Dadurch löst man mehrere Probleme: Das Verkehrskonzept kann sich auf Ballungsräume konzentrieren, die Natur wird aufgewertet und die Lebensqualität wird erhöht.
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Beitrag von Bayernlover »

Ja, das ist ja nix neues. Fakt ist aber auch, dass es auch im Osten noch Gegenden mit Menschen geben wird - und da ist es durchaus legitim, einen schönen Bahnhof zu haben.
Für mehr Administration. Gegen Sittenverfall. Für den Ausschluss nerviger Weiber.
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Beitrag von 146225 »

Marcel @ 24 Jul 2011, 11:37 hat geschrieben: Es wird in Zukunft immer mehr darauf hinauslaufen, dass immer mehr Menschen in den Städten leben, als auf dem Land. Nicht nur im Osten, sondern auch im Westen, da die Lebensqualität durch vielfältige Freizeitangebote in den Städten höher ist, als auf dem Land.
Diese Entwicklung ist auch der Alterung der Gesellschaft geschuldet. Man kann sie nicht erzwingen, aber sinnvoll begleiten, will sagen: Durch gute Infrastruktur werden Entwicklungsachsen geschaffen, an denen sich die Einwohnerzahlen von alleine nach oben entwickeln. In diesem Sinne kann es auch nützlich sein, die eine oder andere Nebenbahn gezielt auszubauen und zu fördern, wenn sie im Einzugsbereich eines Mittel- oder Oberzentrums eine solche Entwicklungsachse darstellen kann.

Das funktioniert übrigens unabhängig von der Himmelsrichtung in ganz Deutschland.
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