Boris Merath @ 24 Jul 2011, 01:36 hat geschrieben:Vorallem wenn verbessertes Design auch verschlechterte Funktion bedeuten kann - die neuen Bahnsteigdächer sehen zwar zweifellos schöner aus als die alten, durch die höhere Höhe und auch noch die schräge Öffnung nach oben regnets bei denen je nach Wind viel früher seitlich rein als bei den alten klotzartigen.
Was aber dann eben mal wieder nicht "am Design" liegt, sondern eben z.B. an der Höhe. Oder wenn ein Auto nicht in die Parklücke passt, ist nicht "das Design" schuld, sondern der, der das Auto so lang gebaut hat. Aber ich weiß, "das Design" ist immer schuld genauso wie "die Bundesbahn" immer Verspätung hat.
Ich würde sagen, die neuen Dächer (wenn wir die selben meinen) lassen mehr Licht rein, machen den Bahnhof auch ohne Kunstlicht nicht so duster und lassen den Bahnsteig deutlich einladender und großzügiger wirken. Das mit der Höhe fällt eigentlich auch nur dann auf, wenn ein Zug quasi in Windrichtung zwischen Bahnsteig und Fahrgast steht. Ansonsten ist es für mein Verständnis ziemlich wurscht, ob über Oberkante Kopf noch 1 oder 2 Meter kommen. Mit den heute verbreiteten Doppelstockwagen könnte es auch zusammenhängen, damit man auch vom Oberdeck noch unter das Bahnsteigdach schauen kann und nicht nur auf eine Metallblende. Warscheinlich hat das sogar jemand mitgedacht.
Bloss das Petershausner EG gehört der Gemeinde , schaut aber auch nicht besser als eines der Immobilien-Heuschrecken aus.
Es gehört zwar momentan der Gemeinde, nur hat die immer noch keinen Investor gefunden, der aus dem Bahnhof was machen will. Behalten will und kann die Gemeinde das Gebäude anscheinend nicht. Oder doch. Tja, sie weiß es glaub' ich selber nicht.
so dass die scheußliche Architektur der alten Bundesbahnära einfach nicht so präsent war wie die "Corporate Identity" der DB
Was überhaupt nichts miteinander zu tun hat. Die Architektur in den 50er bis 70er Jahren war nunmal so wie sie war. Man war damals ja eigentlich schon da, wo einige ja anscheinend immer hinwollen: Funktionalismus pur. Wohnhäuser aus der "alten Bundesbahnära" sehen auch nicht anders aus.
Übrigens wird das Eisenbahnforum 2050 genauso über die Bauten von heute schimpfen, wie das Eisenbahnforum von 1960 die damaligen Bauten vermutlich gelobt hätte. We call it Zeitgeist.
Das hat aber alles mit dem eigentlichen Thema zu tun. Wenn es um den selben Artikel geht, den ich heute gelesen habe, dann geht's weniger um Fragen der Architektur, des Zeitgeschmacks oder irgendwelche Bahn vs. Autofragen, sondern ganz einfach um den (optischen) Zustand der Bahnanlagen. Genauso wie ein 60er Jahre Bau top geplegt sein kann, kann ein total schicker Neubau nach kurzer Zeit völlig vergammelt und verwahrlost sein, wenn sich keiner drum kümmert. Und genau darum geht's: In einem globalen Logistikkonzern, wie die DB einer sein will, kümmert sich niemand um kleine "Filialen", die man blöderweise halt geerbt hat und für deren nicht obligatorisch nötigen Teile (das sind auch die Empfangsgebäude fast aller kleineren Bahnhöfe) im Eisenbahntopf einfach kein Geld mehr da ist.
Die Post hat mittlerweile auch (fast) nur noch Agenturen in fremden Läden und keine eigenen "Postämter" mehr. Genau da geht die Bahn auch hin. Nur ist das eben bei der Bahn nicht so einfach, weil der Bahnhof halt immer am Bahnhof ist und nicht die Bahnagentur irgendwo bei einem Ladenbesitzer einziehen kann, sondern der Laden zum Bahnhof kommen muss...
Bei uns im Bahnhof ist letztes Jahr in die ehemalige Bahnhofskneipe ein lokaler Bäcker mit kleinem Cafe eingezogen, ein super Laden, dagegen können sämtliche Münchner "Systembäcker" nicht anstinken und läuft glaube ich sehr gut... Jetzt müsste man eigentlich nur noch die Leute im Bäckerladen entsprechend ausbilden und materiell ausstatten, dass sie Tickets verkaufen können (was ja in Verkehrsverbünden oft jeder zweite Kiosk macht), schon hätten wir auf unserem Dorfbahnhof einen geheizten, bewirtschafteten "Warteraum" mit Fahrkartenverkauf, der Montag bis Freitag von 04:30 Uhr bis 20:00 Uhr, samstags von 06:00 Uhr bis 12:30 Uhr und sonntags von 07:00 Uhr bis 17:00 Uhr offen hat und das zu Kosten, die geringer sind als jetzt.
Auf den Zustand des Gebäudes hat das aber noch keinen Einfluss. Die meiner Meinung nach sinnvollste Lösung wäre gewesen, auch wenn man das damals warscheinlich noch nicht so wissen konnte, die Empfangsgebäude aller Bahnhöfe im Zuge der Bahnreform automatisch an die Gemeinden oder Landkreise zu vermachen. Aber auch das hilft nichts z.B. gegen verwahrloste ehemalige Ladestraßen, Rangiergleise, etc. und ihren typischen Gammellook.
Es ist aber vorallem richtig dass man in der Blütezeit der Eisenbahn ganz anders baute, das hatte auch profane Gründe. Da war die Bahn das Mobilitätsmittel für ALLE, den kleinen Mann wie den großen Baron gleichermaßen.
In der Blütezeit der Eisenbahn musste man auch oft mal mehrere Stunden am Bahnhof warten, weil die fahrpläne dünn waren und oft auch die Anreise zum Bahnhof doch einen gewissen zeitlichen Puffer erforderte. Da brauchte man entsprechende Wartehallen. Heute soll der Zustand des Wartens durch deutlich dichteren Zugbetrieb und Taktfahrpläne eigentlich ja gar nicht mehr großartig auftreten, sodass man eben nicht auf jedem Bahnhof eine supertolle Wartehalle braucht. Dafür braucht man heute in der Regel viel mehr Parkplätze als noch vor 100 Jahren. So ändern sich die Zeiten...
Und nein, die Bahn war kein Mobilitätsmittel für ALLE. Noch bis in die 1920er Jahre musste man sich eine Eisenbahnfahrt wirklich leisten können, deswegen gab es anfangs bis zu vier Klassen in den Zügen, von denen man nacheinander erst die unterste (1928 -> Entfall 4. Klasse), später die oberste Klasse (1956 -> Entfall der alten 1. Klasse. Die alte 3. Klasse wurde dann zur neuen 2. und die alte 2. zur neuen 1. Klasse*) abgeschafft hat. Trotzdem war selbst eine Fahrkarte der 4. Klasse teuer und man konnte als Ottonormalbürger nicht wie heute quasi "einfach so" durch die Gegend fahren. Einmal München - Regensburg und zurück, da konnte bei einem Lehrling schon ein halber Monatslohn draufgehen! Eigentlich erst ab den 1920er Jahren und mit der Gründung der Reichsbahn und mit dem kompletten gesellschaftlichen Wandel in der Weimarer Republik (z.B. auch die Erkenntnis, die Welt war nicht mehr hinter'm Nachbardorf zu Ende...) wurde die Eisenbahn ein richtiges Massenverkehrsmittel für (fast) alle. Und trotzdem waren die Leute noch lange nicht so mobil wie heute.