Warum sind Bahnfahrzeuge so schwer?

Rund um die Technik der Bahn
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andreas
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Beitrag von andreas »

Der Laie fragt sich, warum wiegt eine Lok (BR 103) über 100 Tonnen?
oder ein ET 423, der auch über 100 Tonnen wiegt?

Brauchen die das Gewicht nur wegen der Traktion?
Könnte man da bei der Konstruktion grad von Triebzügen für den Personen verkehr Gewicht einsparen?
Caesarion
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Beitrag von Caesarion »

Naja, gerade die BR 103 ist deswegen so schwer, weil die noch aus einer Zeit stammt, als die nötige Rahmenfestigkeit nur in Stahlbauweise erreicht werden konnte, sowie wegen den schweren Gleichstrommotoren, dem Fahrwerk sowie natürlich wegen dem Trafo, der alleine so 15-20 Tonnen wiegt.
Fichtenmoped
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Beitrag von Fichtenmoped »

Es sind mehrere Gründe. Die Technik ist nicht gerade leicht, es soll auch stabil sein um die geforderten Zugkräfte auszuhalten, Crashvorschriften sind zu beachten,...
Aufgrund von Rostschäden besteht Signaturersatzverkehr!

Wir bitten um Entschuldigung für die Unannehmlichkeiten.
Martin H.
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Beitrag von Martin H. »

Also ein gewisses Gewicht ist sicher nötig, im Sinne der Wirtschaftlichkeit und Streckenschonung sollte es hingegen möglichst gering sein.
Die Baureihe 189 beispielsweise ist durch ihre Möglichkeit in vielen Ländern zu fahren durch die nötigen Komponenten so schwer, dass man für die Seitenwände Sickenbleche verwendet hat, also höhere Stabilität bei geringerem Materialeinsatz.
Beim 627 und 628.0 war es wohl weniger wegen dem Gewicht, sondern eher zu Testzwecken.

Die BR 361/363/365 sind die mir einzig bekannten die extra Ballast an Bord haben, abgesehen von einigen 215-218 wo die fehlende H-Bremse oder der Heizkessel dadurch ersetzt wird. Teilweise schraubt man unter Mittelwagen die zu Steuerwagen wurden, Gewichte.
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Boris Merath
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Beitrag von Boris Merath »

Loks werden absichtlich schwer gebaut. Triebwagen versucht man möglichst leicht zu bauen.
Bis zur vollzogenen Anbringung von ausreichenden Sandstreuapparaten an allen Maschinen haben die Bahnwärter bei aufwärtsgehenden Zügen auf stärkeren Steigungen die Schienen ausgiebig mit trockenem Sand zu bestreuen und für die Bereithaltung eines entsprechenden Vorrathes zu sorgen.

Fahrdienstvorschrift bayerische Staatsbahnen 1876
VossBär
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Beitrag von VossBär »

Die Physik läßt grüssen.
Da war mal was mit der Haftreibzahl.
Und je schwerer das Objekt ist, desto mehr Kraft kann bei gleichbleibender Reibzahl übertragen werden. Aus der Kraft und angehängter Last ergibt sich dann eine Beschleunigung.
Bei der alten BR 184 hat man nach Ausbau der Gleichstromteile ein ebenso schweres Betonteil eingefügt, damit die Dienstmasse der Lok wieder passte.
Auch bei der V60, inzwischen als 362/363 unterwegs hat man die damalige 261 - jetzige 363 schwerer gebaut, damit sie mehr 'wegzog'.
Bei den Triebwagen mit mehr oder weniger Allradantrieb spielen noch andere Aspekte eine Rolle. Jede Tonne, die täglich tausendfach weniger beschleunigt werden muß, spart pures Geld.
Daher waren die alten 420 schon im Mittelteil (=421) aus Alu, später der ganze Zug.
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Galaxy
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Beitrag von Galaxy »

Bei der 103 kommt hinzu das sie zusätzlich als Lastesel geplant war. Ich nehme an dies ist auch der Grund für die Co’Co’ Achsen. Aber verdammt ist das Teil gut gestylt.
VossBär
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Beitrag von VossBär »

Galaxy @ 7 Mar 2013, 23:56 hat geschrieben: Bei der 103 kommt hinzu das sie zusätzlich als Lastesel geplant war. .....
Naja, nicht ganz.

Zitat aus Wikipedia :

"Ursprünglich waren die Loks für den Einsatz vor einklassigen und damit leichteren Zügen konstruiert worden und nicht für die aus 10-14 Wagen (teilweise auch mehr) bestehenden zweiklassigen InterCitys, wie sie ab 1979 gefahren wurden."

Der Einsatz als "Lastesel" hat letztendlich nach nur 30 Jahren das Ende der Baureihe bedeutet.
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chris232
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Beitrag von chris232 »

VossBär @ 7 Mar 2013, 22:17 hat geschrieben: Bei der alten BR 184 hat man nach Ausbau der Gleichstromteile ein ebenso schweres Betonteil eingefügt, damit die Dienstmasse der Lok wieder passte.
Ich nehme mal schwer an dass das auch eine Frage der Konstruktion (Schwerpunkt etc.) war und nicht der Befürchtung, die Anschriften ändern zu müssen.
Eisenbahnen sind in erster Linie nicht zur Gewinnerzielung bestimmt, sondern dem Gemeinwohl verpflichtete Verkehrsanstalten. Sie haben entgegen dem freien Spiel der Kräfte dem Verkehrsinteresse des Gesamtstaates und der Gesamtbevölkerung zu dienen.
Otto von Bismarck

Daher hat die Bahn dem Gemeinwohl und nicht privaten Profitinteressen zu dienen, begreifen Sie es doch endlich mal!
Meikl
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Beitrag von Meikl »

Das ist von der Physik eigentlich ganz einfach. Die Haftreibung ist direkt proportional zum Gewicht (Nichtlinearitäten vernachlässige ich jetzt mal). Das heißt, eine Lok, die die Hälfte wiegt, kann nur die halbe Zugkraft liefern. Aus diesem Grund haben mehr oder weniger alle Loks die gleiche Achslast (ist im wesentlichen durch die minimale zulässige Achslast der Strecken vorgegeben):

101: 21 t
110: 21.25 t
194: 19.8 t bzw. 20.2 t
218: 20 t
232: 20.4 t
sogar bei Dampfloks: 01: 20.2 t

Bei Triebwagen ist die Situation anders. Ich nehme zur Vereinfachung jetzt mal einen Allachsantrieb an. Die Beschleunigung ist umgekehrt proportional zur Masse, so daß sich bei der maximal möglichen Beschleunigung (kurz bevor die Räder durchdrehen) die Masse rauskürzt. Bei ausreichender Leistung beschleunigen (und bremsen) also etwa ein halb so schwerer Triebwagen genauso wie ein doppelt so schwerer Triebwagen. Spart man also Masse ein, dann verbraucht der Triebwagen weniger Energie, ohne daß sich die Performance ändert. Aus diesem Grund sind Triebwagen häufig Leichtbau.
riedfritz
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Beitrag von riedfritz »

Meikl
(ist im wesentlichen durch die minimale zulässige Achslast der Strecken vorgegeben):
Du meinst sicher diemaximal zulässige Achslast, eine minimal zulässige gibt es nicht, sonst dürften keine Kleinfahrzeuge fahren.

@Andreas: Warum meinst Du wohl, dass auf der SFS Frankfurt . Köln keine Güterzüge fahren dürfen?
Das liegt daran, dass die Reibung der Loks auf Steigungsstrecken des öfteren nicht ausreichen würde, einen Güterzug, der anhalten mußte, wieder in Bewegung zu bringen.


Viele Grüsse,

Fritz
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riedfritz
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Beitrag von riedfritz »

Ergänzung aus dem Physikunterricht:

Die Reibung, die zum Ziehen eines Zuges notwendig ist, erhöht sich durch größere Auflagefläche (12 statt 8 Räder) aber nur, wenn das Lokomotivgewicht (80 t) nicht auf 6 Achsen verteilt wird, sondern das Gewicht auf jedem Rad gleich bleibt, ergo aus einer 80-t-Lok eine 120-t-Lok wird.


Viele Grüsse,

Fritz
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gmg
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Beitrag von gmg »

Kleiner Exkurs:
Bei extremem Hochwasser parkt man teilweise Loks über den Pfeilern von Eisenbahnbrücken. Damit verleiht man der Brücke mehr Standfestigkeit. So haben sie das auch bei der sog. Jahrhundertflut 2002 gemacht.
GSIISp64b
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Beitrag von GSIISp64b »

riedfritz @ 10 Mar 2013, 19:35 hat geschrieben: Die Reibung, die zum Ziehen eines Zuges notwendig ist, erhöht sich durch größere Auflagefläche (12 statt 8 Räder) aber nur, wenn das Lokomotivgewicht (80 t) nicht auf 6 Achsen verteilt wird, sondern das Gewicht auf jedem Rad gleich bleibt, ergo aus einer 80-t-Lok eine 120-t-Lok wird.
Praktisch gesehen hängt die Beschleunigung eines Zuges im niedrigen Geschwindigkeitsbereich nur davon ab, wie groß der Haftreibungskoeffizient ist (das ist quasi rein witterungsabhängig) und wie viel Prozent der Zugmasse auf angetriebenen Achsen liegt. Leistung, Zugmasse, Reibmasse fliegen damit aus der Gleichung raus.
Dauerhaft abwesend, und ich komme nicht mehr wieder.
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hmmueller
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Beitrag von hmmueller »

GSIISp64b @ 10 Mar 2013, 20:29 hat geschrieben: Praktisch gesehen hängt die Beschleunigung eines Zuges im niedrigen Geschwindigkeitsbereich nur davon ab, wie groß der Haftreibungskoeffizient ist (das ist quasi rein witterungsabhängig) und wie viel Prozent der Zugmasse auf angetriebenen Achsen liegt. Leistung, Zugmasse, Reibmasse fliegen damit aus der Gleichung raus.
Fast: Der Haftreibungskoeffizient und die Zahl der (maximal belasteten) Achsen ergeben die mögliche Zugkraft --> mit dem 3. Newtonschen a=F/m ist die Beschleunigung also schon von der Zugmasse abhängig: Doppelte Masse = halbe Beschleunigung. Und wenn man die Achszahl erhöht (Vorspann!), kriegt man mehr Zugkraft, also mehr Beschleunigung. Aber alles andere ist, wenn genügend davon da ist, wirklich irrelevant.

// Edit: Etwas besser formuliert.
Meine Eisenbahngeschichten - "Von Stellwerken und anderen Maschinen ..."
Die Organe der Bahnerhaltung sind ermächtigt, den Arbeitern zur Aneiferung angemessene Quantitäten von Brot, Wein oder Branntwein unentgeltlich zu verabfolgen. Nr. XXVII - Vorschriften für das Verhalten bei Schneefällen, K. k. Österreichische Staatsbahnen, Gültig vom 1. Oktober 1906; Artikel 14(5)
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Beitrag von GSIISp64b »

Äh moment. Die Zugmasse und Reibmasse stecken im Anteil der Masse auf angetriebenen Achsen ja drin. Wenn zum Beispiel die Hälfte der Zugmasse m auf angetriebenen Achsen ruht (d. h. als Reibmasse wirkt):

Ft,max = mu * 0,5m * g
F = m*a => a = F/m = mu * 0,5m * g / m = 0,5 * mu * g.
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hmmueller
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Beitrag von hmmueller »

Gern. Dann redest Du von Triebwagen, wo die Reibmasse ein fester Anteil der Zugmasse ist. Ich red von normalen, lokbespannten Zügen, wo die Reibmasse unabhängig vom Zuggewicht ist (ein 1500t-Zug hat bei Einfachbespannung dieselben 84t Reibmasse wie ein Lokalzug mit 2 n-Wagen).
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Beitrag von GSIISp64b »

hmmueller @ 10 Mar 2013, 22:47 hat geschrieben: Gern. Dann redest Du von Triebwagen, wo die Reibmasse ein fester Anteil der Zugmasse ist. Ich red von normalen, lokbespannten Zügen, wo die Reibmasse unabhängig vom Zuggewicht ist (ein 1500t-Zug hat bei Einfachbespannung dieselben 84t Reibmasse wie ein Lokalzug mit 2 n-Wagen).
Jamei, dann ist die 0,5 halt eine Variable. Das ist mir schon klar. Ändert aber nix an meiner Grundaussage.

Wir meinen beide genau das gleiche, ich drücke es nur etwas anders aus als du.
Dauerhaft abwesend, und ich komme nicht mehr wieder.
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